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07 Mai 2021

New Work: "Die Wende zum Besseren beginnt"

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New Work:

Kommandieren und kontrollieren ist Old Work. New Work ist die Zukunft, meint Carsten Schermuly, Professor für Wirtschaftspsychologie.

New Work ist ein Gewinner der Krise, meint Carsten Schermuly, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule SRH Berlin und dort als Vizepräsident für Forschung und Transfer tätig. Seine Aussage stützt er auf seine Studie, eine Online-Befragung unter rund 450 Unternehmen. "Die meinen, dass New Work durch die Corona-Pandemie und die disruptiven Veränderungen etwa in der Automobilindustrie mehr Bekanntheit und Zulauf erhalten hat." Unternehmen experimentieren mit neuen Arbeitsmodellen und Strukturen, um den Anforderungen der Beschäftigten gerecht zu werden.

Arbeitnehmer fordern zunehmend etwa Selbstbestimmung bei ihrer Arbeit und Einfluss auf ihre Arbeit, einen bedeutsamen und kompetenten Job. Diese vier Faktoren fasst Schermuly unter dem Begriff psychologisches Empowerment zusammen. Das führt zu höherer Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit und reduziert emotionale Erschöpfung und langfristig Depressionen. Unternehmen, die solche Jobs bieten, werden für Beschäftigte attraktiv. Darin liegt die Win-win-Situation von New Work.

Es ist ziemlich still geworden um New Work, der grundlegenden Veränderung unserer Arbeitswelt. Ist der Wandel ein Opfer der Pandemie geworden?

Prof. Dr. Carsten Schermuly: Es kommt darauf an, wie New Work definiert wird. Wir erstellen jährlich das New-Work-Barometer und haben bei der Befragung im vergangenen Jahr festgestellt, dass New Work ein Krisengewinner ist. 80 Prozent der befragten Unternehmen sehen die Krise als einen positiven Faktor für New Work.

Wie definieren Sie New Work?

Für unser Barometer befragen wir, was die Unternehmen unter dem Begriff verstehen. Das ursprüngliche Verständnis von Frithjof Bergmann wird als Sozialutopie abgetan, in dem langfristig die Lohnarbeit abgeschafft werden sollte. Das erscheint vielen unrealistisch. Am häufigsten gehen die Befragten davon aus, dass New Work Maßnahmen sind, mit denen das psychologische Empowerment von Mitarbeitenden stimuliert wird. Dies meint das Erleben eigener Bedeutsamkeit und Kompetenz sowie Selbstbestimmung und Einfluss bei und auf die Arbeit. Mit dieser Definition arbeiten wir.

Wie lassen sich die vier Faktoren des psychologischen Empowerments erreichen?

Laut dem Barometer sind das um die 30 Maßnahmen. Die am häufigsten eingesetzte ist agile Projektarbeit, dann folgen moderne Führungsstile und offene Bürostrukturen sowie Klassiker der Organisationsentwicklung wie mobiles Arbeiten und Abflachung von Hierarchien. Vieles von dem Genannten hat das Potenzial psychologisches Empowerment freizusetzen.

New Work regelt also die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Beschäftigten auf psychologischer Ebene neu.

Genau. Die Wahrnehmung der Arbeitsrolle wird durch New Work neu definiert und tatsächlich gibt es hier die vier genannten Kognitionen, die dabei stimuliert werden. New Work hat über psychologisches Empowerment die psychologischen Konsequenzen wie etwa, dass die Stressbelastung sinkt und die Menschen zufriedener am Arbeitsplatz sind. Die Innovationsleistung steigt und Menschen wollen sogar trotz Rentenalter in solchen positiven Arbeitsverhältnissen bleiben. Das ergab eine aktuelle Studie. Beeindruckend, wie ich finde.

Ist New Work eine Veränderung, die sich zwangsweise aufgrund unterschiedlicher Umstände ergibt?

Ja und am Anfang dieser Entwicklung steht die VUCA-Welt, die einen gewissen Druck ausübt. Die vier Buchstaben sind ein Akronym, das übersetzt die Begriffe Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit bedeutet. Weil sich unsere Welt dahin gehend verändert hat, beschäftigen sich viele Unternehmen damit, Arbeit in ihrer Organisation anders zu gestalten, mit dem Ziel, die äußere Komplexität mit einer inneren Komplexität spiegeln zu können. Dafür experimentieren sie mit verschiedenen Maßnahmen, die unter dem Label "New Work" assoziiert werden. Wenn das gelingt, gewinnen sie als Profit das psychologische Empowerment. Dass die Menschen über diese vier Forderungen der Arbeitswahrnehmung agiler und aktiver werden, das wird dann als New Work bezeichnet. Ein fruchtbarer Boden dafür besteht, wenn Kreativität für die Arbeit notwendig ist, Kollegen kooperieren müssen und bei komplexen Aufgaben. Wenn das alles nicht gegeben ist, dann ist die Notwendigkeit für New-Work-Maßnahmen geringer.

In der IT wohl schon, denn dort ist die Keimzelle von New Work mit agilen Arbeitsmethoden …

… ja und die IT leidet seit Langem unter einem Fachkräftemangel und deshalb hat sich die Branche schon früh Gedanken darüber gemacht, wie Arbeit so organisiert werden kann, dass Menschen Lust haben, in diesen Firmen zu arbeiten. Für die IT-Branche war schon früher als in anderen ein gewisser Handlungsdruck da. Aufgrund von Corona ändern aktuell große Industrieunternehmen ihr Verständnis der Arbeitswelt. Demokratisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung der Arbeitswelt, also die drei D, mit denen teilweise auch New Work bezeichnet wird, da funktioniert unsere Organisation nicht mehr und wir müssen etwas ändern. Diese Firmen spüren, dass sie ihre Arbeitsweisen nach Corona ändern müssen.

Sie sagten, dass IT-Unternehmen aufgrund des Arbeitskräftemangels gezwungen waren, ihre Organisation attraktiver zu gestalten. Laut dem Branchenverband Bitkom gibt es immer noch einen Mangel an IT-Fachkräften, der immer größer wird. Hat die Idee mit New Work nicht funktioniert?

Doch schon, nur jagen sich die Firmen gegenseitig Personal ab. Was nicht funktioniert hat, ist, so viel IT-Ausbildung zu betreiben, dass der Mangel gedeckt werden kann. Hinzu kommt, dass der Bedarf an IT-Experten eben ständig steigt. Es scheint ein Fass ohne Boden zu sein.

Was hat sich in deutschen Unternehmen hinsichtlich New Work schon verändert?

Lassen Sie mich zuerst aus unserer Studie zitieren. 90 Prozent der Befragten sagten, dass sie durch Digitalisierung, Homeoffice und die Erprobung von Kollaborationtools New Work mehr Aufmerksamkeit in den Unternehmen erfahren wird. Gut zwei Drittel gehen davon aus, dass sich die Arbeitswelt durch die aktuelle Krise radikal verändern und langfristig auf die Prinzipien von New Work einstellt. Ich sehe in vielen Firmen, dass sie die ersten Schritte wagen. In großen Unternehmen beginnen Führungskräfte über eine andere Art der Zusammenarbeit nachzudenken und werden darin trainiert. Sie schaffen Führungskräfte nicht ab, sie behalten sie bei, aber die agieren anders, etwa mit empowermentorientierter Führung. Dazu zählt, dass Führungskräfte sinnstiftend und partizipierend arbeiten und sie Kompetenzentwickler sind.

New Work bedarf eines völlig neuen Bewusstseins bei allen Beschäftigten. Kann das geschult werden oder muss so etwas wachsen mit neuen Generationen?

Neue Generationen werden von sich aus New Work einfordern. Wir an unserer Hochschule haben Vorlesungen im herkömmlichen Sinn abgeschafft, das ist nun eine Ausbildung auf Augenhöhe. New Work ist ein Wechselspiel zwischen organisationalen Strukturen, die sich verändern hin zu mehr Demokratisierung der Person und den Kulturen. In diesem Dreiklang bewegt sich das Spiel hin zu New Work.

Was bewirkt New Work in den Unternehmen und was in den Menschen?

Psychologisches Empowerment führt zu mehr Zufriedenheit und höherer Leistungsfähigkeit. Emotionale Erschöpfung wird reduziert und langfristig werden weniger Beschäftigte depressiv. Es sind zunächst Mikroveränderungen die auf lange Sicht die gesamte Gesellschaft ändern können. Wer glücklich von der Arbeit kommt, handelt anders als ein Mensch, der während der Arbeit psychisch fertig gemacht wird, wie es heute nicht selten vorkommt. Ich gehe davon aus, dass New Work sich positiv auf eine Vielzahl unserer Lebensbereiche auswirkt, nicht nur die Arbeit.

Quelle: heise online

23 April 2021

New Work im Reality Check

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#Future of Work

New Work im Reality Check

Steffen Behn hat in seinem Unternehmen schon einiges getestet, was man unter New Work versteht. Hier teilt er seine Erfahrungen.

Die Pandemie verändert unsere Arbeitswelt nachhaltig. Wie ein Katalysator beschleunigt sie die Digitalisierung, Sie zwingt nun auch große Konzerne und sehr traditionelle Branchen dazu, Arbeit neu zu denken. Wir haben schon sehr viel vertestet, was man unter New Work versteht. So manches ging richtig schief, vieles funktioniert besser als wir es selbst gedacht hätten. Drei wichtige Erfahrungen aus unserem Reality Check:

1. Freiheit funktioniert nur in Maßen

Als 2016 der Startschuss zu unserer selbstbestimmten Arbeitskultur fiel, waren wir voll freudiger Erwartung und überzeugt, dass der neue, freie Arbeitsmodus die Leidenschaft und Dynamik in unser Team zurückbringen würde. Wir haben unsere Organisation radikal umgekrempelt: Wir haben die Abteilungsstruktur aufgelöst, cross-funktionale Squads und fachliche Chapters geschaffen. Gleichzeitig haben wir sehr konsequent hierarchische Strukturen und Freigabeprozesse abgeschafft. Unser Team wollte Freiheit. Wir wollten nicht mehr die Bottlenecks sein, über deren Tisch jede einzelne Entscheidung läuft. Es sollte ein Befreiungsschlag werden!

Absolute Freiheit klingt toll. Vor allem als Gegenentwurf zur Nicht-Freiheit, die die meisten von uns durch Top-Down-Entscheidungen und steile Hierarchien negativ erfahren haben. Doch obwohl unser Team sich Selbstbestimmung gewünscht und die Transformation selbst mitinitiiert hatte, hat sich schnell gezeigt, dass viele nicht mit der neugewonnenen Freiheit umgehen konnten. Manche wollten plötzlich gar keine Entscheidungen treffen, anderen fehlte schlichtweg der Mut. Wieder andere trafen übereilte Entscheidungen und nur wenige konnten mit der Verantwortung umgehen, die sie ganz automatisch mit der Freiheit mitbekommen hatten. Statt schneller und dynamischer zu werden, wurden wir langsamer. Alles fühlte sich zäh an.

Unsere Erkenntnis: Obwohl wir selbst die Idee so gut fanden – in der Praxis funktionierte das Ideal von führungslosen Teams für uns leider nicht. Das bedeutet nicht, dass Top-Down-Entscheidungen und steile Hierarchien das richtige sind! Vielmehr haben wir gelernt, dass wir das richtige Maß an Selbstbestimmung finden müssen, also die richtige Balance zwischen Führung und Freiraum. Heute haben wir eine sehr freiheitliche Kultur, in der wir laterale Führungsrollen implementiert haben. Führung ist verteilt und wird situativ gelebt. Jeder im Team kann Führung übernehmen, und zwar durch Überzeugungskraft und nicht durch Anweisung. Damit sind wir sehr erfolgreich – und haben in der aktuellen Krise bewiesen, dass wir eine sehr resiliente Organisation entwickelt haben. Mit einem Team, das sich selbst organisieren kann.

2. Menschen bringen Leistung, (erst recht!) wenn man nicht hinschaut

Entsprechend unserer Kultur gibt es keine Freigaben – auch nicht für Remote Work, auch vor Corona. Tatsächlich macht fast jeder, der neu in unser Team kommt, erst einmal einen Lernprozess durch. Denn, dass man morgens einfach frei entscheiden kann, von wo man arbeitet, ist wohl immer noch die Ausnahme. Die Möglichkeit remote zu arbeiten mitsamt der dafür nötigen technischen Infrastruktur, gibt es schon lange bei uns. Wir haben frühzeitig in die richtige Hardware investiert und setzen auf webbasierte Kollaborationslösungen wie den Google Workspace, Jira, sowie Slack und Facebook Workplace. Alle Mitarbeiter können selbst entscheiden, ob und wann sie ins Büro kommen wollen.

Dass Remote Work oder Homeoffice in vielen Unternehmen an Genehmigungsprozesse geknüpft oder auf wenige Tage im Monat beschränkt wird, finde ich – auch wenn gerade keine Pandemie ist – falsch. Dahinter steckt Misstrauen und die Annahme, dass die Produktivität im Homeoffice automatisch geringer ist als im Büro. Die Überzeugung, dass Menschen nur Leistung bringen, wenn sie sich beobachtet – also kontrolliert – fühlen, teile ich überhaupt nicht. Und ich frage mich auch immer: Wenn ich überzeugt bin, dass mein Gegenüber mich hintergeht, sobald ich wegschaue, habe ich dann nicht ein ganz anderes Problem?

Ich kann aus eigener Erfahrung nur empfehlen, mehr Vertrauen zu geben! Und ich hoffe, dass die aktuelle Situation mehr Unternehmen zum Umdenken bringt. Als Corona zuschlug, war es für uns die einfachste Übung, die Mitarbeitenden in den vollen Remote Modus zu schicken. Seit Monaten war kaum jemand im Büro. Die Produktivität hat nicht gelitten – im Gegenteil. Das Engagement, das das Team in dieser Zeit an den Tag gelegt hat und weiterhin legt, ist einfach überwältigend!

3. Büros sind ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur

Remote Work liegt also in unserer DNA. Dennoch haben wir in der Vergangenheit viel in unsere Offices investiert. Unsere Büros spiegeln unsere aufgeschlossene Kultur und schaffen eine familiäre Atmosphäre. Alle Räumlichkeiten sind hochwertig ausgestattet und bewusst offen gestaltet – mit vielen Möglichkeiten zum informellen Austausch: Wir legen beispielsweise ganz besonderen Wert darauf, dass wir gemeinsam kochen und essen können.

Wie wichtig unsere Büros für unser Team tatsächlich sind, hat sich in den letzten Monaten in vollem Umfang gezeigt. Das Corona-bedingte dauerhafte Wegbleiben von Offices und den realen Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen stellt einige vor hohe emotionale Herausforderungen.

Obwohl virtuelle Zusammenarbeit für uns Alltag ist, käme es daher für uns nicht infrage, dauerhaft auf die Büros zu verzichten. Sie sind ein wichtiges Tool, das unsere Werte kommuniziert und prägt, wie wir arbeiten. Daher werden unsere Büros selbst nach unserem Wandel hin zur Remote First Company einen hohen Stellenwert für uns haben und im „New Normal“ eine neue, wichtige Rolle spielen. Wir haben bereits viele Ideen, wie wir ein hybrides Modell schaffen können, in dem jeder seine individuelle Balance zwischen Remote und Office Work finden kann. Diese zu erproben wird unsere nächste Aufgabe nach dem Lockdown sein.

Zur Person

Steffen Behn ist CEO von der Celebrate Company.

Quelle: Human Ressources Manager

19 Februar 2021

Coworking im ländlichen Raum: Eine Chance für strukturschwache Regionen

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Eine Studie der Bertelsmann Stiftung von Dr. Alexandra Schmied

Coworking im ländlichen Raum: Eine Chance für strukturschwache Regionen

Angebote für mobiles und flexibles Arbeiten an gemeinschaftlich genutzten Orten gibt es in Ballungsgebieten schon länger. Eine Trendstudie in unserem Auftrag hat nun erstmals die Situation von Coworking im ländlichen Raum betrachtet. Demnach kann die neue Arbeitsform wichtige Impulse für die wirtschaftliche Wiederbelebung strukturschwacher Regionen geben.

Der verlassene Bäckerladen wird zur digitalen Kreativwerkstatt, die Streuobstwiese zur Stellfläche für mobile Arbeitsräume aus Containern: In den vergangenen Jahren sind in Deutschland immer mehr Coworking-Angebote im ländlichen Raum entstanden. Diese neue Form einer flexiblen und mobilen Berufsausübung in gemeinschaftlich genutzten Räumen besitzt viel Potenzial für die nachhaltige Belebung strukturschwacher Regionen. Dies geht aus der heute vorgestellten Trendstudie "Coworking im ländlichen Raum" hervor, die erstmals ein genaueres Bild des Coworking-Phänomens jenseits der urbanen Ballungsräume zeichnet. Die CoWorkLand Genossenschaft sowie das Netzwerk Zukunftsorte haben in userem Auftrag über 200 Tiefeninterviews mit Nutzer:innen sowie Gründer:innen von Coworking-Orten bundesweit geführt. Die darin geschilderten Erfahrungen zeigen allerdings auch, dass Coworking auf dem Land stark von den technischen Gegebenheiten und der sozialen Vernetzung der Gründer:innen abhängt.

"Der ländliche Raum wird oft als rückständig und abgehängt bewertet. Die Fallbeispiele in unserer Studie zeigen jedoch: Die Zukunft der Arbeit hat auf dem Land schon begonnen." (Alexandra Schmied, Expertin für Corporate Social Responsibility bei der Bertelsmann Stiftung)

Schmied weiter: "Coworking gibt Menschen die Möglichkeit, wohnortnah gut ausgestattete Arbeitsplätze zu nutzen, ohne täglich weite Pendelstrecken auf sich zu nehmen. Ländliche Regionen, die unter Abwanderung und Überalterung leiden, lassen sich durch den Zuzug junger Familien und die Modernisierung der Infrastruktur neu beleben. Unternehmen profitieren von einem größeren Einzugsgebiet für Fachkräfte. Nicht zuletzt kann Coworking eine Triebkraft für den Wandel hin zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen und modernen Wirtschaftswelt sein."

Breite Zielgruppe und große Integrationskraft

Nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat das Landleben wieder an Attraktivität gewonnen: Umfragen zufolge würde eine Mehrheit der Deutschen lieber im Grünen als in der Großstadt wohnen. Wie aus den für diese Studie geführten Interviews hervorgeht, versprechen Coworking-Angebote eine bessere Vereinbarkeit von Berufsausübung und Wohnortwunsch. Ihr Potenzial für den ländlichen Raum zeigt sich in der vielfältigen Kundschaft. Unter den Nutzer:innen von Coworking auf dem Land finden sich viele Menschen im Angestelltenverhältnis, in unterschiedlichen Berufsbildern, ohne akademischen Schulabschluss und mit einer breiten Altersstruktur.

"Coworking auf dem Land hat eine sehr viel breitere Zielgruppe und größere Integrationskraft als in der Stadt. Es wird von all jenen nachgefragt, die ein Bedürfnis nach Gemeinschaft haben und sich ihren Arbeitsort frei auswählen können." (Ulrich Bähr, Geschäftsführer von CoWorkLand)

Zwar zieht es auch hier Angehörige der Kreativ-, Digital- und IT-Wirtschaft – und damit die ursprüngliche Kernzielgruppe des Coworking – verstärkt ins Grüne. Doch die Coworker:innen in ländlichen Gebieten bilden ein weit gefächertes gesellschaftliches Spektrum ab, das auch Handwerker:innen, Wissenschaftler:innen, Berater:innen und Lehrer:innen umfasst. Auch die Anbieterseite zeichnet sich durch Vielfalt aus. Das zeigt der Blick auf die unterschiedlichen Orte und damit Geschäftsmodelle. Coworking-Einrichtungen finden sich beispielsweise an beliebten Pendlerrouten, auf abgelegenen Landgütern, leerstehenden Ladenlokalen in einer Kleinstadt, inmitten beliebter Urlaubsregionen oder auf einem Bauernhof am Dorfrand. "Wir sind davon überzeugt, dass Coworking auf dem Land das Zeug zum Massenphänomen hat und für einen wirksamen Strukturwandel sorgen kann – vor allem, wenn sich auch festangestellte Pendler:innen zunehmend für Coworking gewinnen lassen. In dieser Zielgruppe liegt noch großes und fast unberührtes Potenzial", erläutert Bähr.

Lokale Netzwerke sind wichtiger Erfolgsfaktor

Allerdings zeigt die Studie, dass die Entwicklung eines tragfähigen Geschäftsmodells eine große Herausforderung bei der Errichtung eines Coworking-Spaces auf dem Land darstellt. Anders als in den Ballungsgebieten, ist daher das Agieren in lokalen Netzwerken aus Sicht vieler Befragter ein wichtiger Erfolgsfaktor – zumal es im ländlichen Raum noch keinen entwickelten Markt für die neuen Angebote gibt. "Damit sich die positiven Effekte des Coworking entfalten können, ist es notwendig, die besonderen Bedarfe dieser neuen 'Landarbeiterschaft' zu berücksichtigen. Zudem brauchen die netzwerkorientierten Gründer:innen die notwendige Unterstützung aber auch den Freiraum, um ihre andersartigen, jenseits der Metropolen funktionierenden Geschäftsmodelle umzusetzen", sagt Schmied. "Kommunalpolitik sowie die ortsansässige Wirtschaft oder Vereine können für die ländliche Coworking-Szene wichtige Netzwerkpartner sein und hier Starthilfe geben", schlägt Bähr vor.

Coworking-Schub durch Corona

Im Zuge der Bekämpfung des Coronavirus haben sich viele berufliche Tätigkeiten vom Büro an alternative Arbeitsorte verlagert. Dieser Trend dürfte dem Coworking im ländlichen Raum zusätzlichen Auftrieb verleihen, wie die im Frühjahr während des Ausbruchs der Pandemie geführten Interviews nahe legen. Demnach haben sich Abstandsregeln und Kontaktverbote kurzfristig zwar als Belastung für das auf Gemeinsamkeit ausgerichtete Arbeitsmodell erwiesen. Auf längere Sicht betrachtet, haben die Corona-Erfahrungen aus Sicht vieler Befragter allerdings unter Beweis gestellt, dass das Arbeiten an einem anderen Ort als dem Büro in vielen Berufsfeldern funktioniert und sich Präsenzzeiten und damit auch das Pendeln reduzieren lassen.

Die Befragungen der Coworking-Gründer:innen und -Nutzer:innen unterstreichen, dass Angebote zum mobilen Arbeiten im ländlichen Raum gegenüber dem Homeoffice große Vorteile mit sich bringen. So fehlen bei der Arbeit in den eigenen vier Wänden häufig die sozialen Kontakte und klare Abgrenzungen von beruflichen und privaten Aktivitäten. Auch Ablenkungen durch andere Haushalts- oder Familienmitglieder treten im Coworking-Space seltener auf. Nicht zuletzt ist dort in der Regel eine bessere technische Infrastruktur vorhanden. "Mobiles Arbeiten kommt den Bedürfnissen vieler Angestellter deutlich mehr entgegen als der bloße Umzug ins Homeoffice. Arbeitgeber:innen, Tarifpartner:innen sowie der Gesetzgeber sollten daher Rahmenbedingungen schaffen, die eine Verlagerung der Tätigkeiten an neue, alternative Arbeitsorte begünstigen", empfiehlt Bähr.

Über die Autorin

Frau Dr. Alexandra Schmied ist Senior Projekt Managerin bei der Bertelsmann Stiftung. 

Quelle: Bertelsmann Stiftung

12 Februar 2021

Kompetenzen für die Arbeitswelt 4.0

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Soft Skills

Kompetenzen für die Arbeitswelt 4.0

Digitalisierung und New Work verändern die Arbeitswelt und damit auch die Anforderungen daran, was Beschäftigte können müssen. Das schürt Unsicherheit: Was kommt auf mich zu? Welche Kompetenzen brauche ich, um beschäftigungsfähig zu bleiben?

Unternehmen in der digitalen Transformation sind gefordert, sich mit rasantem Tempo zu wandeln. Neue Geschäftsmodelle, Strukturen, Prozesse und Arbeitskulturen werden erfunden und umgesetzt. Klare Hierarchien und feste Aufgaben entfallen. Individuelle Kundenwünsche erfordern flexible und agile Herangehensweisen. Um in der digitalen Arbeitswelt zu bestehen, genügt es längst nicht mehr, dass Beschäftigte fachlich gut ausgebildet sind. Es braucht überfachliche oder persönliche Kompetenzen. Sie beschreiben die Fähigkeit, selbstverantwortlich, motiviert und zielorientiert zu handeln. Dazu zählen zum Beispiel Lern- und Veränderungsbereitschaft oder die Eignung, mit Schnelligkeit und Komplexität umgehen zu können. 

Die Arbeitswelt 4.0 setzt auf Teams, die sie gestalten. Sie organisieren sich selbst, arbeiten mobil, flexibel und eigenverantwortlich. Sie erhalten mehr Möglichkeiten für Selbstbestimmung und individuelle Gestaltungsspielräume. Das macht ständige Abstimmungsprozesse im Team, aber auch mit Kunden notwendig; respektvoll, wertschätzend, auf Augenhöhe. Mehr denn je kommt es in der digitalen Arbeitswelt auf die Menschen im Unternehmen an, auf ihre Talente, ihre Eignung und ihr Engagement. Es geht vor allem darum, sich in neuen Situationen leichter zurechtzufinden sowie Probleme in einer zunehmend komplexen (Arbeits-)Welt besser analysieren und lösen zu können.

Für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ist die Verknüpfung von technologischen Kenntnissen, digitalem Grundwissen und überfachlichen Fähigkeiten zentral. Investitionen in die Qualifizierung des Personals können in Zeiten zunehmenden Wettbewerbs und Innovationsdrucks erfolgsentscheidend sein.

Auf diese Fähigkeiten kommt es an

Abstraktions- und Analysefähigkeit

Zusammenhänge schnell erfassen, mögliche Ursachen und Konsequenzen evaluieren können: Wer zur Analyse fähig ist, verhilft Unternehmen bei der Auswahl, Konzeption und Realisierung von sinnvollen Lösungsstrategien. Analytisch denkende Mitarbeitende schaffen es, Konsequenzen aus ihrer Betrachtung abzuleiten, und verfügen so über ein weitreichendes Beurteilungsvermögen. Sie scheuen sich nicht, auf Basis ihrer Erkenntnisse Entscheidungen zu treffen. Auch beim Umgang mit Daten – längst ein wichtiger erfolgskritischer Faktor für Unternehmen – sind Mitarbeitende mit den entsprechenden Fähigkeiten gefragt. Sie schaffen es, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen und große Datenmengen mit entsprechenden Methoden auszuwerten.

Ambiguitätstoleranz

Sie beschreibt, inwieweit Menschen Unsicherheiten oder widersprüchliche Aussagen und Handlungen ertragen, ohne darauf aggressiv oder mit Schwarz-Weiß-Denken zu reagieren. In
Veränderungsprozessen zählt Ambiguitätstoleranz als wichtige Voraussetzung, um die für einen organisationalen Wandel typischen Mehrdeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten wahrzunehmen, auszuhalten und zu bewerten.

Eigeninitiative

Von sich aus und aus eigenem Antrieb etwas auf die Beine stellen, sich selbst motivieren können, sich freiwillig engagieren und sich Aufgaben suchen oder eine Idee realisieren: Das beschreibt die Fähigkeit der Eigeninitiative. Menschen mit dieser Kompetenz nehmen sich regelmäßig Zeit, sich selbst und ihr Können im Hinblick auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen einzuschätzen, über ihr Fachgebiet hinauszublicken und sich Ziele für ihr weiteres berufliches Leben zu setzen. Eigeninitiative und -verantwortung lassen sich nur in einer positiven Vertrauenskultur übernehmen – und nur dann, wenn die Führungskraft den Vertrauensvorsprung gewährt. Mut zum Experimentieren ist möglich, wenn eine Feedback- und keine Fehlerkultur vorliegt und Scheitern ausdrücklich erlaubt ist.

Kommunikationsfähigkeit

Grundkenntnisse der Kommunikation wie aktives Zuhören, das Vier-Ohren-Modell oder vielfältige Gesprächstechniken erleichtern die zunehmende Interaktion im beruflichen Alltag: den Dialog zwischen Menschen zu fördern, sich verständlich auszudrücken, Rückmeldungen in angemessener Form zu geben, komplexe Sachverhalte strukturiert darzustellen sowie abwägend und schlüssig zu argumentieren. Durch die internetbasierte Vernetzung und den Einsatz moderner Kommunikationstools hat sich das Kommunikationsverhalten stark verändert. Mitarbeitende benötigen Kompetenzen, um auch im virtuellen Raum erfolgreich mit Kollegen und Kolleginnen zusammenzuarbeiten und sowohl verbale als auch nonverbale Botschaften richtig zu interpretieren.

Konfliktfähigkeit

Ohne sie geht’s nicht. Konflikte treten überall da auf, wo Menschen mit unterschiedlichen Interessen, Meinungen und Charakteren aufeinandertreffen. Sie begleiten uns lebenslang und bieten – positiv betrachtet – Chancen, denn sie ermöglichen Veränderung. In Change-Prozessen sind sie ein natürlicher Begleiter. Für einen erfolgreichen Wandel ist es hilfreich, Konflikte konstruktiv austragen zu können, unterschiedliche Positionen nachzuvollziehen und zu erläutern, zwischen Menschen zu vermitteln und Kompromissbereitschaft zu entwickeln.

Kooperations- und Teamfähigkeit

Die Einstellung macht’s: Wer Beziehungen zu anderen Personen aktiv aufbauen und pflegen kann, ist in der Lage, mit anderen zu kooperieren und sich in ein Team einzufügen. Teamfähigkeit bedeutet jedoch auch, eigene Fähigkeiten und Kenntnisse zum Erreichen der Teamziele konstruktiv einzusetzen, gemeinsam mit anderen Aufgaben bearbeiten und lösen zu können sowie Mitverantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen. Sie beinhaltet einerseits die Gabe, sich selbst zurückzunehmen, andererseits, klar seine Meinung zu sagen sowie Mitsprache- und Mitgestaltungsrechte wahrzunehmen.

Lernkompetenz

Lernen ist mehr als das Downloaden von Inhalten: aufgeschlossen sein gegenüber Neuem, sich Wissen und Fähigkeiten in angemessener Zeit aneignen, sich selbstständig in neue Themen und schwierige Aufgaben einarbeiten. Wer zielführend lernen will, ist in der Lage, seinen eigenen Lernbedarf einzuschätzen, die passenden Angebote auszuwählen und den Lernprozess selbst zu organisieren. Dazu gehört auch, zu erkennen, wann man selbst nicht weiterkommt und sich Hilfe holen muss. Menschen mit Lernkompetenz tragen das Gelernte ins Unternehmen bzw. ins Netzwerk und entwickeln es dort kollaborativ weiter. Sie können konkrete Aufgabenstellungen, für die es keinen vorgefertigten Lösungsansatz gibt, durch einen strukturierten Ansatz und Urteilskraft lösen.

Resilienz

Wenn eine Veränderungssituation überfordert, ist Resilienz gefragt. Hierbei handelt es sich um die psychische Widerstandsfähigkeit, die es Menschen in Krisen ermöglicht, schwierige Bedingungen und neue Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Resilienz hilft, mit persönlichen Rückschlägen besser umgehen zu können und auf einem leistungsfähigen Niveau zu bleiben.

Selbstmanagement

„Ich kann nicht. Ich darf nicht. Ich muss. Ich soll.“ Diese passiven Formulierungen führen dazu, dass Menschen das Gefühl haben, für andere zu leben und nicht für sich selbst. In der Arbeitswelt 4.0 ist Selbstmanagement das A und O: sich klarmachen, dass man zum Unternehmer in eigener Sache wird. Durch den zunehmenden Einsatz webbasierter Tools, virtueller Kooperationen und mobiler Arbeitsformen entstehen neue Möglichkeiten, mobil und flexibel zu arbeiten. Um den neu entstandenen Gestaltungsspielraum effektiv nutzen und das vorgegebene Pensum erfüllen zu können, sind Selbstorganisationskompetenzen unerlässlich. Das heißt, Beteiligte arbeiten eigenständig und aus eigenem Antrieb im Sinne eines Projekts oder einer Organisation, zielgerichtet, zügig und ohne Ablenkung. Dazu gehören ein vertrauter Umgang mit Planungstools ebenso wie ein effizientes Zeitmanagement.

Veränderungsbereitschaft

Neugierde, also die Lust auf neues Wissen, die Freude an der Suche nach Lösungen, sind Grundvoraussetzungen für Veränderungsbereitschaft. Eine andere ist Optimismus: Menschen mit dieser Haltung rechnen eher mit positiven Ereignissen und einem guten Ausgang. Optimismus hilft, dass durch Veränderungen ausgelöster Stress besser bewältigt wird. Auch Spontaneität, Frustrations- und Ambiguitätstoleranz fördern die Fähigkeit, Veränderungen anzunehmen und umzusetzen. Denn oft sind Probleme nicht schnell gelöst und Erfolge nicht sofort sichtbar.

Über die Autorin
Annette Vorpahl ist Supervisorin und Coach in Bad Homburg. Die Kompetenzentwicklung für die Arbeitswelt 4.0 zählt zu ihren Arbeitsschwerpunkten.

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

29 Januar 2021

Genossenschaft und Agile Arbeit: Die Berliner Agentur Wigwam bringt beides zusammen

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Digitale Transformation - Interview von Inga Höltmann

Genossenschaft und Agile Arbeit: Die Berliner Agentur Wigwam bringt beides zusammen

Die Berliner Kommunikationsberatung Wigwam ist eine ganz besondere Agentur: Sie firmieren als Genossenschaft und sind noch dazu selbstorganisiert. Und der Weg dorthin war eine Reise – denn gegründet wurde Wigwam zuerst als GmbH. Doch durch den Weggang von zwei von drei Geschäftsführern auf einmal entstand vor fünf Jahren ein Vakuum. Die Arbeitskultur im Wigwam und das Modell der GmbH – das passte irgendwie nicht mehr so richtig zusammen.

Maximierung oder Genügsamkeit?

Denn eine GmbH verfolgt das Prinzip der Gewinnmaximierung, bei Wigwam geht es eher um eine Profitgenügsamkeit – Umsatz ja, aber vor allem so viel, dass es reicht, um sich die Gehälter auszuzahlen. Der Daseinszweck von Wigwam liegt woanders: „Wir glauben, dass man mit Kommunikation viel bewirken kann und dafür gibt es viele Themen, an denen wir mitwirken können, mit unseren Mitstreitern, mit unseren Kunden“, sagt Eugen Friesen. Er ist seit sechs Jahren bei Wigwam als ist Kampagnen- und Strategieberater und war außerdem auch drei Jahre lang Mitglied des Vorstands. Seine Kollegin Wera Stein ist ebenfalls seit sechs Jahren bei Wigwam und macht für die Kunden vor allem Webkonzeption, also die Strukturierung und Architektur von Webseiten. Im ersten Jahr der Genossenschaftsgründung hatte sie außerdem den Vorsitz im Aufsichtsrat inne.

In den vergangenen vier Jahren ist es dem Wigwam-Team in der Arbeit in und an der Genossenschaft gelungen, Personen von Rollen zu entkoppeln – nicht zuletzt dadurch, dass sie durchwechseln und die verschiedenen Positionen immer wieder neu durch Wahlen besetzen. „Für mich macht es einen sehr großen Unterschied, ob ich im Teamaufgaben übernehme als Aufsichtsrat oder ‚nur‘ als Team-Mitglied“, sagt Stein. Der Clou an ihrem Wechselmodel ist aber, dass man das Wissen aus der Rolle mitnehme, wenn man rotiert. „Das hat unglaublich viel Wertschätzung füreinander geschaffen!“, sagt sie.

Für sie steht die Erkenntnis:

"Eine Genossenschaft ist nicht per se gut oder schlecht, sondern es geht darum, warum man es so macht und wie man die Formate füllt – und welche Rolle der Mensch einnimmt."

Bei Wigwam haben sie ihn ganz bewusst in den Mittelpunkt gestellt.

Im Gespräch berichten beide, wie die genossenschaftlich organisierte Zusammenarbeit funktioniert und welche Formate sie sich gegeben haben: Von der montäglichen Projektrunde über den „Wertschätzungs-Wednesday“ bis hin zum wöchentlichen Projektlauf. Friesen und Stein machen auch die verschiedenen Ebenen auf und berichten, wie ihre Arbeit im Alltag funktioniert und wie sie die genossenschaftliche Ebene mit Projektarbeit und mit Elementen aus dem Scrum und der Agilen Arbeit verweben.

Das Gespräch führte ​Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und Neues Lernen, um Unternehmen in ihrer Transformation zu unterstützen.

Quelle: ZukunftderArbeit

29 Dezember 2020

„New Work: Potenziale nutzen – Stolpersteine vermeiden“

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Podcast zur Studie mit Inga Höltmann

„New Work: Potenziale nutzen – Stolpersteine vermeiden“

„New Work: Potenziale nutzen – Stolpersteine vermeiden“ das ist der Titel des Leitfadens, den die beiden Anwältinnen Britta Redmann und Birgit Wintermann für die Bertelsmann Stiftung verfasst haben. Denn die Umsetzung von Neuer Arbeit ist nicht nur ein strukturelles oder zwischenmenschliches Thema, sondern auch ein rechtliches. „Wir haben in der Vergangenheit immer wieder festgestellt, dass es in den Unternehmen vor allem auch um die Frage ging, wie man das denn rechtssicher umsetzt“, sagt Wintermann. Und das ist ein Problem gerade für kleinere oder mittlere Unternehmen, die so klein sind, dass sie keine Personalabteilung geschweige denn eine Rechtsabteilung haben.

Arbeitszeit, Arbeitsort, aber auch Social-Nutzung oder Gerätenutzung…

…im Leitfaden tauchen die Themen auf, die in den Unternehmen eine Rolle spielen. Ganz vorneweg natürlich die Frage nach der Arbeitsortgestaltung, vor allem das Recht auf Home-Office, das in Deutschland gerade diskutiert wird. Und das im Übrigens im Gegensatz zum „mobilen Arbeiten“ steht, das rechtlich anders behandelt werden muss. „Man kann das nicht einfach anordnen als Arbeitgeber und sagen: ‚Wir machen jetzt alle mobiles Arbeiten‘“, sagt Britta Redmann, „und ich kann es mir auch genauso wenig als Mitarbeiter rausnehmen und sagen: ‚So, ab morgen arbeite ich mobil‘, sondern es braucht eine vertragliche Anspruchsgrundlage.“ Das kann seine eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag oder auch eine betriebliche Vereinbarung.

Doch das ist erst der Anfang für das ortsflexible Arbeiten – dann geht es darum, miteinander zu erarbeiten, wie diese Art der Arbeit dann auch erfolgreich wird:

"Wie stimmen wir uns im Team ab, welche Kommunikationsmittel oder -kanäle benutzen wir oder mit welchen Arbeitsmitteln arbeiten wir"

zählt Redmann auf. Wichtig sei vor allem aber auch, zu verstehen, dass es nicht nur um die Arbeit, sondern auch um die Zusammenarbeit geht, meint sie: Gerade bei ortsunabhängiger Arbeit brauche es auch Zeiten für das Socialising untereinander, meint sie. Und Birgit Wintermann betont:

"Die Veränderung, über die wir hier reden, ist nicht einfach nur eine rechtliche, sondern das ist ein totaler Kulturwechsel, der da stattfindet."

Neben dem Arbeitsort ist auch die Arbeitszeit eines der wichtigsten Themen, die Unternehmen im Blick haben sollten. Man sollte nicht nur die Erreichbarkeit, sondern auch die Nicht-Erreichbarkeit regeln, rät Redmann. Eines der einfachsten, aber wirkungsvollsten Elemente, an Vereinbarungen über die Arbeitszeit zu arbeiten, sei darüber zu sprechen und in den Austausch zu kommen, wie es einem damit ginge, sagt sie.

Selbiges gilt auch für das Thema Vergütung, die in ihren alten Strukturen oftmals die neuen Begebenheiten kaum widerzuspiegeln vermag. Wie macht man das gerecht, aber angemessen? Wer sich mit seiner Arbeit auseinandersetzt, kommt irgendwann auf dieser Reise auch an den Punkt, über Geld und Vergütung zu sprechen. Und dann ist es an der Zeit, kreative Ideen umzusetzen – wie das Einheitsgehalt bei der Darmstädter Agentur „quäntchen & glück“ [Zum Podcast]

Doch von den rechtlichen Rahmenbedingungen sollte sich kein Unternehmen einschüchtern oder gar zurückhalten lassen. Birgit Wintermann rät hier zu einem „forschen Pragmatismus“: „Ich denke, dass man in dem vorgegeben Rahmen, der ja auch noch Freiräume offenlässt, durchaus versuchen sollte, flexible Lösungen für sich zu finden“, sagt sie.

Das Gespräch führte ​Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und Neues Lernen, um Menschen und Unternehmen in ihrer Transformation zu unterstützen.

Zu Inga Höltmann: Sie ist Expertin für die Themen Kulturwandel in Unternehmen, New Work und Digital Leadership. Sie ist Gründerin der “Accelerate Academy”, einer Plattform für neue Lernkonzepte rund um neue Arbeit und moderne Führung in Unternehmen, und ausgebildete Wirtschaftsjournalistin, zu ihren Auftraggebern gehören der Berliner Tagesspiegel und der Deutschlandfunk Kultur. Bekannt ist sie auch für ihren erfolgreichen Newsletter zu diesen Themen.

Quelle: ZukunftderArbeit

04 Dezember 2020

Warum versuchen wir immer noch, Mitarbeitende zu dressieren?

Posted in Führung, Leadership

Warum versuchen wir immer noch, Mitarbeitende zu dressieren?

Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, ihre Mitarbeitenden sich gegenseitig bewerten zu lassen. Dazu gehören beispielsweise Google, Amazon, Zalando oder auch die Schweizer Postfinance (hier geht es zum XING-Beitrag von Roger Lötscher zum neuen Powercoins-System der Postfinance). KollegInnen, die sich gegenseitig bewerten – ist das jetzt gut und basisdemokratisch? Oder sind solche Bewertungssysteme ein perfides Mittel, um das gegenseitige Verhalten zu manipulieren?

Ich finde, die eigentliche Frage bei solchen Bewertungs- und Feedbackinstrumenten ist eine andere. Sie lautet: Was soll mit so einem Belohnungssystem wirklich bewirkt werden? Ist das ein System, das nur dem Unternehmen dient, oder wird damit die Weiterentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefördert?

Manipulation und Dessur

Ich kenne Amazon beispielsweise nicht von innen, aber ich schätze es als Unternehmen ein, dem vor allem daran gelegen ist, dass die Mitarbeiter mehr fürs Unternehmen tun. Nach dem Motto: „Glückliche Kühe geben mehr Milch.“ Solche Zwecke fallen für mich grundsätzlich in die Kategorie der Manipulation und der Dressur – und das lehnen wir bei Upstalsboom ab.

Egal welches Instrument man benutzt oder welchen Führungsstil man pflegt: Meiner Überzeugung nach ist es wichtig, dass man die Verletzungen, die ein Mensch in sich trägt, also das unbewusste Verhalten, das er an den Tag legt, nicht für sich ausnutzt. Wenn jemand in der Kindheit wenig Anerkennung erfahren hat und im Beruf nach Wertschätzung sucht, und ich nutze diese Schwäche aus, damit er Höchstleistungen für mich erbringt, und führe ihn dadurch vielleicht in den Burn-out und zerstöre möglicherweise sogar seine Familie – dann halte ich das für verwerflich.

Ab wann verheize ich jemanden?

Personalverantwortliche müssen sich daher immer die Frage stellen: Ab wann leidet ein Mensch und sein soziales Umfeld durch meine Führungsinstrumente? Mit anderen Worten: Ab wann verheize ich jemanden?

Natürlich gibt es noch eine Art Metaebene, die über jedem Manager und jeder Managerin – und deren Führungsstil – steht. Auf dieser Ebene dreht es sich dann um die Frage: Dient das Unternehmen, dient die Wirtschaft insgesamt dem Menschen? Oder muss der Mensch dem Unternehmen dienen? Ist also der Mensch nur Mittel zum Zweck?

Der Sinn unseres Unternehmens besteht beispielsweise darin, dass sich die Menschen psychisch, physisch und sozial wohlfühlen. In diesem Umfeld wollen wir mit Feedback nicht die Mitarbeitenden zu mehr Leistung anspornen, sondern Verhaltensweisen fördern, die dazu beitragen, dass die Menschen bei uns körperlich und geistig fit werden oder bleiben und dann zu einer starken Gemeinschaft beitragen.

Es geht darum, bedingungsloses Interesse zu zeigen

Ich bin nämlich der Überzeugung, dass Höchstleistungen auch ohne Bewertung entstehen können. Darin hat mich auch ein Erlebnis bestärkt, das ich vor drei, vier Jahren in unserem Hotel auf Usedom hatte. Nach meinem Abendessen bin ich in die Küche gegangen und habe der Crew beim Kartoffelschälen geholfen. Ich mache das regelmäßig, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Damals unterhielt ich mich mit diesem Spüler namens Frank über sein Hobby und seine große Leidenschaft, die Fotografie. Ein paar Wochen später überreichte er mir einen selbst gemachten Fotokalender. Die Bilder waren nicht gut, aber ich habe bedingungsloses Interesse gezeigt und ihm Feedback gegeben und ihn in seiner Leidenschaft bestärkt.

Ein Jahr später bekam ich noch einen Kalender von Frank – und konnte sofort sehen, dass er eine wahnsinnige Entwicklung gemacht hatte. Wir haben ihn dann für unsere Drucksachen Bilder machen lassen – und mittlerweile hat er eigene Fotoausstellungen und die Bebilderung unserer neuen Website gemacht.

Diese Sache zeigt zweierlei: Man muss sich bedingungslos und ohne Hintergedanken für den Menschen interessieren. Und: Menschen müssen in der Lage und willens sein, Feedback zu empfangen. Instrumente wie die Powercoins der Postfinance, die sich Mitarbeitende für vorbildliches Verhalten gegenseitig geben können oder auch nicht, sind daher in Wahrheit eher eine Krücke, wenn Menschen nicht dazu in der Lage sind, echtes Feedback zu geben oder zu empfangen.

Es braucht Selbstkritik und die Bereitschaft zum Wandel

Zum einen liegt so eine Unfähigkeit in der Regel an der jeweiligen Führungskraft: Wenn ich als Vorgesetzter immer nur Bestleistungen gebe und selbst keine Fehler eingestehe, dann werde ich irgendwann auf Feedbackinstrumente zurückgreifen müssen. Wenn ich aber beispielsweise bei Fuckup-Nights mal aufzähle, was bei mir als Vorgesetztem nicht gut gelaufen ist, und wenn ich die Mitarbeitenden um Verzeihung bitte, dann werden sie irgendwann aus sich heraus Dinge ansprechen, die nicht gut gelaufen sind.

Zum anderen braucht man natürlich auch den Mitarbeitenden – und seine Bereitschaft, sich entwickeln zu wollen. Ohne diese Bereitschaft helfen mir auch keine Instrumente, und ein Wandel wird dann höchstens oberflächlich erfolgen. Wann Menschen diese Bereitschaft entwickeln, ist ganz unterschiedlich. Meist ist der Wille zum Wandel in Krisen wie der aktuellen Pandemie viel ausgeprägter – in der Komfortzone eher nicht.

Nehmen wir nun an, die Führungskraft kann ihre Fehler eingestehen, und der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin ist zur Weiterentwicklung bereit. Dann bleibt immer noch die Frage: Wie erzeugt man – auch ohne Kontrollsoftware und -mechanismen – echte, intrinsische Motivation?

Der Schlüssel ist meiner Überzeugung nach das Wollen – und beim Wollen geht es immer um den Sinn. Wenn für dich persönlich Gesundheit wichtig ist und du in deinem Umfeld kranke Menschen hast, dann wirst du alles als sinnvoll empfinden, was du zum Gesundwerden dieser Menschen beiträgst. Und du wirst dich mit Leidenschaft dafür einsetzen.

Es geht also darum herauszufinden – unabhängig vom Fachgebiet: Was ist für dich als Mensch wichtig? Worum geht’s dir eigentlich? Wenn du das herausgefunden hast, spielt auch der Sinn des Unternehmens keine übergeordnete Rolle mehr. Dann kann der Mitarbeiter in seinem Sinne etwas für die Gemeinschaft tun. Und in dem Moment blüht er auf.

Extrinsische Motivation? Führt zu Angst und Unzufriedenheit

An alle, die jetzt immer noch glauben, man könne auch mit Druck oder Anreizen viel bewirken: Vor einer solchen extrinsischen Motivation kann ich nur warnen. Ihre Halbwertszeit liegt meiner Erfahrung nach bei etwa drei Monaten: Das heißt, ein neuer Dienstwagen ist mir nach drei Monaten schon irgendwie wieder zu klein. Man gerät in eine „Höher, weiter, schneller“-Spirale: Ich richte die Menschen darauf ab, immer mehr zu wollen. Damit bedeutet Erfolg für die Mitarbeiter (und die Führungskraft) nur noch jenes Stückchen, um das sie gerade besser abschneiden als die anderen.

Extrinsische Motivation führt so zu einer sozialen Beschleunigung und entfernt uns immer mehr von uns selbst: Wir flüchten immer mehr in den Konsum, die Unterhaltung und den Wettbewerb. Wer diesen äußeren Faktoren nachrennt, hat auch besonders viel Angst vor der Krise, zum Beispiel weil er oder sie Angst hat, das zweite Auto zu verlieren oder Ähnliches. Wer die extrinsische Motivation hochschraubt, erzeugt also letztlich nichts anderes als Frust und Angst.

Lasst uns doch alle lieber auf das hinarbeiten, was man in der Philosophie als Eudaimonie bezeichnet: Vergesst Kontrolle, Leistungsdruck und monetäre Anreize. Sucht danach, was eure Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich zufrieden macht. Denn darin liegt der Schlüssel zum Erfolg.

Über den Autor

Bodo Janssen (Upstalsboom Hotels + Freizeit Gmbh & Co KG), 46 Jahre, Mensch. Begründer des "Upstalsboom Weges" und der "Der Stillen Revolution"

Er bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Spiritualität, Wissenschaft, Philosophie und der Praxis und schreibt über Führung, Selbstführung, Krisen als Chance und ehrliches New Work (im Sinne des Begründers)

Quelle: xing-insider für Sinnorientierte Führung, Krisen als Chance, ehrliches New Work, Bewusstheit und Stille

23 Oktober 2020

Wie die Generation Z die Arbeitswelt von morgen verändert

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Digitale Transformation

Wie die Generation Z die Arbeitswelt von morgen verändert

Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird oft als Technologisierung in Form von neuen Arbeitsmitteln wie hochentwickelte Computer oder Hardware verstanden. Diese enge Auffassung von Digitalisierung reicht allerdings nicht aus, um die Zukunft der Arbeit zu beschreiben. Zusätzlich zur Umwandlung von analogen Prozessen kommt es nicht nur zu neuen Arbeitsweisen und Organisationsformen, sondern auch zu neuen Beschäftigungsverhältnissen und Ansprüchen an die Arbeitswelt.

Ansprüche der Generation Z

Mit dem technologischen Fortschritt verändert sich auch unsere Gesellschaft. Schon zwischen den Generationen der Millennials (nach 1981 geboren) und der Generation Z (nach 1995 geboren) gibt es große Unterschiede. Jede Generation hat ihre eigenen Ansprüche an Arbeit. Für die jüngere Generation Z sind zum Beispiel Arbeitsplatzsicherheit und finanzielle Sicherheit weniger wichtige Faktoren bei der Suche nach einem Job. Dafür stehen vor allem Unternehmenswerte wie soziales Handeln, Nachhaltigkeit und Diversität des potenziellen Arbeitgebers im Vordergrund. (vgl. Springer Professional Studie)

Generation Z gestaltet mit ihren Wertvorstellungen den Arbeitsmarkt der Zukunft. Statt lebenslanger, beruflicher Sicherheit werden zunehmend flexible Arrangements, Selbstbestimmtheit und sozial verantwortliches Handeln wertgeschätzt.

"Die größten Ansprüche stellt die Generation Z dabei im Bereich der Flexibilisierung der Arbeitswelt."

Flexibilisierung meint in diesem Kontext nicht nur ungebunden von einem Ort zu arbeiten, sondern auch zeitlich ungebunden zu sein. Die klassische „Tyrannei der Stechuhr“ mit 9-5-Anstellungen, welche sich in Zeiten der Industrialisierung etabliert hat, gehört schon heute in einigen Bereichen der Vergangenheit an. Trotzdem fehlen weiterhin oft die Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung des Arbeitsalltags. Die Generation Z wünscht sich einen selbstbestimmten Arbeitsalltag mit der höchstmöglichen Vereinbarkeit ihrer beruflichen und privaten Ziele. Vereinbarkeit bedeutet in diesem Sinne die Möglichkeit selbst zu entscheiden, an welcher Stelle die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem gezogen wird und wie scharf diese Grenze verläuft. Durch die technologischen Instrumente auf der einen Seite (beispielsweise Kommunikationstools wie Slack, ein Programm zum Chatten und „Connecten”) und das technische Verständnis der jüngeren Generation auf der anderen Seite, kann das sogar funktionieren.

Die Herausforderung sind die politischen Rahmenbedingungen

Generation Z bringt nicht nur neue Ansprüche an die Arbeitswelt mit sich, sondern auch das Potenzial, diese einzufordern. Wie diese Generation Wertvorstellungen umsetzt und versucht, das bestehende System zu beeinflussen, kann man an verschiedensten Demonstrationen und Bewegungen in jüngster Vergangenheit gut beobachten (z.B. Black Lives Matter).

"Auch wenn es so scheint, als stünde einer Gestaltung der Zukunft der Arbeit im Sinne der Ansprüche der Generation Z nichts im Wege, bleibt eine große Herausforderung bestehen: das Schaffen der notwendigen politischen Rahmenbedingungen."

Auch wenn flexible Anstellungsverhältnisse den Einzug in den Arbeitsmarkt bereits erlebt haben, fehlen die politischen Regulierungen, um diese ausreichend abzusichern und fair zu gestalten. Die steigende Nachfrage nach neuen alternativen Beschäftigungsformen verlangt nach einer politischen Diskussion und einer strukturellen Umgestaltung des Arbeitsrechts.

Dabei geht es vor allem um die Klärung der Frage der sozialen Absicherung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Absicherung in Kombination mit der Gewährleistung der Flexibilität ist eine der größten Herausforderungen. Viele politische Maßnahmen, die diese Herausforderung angehen wollen, beschränken sich hauptsächlich auf die bessere Absicherung der Selbstständigkeit. Eine andere Variante wäre allerdings den klassischen Arbeitnehmerbegriff zu flexibilisieren und anpassbare sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen für diverse Anstellungsverhältnisse zu schaffen.

Weitere Herausforderung: „War of Talents”

Eine weitere Herausforderung für den traditionellen Arbeitsmarkt stellt der „War of Talents” dar – ein Fachkräftemangel, der in Zukunft immer stärker ausgeprägt sein wird. Denn bis 2030 werden viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die der Babyboomer-Generation (in den Jahren 1944-1964 geboren) angehören, den Arbeitsmarkt verlassen. Jedoch gibt es zu wenige junge Arbeitskräfte, die diese Lücke füllen. Dies ist nicht nur ein deutschlandweites, sondern ein globales Problem, das die Zukunft der Arbeit prägen wird.

Der Arbeitsmarkt der Generation Z

Zusammen mit der zunehmenden Digitalisierung und den Ansprüchen der Generation Z werden sich Beschäftigungsverhältnisse weiter flexibilisieren und ausdifferenzieren. Einen großen Faktor wird dabei auch die sogenannte Plattformökonomie spielen, die dafür sorgt, dass Angebot und Nachfrage effizient und digital vermittelt werden. Dieser Megatrend bringt große Potenziale für die Befriedigung der Bedürfnisse von Flexibilität und Vereinbarkeit – und das nicht nur für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, sondern auch für Unternehmen.

"Eine beidseitige Flexibilität durch die algorithmische Vermittlung von Jobs und Arbeitssuchenden, von Angebot und Nachfrage, ist nur ein Beispiel für eine positive Entwicklung durch die Digitalisierung."

Allerdings kann der Arbeitsmarkt der Zukunft die Bedürfnisse der Generation Z nur stemmen, wenn die oben genannten Herausforderungen bewältigt werden.

Nur bei angemessener politischer Regulierung und der Durchsetzung von fairen Arbeitsbedingungen wird auch der Lebensbereich Arbeit plattformisiert werden. Die Akzeptanz dieser Form von Organisation des Alltags bei der Generation Z zeigt sich bereits in der Popularität von Netflix, Tinder und Co. Die Generation Z wird somit den Arbeitsmarkt durch ihre Wertvorstellungen nachhaltig verändern und die Zukunft der Arbeit aktiv mitgestalten.

Über die Autoren

Sandra Maria Hanisch hat Soziologie in Innsbruck und Berlin studiert. Durch Nebenjobs hat sie nicht nur gelernt Cocktails zu mixen, sondern auch Marktanalysen durchzuführen und statistisch zu arbeiten. Ihr Interesse an der Arbeitswelt von Morgen hat sie zu Zenjob geführt, wo sie jetzt im Public Affairs Bereich tätig ist und ihre Masterarbeit über die Zukunft der Plattformarbeit geschrieben hat. Beim Thema Zukunft der Arbeit interessieren sie vor allem der Wandel der Ansprüche der Generationen an die Arbeitswelt und New Work. Ihre Freizeit verbringt sie gerne draußen oder beim Volleyball.

Frederik Fahning ist Mitgründer und Geschäftsführer von Zenjob. Vor der Gründung von Zenjob war er im Business Development tätig und hat Rechtswissenschaften studiert. Mit seinem juristischen Background ist er hauptsächlich für die rechtliche und politische Ausgestaltung des Geschäftsmodells zuständig. Er hat den Public Affairs Bereich bei Zenjob aufgebaut und sich verstärkt mit dem Thema Zukunft der Arbeit auseinandergesetzt. Seine Vision ist es die geforderte beidseitige Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, aber dabei eine sichere und faire Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse nicht aus den Augen zu verlieren. Vom Gründerleben erholt er sich am liebsten beim Kitesurfen.

Quelle: zukunftderarbeit

02 Oktober 2020

Virtuell oder persönlich? Noch ist das Homeoffice ein Experimentierraum für die neue Arbeitswelt.

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Culture beats Home-office - Studienüberblick

Virtuell oder persönlich? Noch ist das Homeoffice ein Experimentierraum für die neue Arbeitswelt.

Der aktuelle Schub an Homeoffice-Tätigkeiten bewirkt noch keinen Paradigmenwechsel. Eine Auswertung der wichtigsten Studien zeigt, welche Hindernisse in den betrieblichen wie gesellschaftlichen Gegebenheiten einer echten Transformation zu neuen Arbeitsformen noch entgegenstehen.

Die Corona-Pandemie mit den verfügten Kontaktbeschränkungen zwingt seit Mitte März 2020 eine große Zahl der Beschäftigten ins Homeoffice. Waren es vor der Pandemie rund 12 Prozent der Beschäftigten, die ganz oder teilweise im Homeoffice gearbeitet haben, sind es neueren Studien zufolge derzeit deutlich über 35 Prozent. Geht man davon aus, dass grundsätzlich etwa die Hälfte der Arbeitsaufgaben eines Unternehmens im Homeoffice erledigt werden können, ist die Aussage des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, dass derzeit 70 Prozent der Bürotätigkeiten im Homeoffice erledigt werden, nachvollziehbar. (Hinweis: Angaben zu allen im Text zitierten Studien finden Sie unten).

Homeoffice als Experimentierrraum

Die Pandemie hat somit einen "Experimentierraum" geschaffen, der bei Vielen zu ganz neuen Erfahrungen geführt hat, deren Folgewirkungen aber längst noch nicht absehbar sind. Kommt es zu einem echten Paradigmenwechsel in der Arbeitsgestaltung, zu einer nachhaltigen Transformation des Arbeitslebens, zu einem Digitalisierungsschub oder vielleicht doch nur zu einem Anstieg der Beschäftigten im Homeoffice ohne nachhaltige Wirkung auf das Arbeiten in der Zukunft? Die Antworten hierauf sind vielfältig und reichen von euphorischen Prognosen über vorsichtige bis hin zu sehr kritischen Einschätzungen der Auswirkungen.

Überblick: Erfahrungen der Beschäftigten im Experimentierraum Homeoffice

Ganz überwiegend beziehen sich die Studien auf die Befragung der Beschäftigten und ihre Situation im Homeoffice. Gezeigt wird eine generelle hohe Zufriedenheit der Beschäftigten mit der unmittelbaren Erledigung ihrer Aufgaben im Homeoffice. Nach einer Umfrage des bidt, Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation, im Juni 2020 sind 39 Prozent sehr zufrieden, 42 Prozent eher zufrieden und nur 19 Prozent eher oder ganz unzufrieden. Zu ähnlichen Werten kommt auch die Ad-Hoc-Studie der TH Köln: 27 Prozent sind sehr zufrieden, 47 Prozent zufrieden, 21 Prozent eher zufrieden und nur fünf Prozent sind unzufrieden oder ganz unzufrieden. Eine Auswertung von über 2.000 Fragebögen durch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT im Juli 2020 zeigt gar, dass die Zufriedenheit bei den Befragten bei 90 Prozent liegt.

Studienüberblick Homeoffice: Kurzer Arbeitsweg, aber wenig Austausch

Komponenten dieser generellen Zufriedenheit sind die positive Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, die Möglichkeit zum ungestörten Arbeiten, der Zeitgewinn aufgrund des Wegfalls der Arbeitsweges oder der besseren Verteilung der Arbeitszeit über den Tag mit der Folge einer erlebten besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf (DAK, Uni Konstanz).

Sehr kritisch wird dagegen die mittelbare Wirkung der Arbeit im Homeoffice gesehen: Deutlich über 70 Prozent der Befragten fehlt der persönliche Austausch mit den Kollegen (DAK, TH Köln), 20 Prozent der Befragten fühlen sich im Homeoffice gar einsam (Universität Konstanz). Die wahrgenommene soziale Isolation wird als belastend empfunden (Universität Düsseldorf) und führt, wie eine Studie der Universität Krems in Österreich aufzeigt, zu einer Vervielfachung depressiver Symptome bei den Befragten (Universität Krems).

Studienüberblick zur Arbeit im #Homeoffice zeigt: Mitarbeiter profitieren vom Wegfall des Arbeitswegs, leiden aber unter sozialer Isolation. @gerhardruebling

Die wahrgenommene weitgehende Freiheit bei der Gestaltung des Arbeitstags führt zum Problem der Entgrenzung der Arbeitszeit. 47 Prozent der befragten Beschäftigten fehlt eine klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit (DAK). Bei 66 Prozent der befragten Unternehmen ist diese Wirkung vor dem Hintergrund der praktizierten unüblichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten gleichfalls zu erkennen (Fraunhofer IAO).

Insgesamt, und darauf weisen die Studien übereinstimmend hin, möchte der ganz überwiegende Teil der Befragten trotz der negativ erlebten Wirkungen auch nach der Krise die Arbeit im Homeoffice in begrenztem Rahmen fortsetzen (DAK, Uni Konstanz, bidt). "Eine als erfolgreich empfundene Leistungserbringung ist für die Zufriedenheit im Homeoffice ausschlaggebender als die soziale Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen." (FIT Mai)

Homeoffice: Überblick zu den Erfahrungen der Unternehmen

Auffallend ist, dass lediglich eine der vorliegenden Studien gezielt die Erfahrungen der Unternehmen untersucht und diese mit konkreten Handlungsempfehlungen versieht. "Die umfänglichen Erfahrungen der letzten Wochen haben bei knapp der Hälfte der Befragten bereits jetzt schon zum Entschluss geführt, das Angebot an Homeoffice auszuweiten (42 Prozent)", erklärt das Fraunhofer IAO in seiner Studie. Hintergrund sind die positiven Erfahrungen mit der zum Teil unerwarteten inhaltlichen und organisatorischen Machbarkeit der Verlagerung von Aufgaben ins Homeoffice, ohne dass hieraus Nachteile für das Unternehmen resultieren.

Ebenso positiv wurde sowohl das Vorhandensein der technischen Voraussetzungen als auch des entsprechenden Angebots virtueller Arbeits- und Kommunikationsmittel bewertet. Dazu die Studienautoren: "Es bestätigt sich die Erkenntnis, dass virtuelles Arbeiten zuerst einmal bestimmte technologische Grundvoraussetzungen hat, damit das alles funktionieren kann - und diese Voraussetzungen zu einem überraschend hohen Maß gegeben waren".

So haben nach der Studie des Fraunhofer IAO fast alle befragten Unternehmen vermehrt Web- oder Videokonferenzen genutzt und fast 75 Prozent haben Workshops über Web- oder Videokonferenzen durchgeführt. Während die Hard- und Software-Umgebung als eine technische Grundvoraussetzung für das Gelingen von Arbeit im Homeoffice herausgearbeitet wurde, fand die Aussage, dass eine gute Zusammenarbeit und eine starke Kultur gut durch krisenhafte Phasen hindurch tragen, gleichfalls eine erstaunlich hohe Zustimmung von über 90 Prozent. In diesem kulturbezogenen Feld sehen die Autoren den größten Handlungsbedarf.

Wenn also die technischen Voraussetzungen gegeben sind, vorhandene Softwarelösungen breitflächig angenommen wurden, die Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice auch nach der Pandemie in bestimmtem Umfang fortsetzten wollen und die Unternehmen zu einer Öffnung bereit sind, dann sollte doch eigentlich eine nachhaltige Transformation in eine digitale Homeoffice-Zukunft gelingen. Woran also könnte es scheitern?

Zukunft im Homeoffice: Vier Thesen zu den Hindernissen

Werfen wir einen Blick zurück in die Zeit vor der Corona-Pandemie: Auch damals waren die technischen Voraussetzungen schon gegeben, die Softwareumgebung vorhanden, große Unternehmen hatten die betrieblichen Rahmenbedingungen rechtlicher und organisatorischer Art geschaffen und erste Erfahrungen waren sowohl auf Seiten der Beschäftigten als auch der Unternehmen im Lauf der Jahre gemacht. Dennoch blieb der Anteil der im Homeoffice Arbeitenden bei zehn bis 15 Prozent und die im Homeoffice geleisteten Stunden in Summe damit stets deutlich unter zehn Prozent der wöchentlichen Sollarbeitszeit.

Das Argument, dass die Unternehmen vielfach keine entsprechenden Regelungen geschaffen haben und die Führungskräfte in ihren alten Rollenbildern geblieben sind, ist sicherlich relevant. Aber warum gab es von Seiten der Beschäftigten und ihren Interessenvertreter keinen Druck? Und warum wurde auch dort, wo entsprechende Reglungen vorhanden waren, kein exzessiver oder wenigstens zunehmender Gebrauch von den bestehenden Möglichkeiten gemacht?

#Homeoffice: Unsere Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit steht einem Paradigmenenwechsel zur Zukunft im Homeoffice entgegen. @gerhardruebling

 

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit

These eins: Wir leben nach wie vor in einer Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit. Der Wunsch nach individueller Orts- und Zeitsouveränität trifft auf ein über Jahrhunderte eingeübtes kulturelles Verständnis von Arbeit und Freizeit. "90 Prozent der Befragten geben an, dass die Mitarbeitenden im Unternehmen ihren eigenen festen Arbeitsplatz haben" (Fraunhofer IOA). Es ist ein Ritual, morgens zur Arbeit zu gehen und am Abend nach Hause zu kommen. Dann ist Feierabend und Zeit für private Aktivitäten. Während der Arbeitszeit hat man am Arbeitsplatz oder in Besprechungen zu sein. Private Telefonate und Surfen im Internet sind eher nicht erlaubt. Erwartet wird nicht nur körperliche, sondern auch geistige Präsenz zur Leistungserbringung an einem definierten Ort. Das Arbeitsrecht hat diese Kultur mit vielfältigen Regeln normiert und sanktioniert streng unerlaubte Abwesenheit oder private Aktivitäten während der Arbeitszeit.

Das gesellschaftliche Leben hat sich daran orientiert, dass zu gewissen Zeiten die Menschen mehrheitlich am Arbeitsplatz sind und zu gewissen Zeiten nicht, eben frei sind. Ein Blick in die Veranstaltungskalender der Konzert- und Schauspielhäuser genügt, um sich darüber klar zu werden, dass Aktivitäten, die nichts mit Arbeit zu tun haben, ganz überwiegend am Abend und am Wochenende stattfinden. Vielleicht ist dies während der Pandemie wenig auffällig, da das gesellschaftliche Leben stark eingeschränkt ist. Aber dies wird sich irgendwann wieder ändern. Schwer vorstellbar, dass man während des Tages zwischendurch ein Konzert oder ein Fußballstadion besucht. Viele Freizeitaktivitäten brauchen Masse. Ist diese durch unterschiedliche Arbeits- und Freizeitmodelle aufgelöst, sind sie nicht mehr vorstellbar. Und genau das erleben wir während der Pandemie. Weil Massenveranstaltungen verboten sind, finden sie nicht statt. Nicht zur Hälfte oder einem Viertel, sondern gar nicht. Es lohnt sich einfach nicht.

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Entgrenzung trifft auf eingeübte individuelle Verhaltensmuster

These zwei: Die Entgrenzung der Arbeitszeit trifft auf jahrelang eingeübte individuelle Verhaltensmuster. Die Trennung von Arbeit und Freizeit hilft nicht nur kollektiv zur Strukturierung und Organisation des gesellschaftlichen Lebens, sondern auch zur Gestaltung des individuellen Tages-, Wochen- und Monatsablaufs. Arbeit schafft durch ihre Verpflichtungen, ihre Regeln und Rituale Struktur und Berechenbarkeit. Insbesondere dort, wo die Fähigkeit zum Selbstmanagement fehlt oder die häusliche Umgebung ein durchgängiges, konzentriertes Arbeiten behindert, entstehen Chaos und in der Folge Leistungsmängel, die entweder zu erhöhter Arbeitszeit oder Produktivitätseinbussen führen.

Folgt man den Ergebnissen der DAK-Studie, vermissen fast 50 Prozent der Befragten eine klare Trennung von Beruf und Privatleben. 74 Prozent der befragten Unternehmen sehen gleichfalls und unabhängig davon einen wesentlichen Bedarf in der Entwicklung einer unternehmensweiten Strategie zur Vermeidung von Entgrenzungserscheinungen (Fraunhofer IAO).

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Führungskultur

These drei: Homeoffice erfordert eine neue Führungskultur. Führung, in welcher Form und Ausprägung sie auch immer im Unternehmen praktiziert wird, erfordert eine ständige Interaktion des Managements zur Definition und Erreichung der Unternehmensziele. In einer Situation der geringen und zum Teil beliebigen sozialen Präsenz zeigt sich, dass sowohl die klassische transaktionale als auch die eher moderne transformationale Führungslehre keine geeigneten Methoden und Instrumente zur Führung auf Distanz zur Verfügung stellt.

Den Klassikern fehlt es ganz überwiegend an entsprechenden Instrumenten für das Performance- und Sanktionsmanagement. Orts- und zeitsouveränes Arbeiten legt den Schwerpunkt weniger auf Verhaltenskomponenten und die Art des Zustandekommens der Arbeitsergebnisse als vielmehr auf das Arbeitsergebnis als solches. Diese eindeutige Ergebnisorientierung lässt sich mit den vorhandenen Leistungs-Beurteilungssystemen nur schwerlich abbilden, weder was die Fähigkeit des Vorgesetzten zur Definition der erwarteten Leistung, noch was die vorhandenen Bewertungsmaßstäbe angeht, die oft das im betrieblichen Kontext gezeigte Verhalten mit in die Beurteilung einbeziehen. Deshalb leuchtet auch sofort ein, warum man beim Anruf in einem Callcenter gefragt wird, ob das Gespräch aufgezeichnet werden darf. Die als Argument angeführte Qualitätskontrolle ist nichts anderes als eine auswertbare Leistungskontrolle des Beschäftigten, weil sein Verhalten nicht mehr in einem sozialen Umfeld stattfindet und dort beurteilt werden kann.

Die transformationale Führung setzt in der Interaktion auf direkte Kommunikation und auf agiles, gruppenorientiertes Verhalten mit einem hohen Visualisierungsgrad. "Individuals and interactions over process and tools" lautet der erste Leitsatz des Agilen Manifestes und stellt das persönliche Gespräch über jeden noch so ausgefeilten und gut dokumentierten Prozess. "The most efficient and effective method of conveying information to and within a development team is face-to-face conversation". Insbesondere im agilen Projektmanagement mit der Scrum-Methode, den "Daily Sprints" und einem physischen zentralen Informations- und Entscheidungsort ist Präsenz unabdingbar.

Homeoffice ist mit den derzeitigen praktizierten Führungsleitbildern nur schwer vereinbar. Es erstaunt deshalb nicht, dass 54 Prozent der vom Fraunhofer IAO befragten Unternehmen die Wichtigkeit der Überprüfung des Führungskräfteverhaltens und einen definitiven Schulungs- und Kulturentwicklungsbedarf sehen.

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: kulturelle und individuelle Bedeutung des Unternehmens

These vier: Das Unternehmen als soziale Veranstaltung hat eine hohe kulturelle und individuelle Bedeutung. Im Unternehmen treffen sich Individuen mit einer hohen Übereinstimmung der gemeinsamen Grundüberzeugungen, Werte und Verhaltensweisen. Die so entwickelte und gelebte Unternehmenskultur bietet Raum zur immateriellen persönlichen Bedürfnisbefriedigung außerhalb des eigentlichen funktionalen Leistungserstellungsprozesses, aber auch außerhalb des familiären Umfelds. Der persönliche Austausch unter Kollegen, die kurze Begegnung auf dem Flur oder das Gespräch in der Kantine sind bei geringer Präsenz eingeschränkt. Das Feiern von Erfolgen und der Frustrationsabbau bei Niederlagen findet vielfach ganz bewusst und unmittelbar am Ort des Entstehens statt und soll nicht in die häusliche, familiäre Sphäre hineingetragen werden. Durch Homeoffice findet in diesem Sinne nicht nur eine Entgrenzung der Arbeitszeit statt, sondern auch eine Entgrenzung des beruflichen Rollenbildes: spezifisches berufliches Rollenverhalten taucht unerwartet im familiären Umfeld auf. Die ganz überwiegende Zahl der Befragten hat diesen Mangel bereits in kurzer Zeit erlebt.

75 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass ihnen der direkte Kontakt zu den Kollegen fehlt (DAK) und 42 Prozent Zustimmung erhielt die Aussage, dass es in virtuellen Arbeitssituationen Bedarf an einer unkomplizierten Plattform gibt für den informellen Austausch der Beschäftigten (Fraunhofer IAO). Aber auch hier gelten die Aussagen aus dem Agilen Manifest, dass das persönliche Gespräch und der direkte Kontakt die besten Möglichkeiten des persönlichen Austauschs sind.

Zukunft Homeoffice: Sind wir reif für die Transformation der Arbeitswelt?

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Ist die derzeitige Homeoffice-Situation geeignet, die Arbeitswelt nachhaltig zu verändern? Zeigen sich im "Experimentierraum Deutschland" (IAO) Ansätze für eine tiefgreifende Veränderung? Aktuell wohl eher noch nicht. Was sich aber zeigt, ist der Wille zur Veränderung und ihre technische Machbarkeit. Was fehlt, ist eine intensive Auseinandersetzung mit den kulturellen betrieblichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, die durchaus als "show-stopper" wirken können. Viel Ungeklärtes steht der Verbreitung der Arbeit im Homeoffice noch im Weg:

  • Wie wirkt sich die Aufhebung einigermaßen geregelter Arbeits- und Freizeitblöcke auf das gesellschaftliche Leben aus?
  • Wie erreichen wir eine vernünftige Trennung von Arbeit und Freizeit für den Einzelnen im Laufe des Tages? Und wie verteilen sich die Aufgaben neu in den Familien?
  • Wie führt man virtuelle Teams und beurteilt die Leistung des Einzelnen?
  • Und was ersetzt das Unternehmen als soziale Veranstaltung?
  • Wie reagieren die Belegschaft und ihre Interessenvertretung auf eine Situation, in der die Hälfte der Belegschaft im Homeoffice arbeiten "darf" und die andere Hälfte nicht?
  • Welche Lösungen gibt es für die vielen teilzeitarbeitenden Frauen?

Unternehmen können sich angesichts dieses Fragen- und Aufgabenkatalogs zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden: Wer Aufwand und Auseinandersetzung mit den oben angesprochenen Themen scheut, hakt die aktuelle Entwicklung als kurzfristige Reaktion auf staatliche Vorgaben ab und versucht, zum "business as usual" zurückzukehren.

Oder, und das scheint die weitaus vielversprechendere Option, Sie nutzen die aktuelle Aufbruchsstimmung, um den neu entstehenden Formen des Arbeitens eine gesellschaftlich tragfähige und mit der Unternehmenskultur zu vereinbarende Basis zu geben. Das benötigt Zeit und Aufwand, denn es ist nicht zu erwarten, dass diese Fragen auch bei intensiver Auseinandersetzung in Kürze zu beantworten sein werden. Doch es könnte sich lohnen: Die Veränderung der Arbeitswelt lässt sich nicht mehr aufhalten – schauen wir, dass wir das Beste daraus machen.

Literaturhinweise:

bidt, Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation, Umfrage "Homeoffice" Juni 2020 

DAK, "Digitalisierung und Homeoffice in der Corona Krise, Hamburg", Juli 2020

DIW Wochenbericht, November 2019

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, "Arbeiten in der Corona-Pandemie – Auf dem Weg zum New Normal"

Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Umfrage "Homeoffice", 7.Mai 2020

Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Umfrage " Homeoffice: Ist digitales Arbeiten unsere Zukunft?", Juli 2020

Universität Düsseldorf, S. Süß, "Homeoffice beeinflusst Produktivität und Konflikte", Düsseldorf 2020

TH Köln, C. Ernst, "Homeoffice im Kontext der Corona- Pandemie", Köln, April 2020

Universität Konstanz, F. Kunze, K. Hampel, S. Zimmermann, "Homeoffice in der Krise - eine nachhaltige Transformation der Arbeitswelt?", Konstanz, Juli 2020

Universität Krems, "Mental Health during Covid-19 Lockdown: A Comparison of Austria and the UK", Mai 2020

Über den Autor

Dr. Gerhard Rübling war Arbeitsdirektor bei Trumpf und langjähriger Vorstandsvorsitzender der DGFP

Quelle: haufe.de

14 August 2020

Ethischer Kompass für den Einsatz von KI in der Personalarbeit

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Digitale Transformation - Interview von Inga Höltmann

Ethischer Kompass für den Einsatz von KI in der Personalarbeit

"Was wir brauchen, ist ein reflektierter Umgang mit Technologie und dem technologisch Machbaren“,

fordert Michael Kramarsch. Er ist Mit-Initiator des Ethikbeirat HR Tech, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von digitaler Technologie – wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz – in der Personalarbeit zu erarbeiten. Denn es fehlen heute handlungsleitende Richtlinien, meint er. Zwar gäbe es schon es eine ganze Reihe Anwendungen, die in der Personalarbeit zum Einsatz kämen: Interaktionen mit Chatbots, Sprach- oder Videoanalysen oder auch statistische Vorhersagen, wie wahrscheinlich es zum Beispiel ist, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Unternehmen verlässt. Doch auch hier gilt – wie in so vielen Bereichen: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch wünschenswert.

Michael Kramarsch ist Gründer der HKP Group, einer Unternehmensberatung für Themen an der Schnittstelle von HR, Strategie und Finanzen. Den Ethikbeirat HR Tech hat er 2019 gemeinsam mit dem Bundesverband für Personalmanager (BPM) ins Leben rufen lassen. Das Gremium ist mit Menschen aus Wissenschaft, Start-ups und etablierten Unternehmen besetzt. „Im Privaten ist jeder seines Glückes Schmied was den Umgang und die Anwendung mit Technologie betrifft, doch im Kontext von Organisationen ist das ein schützenswerter Bereich, wo man viel sorgfältiger hinschauen muss“, meint er. Denn gerade im Personalbereich gäbe es viele normative Vorgaben, wie Geschlechter- oder Gehaltsgerechtigkeit, die wir im Blick behalten sollten. Es gehe immer darum, was Menschen wollten – aber auch darum, was Entscheidungen, die getroffen würden, mit Menschen machten.

Die Richtlinien seien „maximal unverbindlich und gleichzeitig höchst relevant“, sagt Kramarsch. Es ist jedoch überzeugt, dass es zukünftig ein Vorteil im „War for Talents“ sein wird, wie Unternehmen mit den Daten der Menschen umgehen und wie transparent sie damit sind. Im Interview spricht er mit Inga Höltmann darüber, wie die Richtlinien in den Unternehmen umgesetzt werden könnten und warum es eine europäische Debatte ist, die wir führen sollten.

Das Gespräch führte ​Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und neues Lernen, um Unternehmen bundesweit in ihrer Transformation zu unterstützen. Sie twittert aktiv zu diesen Themen unter https://twitter.com/ihoelt und freut sich über Anfragen auf LinkedIn oder per Mail auf Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

Quelle: ZukunftderArbeit

07 August 2020

Positive Psychologie für Führungskräfte

Posted in Führung, Leadership

von Univ.-Prof. Dr. Jürgen Weibler und Claudia Striewe

Positive Psychologie für Führungskräfte

Wieso schenken Vorgesetzte gerade den Schwächen ihrer Mitarbeiter so viel Aufmerksamkeit? Sollten sie den Fokus nicht besser auf deren Stärken legen, da Mitarbeiter so leichter wachsen können? Genau dieses Prinzip entspricht dem Gedankengut der sog. Positiven Psychologie. Nachfolgend wird gezeigt, wie mit Hilfe der Positiven Psychologie ein neuer Blick auf den arbeitenden Menschen gelingt und welche positiven Entwicklungsdynamiken damit unterstützt werden.

Traditionell beschäftigte sich die klinische Psychologie vorrangig damit, Psychopathologien sowie menschliche Dysfunktionalitäten zu diagnostizieren und zu therapieren. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts begann jedoch eine neue Ära in der Psychologie. Ein neuer Forschungszweig vollzog eine Abkehr von dieser „negativen“ Sicht und fragte sich unter dem Signum der Positiven Psychologie (PP) stattdessen, was das Leben lebenswert macht. Leadership Insiders stellt heraus, was Führungskräfte für ihre Tätigkeit daraus lernen können.

Was sind die Wurzeln der Positiven Psychologie?

Die Positive Psychologie sieht ihren namensgebenden Ursprung in dem Grundlagenwerk „Motivation and Personality“ von Abraham Maslow (1954), da dieser das letzte Kapitel seines Buches mit „Toward a Positive Psychology“ überschrieben hat. Ausschlaggebend für die tatsächliche Entwicklung einer solchen Psychologie waren allerdings zwei andere Vorkommnisse: Zunächst eine richtungsweisende Einführungsrede von Martin Seligman auf der American Psychological Association Convention im Jahre 1998, in deren Folge Seligman gemeinsam mit Mihaly Csikszentmihalyi, dem Begründer der Flow-Forschung, im Jahre 2000 einen inhaltlich wegweisenden Fachbeitrag in der Zeitschrift American Psychologist veröffentlichte (Donaldson/Ko 2010, S. 2). 

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter Leadership insiders 

31 Juli 2020

Enterpreneure und Transformationen

Posted in Führung, Leadership

"Du musst springen"

Enterpreneure und Transformationen

Aus einer eigenen Analyse von 13 HSG Alumni Entrepreneur Podcasts (Universität St. Gallen) der Jahre 2019 und 2020 vermittelt Prof. Dr. Jürgen Weibler nachfolgend Einsichten, die für Transformationsvorhaben in etablierten Unternehmen wertvoll sind. Anders herum gelesen verdeutlichen sie aber auch, warum Transformationen dort, wo die Vitalität im Denken und Handeln nebst Handwerkszeug nicht ausreicht, gerade scheitern oder noch scheitern werden.

Transformationen sind für viele, auch große Unternehmen essentiell, um weiter erfolgreich mitzuspielen. Nicht wenige scheitern und werden noch scheitern, weil sie ihre Geschäftsmodelle strategisch falsch aufgesetzt haben oder ihre Strukturen und Prozesse handwerklich nicht in den Griff bekommen. Andere – und das interessiert hier im Besonderen – driften in eine Sackgasse, weil sie allein schon kulturell nicht verstehen, dass sie hinreichend viele Führungskräfte und Mitarbeitende mit einem der Transformation kongenial verbundenen Mindset benötigen. Was liegt näher, bei denen genauer hinzuschauen, die diese Passung leben? Leadership Insiders hat dafür 13 HSG Alumni Entrepreneur Podcasts (Universität St. Gallen) der Jahre 2019 und 2020 analysiert und wertvolle Einsichten gewinnen können.

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter Leadership insiders

24 Juli 2020

Digitale Nomaden – Was Unternehmen von ihnen lernen können

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Neue Orte des Arbeitens

Digitale Nomaden – Was Unternehmen von ihnen lernen können

In den sozialen Netzwerken sind sie als Gurus des passiven Einkommens, als innovative Masterminds und Instagram-Influencer*innen schon längst überall sichtbar: die digitalen Nomad*innen. Arbeiten, wo andere Urlaub machen, ist das große Versprechen. Doch bisher bevölkern die selbstständigen Freelancer*innen, Lifestyle-Coaches und Start-up-Gründer*innen nur die Coworking-Spaces in Bali, Thailand und Co. Als Produktmanagerin und Werkstudentin beim Berliner Start-up Housy, ist mir aber klar geworden, wie viel man aus diesem Lebensstil mit in deutsche Unternehmen bringen kann – wenn diese denn offen dafür sind.

Vom Berliner Büro des Start-ups Housy an den Strand

Selbstständigkeit und Freelance-Arbeit sind keine Grundvoraus-setzungen mehr geografisch flexibel arbeiten zu können, denn einige Arbeitgeber*innen ziehen bereits mit – wenn in Deutschland auch recht zögerlich. Nicht so zögerlich das Start-up Housy, für das ich Ende 2018 die Rolle der Produktmanagerin übernahm. Das Produktteam erstreckte sich ohnehin schon über deutsche Grenzen hinweg. Online-Projektmanagement-Tools kamen bereits zu meinen Berliner Zeiten zum Einsatz, Kollaboration lief ganz natürlich von Beginn an international, kommuniziert wird im Produktteam natürlich auf Englisch. Längst sind internationale Teams als Instrument zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf einem globalisierten Markt geworden.

Aus diesem Grunde kam es nicht allzu überraschend, dass die Gründer Raymond Naseem und Sebastian Melchert kein Problem darin sahen, als ich meinen Plan verkündete, anstatt in Berlin zu verweilen, auf der ganzen Welt zu arbeiten. Die Housy-Gründer erkannten, dass meine Motivation und Kenntnis des Produktes höher zu priorisieren waren als die Risiken der geografischen Abwesenheit.

Meine temporären Arbeitsstätten sind meist zentrierte Nomaden-Communities, deren Standorte durch eine exzellente Internetverbindung, dem Vorhandensein von Coworking-Spaces, arbeitsfreundlichen Cafés und günstigen Lebenshaltungskosten geprägt sind.

Darunter zählen viele Orte in Südostasien wie Bali und Thailand, aber auch Marokko oder Kolumbien. Internetgeschwindigkeiten können auf einer Insel wie Bali um Längen besser sein, als es die meisten Haushalte in Deutschland kennen.

Die digitalen Nomad*innen haben diese Orte regelrecht in westliche, digitale Oasen transformiert, in denen Querdenker aus aller Welt zusammenkommen und sich austauschen. Hier bündeln sich Ideen und die Disruptoren der Zukunft.

"Problematisch ist nur, dass vielen Unternehmen all diese Schlagkraft verloren geht, wenn sie diesem Lebensstil nicht offen gegenüberstehen."
 

Life-Work-Balance anstatt Work-Life-Balance

Denn bloße Anwesenheit ist also schon lange kein Garant mehr für effektive Kollaboration und optimale Leistung. Das wissen die Nomad*innen, wenn sie sich erfolgreich selbstständig machen, anstatt die Gestaltung ihres Alltags von Restriktionen einer Human Resources Abteilung abhängig zu machen. Die Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten, betrifft nämlich nicht nur frisch gebackene Mütter, sondern wird von der Generation Internet schon beinahe vorausgesetzt – unabhängig des Geschlechts.

"Die Unternehmen der Zukunft müssen der Tatsache ins Auge blicken, dass meine Generation, die jungen Köpfe von morgen, ihr Leben nicht mehr um die Arbeit herum plant, sondern die Arbeit um das Leben, das sie sich wünschen."

Meiner Meinung nach haben viele deutsche Unternehmen es schlichtweg versäumt, die richtigen Anreize zu setzen. Während diese Unternehmen externe Beratungsfirmen beauftragen, um die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter*innen zu verbessern, haben die Leistungsträger*innen von morgen schon längst eine umgekehrte Life-Work-Balance als Standard gesetzt. Life-Work-Balance beinhaltet nicht unbedingt weniger Arbeit. Flexible Arbeitsmodelle sind mit der richtigen Technologie wie Cloud-Computing und Organisation in kaum einer Branche noch ein Ding der Unmöglichkeit.

Doch wie organisiert sich ein Arbeitsalltag, wenn Firmensitz und Arbeitsstätte tausende Kilometer voneinander entfernt sind?

Mehr Eigenverantwortlichkeit, Zeitzonendiskrepanz und die Rolle von progressiven Führungskräften

Wenn sechs bis acht Stunden Zeitzonenunterschiede zwischen internationalen Teams liegen, kann dies zu Konflikten führen. Eine intensive Planung aller Aktivitäten kann dies vermeiden, aber auch eine flexible Interpretation der Arbeitszeiten kann hier Abhilfe schaffen.

"Das Frauenhofer IAO identifizierte 2018, nicht eine gelegentliche Erreichbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeiten als Stressfaktor einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung, sondern die Erhöhung der Arbeitsbelastung in der regulären Arbeitszeit."

Remote Work, auch über Zeitzonen hinweg, muss deshalb trotz Verschmelzung nicht direkt das Burn-out bedeuten. Eine proaktive Abgrenzung von Beruflichem und privatem seitens der Mitarbeiter*innen und die Akzeptanz dieser Grenzen seitens der Arbeitgeber*innen sind vonnöten. Deshalb muss sich die bekannte Arbeits- und Kontroll-Beziehung zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen verändern. Nur mit einer beidseitigen Feedbackkultur und flacheren Hierarchien kann genug Vertrauen aufgebaut werden. Durch diese Offenheit wird bei Housy deshalb erfolgreich das Konzept der Vertrauensarbeit umgesetzt.

Führungskräfte agieren in flexibleren Unternehmen als Coaches und Begleiter*innen einer Entwicklung, Angestellten wird mehr Verantwortung übertragen und Fehler werden als Lernerfahrung zelebriert. Eine beinahe utopische Veränderung der Unternehmenskultur, wenn alte Arbeitsphilosophien tiefe Gräben zwischen Angestellten und Führungsebenen gegraben haben.

"Denn Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter*innen ist essenziell für Remote Work."

In den Coworking Spaces kontrolliert niemand meine Anwesenheit, genauso wenig wie jemand wahrnimmt, dass ich abends im Restaurant noch einmal meinen Laptop aufklappe. Eigenverantwortlichkeit kann aber erst bewiesen werden, wenn Führungskräfte lernen loszulassen, weshalb flexiblere Arbeitsmodelle wahrscheinlich besser in Start-ups wie Housy funktionieren. Mit jungen Gründer*innen, die bereits in einer anderen Welt aufwuchsen, müssen diese grundlegenden, misstrauischen Glaubenssätze gar nicht erst wieder verlernt werden.

Die Büroarchitektur der Coworking Spaces

Doch nicht nur aus der Arbeitsorganisation, die mit der Remote Work einhergeht, können Unternehmen Rückschlüsse für die Zukunft ziehen. Coworking-Spaces haben durch die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitglieder eine Büroarchitektur entwickelt, die Kollaboration und intensive Arbeit gleichermaßen unterstützt.

So bieten Coworking-Spaces Konzepte wie „Hot- und Cold-Desks“ an, bei dem hot nicht weiter als flexibel und cold zugewiesen bedeutet. Mitglieder mit einer „Hot Desk“-Mitgliedschaft können sich überall hinsetzen, wo Platz ist, und wohin sie ihre mobilen Endgeräte tragen möchten. Sie sind für ihre Arbeitsatmosphäre selbst verantwortlich und können diese jeden Tag an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen. Gleichzeitig ist der Coworking-Space in Zonen der ruhigen Arbeit, Zonen zum informellen Austausch, wie Cafés und Stehtische, sowie formelle Meetingräume eingeteilt. Für intensive Arbeitstage mit hohem Konzentrationsaufwand wird von einer Ruhezone Gebrauch gemacht. Zur Pause machen etliche Nomaden in Sitzsäcken oder Hängematten mit Schlafmaske einen Powernap. Nur eine Glasscheibe trennt sie von einem Meetingraum, in dem sich ein internationales Team für einen Workshop in Chiang Mai, Thailand, zusammengefunden hat. Im Nebenraum bekommen Gründer aus aller Welt Inspiration und teilen ihr Wissen mit Menschen aus den verschiedensten Branchen.

"Coworking-Spaces sind zu Informel-formellen Orten der Kollaboration geworden, deren Architektur verstärkt auch in die Privatbürolandschaften Deutschlands übertragen werden könnte."

Das Schlagwort ist bei dieser flexibleren Sitzordnung die Selbstbestimmung. Meist wissen Mitarbeiter selbst am besten, wie sie innerhalb eines Teams am produktivsten arbeiten können. Denn für mich sind dies die Coworking-Spaces der Nomadencommunities Südostasiens mit einer Internetverbindung über 50Mbit/s, in denen ich mich von Gleichgesinnten, aber doch ganz anderen Menschen, inspirieren lassen kann.

Zukünftig könnten mehr Unternehmen Remote Work als neue Chance für Innovation und Personalmanagement betrachten – nicht als Ersatzlösung, sondern als flexible Zusatzmöglichkeit.

Über die Autorin

Larissa Blümel, Produktmanagerin und Werksstudentin Housy GmbH, macht derzeit  ihren Master online in Digital Management & Transformation. Vorher hat sie Ihren Bachelor an der FU Berlin in Kommunikationswissenschaften absolviert.

Quelle: Zukunft der Arbeit

17 Juli 2020

New Work im Top-Management in 6 Schritten

Posted in Führung, Leadership

New Work im Top-Management in 6 Schritten

Wann erreicht die Diskussion um New Work die Führungsetagen? Gustav Klötzl schildert, welche Schritte das Top-Management gehen muss.

In der regen Diskussion über New Work und zeitgemäße Führung geht oftmals ein Aspekt unter: Die vorherrschenden Strukturen und Menschen in der obersten Führungsetage. Im Top-Management sitzen heute Alphatiere unterschiedlichster Couleur. Und auch wenn es in vielen Geschäftsberichten so aussieht, als leiteten Top-Führungsteams das Unternehmen, ist die Realität oft eine andere:

Managementwechsel zuhauf, von Haifischbecken ist die Rede, Beratereinsätze im Übermaß, um Führungskonflikte aufzulösen. Führungskräfte-Hopping, das Unternehmen in die Krise bringt, ohne dass die Verantwortlichen die Suppe auslöffeln müssen, die sie dem Unternehmen eingebrockt haben. In den meisten Unternehmen ist das eher die Regel als die Ausnahme. Dies hat strukturelle Gründe, aber auch traditionelle. Wann erreicht die Diskussion um New Work endlich die Top-Führungsetagen?

Macht Euch nichts mehr vor!

In vielen Führungsstrukturen auf der Top-Ebene klebt man sich gerne das Team-Etikett ans Revers. Bei genauerem Hinsehen jedoch hält der tatsächliche Inhalt nicht, was die Verpackung verspricht. Silodenken, Erfolgsegoismus, Konkurrenzverhalten, Misstrauen und Glaubwürdigkeitsdefizite herrschen vor. Jeder versucht sich abzusichern, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Führungsdefizite werden ausschließlich hinter vorgehaltener Hand angesprochen.

Wer für sich den Lackmus-Test machen will, sollte sein Team fragen, welches der folgenden Themen auf die versammelte Runde zutrifft. Wo dann die Chance nicht genutzt wird, den Mund aufzumachen, ist höchste Alarmbereitschaft angesagt.

Schritt 1: Zusammenarbeit unter Konkurrenz?

So trivial es klingt: Top-Führungskräfte machen sich selten Gedanken darüber, wie ihre Kollegen ticken. Sie sollen funktionieren! Teams werden so zusammengestellt, dass immer der Beste seines Fachs gesucht und eingesetzt wird. Biss ist wichtig unter Alphatieren, nicht Persönlichkeit! Damit wird die Saat gelegt für ein geheimes Ranking und verdeckte Konkurrenz. Erfolgsegoismus entsteht, wo eine Loyalitätsgemeinschaft gefordert ist. Voraussetzung für gute Zusammenarbeit ist aber ein grundsätzliches Verständnis zur Persönlichkeit und zu den Motiven der anderen. Zu wissen, was den anderen wirklich antreibt, ist besonders in diversen und kritischen Situationen wichtig.

Die vier Kerntypen der Führung legen die Spuren dafür. Sie finden sich gerade unter Alphatieren wieder: Der Krieger, der Bauer, der Magier und der Fürst. Der Krieger braucht die Aktion und den Wettbewerb, der Bauer die Sicherheit und Struktur, der Magier sucht die kreative Lösung und der Fürst setzt auf Beziehungen. Jeder Typus hat eigene Formen der Kommunikation und Handlungsorientierung. Diese Unterschiede zu kennen und zu berücksichtigen, stärkt die Zusammenarbeit und verhindert Kollisionen.

Schritt 2: Inspire me!

Zahlen und Fakten sind in der Unternehmensführung wichtig, keine Frage. Doch werden Unternehmen wesentlich durch Menschen angetrieben. Für diese sind Sinnhaftigkeit und „Purpose“ zwei wichtige Treiber – auch auf der Führungsebene. Gerade im Zusammenhang mit New Work muss das Top-Management Zusammenhalt zeigen und schaffen. Wofür braucht es uns? Warum machen wir das eigentlich? Was gefällt mir jeden Tag, wenn ich hier reinkomme? Dieser Schlüssel schafft die Voraussetzung für eine Vision, die von allen vertreten und getragen wird. Das stärkt das erforderliche Zusammengehörigkeitsgefühl in der Führungsmannschaft und färbt auf die Mitarbeiter ab.

Schritt 3: Rollenzufall oder Rollenklarheit?

In vielen Führungsteams sind die jeweiligen Rollen oft aus Traditionen und früheren Erfolgen gewachsen. Diese werden lange beibehalten, auch wenn die Unternehmenssituation längst eine andere ist. Neue Player im Markt oder auch im Team machen zwar auch neue Fragen zu Struktur und Rollenverteilung erforderlich. Darüber zu sprechen ist jedoch ein Tabu. Wer traut sich das schon, wenn er Alphatiere als Gegner hat?

Selbst wenn klar ist, was auf den Fluren eh jedem klar ist, braucht es viel Mut, diese Themen im Führungsteam anzupacken. Gerade New Work bedingt aber, dass Rollen und Aufgaben je nach Aufgabenstellung und vorhandener Kompetenz gemeinsam vereinbart und nach Bedarf gewechselt werden. Das Führungszepter bekommt die Person in die Hand, die für die jeweilige Situation die beste Eignung mitbringt. Eine Regel, die unter Alphatieren Angst auslöst.

Schritt 4: Mehr Emotionen, bitte!

Gute Beziehungen machen gute Geschäfte. Eine längst unumstößliche Vertriebsweisheit und Lebenserfahrung, die scheinbar unter Top-Managern und Alphatieren nicht gilt. Emotionen haben dort keinen Raum und keinen Platz. Sachlichkeit, Logik und Rationalität sind oberstes Primat. Ob die getroffenen Entscheidungen mit Leidenschaft, Esprit und Überzeugung umgesetzt werden, ist irrelevant. Doch diese Haltung widerspricht menschlichen Erfahrungen. Denn überall, wo Menschen aktiv sind, sind Emotionen im Spiel und beeinflussen das Handeln. Die Akzeptanz von Entscheidungen und der Einsatz für die Umsetzung wird davon wesentlich beeinflusst. Auch im Top-Management.

Dort wo Führungsteams emotionale Befindlichkeiten berücksichtigen und wertschätzen, entwickeln sie eine eigene Dynamik. Eine Anerkennungskultur entsteht, die versteckte Frustrationen verhindert, Grabenkämpfe erübrigt und auch schwierige Situationen gemeinsam durchstehen lässt. Top-Führungskräfte wechseln nicht die Pferde, wenn die Kutsche von allen gemeinsam gezogen wird.

Schritt 5: Feedback for Future?

Konstruktives Feedback, das Top-Chefs ihren Mitarbeitern verordnen, praktizieren sie selbst eher selten. Dabei ist das die höchste Form individueller Loyalität. Wenigen Alphatieren ist dies bewusst. Angriffs-Modus ist ihnen eigen! Gutes Feedback zeigt jedoch stets ein hohes Maß an Interesse für den anderen. Doch Kritik zulassen, annehmen und ernst nehmen, sind Alphatiere nicht gewohnt. Aus der sonst gewohnten Position der Macht ist es für sie einfach, selbst Feedback zu geben. Auf Augenhöhe aber ist es eine Herausforderung in jedem Leitungsteam. Diese Barriere trägt wesentlich dazu bei, dass wichtige und notwendige Entwicklungsschritte ausbleiben. Im Team und für den Einzelnen.

Schritt 6: Plurale Transparenz beherrschen

„Divide et impera“ – teile und herrsche. Das gilt gerade in Führungsteams. Bilaterale Kommunikation herrscht vor. Jeder mit jedem, aber immer nur im Duo und immer darauf achtend, was man mit wem bespricht. Das ist die vorherrschende Konstellation der Macht. Selbst ausgezeichnete Manager haben häufig Angst davor, heiße Themen im Team anzusprechen. Die Zahl der Gegner ist zu groß und der Umgang mit Gruppen ist keine Kompetenz, die Management-Schulen lehren.

Wirksame und erfolgreiche Management-Teams praktizieren aber genau das. Sie kommunizieren klar und transparent: Probleme, irritierende Unternehmensbelange und individuelle Störungen können in versammelter Führungsrunde angesprochen und auf emotionaler wie sachlicher Ebene diskutiert werden. Keine geheimen Absprachen, irritierendes Hörensagen, sondern gute Transparenz für alle.

Fazit: Einsicht, Schulterschluss, Fortschritt

Diese sechs Schritte zu gehen, ist für Führungsteams eines Unternehmens eine große Herausforderung. Ob Alphatiere diese Kompetenz auch für sich wollen und beherrschen, müssen sie sich selbst beantworten. Aber New Work ist auch entstanden, weil der Einzelne die Komplexität und Diversität unternehmerischen Handelns nicht mehr alleine abdecken kann. Ob damit auch die Zeit der allein herrschenden Alphatiere abgelaufen ist, wird sich zeigen.

Über den Autor

Gustav Klötzl ist Gründer und Geschäftsführer der 3P-Beratungsgruppe in Nürnberg. Seit 30 Jahren unterstützt er Entscheider und Top-Führungskräfte bei Veränderungs- und Entwicklungsfragen – und hilft erfahrenen Managern, ihr Profil zu schärfen und oberen Führungsteams dabei, den weiteren Sprung zu einer erfolgreichen Loyalitätsgemeinschaft zu machen.

Quelle: Human Ressource Manager

03 Juli 2020

Home Office - Press reset!

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Home Office - Press reset!

Wenn man sich mit dem Arbeitsplatz der Zukunft beschäftigt, kommt man nicht umhin, sich mit der Frage der Sichtweise rund um das Home Office zu befassen.

Ist es nicht unglaublich, wie die aktuelle Situation in so kurzer Zeit unsere Welt verändert hat? Und gefühlt erscheinen uns dieses Szenario schon Monate in Atem zu halten, dabei sind es erst wenige Wochen, in welchen plötzlich alles anders ist.

Es erscheint gleichzeitig so, als ob die Welt in zwei Lager geteilt ist. Die einen, die so viel zu tun haben wie noch nie und mega gestresst durch den Tag gehen und diejenigen, die gefühlt auf null herunter gebremst wurden.

Vielleicht hat das alles rund um Corona auch etwas Gutes. Man kann einmal Perspektive wechseln. An mancher Stelle habe ich mich sogar echt gefreut. Zum Beispiel darüber, dass es nun doch so schnell möglich war, so viele Menschen gleichzeitig ins Home-Office zu schicken. Dass sich die Meisten so schnell an neue Technologien gewöhnt haben und wir damit in der digitalen Transformation ein Riesenschritt machen. Und vor allem freue ich mich über die Vorteile, die unsere Natur mitnimmt.

Entmystifizierung des Home Office

Kaum zu glauben: Weitestgehend hat unsere Infrastruktur ja dann doch mitgemacht. Zum Trotz aller üblen Unkenrufe. Dennoch glaube ich, hat sich die Welt nicht wirklich verändert. Ich bin gespannt, wie schnell wir wieder zum „neuen Normal“ zurückkehren werden und wie viel sich dann wirklich noch aus dieser, zugegebenermaßen schwierigen Situation, halten wird. Für Viele wurde das Home Office entmystifiziert. Ich glaube, dass die meisten Arbeitnehmer, die es betroffen hat, jetzt einen realistischeren Blick auf die Dinge haben. Und da wir weiterhin von einer immer individuelleren Gesellschaft sprechen, kann man nicht verallgemeinern, dass Menschen Home Office jetzt besser oder schlechter finden als vorher.

Auch kann ich die Diskussion um angebliche Milliarden an Einsparpotenziale überhaupt nicht nachvollziehen. Es kann doch nicht irgendjemand wirklich glauben, dass wir den Mensch nicht mehr im Mittelpunkt stehen haben, egal wie es unserer Wirtschaft geht. Ganz im Gegenteil: Haben wir nicht mit unseren Aktionen rund um Corona bewiesen, dass der Mensch das Wichtigste ist? Und jetzt wollen wir ihn in seinem Büroumfeld beschneiden, in dem er vielleicht die meiste Zeit seines Lebens verbringt? Unvorstellbar für mich. Ich glaube, ganz im Gegenteil, werden wir wunderbare neue Trends und Strömungen bekommen, die dem Einzelnen die Möglichkeit geben, sich und seine Stärken noch besser zu entfalten. Sämtliche Gesundheitsmaßnahmen zeigen doch den Respekt und die Wertschätzung für Menschen. Daher nutzen wir Masken, halten den Abstand und waschen 100 mal am Tag die Hände.

Welche Veränderung wird es geben?

Ich glaube nicht, dass sich die Rahmenbedingungen der Raumgestaltung im Future Workplace grundsätzlich verändern werden. Ich glaube, dass es weiter verschiedene Module geben muss, dass es weiter aktivitätsbasiertes Arbeiten geben wird. Aber vielleicht gibt es ein paar Module mehr, die Physical Distancing oder dem Home Office und all den neuen Erfahrungen daraus Rechnung tragen.

Einige der Trends, die ich vor kurzer Zeit kuratiert habe, beziehen interessanterweise schon die neue Situation ein. Nach all den Erfahrungen in Home Office und den wenigen wirklichen Face-to-face-Kontakten, relativ zur Vergangenheit, werden Meetingräume und alle anderen Räume, die zum Zusammenkommen da sind, eher wichtiger. Hier gibt es schon viele neue Ideen, wie man sich in Gemeinschaftsräumen wiederfindet und wie man Menschen wieder zurück ins wirkliche Büro lockt. Firmenzentralen werden wieder attraktiver werden müssen und auch vielfältiger. Auch der Trend zum Arbeiten im Outdooroffice könnte damit noch einmal katalysiert werden.

Wäre es sich nicht wirklich perfekt, wenn ein Teil unserer Mitarbeiter ab und zu im Home Office arbeitet würden? Macht es nicht wirklich Sinn immer dort zu arbeiten, wo man seine Aufgaben am besten erledigen kann? Das ist doch das, was aktivitätsbasiertes Arbeiten ausmacht. Ich zum Beispiel arbeite gerne ein bis zwei Tage die Woche im Home Office an Aufgaben, die kreativ sind, bei welchen ich Ruhe benötige, oder einfach an Dingen feststecke, die ich abarbeiten muss. Dies ist bei mir im klassischen Büro nicht möglich. Dort spielt für mich der Austausch die erste Geige. Aber das ist bei jedem anders und jeder sollte entscheiden, wo sie oder er am besten arbeiten kann. Das ist letztendlich auch gut für jeden Arbeitgeber!

In der Diskussion rund um Nachhaltigkeit geht es aktuell ganz oft auch um die viele Flugreisen, die vor Corona auf der Tagesordnung vieler Arbeitnehmer standen. Es ging um internationale Messen, die man besuchen mußte und auch um große Meetings, die als wichtig erachtet wurden. Von heute auf morgen ging es dann auch komplett ohne. Lediglich zu fragen wäre, wie die Konsequenzen langfristig aus all dieser dezimierten Kommunikation aussehen. Schließlich hat es sich bei diesen Business-Aktivitäten ja nicht ausschließlich um Spaß gedreht.

Was wird sich also verändern? Meiner Meinung nach könnte es sein, dass wir jetzt einfach alles konzentrierter tun als vor Corona und damit schützen wir die Umwelt, gehen wertschätzender mit der Zeit unserer Kollegen um und machen vielleicht nur noch wichtige Meetings. Denk einmal darüber nach! Das wäre ein großer Beitrag zur Zukunft und zur Nachhaltigkeit. Und entspricht absolut meinem Gusto.

Mögliche Ausstattung des Home Office

Es ist gar nicht leicht über ein Home Office-Konzept für Unternehmen nachzudenken. Es geht ja nicht nur darum, einen Tisch, einen Stuhl, eine Lampe, und vielleicht ein paar Kopfhörer samt Rechner zur Verfügung zu stellen. Es geht auch darum, dass Menschen erst einmal den Platz haben müssen, dass sie sich in ihr privates Umfeld überhaupt herein reden lassen, was das Design betrifft und viele andere Facetten, die berücksichtigt werden sollten. Und auf der anderen Seite kann von einem Arbeitgeber nicht erwartet werden, dass er 50.000 verschiedene Home Office Varianten anbietet. Das wäre viel zu teuer und aufwändig. An diesem Thema arbeite ich gerade und das macht sehr viel Freude.

Welche Möglichkeiten könnte es also zur Lösung dieses Problems geben?

Variante 1: Es wäre natürlich möglich, jedem Mitarbeiter ein Budget zur Verfügung zu stellen, mit dem er sich das Home Office einrichten könnte. Hier besteht aber die Gefahr von fehlender Ergonomie, Sicherheit und auch die Frage der Qualität - neben Vielem mehr.

Die Variante 2: Ein Home Office, also eine Ausstattung dafür, könnte das Unternehmen zur Verfügung stellen. Hier könnte ich mir eine Matrix vorstellen von jeweils drei Produkten pro Gattung. Man könnte sich daraus ein eigenes Home Office zusammenstellen. Soetwas muss natürlich möglichst im Rahmen einer Miete für das Unternehmen funktionieren und idealerweise vereinheitlicht die Produkte der Büroausstattung im Firmengebäude aufgreifen. Damit könnten Synergien und eine gewisse Flexibilität gewährleistet werden.

Aktuell arbeite ich an einem ganz schönes innovativen Konzept dazu. Hier wird es eine Art Überseekoffer, der als Office dienen kann, geben. Das finde ich mega spannend. Mir würde es gefallen!

An dieser Stelle sollte man nicht vergessen, dass in Zukunft die Möglichkeit des Arbeitens im Home Office durchaus ein Wettbewerbsfaktor werden könnte. Wer dann ein attraktives Home Office inkludieren kann, zum Beispiel in das Leistungspaket eines Arbeitsvertrages integriert, ist sicherlich in einer besseren Situation als mancher Konkurrent.

Weiterentwicklungen innerhalb unserer Firmenräume

Wir sprechen im Moment viel über Mindestabstand. Wenn nicht alle Menschen ständig im Büro arbeiten, ist das durchaus ein Vorteil, genügend Abstand zu halten. So werden wir in Zukunft vielleicht den auf uns zu kommenden Herausforderungen noch schneller gerecht werden können. Aber auch dafür werden wir in der Zukunft mehr Platz benötigen. Auch hier kann ich dir den Traum von Einsparungspotenzial überhaupt nicht nachvollziehen. Schon heute ist es so, wenn wir mit weniger Menschen am Arbeitsplatz rechnen, müssen wir doch immer mehr Fläche für Kommunikation vorsehen. Hier wäre ein bisschen mehr Realismus in der Tat wertvoll.

Was passiert jetzt nach Corona? Oder während Corona? Dazu muss man sich den Arbeitsplatz des Einzelnen anschauen, der jetzt natürlich einen gewissen Mindestabstand zum nächsten Mitarbeiter halten muss. Es geht nicht nur um den Arbeitsplatz des Einzelnen und um Hygiene-und Sicherheitsmaßnahmen. Auch andere Büroflächen sollten in die Überlegungen einbezogen werden. Wie sollten Meetings aktuell stattfinden? Muss es flexiblere Möglichkeiten auch für die Verzahnung von On- und Offlinearbeiten geben? Wie kann man dies schlau anstellen?

Und wie müssen die Meeting- oder andere Begegnungsräume heute aussehen, um die Mitarbeiter begeistert von ihren Home Office-Arbeitsplätzen oder Coworkingspaces wieder in die Firmenzentralen zu locken. Es ist relativ wahrscheinlich, dass Menschen in Zukunft eher zwischen Home Office und Firmenzentrale aufgeteilt arbeiten. Es könnte sogar sein, dass regionale Büros geschaffen werden, die eine Art Zwischenlösung zwischen diesen beiden Welten darstellen. Vorstellbar ist auch, dass sich hier Coworkingspaces etablieren, die für mehrere Firmen den Zugang zu solchen lokalen Büroflächen ermöglichen.

Auf jeden Fall wird dies die Unternehmenskultur von Firmen nachhaltig verändern. Und zwar zum Positiven. Eine wunderbare Herausforderung und nicht schwer umzusetzen. Aber man muss sich darauf einstellen, die Menschen mitnehmen, nachdenken und sich in kleinen Schritten in die neue Realität hineinfinden.

Über die Autorin

Susanne Busshart ist Geschäftsführerin der SBCdigital GmbH und Expertin für Culture Change und Digitale Transformation. Sie begleitet Unternehmen zu Change Management und New Work mit dem Ziel, diese in die nächste Evolutionsstufe zu heben. Sie ist Speakerin, Ideengeberin und Autorin. Ihr Herzensthema: "Räume nach innen und außen".

Quelle: Xing-insiders

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