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02 Mai 2025

Motivation am Tiefpunkt: Warum Arbeitnehmer keine Lust mehr haben

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Job&Karriere

Motivation am Tiefpunkt: Warum Arbeitnehmer keine Lust mehr haben

Wir haben ein Motivationsproblem: Deutsche Arbeitnehmer gehen im internationalen Vergleich ungern zur Arbeit. Doch warum ist das so und wie viel Motivation ist „motiviert genug“?

Reize, die uns zu einer Handlung bewegen können, sind als „Motivation“ bekannt – ein Begriff, der uns regelmäßig im Alltag begegnet und in der heutigen Arbeitswelt wichtiger denn je ist. Der Mensch braucht Motivation, um in Bewegung zu kommen, etwas zu machen, einen Sinn zu finden, eine Handlung umzusetzen. Fehlt die Motivation, kommt es zu keiner Handlung oder Entscheidung.

Dass Arbeitnehmer auf der Suche nach diesem Reiz, also einer Motivation sind, um sich für ein Unternehmen zu entscheiden, ist bei vielen Arbeitgebern scheinbar noch nicht richtig angekommen. Festgefahrene Strukturen und veraltete Regeln machen es kaum möglich, Motivation zu finden. Wo sollen Angestellte die berühmte „Nadel im Heuhaufen“ finden, wenn der Heuhaufen aus Leistungsdruck, prekären Arbeitsbedingungen und fehlender Wertschätzung besteht?

Deutschen Unternehmen fehlt das Problembewusstsein

Aus einem Spiegel-Bericht wird deutlich, dass deutsche Arbeitnehmer – im Vergleich zu Beschäftigten aus anderen Ländern – besonders unmotiviert zur Arbeit gehen. In dem aus dem Jahr 2020 stammenden Artikel wird Martin Daniel zitiert, Mitbetreuer der Peakon-Studie, welche zum genannten Ergebnis kommt: Arbeitnehmer suchten nach Selbstverwirklichung, so Daniel. Doch deutschen Unternehmen fehle einfach das Problembewusstsein.

Problembewusstsein ist das Stichwort: Der flächendeckende Personal- und Fachkräftemangel hat nicht nur demografische Ursachen. Unattraktive Arbeitsbedingungen sind ein echtes Problem. Toxische Vorgesetzte sind ein echtes Problem. Und auch die fehlende Einsicht von Arbeitgebern, dass diese Herausforderungen tatsächlich für düstere Zukunftsaussichten sorgen, ist ein Problem.

Wie viel Motivation es also braucht, um Arbeitnehmer im 21. Jahrhundert anzutreiben? Jedenfalls genügt die Art von Mitarbeitermotivation, die in vielen Unternehmen vorherrscht, heute nicht mehr, weil New Work dafür sorgt, dass die Ansprüche auf Arbeitnehmerseite stetig ansteigen.

Was brauchen Arbeitnehmer, um sich motiviert zu fühlen?

Viele deutsche Arbeitnehmer haben in den letzten Jahren innerlich gekündigt. Der zunehmende Jobfrust, weil zum Beispiel ein Karrierestillstand stattfindet oder Vorgesetzte ein toxisches Verhalten zeigen, resultiert in Resignation und Demotivation. Doch wie viel Motivation braucht es, um deutsche Angestellte wirklich zu motivieren – und was sind die wichtigsten Punkte? Hier ein Überblick für Arbeitgeber über aktuelle Trends zur Mitarbeitermotivation.

Motivation #1: Gesunder Arbeitsplatz

Mental Health, Selbstfürsorge und Work-Life-Balance sind wichtige Trendworte, die alles andere als leer sind. Denn viele junge Menschen, die der Gen Z und den Millennials angehören, legen großen Wert auf ihre eigene Gesundheit. Dass sich Arbeitnehmer diese Punkte nicht nur erlauben sollten, sondern dass sie auch bei Arbeitgebern Priorität haben müssen, zeigt die Vergangenheit, als es noch zum guten Ton gehörte, Workaholic zu sein – und das auf Kosten der Gesundheit.

Es braucht einen gesunden Arbeitsplatz, um Mitarbeiter zu motivieren. Dass Fehltage wegen mentaler Erkrankung und Erschöpfung ansteigen, ist keine Überraschung. Es ist lediglich der Beweis dafür, dass wir immer noch nicht dort sind, wo wir sein sollten. Denn kein Arbeitnehmer sollte einer Arbeit nachgehen müssen, die massiv auf Körper und Psyche schlägt und uns frühzeitig in die Arbeitsunfähigkeit treibt.

Was motivieren kann:

  • die Arbeit an der Pausenkultur
  • Gesundheitsangebote
  • Gespräche über bestehende Probleme (mit der Hilfe von Mitarbeiterumfragen)
  • Verstärkung der Work-Life-Balance

Motivation #2: Wachstumsmöglichkeiten

New Work schafft neue Jobs, Arbeitsbedingungen und Herausforderungen. Viele Beschäftigte sind darauf angewiesen, neue Fähigkeiten zu erlernen, etwa digitale Skills. Zumindest für ältere Arbeitnehmer ist dies manchmal ein großer Stolperstein, um sich beispielsweise eine neue Stelle suchen zu können. Aber auch junge Arbeitnehmer sind daran interessiert, zu wachsen und dazuzulernen.

Dies zeigt sich auch in der Suche nach Sinnhaftigkeit der Generation Z: Viele junge Menschen möchten mehr als nur arbeiten, um Geld verdienen zu können. Sie widmen sich Projekten und einer Arbeit, die mit Bedeutung verbunden ist, ihnen Freude bereitet und im besten Fall zu etwas Gutem beiträgt.

Hier kommt die intrinsische Motivation ins Spiel – und Arbeitgeber sollten genau hinhören: Extrinsische Reize, zu denen das Geld gehört, sind heute zwar auch besonders wichtig. Wachstumsmöglichkeiten, die einen inneren Antrieb voraussetzen, zu denen beispielsweise die natürliche Neugier gehört, gewinnen jedoch immer mehr an Priorität.

Ob Seminare zum Thema Führung, Stressmanagement und Gesundheit oder interne Weiterentwicklungsprogramme, welche die individuellen Stärken eines Mitarbeiters fördern: Alles ist richtig – nur kein Karrierestillstand.

Motivation #3: Moderne Führung

Viele Angestellte verlassen ihren Arbeitsplatz, weil sie ihren Chef verlassen möchten. Denn die moderne Arbeitskraft lässt sich nicht mehr von toxischen Führungskräften unterkriegen und ist sich zu schade dafür, Zeit und Kraft aufzuwenden, um beispielsweise Bossing über sich ergehen zu lassen. Dieser Trend hat vor der Pandemie existiert und er hat sich verstärkt, wie die hohe Wechselbereitschaft der deutschen Arbeitnehmer zeigt.

Was jetzt helfen kann, um Angestellte zum Bleiben zu motivieren oder neue Arbeitnehmer zu gewinnen:

  • ein starkes Unternehmensimage, das für Werte wie Gleichberechtigung steht
  • Programme für Führungskräfte, die heute empathisch und wertschätzend führen sollten
  • Vertrauen, Verlässlichkeit und Nahbarkeit
  • faire Vorgesetzte, die ihre Machtposition nicht missbrauchen

Motivation #4: Wertschätzung

„Danke“ ist ein Wort, das viel zu selten ausgesprochen wird. Auch wenn Arbeitnehmer ihre Arbeit ausführen, um allen voran ihre Existenz zu sichern, stellt Anerkennung ein wichtiges emotionales Grundbedürfnis und damit eine wichtige intrinsische Motivation, die also aus dem tiefsten Inneren stammt, dar.

Deshalb ist gelebte Wertschätzung ein Teil der Kultur für eine starke Mitarbeitermotivation. Es braucht mehr davon, um Angestellte und potenzielle Arbeitnehmer zu motivieren, sich für ein Unternehmen zu entscheiden. Wie Wertschätzung aussehen kann:

  • positive Feedback-Kultur aufbauen
  • sich an Absprachen halten
  • Mitarbeiter als wichtigen Teil des Unternehmens anerkennen
  • sich regelmäßig für die geleistete Arbeit bedanken und auch revanchieren
  • auf einen wertschätzenden Ton achten
  • verfügbar sein und Interesse zeigen
  • keine Vorwürfe machen, sondern gemeinsam aus Misserfolgen lernen

Motivation #5: Geld

Viele Fachkräfte können sich ihren Job heute aussuchen – und die Tendenz, dass Positionen in Zukunft unbesetzt bleiben, steigt. Angebot und Nachfrage sprechen deshalb dafür, dass Personal teurer wird. Nicht nur, weil Arbeitskräfte rar sind. Sondern auch, weil viele dieser ihren Marktwert kennenlernen und in Zukunft nicht mehr für einen Arbeitgeber arbeiten möchten, der auf Ausbeutung aus ist oder ein unfaires Spiel spielt. Arbeit sollte fair bezahlt werden. Das ist eine echte Motivation, um gerne arbeiten zu gehen. Punkt.

Motivation #6: Flexibilität und Eigenständigkeit

Unsere Arbeitswelt flexibilisiert sich. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Arbeitgeber in puncto Vertrauen stärker werden müssen: Sie müssen das Vertrauen haben, dass Beschäftigte eigenständig im Homeoffice arbeiten können, ohne sich einer ständigen Mitarbeiterüberwachung ausgesetzt zu fühlen. Hier gilt es, sich zu überwinden – denn das Bedürfnis danach, kontrollieren zu müssen, übersteigt bei Führungskräften häufig ihr Vertrauen zu Mitarbeitern.

Dabei wünschen sich viele Arbeitnehmer Flexibilität und Eigenständigkeit, wenn es um die Zeitaufteilung und die Wahl des Arbeitsortes geht. Es motiviert viele Angestellte wirklich; das Gefühl, einen Arbeitsplatz zu haben, welcher Gestaltungsspielraum zulässt und zu den Vorstellungen des eigenen Lebens passt. Frei von Führungskräften, die ihren Drang der ständigen Kontrolle nicht zügeln können. Wer es schafft, das Herz der Mitarbeiter durch das Vertrauen in sie zu gewinnen, steht bereits auf der Siegerseite.

Quelle: arbeits-abc.de

11 April 2025

Das Büro als „Nachbarschaft“: Wege zu einer besseren Unternehmenskultur

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Das Büro als „Nachbarschaft“: Wege zu einer besseren Unternehmenskultur

Unternehmen können vielfältige „Nachbarschaften“ am Arbeitsplatz schaffen, um eine positive Unternehmenskultur zu fördern. Nicole Benzler, Director HR EMEA bei Steelcase, gibt Orientierung, welche Erwartungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen können.

Erfolgreiche Unternehmen brauchen in ihrem Kern eine Kultur der Zugehörigkeit, Exzellenz und Inklusivität. Umsatzwachstum, Absatzziele und Rentabilität können nur mit einem höchst leistungsfähigen Team erreicht werden, das eine positive Kultur, Engagement und gemeinsame Erfahrungen feiert und lebt. Eine solche Kultur lässt sich nur aufbauen, indem man seinem Team die Möglichkeit gibt, zusammenzukommen und sich zu engagieren, um ein Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu entwickeln.

Der Büroarbeit ihren Sinn zurückgeben

Um die Menschen für eine lebendige Unternehmenskultur ins Büro zurückzuholen, sollten Unternehmen zunächst verstehen, was sie sich überhaupt von einem Büro wünschen und die entsprechenden Anreize schaffen. Während der Pandemie haben sich die Menschen ihre Heimbüros auf ihre Bedürfnisse hin optimal eingerichtet. Damit sich der Gang ins Büro wieder lohnt, müssen Unternehmen heute, im hybriden Zeitalter, eine ganzheitliche Arbeitserfahrung schaffen, die die neue Hierarchie der Bedürfnisse abdeckt.

1. Anspruch an das Büro als Raum für Austausch und Leistung: Das moderne Büro muss den Menschen dabei helfen, ihre Arbeit besser und schneller zu erledigen, als sie es von zu Hause aus können und Synergien zu nutzen. Bessere Technologien, Ausstattung und Räumlichkeiten müssen hierfür zur Verfügung gestellt werden.

2. Soziale Vernetzung: Menschen brauchen Räume, die ihnen helfen, Beziehungen zu pflegen und emotionale Bindungen herzustellen und Ideen zu entwickeln. Dies stärkt die Zusammenarbeit, fördert den Zusammenhalt im Team und motiviert, die gemeinsamen Ziele voranzutreiben.

3. Gemeinschaft kreieren: Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es wichtig, an Events teilzunehmen, die ihre Werte mit denen anderer und des Unternehmens in Einklang bringen. Kollektive soziale Aktivitäten, ehrenamtliche Projekte, kulturelle Feiern und persönliche Meilensteine verbinden Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter und gestalten die Unternehmenskultur, so dass die Arbeit an mehr Bedeutung gewinnt.

Das moderne Büro – Eine Nachbarschaft

In unserer Forschung fanden wir heraus, dass hybride Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter in drei verschiedene Kategorien eingeteilt werden können, die je nach den Anforderungen ihrer Rolle den Arbeitsplatz unterschiedlich nutzen müssen.

1. Arbeitende mit einem persönlich zugewiesenen Arbeitsplatz wünschen sich etwa einen Ort, um ihre Sachen aufzubewahren und benötigen akustische sowie visuelle Privatsphäre und Orte, an die sie sich zurückziehen können, ohne das Büro zu verlassen.

2. Ungebundene Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter ohne festen Arbeitsplatz brauchen flexible Umgebungen, die ihre verschiedenen Arbeitsweisen unterstützen und es ihnen ermöglichen, von sozialen Umgebungen zu privaten Bereichen für konzentriertes Arbeiten zu wechseln. Sie können in nicht zugewiesenen Arbeitsräumen oder aber in sozialen Gemeinschaftsräumen arbeiten.

3. Standortabhängig Arbeitende haben wiederum die Freiheit, wann, wo und wie zu arbeiten, wie es ihnen passt. Sie kommen in der Regel ins Büro, um an kollaborativen Aufgaben wie Meetings, komplexen Problemlösungen oder Mentoring teilzunehmen und brauchen sowohl unterschiedlich eingerichtete Räume für die Zusammenarbeit, als auch Orte, an denen sie produktive Einzelarbeit leisten können.

Um den Bedürfnissen aller hybriden Arbeitnehmer gerecht zu werden, müssen Unternehmen die passenden Räume für die jeweiligen Erfahrungen und die Vielfalt an Bedürfnissen schaffen. Damit wird das Büro der Zukunft zur Nachbarschaft, die eine Vielzahl miteinander verbundener Räume umfasst, die verschiedene Arten von Nutzungen und den natürlichen Fluss von einem Raum zum anderen unterstützen.

Es gibt individuell zugewiesene Räume, aber auch gemeinsam genutzte Bereiche für das Team, Räume für die persönliche und virtuelle Zusammenarbeit, Orte mit Privatsphäre für konzentriertes Arbeiten und Bereiche, in denen man Kontakte knüpft und gemeinsam mit den Kollegen lernt.

Unsere Best Practices für strategisches Talentmanagement

Bei Steelcase arbeiten wir mit verschiedenen Systemen und Strategien, um unsere Unternehmenskultur zu fördern und den Gemeinschaftssinn im Team zu steigern.

In unseren “Curious Minds Sessions“ besprechen wir gemeinschaftlich verschiedenste Themen. Das dient neben dem Teambuilding auch der Pflege von Skills. Diese Sessions finden in größeren Gruppen statt und können moderiert sein oder nicht.

Bei „Breakfast with Leaders“ können Führungskräfte und Angestellte auf informelle Art und Weise ins Gespräch kommen und beide Seiten von den Erfahrungen und Wahrnehmungen und dem Austausch profitieren. Diese interaktiven Sessions leben damit nicht nur vom gemeinsamen Essen, sondern auch der Nahbarkeit der Führungskräfte und deren Erfahrungen, sondern auch von der informellen Umgebung. Das Thema einer unserer letzten Sessions war zum Beispiel “Growth Mindset”.

Um unsere Angestellten auf ihrer Lernreise zu unterstützen, zu ermutigen und zu bestärken, ist bei uns eigens das Global Learning Team zuständig. Es unterstützt unsere Angestellten dabei, ihre Arbeit bestmöglich erledigen zu können und bietet hierfür eine Vielzahl kostenfreier und offen zugänglicher Angebote.

Für die mentale Gesundheit bieten wir unter anderem ein Employee Assistance Program an. Teil davon ist eine Support Hotline, bei der jede(r) Angestellte und auch seine/ihre Familie anrufen können, ob nun bei emotionalen, sozialen oder auch finanziellen Problemen.

Darüber hinaus haben wir für einen kontinuierlichen und aufrichtigen Austausch mit unseren Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter “Brave Spaces” etabliert. In komfortablen Raumsettings können sich unsere Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter offen mitteilen und kritische Themen diskutieren. Auch hier ist gemeinsames Erarbeiten und Lernen im Fokus.

Über die Autorin

Nicole Benzler ist seit Oktober 2023 Director HR EMEA bei Steelcase, einem weltweit führenden Unternehmen im Büro- und Arbeitsplatzdesign.

Quelle: hrjournal.de

27 März 2025

Innovation im Unternehmen fördern – mit diesen 5 Tipps

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Arbeitswelt gestalten

Innovation im Unternehmen fördern – mit diesen 5 Tipps

Innovation lässt sich nicht erzwingen, aber fördern. Mit diesen Tipps schaffen Sie Raum für Kreativität.

Viele Unternehmen müssen innovativ sein, um sich am Markt behaupten zu können. Doch die alltäglichen Arbeitsbedingungen und -methoden sind meist wenig förderlich für den kreativen Prozess. Mit welchen Strategien Sie als Arbeitgeber Innovationen einen Schub geben können, lesen Sie bei Faktor A.

Wenn Menschen an Innovation und Erfindung denken, haben sie oft unwillkürlich ein ganz bestimmtes Bild des Genies im Kopf, wahlweise jung oder alt, stets männlich. Da sitzt der dreijährige Mozart am Klavier. Goethe und sein literarisches Alter Ego Faust wandern unruhig durch die Studierstube. Einstein revolutioniert quasi im Alleingang die Physik. Und in den USA läuten Bill Gates, Steve Jobs und Co. in ihren Garagen das Informationszeitalter ein. So tradiert das Bild des Genies ist, so falsch ist es auch. Innovation ist in den allermeisten Fällen eine Gemeinschaftsleistung, bei der verschiedene Kenntnisse und Fähigkeiten zusammengeführt werden.

Was etwas nüchtern klingen mag, ist tatsächlich eine gute Nachricht – auch für Sie als Arbeitgeber, wenn Sie Innovationen in Ihrem Unternehmen fördern wollen. Sie müssen mit Ihren Recruiting-Maßnahmen nicht den nächsten Steve Jobs finden. Welche Aussicht auf Erfolg hätte so ein Unterfangen schon? Stattdessen müssen Sie lediglich Mitarbeitende finden, die im Team funktionieren. Selbst das kann natürlich zur Herausforderung werden.

Innovationsstandort Deutschland

Allen Unkenrufen zum Trotz findet in Deutschland viel Innovation statt. Wie der Bundesbericht Forschung und Innovation 2024 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) festhält, werden in Deutschland jährlich so viele weltmarktrelevante Patente pro Kopf angemeldet wie in nur wenigen anderen Ländern: 383 im Jahr 2021 pro 1 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner. Im EU-Schnitt sind es nur 171. In China liegt der Wert bei 52, in den USA bei 205. Aber es gibt auch Länder, in denen noch mehr innovative Patente angemeldet werden. Spitzenreiterin ist die Schweiz, mit 657 Patenten pro 1 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner.

Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass Deutschland in den vergangenen 15 Jahren eine leicht rückläufige Tendenz bei den Patentanmeldungen verzeichnet. Für einen Industriestandort verblüffend: Der Anteil von Patenten der forschungsintensiven Industrie an allen Patentanmeldungen bleibt recht deutlich hinter dem außereuropäischen Wettbewerb zurück. Und so sank der Welthandelsanteil mit forschungsintensiven Waren aus Deutschland in elf Jahren um mehr als zwei Prozentpunkte auf zuletzt etwas unter zehn Prozent.

5 Tipps, um im Unternehmen Innovationen zu fördern

Innovation zu fördern heißt also letztlich, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu fördern. Nur so kann relevante Technologie von Morgen mitgestaltet werden. Nur so lassen sich wirtschaftliche Abhängigkeiten vermeiden. Und auch im Kleinen ist Innovativität ein wichtiger Faktor für jedes Unternehmen: Innovation ermöglicht Wettbewerbsvorteile und sichert kreative Fachkräfte, etwa aus dem MINT-Bereich.

Gründe genug also, um sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Unternehmen Innovationen fördern können. Faktor A hat deshalb fünf Tipps zusammengestellt, die Ihnen und Ihrem Unternehmen dabei helfen können, innovativ zu sein.

Tipp 1: Sorgen Sie für die nötigen Grundlagen!

Obwohl nicht abschließend geklärt ist, was Kreativität eigentlich ist, kann man sich gut darauf einigen, dass Kreativität die Fähigkeit ist, Neues zu schaffen. Denkt man betriebswirtschaftlich, sollte dieses Neue auch noch nützlich sein und gebraucht werden, letztlich einen Markt haben. Um Neues schaffen zu können, das gebraucht wird, muss Wissen dazu vorhanden sein, was nicht neu ist oder was nicht gebraucht wird. Das Wissen um die Lücken, in denen etwas Neues entstehen kann, ist unerlässlich. Eine wichtige Grundlage, die Sie im Unternehmen daher schaffen sollten, ist die Vernetzung von Personal, das dazu beitragen kann, diese Lücken zu identifizieren. Womöglich sind das nicht immer nur diejenigen Mitarbeitenden, die bisher mit der Produktentwicklung betraut waren. Vielleicht können hier auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Marketing helfen, die die Zielgruppen besonders gut kennen. Oder das Kundenservice-Team hat sich, nachdem es immer wieder die gleichen Beschwerden von Kundinnen und Kunden gehört hat, Gedanken gemacht, die es gern teilen möchte.

Kreativität kommt nicht auf Kommando. Ideen kann man nicht erzwingen. Und der Heureka-Moment wird sich nicht unbedingt in den fünf Minuten zwischen zwei Meetings einstellen, nur weil man angestrengt über Innovationen nachdenkt. Es braucht Zeiten, in denen sich Mitarbeitende für den kreativen Prozess herausziehen können – immer dann, wenn die Muse anklopft. Nehmen sich Mitarbeitende die Zeit für kreative Arbeit, sollten sie dafür jedoch nicht „bestraft“ werden, indem sie anschließend für ihr Tagesgeschäft zu wenig Zeit übrig haben. Kreative Arbeit ist ebenso kein Grund für Überstunden. In Ihrer Personalplanung sollten Sie also Puffer für kreative Arbeitsphasen von vornherein einplanen. Wie wäre es zum Beispiel damit, einfach für alle Mitarbeitenden pauschal ein paar Stunden in der Woche für Kreatives zu blocken? Und damit ist nicht nur gemeint, der Belegschaft das Recht auf Kreativblöcke einzuräumen. Was zählt, ist, dass Sie auch ermöglichen, dass die kreative Arbeit wahrgenommen werden kann: Überlastetes Personal, das vor lauter To Dos und Doppelbelastungen nur mit Mühe durch den Arbeitstag kommt, wird weder Zeit noch Motivation aufbringen, kreativ tätig zu werden.

Tipp 2: Schaffen Sie kreative Räume!

Selbst wenn man die Zeit für kreative Arbeit hat, bietet der eigene Arbeitsplatz oft keine förderliche Atmosphäre. Und auch Vernetzung funktioniert von da aus nicht so gut. Deshalb sollten Arbeitgeber, die von Innovationen leben, kreative Räume schaffen. Diese Räume laden zum gemeinsamen Experimentieren, Ausprobieren, Testen und Gestalten oder einfach zum Kennenlernen ein. Hier erfahren Kolleginnen und Kollegen, was die anderen tun, auf welche Probleme sie in ihrer Arbeit stoßen und welche sie lösen. All das kann schon der Beginn des kreativen Prozesses sein.

Tipp 3: Verzichten Sie auf zu viele Vorgaben!

Vorgaben schränken ein und können so Innovationen verhindern. Das heißt natürlich nicht, dass Sie als Arbeitgeber damit leben müssen, wenn Ihre Belegschaft vor lauter sprudelnder Kreativität an etwas bastelt, das nicht zu Ihrem Unternehmen passt. Aber sehr wahrscheinlich wird einfach kein kreatives Team so weit vom Weg abkommen, dass anstatt des anvisierten neuen Verpackungsdesigns plötzlich ein Raketenantrieb herauskommt. Ein gut funktionierendes Team reguliert sich selbst, trifft Entscheidungen gemeinsam, und beschränkt sich dadurch automatisch – und zwar an den richtigen Stellen.

Sicher spricht nichts dagegen, Mitarbeitende auch mal völlig frei und kreativ arbeiten zu lassen. Dann entwickeln die Kolleginnen und Kollegen vielleicht einen neuen betriebsinternen Prozess, obwohl Sie als Arbeitgeber bisher gar nicht wussten, dass der aktuelle schlecht läuft. Oder die bisher übliche Strategie fürs Onlinemarketing wird über den Haufen geworfen. Da können schöne Ergebnisse herauskommen. Aber insbesondere da, wo es um Ihr Kerngeschäft geht, sind sicher auch Leitplanken fürs Experimentieren hilfreich.

Tipp 4: Lassen Sie nur die richtigen Fehler zu!

Fehler gehören zum kreativen Prozess dazu. Nicht umsonst heißt es Versuch und Irrtum. Darauf weist Gary P. Pisano, Professor für Betriebswirtschaft an der Harvard Business School, in einem Essay hin. Für ihn gibt es zwei Arten von Fehlern. Die, die entstehen, weil man sich in unbekanntes Terrain vorwagt, und aus denen man lernen kann. Und die Fehler, die nicht toleriert werden sollten, z. B. weil sie durch Fahrlässigkeit zustande gekommen sind. Einen Fehler zweimal zu begehen, ist fahrlässig, da unnötig. Gehört also in die zweite Kategorie. Auch nicht durchdachte Designs oder fehlerhafte Analysen gehören in diese Kategorie von Fehlern.

Tipp 5: Würdigen Sie Engagement!

Sich in einem spannenden Innovationsprojekt beruflich verwirklichen zu können, mag für den einen oder die andere Ihrer Mitarbeitenden Lohn genug sein. Aber Engagement ist nicht selbstverständlich. Und sollte daher auch belohnt werden. Finanzielle Belohnung kann ein zusätzlicher Motivationsfaktor sein und eine innovationsfreundliche Belegschaft fördern. Belohnungen – etwa in Form von Boni – können also auch einen geschäftlichen Nutzen bringen. Aber eigentlich gehört es einfach zu einer wertschätzenden Unternehmenskultur, Anerkennung zu zeigen und auch mal Danke zu sagen.

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

20 März 2025

Silver Worker: Sind Deutschlands Senioren die Lösung für den Fachkräftemangel?

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Job & Karriere

Silver Worker: Sind Deutschlands Senioren die Lösung für den Fachkräftemangel?

Während Deutschlands Babyboomer in Rente gehen, droht der Arbeitsmarkt zu kippen: Immer mehr Unternehmen können ihre offenen Stellen nicht besetzen. Die daraus entstehende Lücke betrifft fast alle Branchen und verschärft sich durch die demografische Entwicklung. Die Frage wird immer drängender: Könnten ältere Arbeitnehmer, die sogenannten „Silver Worker“, zur Lösung der Krise beitragen? Der Trend deutet darauf hin, dass Deutschlands Senioren auf dem Arbeitsmarkt zunehmend wichtiger werden – aber unter welchen Bedingungen?

Ein Teufelskreis: Der Fachkräftemangel und seine Ursachen

Die aktuelle Lage ist alarmierend. Laut Statistischem Bundesamt wird bis 2035 die Erwerbsbevölkerung um 4 bis 5 Millionen schrumpfen. Vor allem in technischen und pflegerischen Berufen sind die Defizite deutlich spürbar. Die Babyboomer, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geboren wurden, gehen in Scharen in den Ruhestand und reißen damit tiefe Lücken. Selbst hochdigitalisierte Unternehmen spüren die Folgen, da Erfahrung und spezialisierte Kenntnisse der Babyboomer-Generation nicht schnell genug durch Nachwuchskräfte ersetzt werden können.

Silver Worker als Chance – Mehr als nur ein Ersatz?

„Silver Worker“ sind Personen ab 55 Jahren, die noch aktiv am Arbeitsmarkt teilnehmen, oft in Teilzeit oder als Berater*innen. Diese Gruppe bringt nicht nur jahrzehntelange Erfahrung mit, sondern auch ein Verständnis für die internen Strukturen und Abläufe, die gerade in größeren Unternehmen oft schwer zu vermitteln sind. Zudem haben Studien gezeigt, dass Silver Worker in der Regel loyaler und belastbarer sind und in Konfliktsituationen mit ruhigerem Kopf reagieren. Könnten sie die Lösung für das Fachkräfte-Dilemma sein?

Ein Blick auf andere Länder zeigt das Potenzial: Japan, dessen Bevölkerung noch älter ist als die deutsche, integriert seit Jahren systematisch ältere Arbeitskräfte. Unternehmen bieten dort verstärkt altersgerechte Arbeitsbedingungen an und profitieren von der Expertise ihrer Silver Worker.

Die Hindernisse: Alter Diskriminierung und starre Arbeitsmodelle

Doch in Deutschland ist der Weg für Silver Worker nicht immer einfach. Trotz Fachkräftemangel sehen sich ältere Arbeitnehmer oft mit Vorurteilen konfrontiert: Sie gelten als wenig belastbar, technikfeindlich und unflexibel. Viele Unternehmen investieren nur ungern in Weiterbildungen für über 55-Jährige, weil sie fürchten, dass sich die Investition nicht „rentiert“. Dabei beweisen Umfragen das Gegenteil: Silver Worker sind oft motivierter, als viele glauben, und bringen nicht nur Wissen, sondern auch Ruhe und Stabilität ins Team.

Die Vorurteile gegen ältere Beschäftigte spiegeln sich auch in den Strukturen vieler Unternehmen wider. Viele Arbeitsmodelle sind auf die sogenannte „Rush Hour des Lebens“ ausgerichtet, also die Lebensphase zwischen 30 und 50 Jahren, in der ein Mensch klassisch am leistungsfähigsten sein soll. Für ältere Arbeitnehmer gibt es dagegen kaum gezielte Angebote wie flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice-Optionen, die speziell auf ihre Bedürfnisse angepasst sind. Hier wird oft Potenzial verschenkt.

Silver Worker als Mentoren: Wissenstransfer, der bleibt

Ein weiterer Vorteil der Silver Worker liegt in ihrer Fähigkeit, Wissen weiterzugeben. In einer Zeit, in der der Fachkräftemangel Innovationen und Entwicklung bremst, ist das Know-how der älteren Generation von unschätzbarem Wert. In vielen Unternehmen etablieren sich bereits Modelle, in denen ältere Beschäftigte als Mentoren für jüngere Kollegen fungieren und so den Generationenwechsel aktiv unterstützen. Besonders in Branchen mit komplexen technischen Anforderungen oder langjährigen Kundenbeziehungen, etwa im Maschinenbau oder in der Pharmaindustrie, ist dieser Wissenstransfer Gold wert.

Auch kleinere Unternehmen setzen zunehmend auf diese Erfahrungsträger und entwickeln individuelle Modelle, in denen Senioren in Teilzeit oder als Freelancer ihre langjährige Expertise einbringen.

Rahmenbedingungen schaffen: Was Unternehmen und Politik tun müssen

Damit  Silver Worker wirklich zum Motor gegen den Fachkräftemangel werden, sind klare Anpassungen erforderlich. Neben der Überwindung der Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt brauchen Unternehmen konkrete Maßnahmen, die ältere Beschäftigte aktiv fördern. Das beginnt bei einer inklusiven Unternehmenskultur und endet bei flexibleren Arbeitszeitmodellen.

Doch auch die Politik ist gefragt. Forderungen nach einer schrittweisen Anhebung des Rentenalters werden derzeit kontrovers diskutiert, doch für viele ältere Arbeitnehmer ist der Gedanke, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten, eine Möglichkeit aber auch ein Muss zur finanziellen Absicherung und zur gesellschaftlichen Teilhabe. Steuerliche Erleichterungen und Zuschüsse für Weiterbildungen könnten ältere Menschen motivieren, länger im Arbeitsleben zu bleiben.

Einen Schritt in diese Richtung hat die Bundesregierung bereits gemacht: Durch die erleichterte Rentenbesteuerung für Beschäftigte über 63 sollen Anreize geschaffen werden, das Erwerbsleben freiwillig zu verlängern. Hierbei geht es aber nicht nur um die finanzielle Komponente, sondern auch um eine Wertschätzung und Anerkennung, die Silver Worker in vielen Unternehmen bislang vermissen lassen.

Was können Silver Worker langfristig bewirken?

Wenn Unternehmen Silver Worker als vollwertige Arbeitskräfte betrachten und ihre Vorteile aktiv nutzen, kann die demografische Entwicklung eine neue Dynamik entfalten: Anstatt lediglich als Übergangslösung gesehen zu werden, könnten ältere Beschäftigte langfristig eine wertvolle Säule im Arbeitsmarkt werden, die ihre spezifische Expertise einbringt und die jüngeren Generationen stärkt. Silver Worker wären dann nicht nur eine Antwort auf den Fachkräftemangel, sondern ein integraler Bestandteil einer zukunftsfähigen, altersdiversen Arbeitswelt.

Fazit: Die Zeit ist reif für einen Kulturwandel

Der demografische Wandel lässt sich nicht aufhalten, und der Fachkräftemangel wird auch nicht durch kurzfristige Maßnahmen behoben werden. Die Silver Worker sind eine ungenutzte Ressource, die viel Potenzial birgt. Doch damit sie wirklich als Lösung dienen können, braucht es Offenheit, Anpassungen in den Unternehmen und ein Umdenken bei Arbeitgebern und der Gesellschaft. Silver Worker könnten die Arbeitswelt von morgen bereichern – wenn wir ihnen den Platz und die Wertschätzung geben, die sie verdienen.

Quelle: arbeits-abc.de

28 Februar 2025

Im Ranking: Das sind Deutschlands Branchen mit der höchsten Arbeitszufriedenheit

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Im Ranking: Das sind Deutschlands Branchen mit der höchsten Arbeitszufriedenheit

Arbeitsumfeld, Gehalt und Unternehmenskultur – all das sind Faktoren, welche die Zufriedenheit von Mitarbeitenden beeinflussen. Doch in welchen Branchen ist die Arbeitszufriedenheit am größten?

Die Arbeitszufriedenheit in Deutschland hat in den letzten Jahren einen deutlichen Rückgang erlebt. Laut einer aktuellen Studie sind nur noch 45 Prozent der Arbeitnehmer:innen mit ihrer beruflichen Situation zufrieden, was im Vergleich zum Vorjahr einem Minus von acht Prozent entspricht. Inmitten dieser eher trüben Aussichten haben sich die Expert:innen von Pens.com/de die Frage gestellt, in welchen Branchen sich die Beschäftigten dennoch wohlfühlen und wie zufrieden sie mit ihrem Job sind. Die Antwort liefert eine umfassende Analyse, die auf den Bewertungen von Arbeitnehmer:innen auf der Plattform Kununu sowie einer Auswertung von über 500.000 Stellenanzeigen basiert. Wir zeigen dir, in welchen Branchen die höchste Arbeitszufriedenheit herrscht.

Finanzsektor und Energiebranche mit der höchsten Arbeitszufriedenheit

Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Der Finanzsektor weist als Spitzenreiter:in die höchste Zufriedenheit unter den Mitarbeitenden auf. Mit einem beeindruckenden Score von 9,55 von zehn möglichen Punkten stellt dieser Bereich die anderen Branchen in den Schatten. Die Beschäftigten loben vor allem das Arbeitsumfeld, welches im Durchschnitt mit 4,22 von fünf Punkten bewertet wird, sowie die Vielfalt (4,40 von fünf). Besonders hervorzuheben ist die Unternehmenskultur, die mit 4,26 Punkten den Spitzenwert unter allen analysierten Branchen erreicht. Diese Faktoren tragen entscheidend dazu bei, dass der Finanzsektor seine Mitarbeitenden zufriedener macht als jede andere Branche.

Dicht hinter dem Finanzsektor rangiert die Energiebranche mit einem Zufriedenheitswert von 9,33 von zehn Punkten. Diese Branche zeichnet sich durch eine bemerkenswert hohe Zustimmung der Mitarbeitenden aus: 76 Prozent der Arbeitnehmer:innen äußern sich zufrieden mit ihrer beruflichen Situation – das entspricht drei von vier Personen. Neben der Arbeitszufriedenheit sticht auch das hohe durchschnittliche Jahresgehalt von 71.428 Euro hervor, das zu den besten in Deutschland gehört.

Das sind die Branchen mit der höchsten Arbeitszufriedenheit in Deutschland (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Pens.com/de

Die Elektroindustrie belegt in der Rangliste den dritten Platz mit einer Mitarbeiter:innenzufriedenheit von 9,19 von zehn Punkten. Ihre Beschäftigten sind auf Kununu zu 74 Prozent zufrieden, was ein deutlich höherer Wert ist als in der IT-Branche (62 Prozent). Auch beim Gehalt schneidet die Elektroindustrie besser ab: Mit einem Einkommensunterschied von durchschnittlich 8.263 Euro gegenüber der IT kann sich die Branche hier klar positionieren. Doch nicht nur die Entlohnung, auch die Karrierechancen und die allgemeine Arbeitszufriedenheit sind in dieser Branche höher bewertet (3,85 von fünf) als in der IT (3,67 von fünf).

Hohe Arbeitsbelastung insbesondere in der Gesundheitsbranche

Etwas überraschend zeigt die Studie, dass die Medizin- und Pharmabranche trotz des höchsten Durchschnittsgehalts von 76.470 Euro lediglich den neunten Platz in der Gesamtzufriedenheit belegt. Trotz des finanziellen Anreizes scheinen viele Arbeitnehmer:innen in diesem Bereich unzufrieden zu sein, was sich unter anderem in der Tatsache widerspiegelt, dass immer mehr Ärzt:innen ins Ausland abwandern, um bessere Arbeitsbedingungen und kürzere Arbeitszeiten zu finden. So verlässt laut Studie jede:r vierte:r Mediziner:in Deutschland, in der Hoffnung in anderen Ländern wie Dänemark oder Schweden, eine bessere Arbeitssituation vorzufinden. Besonders im Vergleich zur Finanzbranche wird der Einfluss der Unternehmenskultur auf die Zufriedenheit deutlich: Während der Finanzsektor hier 4,26 von fünf Punkten erzielt, kommt die Medizin- und Pharmabranche nur auf 3,7 von fünf.

Ganz am Ende der Zufriedenheitsskala findet sich das Kfz-Gewerbe. Mit einer Bewertung von 6,93 von zehn Punkten liegt dieser Bereich auf Platz 20 der untersuchten Branchen. Auf Kununu schneidet das Kfz-Gewerbe mit einem Arbeitsumfeld von durchschnittlich nur 3,66 von fünf und geringen Karriere- und Gehaltsbewertungen (3,61 von fünf) eher schlecht ab. Dazu kommt, dass das Arbeitsumfeld hier mit einer Bewertung von 3,72 den niedrigsten Wert unter allen Branchen aufweist. Laut der Studie ist dies vor allem auf die aktuellen Entwicklungen in der Branche zurückzuführen, wie den Entlassungen in der Automobilindustrie aufgrund gescheiterter Tarifverhandlungen.

Ein hohes Gehalt heißt nicht gleich eine hohe Arbeitszufriedenheit

Die Studie macht deutlich, dass ein hohes Einkommen zwar wichtig, aber nicht allein entscheidend für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist. Faktoren wie Unternehmenskultur, Arbeitsumfeld und Vielfalt spielen eine ebenso große Rolle – wenn nicht sogar eine größere. Vor allem die Finanz- und Energiebranche haben verstanden, wie wichtig es ist, ihren Arbeitnehmer:innen ein angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten, und profitieren von hoher Zufriedenheit. In Branchen wie der Medizin- und Pharmabranche hingegen zeigt sich, dass hohe Gehälter nicht automatisch zu zufriedeneren Mitarbeitenden führen, wenn die eigentliche Arbeitsbelastung zu hoch ist.

Arbeitgeber:innen müssen daher auf die Wünsche und Sorgen der Angestellten reagieren. Auf diese Weise lässt sich auch das Arbeitsumfeld positiv beeinflussen und die emotionale Bindung der Arbeitnehmer:innen steigern. Je größer die Anzahl der emotional stark an ein Unternehmen gebundenen Mitarbeitenden, desto leistungs- und wettbewerbsfähiger ist ein Unternehmen. Eine starke Mitarbeiter:innenbindung sorgt unter anderem für weniger Fehlzeiten, eine höhere Produktivität, weniger Qualitätsmängel und bessere Kund:innenbewertungen. Dies wirkt sich zusätzlich positiv auf die Beschäftigten selbst aus. Sie sind generell zufriedener, fühlen sich seltener gestresst und sind dadurch motivierter. Eine hohe Arbeitszufriedenheit ist daher essenziell für ein effizientes und gut funktionierendes Unternehmen.

Über die Autorin - Marié Detlefsen hat 2022 ihr Studium im Bereich Kommunikations- und Medienwissenschaften in Bremen abgeschlossen. Seit April 2023 schreibt sie als Redakteurin für OnlineMarketing.de.

Quelle: onlinemarketing.de

 

14 Februar 2025

Hybrid Work wird langfristig Bestand haben

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Markus Weinberg über die Wichtigkeit flexibler Arbeitsmodelle

Hybrid Work wird langfristig Bestand haben

Im Interview mit OnlineMarketing.de erklärt Markus Weinberg von Logitech, wie Unternehmen sich am besten auf die „Hybrid Work Era“ vorbereiten können und welche Voraussetzungen dafür essenziell sind. Remote-Arbeit nur zuzulassen, ohne Strategie, reiche nicht aus.

Während Unternehmen wie SAP, Telekom, VW, Google und Amazon wieder vermehrt auf Präsenzarbeit setzen und ihre Büros füllen wollen, haben viele Mitarbeiter:innen andere Vorstellungen. Hybrid Work – das flexible Arbeitsmodell, das Büro und Home Office kombiniert – hat sich in den letzten Jahren stark etabliert. Doch die erfolgreiche Umsetzung ist komplex und erfordert klare Strategien, um die Produktivität aufrechtzuerhalten und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen.

Deshalb fordern viele Unternehmen von ihren Angestellten, wieder ins Büro zurückzukehren. Die Argumente klingen vertraut: Besseres Onboarding, mehr Innovationskraft und Lernen durch den direkten Austausch vor Ort. Doch viele Mitarbeitende sehen das anders, und Konflikte sind vorprogrammiert. Inmitten dieses Spannungsfeldes müssen Unternehmen daher ihre Strukturen neu ausrichten, um den unterschiedlichen Erwartungen gerecht zu werden.

Doch wie setzt man hybride Arbeitsmodelle am besten um und worauf müssen Unternehmen achten? Um diese und weitere Fragen zu klären, haben wir in einem Interview mit Markus Weinberg gesprochen. Er ist Experte für Hybrid Work bei Logitech und erklärt im Interview, warum dieses Modell langfristig funktionieren kann, welche technischen Voraussetzungen nötig sind und welche Rolle moderne Technologien dabei spielen, hybride Arbeitswelten effizienter und nachhaltiger zu gestalten.

Das Interview

OnlineMarketing.de:  Hybrid Work wird oft als das Arbeitsmodell der Zukunft bezeichnet. Was macht es aus deiner Sicht besonders attraktiv – sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeiter:innen?

Markus Weinberg: Hybrid Work bietet für beide Seiten enorme Vorteile. Unternehmen profitieren von erhöhter Flexibilität und können auf einen globalen Talentpool zugreifen. Mitarbeitende hingegen gewinnen an Autonomie, können ihre Work-Life-Balance verbessern und ihre Produktivität steigern. Sie sind nicht an einen festen Arbeitsort gebunden und können ihre Umgebung so gestalten,

dass sie am effizientesten arbeiten. Besonders sehen wir bei Logitech, dass diese Freiheit die Kreativität und Innovationskraft der Mitarbeitenden fördert.

Welche Herausforderungen siehst du bei der Einführung von Hybrid Work in großen Unternehmen, die auf Präsenzarbeit setzen, wie beispielsweise SAP, Telekom oder VW?

Die Rückkehr zur Präsenzarbeit birgt sicherlich Herausforderungen, besonders für Unternehmen, die über lange Zeiträume auf Remote-Arbeit gesetzt haben. Ein Mittelweg muss gefunden werden, der sowohl die Bedürfnisse der Mitarbeitenden als auch die Unternehmensziele vereint. Es geht darum, die Vorteile von Hybrid Work zu bewahren – wie Flexibilität, Motivation und Produktivität – und gleichzeitig die Vorteile der Präsenzarbeit zu nutzen, wie die Förderung von Innovation und den Aufbau einer starken Unternehmenskultur. Bei Logitech sehen wir, dass ein gut ausbalanciertes Modell – zwischen persönlichem Austausch und flexibler Wahl des Arbeitsortes – entscheidend ist, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Es wird oft argumentiert, dass Innovation und Einarbeitung neuer Mitarbeiter:innen im Büro besser funktionieren. Kann Hybrid Work hier mithalten?

Das Argument, dass Innovation und Einarbeitung im Büro besser funktionieren, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Persönliche Interaktion kann den kreativen Austausch fördern und erleichtert es neuen Mitarbeitenden, sich in die Unternehmenskultur einzufinden. Allerdings kann Hybrid Work durchaus mithalten, wenn die richtigen Strukturen und Technologien vorhanden sind. Wichtig ist, dass die Produktivität in beiden Arbeitsmodellen nicht durch äußere Faktoren beeinträchtigt wird. 61 Prozent der Mitarbeiter:innen in Führungsrollen geben beispielsweise an, dass sie mehr Zeit damit zubringen, technische Ausstattung funktionstüchtig zu machen, als sie wünschen. Im hybriden Arbeitsmodell ist es also unerlässlich, dass sowohl die Büro- als auch die Home-Office-Ausstattung optimal gestaltet sind, um solche Herausforderungen zu minimieren.

Welche technischen Rahmenbedingungen müssen sowohl im Büro als auch im Home Office erfüllt sein, damit Hybrid Work wirklich funktioniert und die Produktivität nicht leidet?

Die technischen Rahmenbedingungen sind der Schlüssel zum Erfolg von Hybrid Work. Im Büro setzen wir deshalb auf moderne Technologien wie Deskbooking-Systeme, Webcams und Videokonferenzkameras wie die MeetUp2, um reibungslose Arbeitsabläufe zu gewährleisten. Ebenso legen wir – neben den „Basics“ wie beispielsweise eine stabile Internetverbindung – großen Wert auf eine ergonomische und gut ausgestattete Arbeitsumgebung im Home Office, um die Gesundheit und Effizienz unserer Mitarbeitenden zu fördern. Nur so können wir sicherstellen, dass unser Team jederzeit und überall produktiv und engagiert arbeiten kann.

Siehst du in diesem Zusammenhang eventuell auch Nachteile, die eine hybride Arbeitsweise mit sich bringt und wie können Unternehmen diese am besten umgehen?

Eine potenzielle Gefahr ist die Isolation von Mitarbeitenden im Home Office, was zu einer Entfremdung von der Unternehmenskultur führen kann. Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, regelmäßig Kontakt zu halten und hybride Arbeitsmodelle mit bewussten Maßnahmen zu unterstützen – zum Beispiel durch regelmäßige virtuelle Team-Events oder flexible, aber verbindliche Team-Meetings. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Führungskräfte gezielt darauf achten, dass alle Mitarbeitenden, egal ob vor Ort oder remote, die gleichen Möglichkeiten haben, sich einzubringen.

Gibt es deiner Meinung nach bestimmte Jobrollen oder Branchen, in denen Hybrid Work weniger geeignet ist? Was sind hier die Vor- und Nachteile im Vergleich zur reinen Präsenzarbeit?

Es gibt sicherlich Jobrollen und Branchen, in denen Hybrid Work weniger praktikabel ist. In Berufen, die eine physische Anwesenheit erfordern, wie in der Produktion, im Gesundheitswesen oder im Einzelhandel, ist ein hybrides Modell nur schwer umsetzbar. Doch selbst in diesen Bereichen gibt es mittlerweile Möglichkeiten, durch technologische Innovationen flexiblere Arbeitsmodelle zu ermöglichen, wie etwa durch den Einsatz von digitalen Tools für die Schichtplanung oder Fernwartungslösungen in der Produktion.

Wie lässt sich verhindern, dass Mitarbeiter:innen im Home Office isoliert oder von der Unternehmenskultur abgekoppelt werden? Welche Rolle spielen dabei moderne Technologien?

Die Vermeidung von Isolation im Home Office ist eine der größten Herausforderungen. Moderne Technologien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Regelmäßige Video-Meetings, virtuelle Kaffeepausen und Collaboration Tools können dabei helfen, den Austausch aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sollten Unternehmen darauf achten, hybride Events zu planen, bei denen sich Mitarbeitende sowohl online als auch offline treffen können. Wichtig ist auch, dass Führungskräfte ein offenes Ohr für die Anliegen der Remote-Mitarbeiter:innen haben und aktiv daran arbeiten, sie in das Team zu integrieren.

Was sind deiner Meinung nach die häufigsten Fehler, die Unternehmen bei der Implementierung von Hybrid Work machen, und wie kann man diese vermeiden?

Einer der häufigsten Fehler ist, dass Unternehmen Hybrid Work nur halbherzig umsetzen. Es reicht nicht aus, Remote-Arbeit lediglich zuzulassen – es muss eine durchdachte Strategie geben, die sowohl die technische Infrastruktur als auch die Unternehmenskultur berücksichtigt. In hybriden Arbeitsmodellen muss die Kommunikation aktiv gefördert und strukturiert werden. Um diese Fehler zu vermeiden, sollten Unternehmen klare Richtlinien schaffen und Führungskräfte schulen, um ihre Teams in diesem Modell erfolgreich zu führen.

Wie siehst du die Zukunft von Hybrid Work in Deutschland? Glaubst du, dass sich Unternehmen langfristig auf flexible Modelle einlassen werden, oder wird die Präsenzarbeit wieder stärker in den Fokus rücken?

Ich bin überzeugt, dass Hybrid Work in Deutschland langfristig Bestand haben wird. Die Vorteile für Unternehmen und Mitarbeitende sind zu groß, um sie wieder vollständig aufzugeben. Allerdings wird es sicherlich eine Anpassungsphase geben, in der Unternehmen herausfinden müssen, welches Modell für sie am besten funktioniert. Präsenzarbeit wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen, vor allem für kreative und kollaborative Prozesse. Aber flexible Modelle, die das Beste aus beiden Welten kombinieren, werden die Zukunft der Arbeit prägen.

Über Markus Weinberg - Experte für Hybrid Work bei Logitech

Über die Autorin - Marié Detlefsen hat 2022 ihr Studium im Bereich Kommunikations- und Medienwissenschaften in Bremen abgeschlossen. Seit April 2023 schreibt sie als Redakteurin für OnlineMarketing.de.

Quelle: onlinemarketing.de

31 Januar 2025

Generalist oder Spezialist: Wen brauchen wir künftig?

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Generalist oder Spezialist: Wen brauchen wir künftig?

Zukünftig werden wir Mitarbeitende brauchen, die multiperspektivisch denken und kombinatorisch handeln, sich ständig weiterentwickeln und, aufbauend auf einem erweiterten Wissensfundament, Gesamtzusammenhänge verstehen. Grundvoraussetzung dafür und zugleich unverzichtbar ist eine lebenslange, eigeninitiative Lernbereitschaft, um für die sich immer rasanter wandelnde Zukunft gerüstet zu sein.

Selbst das beste Tiefenwissen wird wertlos, wenn neue Technologien die alten komplett ersetzen oder menschliche Expertisen durch digitalisierte Verfahren ausgetauscht werden. Natürlich werden auch weiterhin reichlich Spezialisten, also I-Profile gebraucht, doch für T-, H- und X-Typen besteht fortan mehr Bedarf.

Mit dem Voranschreiten des Fortschritts und dem Aufstieg junger, forscher, agiler Unternehmen entstehen gänzlich neue Geschäftsmodelle, neue Organisationsdesigns, neue Formen der Arbeit, ein neues Kundenverständnis und völlig neue Berufe wie etwa diese: Smart-City-Entwickler, Roboter-Disponent, 3-D-Handwerker, KI-Trainer, Prompt Engineer, Metaverse Creator, Technologie-Ethiker, Circular-Economy-Designer.

Doch auch die werden wieder verschwinden, um noch neueren Berufsbildern Platz zu machen. Und das wird, wie alles andere auch, immer schneller passieren. 85 Prozent der Berufsbilder, die 2030 den Arbeitsmarkt bestimmen werden, gab es bis vor Kurzem noch gar nicht. Das ergab die Untersuchung „Realizing 2030: Die Zukunft der Arbeit“ des Instituts for the Future in Zusammenarbeit mit dem Technologieunternehmen Dell.

Die neuen Berufe haben vor allem mit Dynamisieren, Kombinieren, Experimentieren, Koordinieren, Kollaborieren, Individualisieren und Emotionalisieren zu tun. Sie verlangen Gespür sowohl für die Menschen als auch für die neueste Technologie. Zunehmend zeigt sich zudem, wie schnell man Expertisen aus der Vergangenheit über Bord werfen muss, weil plötzlich alles ganz anders läuft als zuvor.

Die übergreifende Vernetzung gewinnt stark an Bedeutung

Die globale digitale Vernetzung, die immer drastischeren Folgen des Klimawandels sowie die Neukombination von Technologien und Industrien in Business-Ecosystemen sorgen für vielerlei Wechselwirkungen, die sich im Vorfeld gar nicht absehen lassen. Ein derart unvorhersehbares Umfeld erfordert maximale Adaptionskompetenz – und damit auch mehr Generalisten mit breit fundierten Kenntnissen und Fertigkeiten.

Fortan werden wir Mitarbeitende brauchen, die multiperspektivisch denken und kombinatorisch handeln, sich ständig weiterentwickeln und, aufbauend auf einem erweiterten Wissensfundament, Gesamtzusammenhänge verstehen. Grundvoraussetzung dafür und zugleich unverzichtbar ist eine lebenslange, eigeninitiative Lernbereitschaft, um für die sich immer rasanter wandelnde Zukunft gerüstet zu sein.

So sorgen fundiert agierende Generalisten für ihre Employability vor allem auch dort, wo immer performantere künstliche Intelligenzen die reinen Spezialisten zunehmend ersetzen. Sehr oft mithilfe von KI als Co-Kreator und Co-Assistenz gelingt es Generalisten mit multiplen Kompetenzen, Initiativen in Gang zu bringen, die Ideen, Wissen und Können auf ganz neue, unkonventionelle Weise miteinander verknüpfen.

Eine breite Wissensbasis sorgt für bessere Entscheidungen

Menschen mit weitgespannten Interessen, breitgefächertem Wissen und ausgeprägter Kombinatorik treffen unter Unsicherheit bessere Entscheidungen, weil sie mehr Optionen ersinnen können. Sie haben ein größeres Handlungsrepertoire und mehr Offenheit für neuartige Herangehensweisen. Hingegen sehen Spezialisten, wie durch eine Lupe, nur das, was ihre Expertise umfasst. Auch das ist natürlich sehr wichtig. Doch isolierte Einzelaktionen können in vernetzten Gefügen großes Unheil anrichten.

Im Spezialistentum wird ein System in seine Einzelteile zerlegt, und jeder Teilbereich wird für sich optimiert. Dies erzeugt Interessenkonflikte und internen Wettbewerb, weil jeder für seinen Teilbereich oder seine Teillösung kämpft. Generalisten hingegen haben das große Ganze im Blick. So ist zum Beispiel der Touchscreen entstanden. Nicht entweder ein größerer Bildschirm oder eine komfortablere Tastatur, sondern beides kombiniert in einer ganz neuen Form. Und das Ergebnis? Ein disruptiver Riesenerfolg.

Generalisten haben ein gutes Gespür für Komplexität und können Zusammenhänge übergreifend erkennen. Sie vergraben sich nicht in ein Fachgebiet, sondern öffnen sich für verschiedene Disziplinen. Im Weitwinkelmodus durchforsten sie einen Korridor voller Optionen. Insbesondere können sie Rollen wechseln, wenn Randthemen plötzlich zum Mainstream werden. Schauen wir uns in diesem Kontext I, T, H und X einmal an.

I-shaped: tiefes Wissen auf einem einzigen Fachgebiet

Spezialisten werden wir definitiv auch weiterhin brauchen, doch ihr Stand ist, wie schon allein der Buchstabe zeigt, nicht besonders stabil. Ihr Fachwissen ist zwar fundiert und überaus tief, doch wenig breit. Sie sind in einer Art Silodenke verfangen. Nur das, was innerhalb dieser Grenzen liegt, kommt für sie dann auch in Betracht. Die eigene ist die beste aller Lösungen, weil der Spezialist gar keine anderen Lösungen kennt.

Spezialisten agieren oft in einer abgeschotteten Welt. Sie analysieren und analysieren. Und das dauert und dauert. So verplempern sie wertvolle Zeit, die in Zukunft niemand mehr hat. Außerdem hocken sie oft auf Knowhow, das in der Next Economy kaum noch was wert ist. Zu schnelllebig sind die benötigten Expertisen. Wenn Kenntnisse rascher altern als jemals zuvor, dann ist betagtes Bestandswissen nur noch marginal sinnvoll.

Niemand ist heute mehr „aus“gebildet. Spezialisten können ihre Position maßgeblich verbessern, indem sie ihr Fachwissen kontinuierlich verbreitern und das I damit stabiler machen, am besten „on the job“ nahezu täglich. Unterstützung bietet die ganze Palette der E-Learning-Programme, zudem Learning Games, Lern-Podcasts, Webinare, Lern-Apps und der fortan maßgebliche Beistand durch persönliche KI-Lernassistenten.

T-shaped: in der Tiefe und auch in der Breite aktiv

Symbolisiert durch das T vereinen T-förmige Profile Fähigkeiten von Spezialisten und Generalisten. Neben ihrer eigentlichen Expertise (senkrechte Linie) haben sie fachübergreifend relevantes Wissen in angrenzenden oder übergeordneten Bereichen (waagerechte Linie), so dass sie ganzheitlicher handeln und vielseitiger einsetzbar sind. Sie denken in Zusammenhängen statt, wie ein Experte, nur einen Ausschnitt zu sehen.

T-förmige Talenttypen sind etwa in der zunehmenden Projektarbeit sehr gefragt, weil sie sich leichter umorientieren und besser in neue Rollen hineinwachsen können. Auch wenn es um die steigende Bedeutung von Shared Leadership geht, können sie punkten. Dies ist ein immer öfter praktiziertes Modell, bei dem jeder in einem Projektteam je nach Situation und Bedarf mal als Mitarbeitender und mal an Führender operiert.

Eine Sonderform des T-shaped Profils ist das sogenannte Full-Stack-Profil. „Full stack“ bedeutet in etwa „das komplette Paket“. Der Begriff wird vor allem in der IT-Branche verwendet, wo man zum Beispiel Full-Stack Developer kennt: Programmierer, die sowohl Frontends (die Benutzeroberfläche) als auch Backends (die Datenbank) entwickeln. Talente mit einem Full-Stack-Profil finden wir sehr oft auch in Startups.

H-shaped: die Konnektoren zwischen den Welten

„Ich habe zwei Superkräfte“, schreibt mir eine Leserin. Sie kann das Big Picture und die darin verwobenen Zusammenhänge erkennen, etwas, das anderen oft verborgen bleibt. Und sie hat integrative „Übersetzungskompetenz“, weil sie sich mit Menschen aus unterschiedlichen technischen Bereichen und Hierarchie-Ebenen unterhalten und deren Wissen und Können miteinander verbinden kann, ohne aneinander vorbeizureden.

Ausgeprägtes interdisziplinares Denken und ein kommunikatives Zusammenbringen mehrerer Abteilungen oder Projekte fehlt leider sehr häufig, wenn zu viele Spezialisten am Werk sind. Insofern sind H-förmige Talenttypen die Brückenbauer im Unternehmen, oft auch Konnektoren zwischen drinnen und draußen. Sie sehen nicht nur den eigenen Beitrag, sondern verstehen, wie alles ineinandergreifen kann, soll und muss.

Sie sind darin geübt, Spezialwissen aus verschiedenen Bereichen sinnvoll zu kombinieren, weil sie einen hohen Assoziationsspielraum besitzen. Solche Menschen können mit großer Leichtigkeit in verschiedene Denkweisen schlüpfen. Sie haben die Fähigkeit, ihre Kompetenzbreite auf unterschiedlichste Situationen anzuwenden. Das H-förmige Talenteprofil kann insofern Geburtshelfer für bahnbrechende Innovationen sein.

X-shaped: der Typ, den wir nun immer mehr brauchen

X-förmige Talentprofile kombinieren völlig verschiedene, nicht miteinander verwandte Disziplinen. Bestes Beispiel dafür ist die Verkettung der digitalen mit der grünen Transformation, auch als Twin Transformation bezeichnet. Die, die in beidem eine Vorreiter-Strategie entwickeln, gelten als Twin Transformer oder Twin Performer. Ihnen gehört die Zukunft. Manche glauben, unser Planet sei überhaupt nur so noch zu retten.

Schnittstellen (das Zentrum des X) sind die dynamischsten Orte für Fortschritt und Wandel. Sie gestatten einen Ausbruch aus vorherrschenden Denkmustern und etablierten Vorgehensweisen. Sie bieten beste Gelegenheiten für die Neuverknüpfung von Möglichkeiten. Sie erweitern, wie bei einer Straßenkreuzung, den Horizont. Sie lassen neue Blickwinkel entstehen. Und man kann in neue Richtungen gehen.

Während der H-Typ primär innerhalb des Unternehmens im Rahmen laufender Projekte agiert, entwickelt der X-Typ über die eigenen Unternehmensgrenzen und die der Branche hinaus völlig neuen Möglichkeiten. Beide Typen denken unternehmerisch und sind extrem lernbereit. Sie wissen: Durch Überkreuzbefruchtung treten an Schnittstellen

Über die Autorin

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als eine führende Expertin für eine kundenzentrierte und zugleich zukunftsfähige Unternehmensführung.

Quelle: hrperformance

03 Januar 2025

HR als Motor: Anpassungsfähigkeit und Resilienz durch Organisationsentwicklung stärken

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Veränderungen in Unternehmen

HR als Motor: Anpassungsfähigkeit und Resilienz durch Organisationsentwicklung stärken

In der Natur überleben nicht die Stärksten oder die Intelligentesten, sondern diejenigen, die sich am besten an Veränderungen anpassen. Gleiches gilt für Organisationen in der Transformation. HR kann wesentlicher Treiber für Veränderungen sein – wenn die Organisationsentwicklung mitgedacht wird.

Organisatorische Resilienz – die Kunst, sich durch gezielte Organisationsentwicklung (OE) kontinuierlich zu transformieren und aus jedem Lernschritt gestärkt hervorzugehen – bedeutet Vitalität durch Anpassungsfähigkeit. OE ist komplex und vergleichbar mit einem Brillanten: Erst der ausgewogene Schliff seiner komplexen, vielschichtigen Struktur lässt ihn funkeln und macht ihn so wertvoll. Um eine Organisation zu verändern, darf man ebenfalls nicht nur an einem Teilaspekt arbeiten, sondern muss berücksichtigen, wie jeder Aspekt mit den anderen zusammenwirkt.

Die reine Anpassung harter Dimensionen wie Strukturen, Prozesse, Rollen, Governance und Systeme von Organisationen reicht oft nicht aus, um im täglichen Betrieb spürbare Veränderungen zu bewirken. Es sind zudem Kompetenzen, Führung und Zusammenarbeit erforderlich, um diese Veränderungen effektiv in der Organisation umzusetzen und nachhaltig zu verankern.
In einer Zeit, in der Strategien oft veralten, bevor die Organisation sich anpassen kann, wird die gelebte Unternehmenskultur zum Orientierungspunkt. So werden Purpose, Werte und Kultur zum Fundament resilienter Organisationen. Diese Elemente sind wechselseitig abhängige Aspekte von OE. Höchstwahrscheinlich würde beispielsweise die Einführung einer Matrixstruktur scheitern, wenn man sich ausschließlich auf die Anpassung der Aufbau- und Ablauforganisation und der Governance konzentriert und wichtige Faktoren wie Führung, Zusammenarbeit, Kommunikation und Change-Management vernachlässigt. Ebenso könnte eine reine Fokussierung auf individuelle Befähigung unzureichend sein, wenn ein Unternehmen durch Lerninitiativen und die Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitenden Haltungen und Fähigkeiten verändern möchte, um Innovationen zu fördern. Es wäre in diesem Zug sicher notwendig, auch die Organisationsstrukturen anzupassen und Anreizsysteme zu überarbeiten. (Abb. 1)

Abb.1 Facetten von Organisationsentwicklung c Undconsorten

OE umfasst eine breite Palette von Anlässen und Initiativen: von strukturellen oder prozessualen oder systemischen Anpassungen bis hin zu Führungs- und Kulturveränderungen, die oft parallel oder kurz nacheinander verlaufen und ganzheitlich alle Ebenen einer Organisation (vom Individuum und Team über die Abteilung bis hin zum gesamten Unternehmen) betreffen. In all diesen OE-Prozessen ist HR eine erfolgskritische Größe, wobei der Einfluss und Beitrag von HR vom Reifegrad seiner Funktion und den verfügbaren Ressourcen abhängt:

Reifegrad 1: Die Rolle der Unterstützerin konzentriert sich hauptsächlich auf Verwaltungsaufgaben, erfüllt externe Anforderungen, bietet individuelle Unterstützung auf Anfrage lokaler Manager und interagiert transaktional. Dabei gewährleistet diese Rolle die Einhaltung organisatorischer Richtlinien innerhalb festgelegter Rahmenbedingungen, sammelt und sichert Datenqualität, führt Reportings durch und identifiziert sowie eskaliert Inkonsistenzen.

Reifegrad 2: Die Administratorrolle implementiert systematische, standardisierte Kernprozesse im Personalwesen und in der Grundlagenberichterstattung, bietet ausgewählte regelmäßige Angebote zur Personal- und Führungskräfteentwicklung und nutzt gemeinsame IT-Tools für Massenprozesse mit dedizierten Interaktionskanälen. Diese Rolle unterstützt organisatorische Veränderungsprozesse hauptsächlich auf prozessualer Ebene und leistet inhaltliche Beiträge durch Richtlinien, Vorgehensmodelle und Tools.

Reifegrad 3: Als Dienstleisterin deckt HR alle personalbezogenen Geschäftsanforderungen vom Eintritt bis zum Austritt ab, erreicht einen hohen Grad an Bündelung und Automatisierung durch integrierte HR-IT-Systeme, bietet Self-Service für Manager und Mitarbeitende und regelmäßiges HR-Reporting, einschließlich Mitarbeitererfahrung und Ad-hoc-Analysen. Zudem leitet diese Rolle HR-Strategien und -Roadmaps aus Geschäftsbedürfnissen ab und berät die Geschäftsbereiche strategisch in ausgewählten Themen der OE.

 

Abb.2 Anwendungsfälle von Organisationsentwicklung c Undconsorten

 

Reifegrad 4: Die (strategische) Beraterin führt proaktive Personal- und Belegschaftsplanung mit systematischer Personal- und Organisationsanalytik durch, optimiert kontinuierlich Portfolio und Prozesse basierend auf integrierten HR- und Geschäftssystemen und bietet Organisations- und Change-Consulting über Managementberatungskanäle und Top-Team-Entwicklung an.

Reifegrad 5: Schließlich fördert die Gestalterin die Geschäftstransformation, unterstützt die Analyse und Verbesserung der Unternehmenskultur, integriert die Personalstrategie in die Geschäftsstrategie mit Echtzeit-Mitarbeiterfeedback und liefert sowohl inhaltliche, prozessuale als auch methodische Impulse mit strategischer Perspektive. Diese Rolle ist als enge Beraterin für Geschäftsbereiche etabliert und deckt nahezu alle Themen der Organisationsentwicklung ab. (Abb. 2)

Effektive Rolle für HR

Um HR als treibende Kraft in der OE erfolgreich zu positionieren, sind mehrere Schlüsselfaktoren entscheidend. Zunächst muss HR klar definierte Rollen, Verantwortlichkeiten und Befugnisse besitzen, die mit der Geschäftsführung abgestimmt und in der gesamten Organisation bekannt sind. Dies stärkt die Handlungsfähigkeit von HR und ermöglicht ein proaktives und autoritatives Auftreten. Die entsprechenden Organisationsstrukturen sollten so gestaltet sein, dass sie das Mandat von HR optimal unterstützen. Weiterhin sind die Partnerschaft und die Vernetzung mit den Geschäftsbereichen wesentlich. Da OE sowohl die gesamte Organisation als auch spezifische Teilbereiche betreffen kann, ist es essenziell, dass HR in seiner Rolle anerkannt und wertgeschätzt wird. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Topmanagement, insbesondere bereits in der Phase der Strategieentwicklung, ist förderlich. HR sollte die Geschäftsbereiche als Treiber sehen und unterstützend wirken. Die Kompetenzen und Denkweisen innerhalb von HR sind je nach Rolle und Reifegrad unterschiedlich. Die Befähigung von HR ist von großer Bedeutung und wird durch bewährte Formate und Trainingsangebote unterstützt. Zudem sollte HR über standardisierte Instrumente und Methoden verfügen, die es ermöglichen, OE systematisch und effizient zu gestalten. Diese Werkzeuge unterstützen die konsistente Verwaltung und Entwicklung sowie die Bewertung ihrer Effektivität und sichern die Qualität der OE über verschiedene Teams und Regionen hinweg. Schließlich kann die Skalierung von Produkten, Maßnahmen und Initiativen effektiv durch den wirkungsvollen Einsatz von Change Agents oder HR-Business-Partnern erfolgen, die als Multiplikatoren innerhalb der Organisation fungieren.
Eine Organisation muss flexibel und dynamisch sein, um langfristig zu überleben und zu gedeihen. Richtig kalibriert und ausgestattet ist HR in diesem Prozess der Schlüsselakteur, der nicht nur den unmittelbaren Bedürfnissen der Organisation dient, sondern auch Motor ist für ihre nachhaltige Entwicklung und Erfolg des Unternehmens.

Praxisbeispiel:

Kulturwandel in einem ­globalen Industriekonzern

Ein weltweit tätiger Industriekonzern musste seine Unternehmenskultur an eine neue Wachstumsstrategie anpassen, um dynamischere Arbeitsweisen und schnellere Entscheidungen zu fördern.

Die Herausforderungen lagen darin, die strukturelle Matrixorganisation des Konzerns an die Kernprozesse anzupassen. Die aktive Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitenden war für den Erfolg der Kulturinitiative entscheidend. Ein interdisziplinäres Team aus Organisationsentwicklung, HR, Kommunikationsspezialisten und einem Projektbüro leitete die Initiative. Fachleute aus Performance Management und Learning & Development unterstützten themenabhängig.

Das Unternehmen ging in einzelnen ­Phasen wie folgt vor:

Phase 1: Momentum und positives ­Narrativ: Entwicklung eines motivierenden Narrativ „Wir können noch stärker werden“, Einbindung der Unternehmensführung, Durchführung von Kommunikationsevents über diverse Kanäle zur Sensibilisierung.
Phase 2: Strukturelle Anpassungen: Umsetzung struktureller Anpassungen zur Implementierung der neuen Kultur, ­Optimierung von Kernprozessen für effizientere Entscheidungsfindung, Integration der Kultur in HR-Prozesse und Bewertungs­systeme.
Phase 3: Von der Initiative zur Gesamtorganisation: Systematische Eingliederung der neuen Kultur in den Arbeits­alltag, Verankerung der Werte in Projekten und Bildung eines Netzwerks von Change Agents zur Förderung der Kultur.

Fazit: Kulturwandel erfordert umfassende organisatorische Anpassungen und ist nur mit starker HR-Unterstützung möglich. HR, Organisationsentwicklung und Kommunikation sind zentral in der Inhalts­entwicklung, während die Umsetzung eine kollektive Anstrengung aller Beteiligten erfordert.

Über die Autorinnen

Thekla Kovacev-Schmidt ist Associate Principal bei der ­Topmanagement-Beratung Undconsorten. Sie ist Expertin für ­Führungs- und Personalthemen mit Fokus auf Lernen und Entwicklung von Mitarbeitenden, um Organisationen erfolgreicher zu machen.

Nadeshda Kreya ist Principal bei Undconsorten und Expertin für Führung und Organisationsentwicklung. Sie unterstützt große ­Organisationen bei Transformationen und bei der Etablierung einer starken Führungskultur.

Quelle: humanressourcesmanager.de

19 Dezember 2024

Studie zeigt: Kündigt ein High Performer, folgen 2 weitere Kollegen

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Job&Karriere

Studie zeigt: Kündigt ein High Performer, folgen 2 weitere Kollegen

Leistungsträger kündigen nicht ohne Grund – sie fliehen vor schlechter Führung und toxischen Kollegen und lösen dabei eine Kettenreaktion aus.

Leistungsträger sind die treibende Kraft jedes Unternehmens: Sie liefern überdurchschnittliche Ergebnisse, glänzen mit erstklassigem Fachwissen und überzeugen durch außergewöhnliche soziale Kompetenzen. Doch was passiert, wenn diese Top-Talente das Unternehmen verlassen? Studien zeigen: Es liegt selten am Gehalt oder der Arbeitsbelastung. Viel häufiger sind toxische Kollegen und eine schlechte Unternehmenskultur der Auslöser – ein Problem, das Unternehmen teuer zu stehen kommt.

Wenn High Performer die Reißleine ziehen

Stell dir vor, du arbeitest in einem Team, in dem du jeden Tag dein Bestes gibst: Du löst Probleme, übernimmst Verantwortung und treibst Projekte zügig voran. Doch gleichzeitig hast du Low-Performer-Kollegen, die Verantwortung abwälzen, kaum Leistung bringen und trotzdem keine Konsequenzen fürchten müssen. Die Führung? Sieht weg – aus Bequemlichkeit, Konfliktscheu oder weil diese Kollegen Boss-Lieblinge sind..

Für viele High Performer wird die Situation zunehmend unerträglich. Sie fragen sich: Ist es das wert, wenn mein Engagement keine Anerkennung findet?

Laut einer Studie in 1.620 Einzelhandelsgeschäften zeigt sich ein Muster: Auf jede Kündigung eines High Performers folgen durchschnittlich 2,2 weitere Kündigungen innerhalb der gleichen Leistungsgruppe. Entlassungen haben dabei den schwächsten, Entlassungsankündigungen den stärksten Effekt. Freiwillige Kündigungen wirken moderater, dafür aber langfristig. Das zeigt: Wenn Leistungsträger gehen, hinterlassen sie nicht nur eine Lücke – sie lösen einen Dominoeffekt aus.

Verlust von High Performern – Die Folgen für Unternehmen

Der Verlust von High Performern ist nicht nur eine Belastung für das Team, sondern regelrecht eine wirtschaftliche Katastrophe. Die Folgen im Überblick:

  • Verlorenes Wissen: High Performer nehmen nicht nur ihre Expertise mit, sondern auch wertvolle Kundenbeziehungen und internes Know-how.
  • Schädliche Signale: Der Abgang eines Top-Talents wird von Kollegen oft als Warnsignal gesehen: „Vielleicht sollte auch ich gehen“.
  • Kostenintensive Fluktuation: Die Rekrutierung und das Onboarding von Ersatzkräften kostet Zeit und Geld – oft ohne Garantie, jemanden mit ähnlichen Fähigkeiten überhaupt zu finden.

Trotzdem unterschätzen viele Führungskräfte diese Risiken. Warum? Häufig fehlt es an klaren Mechanismen, um toxisches Verhalten im Team zu erkennen und zu adressieren.

Führungsversagen – Der Fisch stinkt immer vom Kopf

Das sogenannte „Toleranz-Paradoxon“ ist eine der Hauptursachen: Aus Angst vor Konflikten oder der Sorge, am Ende ohne Beschäftigte dazustehen, tolerieren Führungskräfte schlechte Leistung und unangebrachtes Verhalten. Statt Konsequenzen zu ziehen, hoffen sie, dass sich die Probleme von allein lösen – was natürlich selten der Fall ist. Die Folge: Gute Mitarbeiter verlieren das Vertrauen in ihre Führungsriege und suchen nach anderen Optionen.

Ein weiteres Problem ist das Peter-Prinzip: Viele Führungskräfte glänzen fachlich, sind aber nicht in der Lage, ein Team effektiv zu leiten. Oft, weil Fachspezialisten einfach in Führungspositionen gehievt werden, da sie in ihrem Aufgabenbereich einst brillierten. Fehlende Kommunikation, mangelndes Feedback und die Scheu vor schwierigen Gesprächen verschärfen die Situation zunehmend.

Wie Unternehmen ihre Top-Talente halten

Um High Performer langfristig zu binden, müssen Unternehmen nicht nur das Problem erkennen, sondern aktiv gegensteuern und besser – vorbeugen. Hier sind einige Strategien, die funktionieren:

  1. Klare Leistungsstandards setzen
    Schlechtleistung darf auf keinen Fall ignoriert werden. Führungskräfte müssen Erwartungen klar kommunizieren und konsequent handeln, wenn diese von einigen Mitarbeitern nicht erfüllt werden.

  2. Konsequentes Feedback geben
    Ehrliche und offene Gespräche sind essenziell – und zwar nicht nur einmal im Jahr. High Performer schätzen direkte Rückmeldungen und klare Leitlinien, in denen sie agieren können.

  3. Toxisches Verhalten eliminieren
    Mitarbeiter, die das Team belasten, müssen frühzeitig identifiziert und gegebenenfalls entlassen werden. Toxische Einflüsse sind Gift für die Unternehmenskultur.

  4. Leistung sichtbar honorieren
    Engagement und Top-Ergebnisse verdienen Anerkennung – finanziell, durch spannende Projekte oder einfach durch echte Wertschätzung.

  5. Eine starke Führung vorleben
    Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel vorangehen – wer selbst Verantwortung scheut und vor Problemen zurückschreckt, verliert an Glaubwürdigkeit. Eine Führungskraft hat immer eine Vorbildfunktion.

High Performer – unverzichtbar für den Unternehmenserfolg

Leistungsträger sind das Fundament eines erfolgreichen Teams. Mit ihrem Engagement treiben sie nicht nur Projekte voran, sondern stärken auch die Dynamik und Motivation ihrer Kollegen. Ihr Verlust hinterlässt nicht einfach eine Lücke – er schwächt die gesamte Organisation nachhaltig.

Unternehmen profitieren von einer Kultur, die Spitzenleistung fördert, toxisches Verhalten konsequent adressiert und Wertschätzung spürbar macht. Nur so können Top-Talente langfristig im Unternehmen gehalten werden.

Über den Autor

Fred Eichwald ist Unternehmensinhaber von arbeits-abc.de. Als erfahrener Unternehmer hat er sich uns 2004 darauf spezialisiert, Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmen bei der Optimierung ihrer Arbeitsweise zu unterstützen. Er ist davon überzeugt, dass ein wertschätzendes Miteinander zwischen Führungskräften und Mitarbeitern der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens ist.

Quelle: arbeits-abc.de

13 Dezember 2024

Mittleres Management: Zwischen Auslauf­modell und Transformations­beschleuniger

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Mittleres Management: Zwischen Auslauf­modell und Transformations­beschleuniger

Das mittlere Management ist oft Ziel von Kritik. New Work bringt nicht nur neue Arbeitsmethoden, sondern zugleich eine Identitätskrise für die ohnehin zwischen oben und unten schwer gelittenen mittleren Manager. Erste Konzerne beginnen, die Zahl ihrer Führungskräfte drastisch zu reduzieren. Warum die Rechnung nicht so einfach ist und es in der Transformation eine neue Definition des mittleren Managements braucht.

Die fetten Jahre sind vorbei. Alle reden davon, wie viel sich für Unternehmen in den letzten Jahren geändert hat und welche Herausforderungen heute bewältigt werden müssen: Bewährte Geschäftsmodelle werden von heute auf morgen obsolet. Neue Wettbewerber aus der ganzen Welt sind nur einen Klick entfernt und erhöhen den Druck auf langjährige Marktführer. Akronyme wie VUCA oder BANI beschreiben unsere Welt als chaotisch, brüchig, komplex – ja unbeherrschbar. Das führt vor allem zu einem: Es herrscht Unsicherheit in deutschen Unternehmen.

Diese Unsicherheit lähmt – und sorgt manchmal dafür, dass weniger Entscheidungen getroffen werden. Von Garmisch-Partenkirchen bis Flensburg. Von der Unternehmensspitze bis zum Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz. Irgendwo dazwischen: das mittlere Management. Diese Führungskräfte versuchen aus der Mitte heraus für ihre Abteilungen Antworten auf Fragen der Transformation zu finden und Entscheidungslücken zu schließen. Manchmal auf erfinderische Art und Weise, wenn Stakeholder für Vorhaben mühsam begeistert und inspiriert werden müssen. Doch gelingt das? Erschwerend kommt hinzu, dass den Männern und Frauen des mittleren Managements der Ruf als Bewahrer, Bedenkenträger und Verhinderer vorauseilt – und ihre Rolle zunehmend infrage gestellt wird.

Agilität ist nicht alles

Die Methoden von New Work befeuern diese Diskussion. Teams beginnen sich mehr und mehr selbst zu organisieren. Die Erwartungen nach Mitbestimmung sind gestiegen – und müssen erfüllt werden, will man bestehende und potenzielle Mitarbeiter nicht verlieren. Product Owner verantworten Ergebnisse, der Scrum Master den Prozess und agile Coachs unterstützen die Veränderung und dabei, sich an neue Methoden zu gewöhnen. Wer braucht da noch eine Führungskraft? Hierarchien machen ohnehin behäbig, so die weitläufige Meinung. Dabei ist die Mehrheit der meisten Unternehmen noch immer genau so aufgestellt: hierarchisch. Und dieser Widerspruch ist das Problem: Agile Teams – so effizient sie auch sein mögen – treffen vielerorts auf klassische, manchmal dysfunktional gewordene Grundstrukturen und Umfelder. Und so gibt es viele Unternehmen, in denen zwar erfolgreich auf Projektebene pilotiert wird, der echte Anschluss zwischen Agilität und der DNA des Unternehmens aber ausbleibt. Komplexität und Widersprüchlichkeit in Unternehmen nehmen damit weiter zu. Und wer vermittelt dann zwischen diesen beiden Welten? Genau: die Frauen und Männer der mittleren Führungsebene. Die, die es eigentlich nicht mehr brauchen sollte.

Schlüsselrolle in der Transformation

Klar ist: Wenn Führungskräfte sich kein klares Profil geben und sie ihren Mehrwert zum Bewältigen der vor den Unternehmen liegenden Herausforderungen nicht herausstellen können, sind sie auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen. Zu verführerisch scheint es bei steigendem Kostendruck, hier den Rotstift anzusetzen. Dabei können mittlere Manager und Managerinnen insbesondere für die schweren Aufgaben der Transformation eine Schlüsselrolle übernehmen – und langfristig ein gutes Investment sein. Es gibt viele Gründe, die dafürsprechen. Mittlere Führungskräfte sind sehr nah an den schmerzenden Stellen in den Bereichen und können erkennen, was es für die Behandlung dieser braucht. Legt man das Wissen aller mittleren Führungskräfte zusammen, würde man einen sehr präzisen – einen unverfälschten – Blick auf ein Unternehmen und seinen Transformationsbedarf erhalten. Damit steckt im mittleren Management die Chance, ein Unternehmen aus sich selbst zu verändern. So wie ein Frühwarnsystem.

Diese Führungskräfte sind an mehr neuralgischen Stellen präsent, als es das Topmanagement direkt oder indirekt sein kann, und sie haben gemeinsam die Kraft, Teams mitzunehmen und Botschaften plausibel zu machen. Das kann aber auch zum Problem werden: Die mittleren Führungskräfte nehmen in ihrem Arbeitsalltag viele unterschiedliche Rollen ein. Damit droht Überforderung. Vom Koordinator zum Motivator, vom strategischen Entwickler ihrer Abteilung bis hin zur Sicherstellung des operativen Geschäfts. Sie sollen Moderator, Trainer, Innovator, Controller sein – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Alles anspruchsvolle Aufgaben, die für den Erfolg einer Transformation entscheidend sind und Beidhändigkeit zwischen Operative und Strategie erfordern. Aber eben auch konkrete Skills sowie Mut und Durchhaltvermögen.

Symbiose zwischen Top- und mittlerem ­Management

Insbesondere das strategische Gewicht gilt es in der Rolle der mittleren Manager fester zu verankern – in der Wahrnehmung, aber eben auch in den Prozessen und Strukturen. Zumindest für die, die mit der beschriebenen Beidhändigkeit umzugehen wissen. In der Praxis könnte das wie folgt aussehen: Ausgewählte mittlere Manager werden zum Capcoach. Sie sind also Captain und Coach zugleich – und tragen konkrete Verantwortung für die Definition und Umsetzung von Transformationsaufgaben. Captain, weil sie den Weg zu einem konkreten Ziel definieren. Coach, weil sie das eng mit ihrem Team tun und dieses befähigen, wann immer notwendig.

Damit werden sie unmittelbarer Counterpart zur obersten Unternehmensleitung, weil sie strategische Verantwortung erhalten. Das Ergebnis: eine institutionalisierte Symbiose zwischen Top- und mittlerem Management. Wir haben hierzu das 3C-Modell entwickelt: Die Capcoaches sind eines der drei Cs. Sie agieren zusammen mit dem Vorstand – also den Chief Officers und damit dem zweiten C im Modell –auf Augenhöhe. Damit gibt der Vorstand primär den Rahmen für die weitere Entwicklung vor. Das „Wie“ wird durch die Capcoaches erarbeitet, um gemeinsame Ziele und Werte in Form einer klaren Haltung zu einen. Das dritte C steht für Core (Kern) und für die Mitarbeitenden, denen Capcoaches und Chief Officers Handlungssicherheit in unseren unsicheren Zeiten geben.

Goodbye, Hierarchie-Pyramide!

Damit kippen wir die Hierarchie-Pyramide, die bislang noch immer die bestimmende Form in deutschen Unternehmen ist. Stattdessen denken wir Unternehmen vom Kern aus – von den Mitarbeitenden. Streng genommen gibt es dann kein oben und unten mehr – und damit auch kein „Die da oben“ oder „Die da unten“. Es macht klar: Jeder leistet im und um den Nukleus des Unternehmens seinen Beitrag zur Transformation. Gleichzeitig ist innerhalb des Kerns Raum für Agilität und Teams, die themen- und projektbezogen – ähnlich wie Moleküle – immer wieder neu zusammenkommen.

Damit sind wir schon bei einem wichtigen Mehrwert des Modells: Es stärkt Menschen, die Einflüsse ausbalancieren und Strategie und Umsetzbarkeit zusammenbringen. Es verteilt die Last auf mehr Schultern, die tragen können. Und auf mehr Köpfe, die entscheiden können. Es ist ja Irrsinn, immer auf wenige Heilsbringer und Erkenntnisse von oben zu hoffen. Ebenso der Glaube, die gesamte Last nur auf die Arbeitsebene verlagern zu können. Wenn ein mittlerer Manager das Verbindende leisten kann, macht es Organisationen in jedem Fall leistungsfähiger – und damit transformationsstärker.

Neue Standards für die Führungskräfte­entwicklung

Es geht darum, die Fähigkeiten und die Rolle mittlerer Manager zu stärken, weil sie an einer wichtigen Sollbruchstelle sitzen – und die letzten Jahre zu wenig Aufmerksamkeit erfahren haben. Und genau hier kommen die HR-Verantwortlichen ins Spiel. Nachwuchs-Führungskräfte-Programme gelten als Standard, doch was ist mit Angeboten für „alte Hasen“?
Gleichzeitig ist auch klar: Nicht jeder mittlere Manager ist für die Rolle des Capcoaches – den man auch Transformations-Multiplikator nennen könnte – geeignet. Es geht darum zu verstehen: Wer hat das Unternehmen aus der Mitte heraus die letzten Jahre bereits nach vorne gebracht?

Und wer hat den Mut und die Skills, auch zukünftige Transformationsaufgaben zu erkennen und anzugehen? Und zuletzt geht es auch darum, vorhandene Strukturen zu hinterfragen und neue zu Ende zu denken. Wir treten mit dem 3C-Modell also nicht in Konkurrenz mit agilen Methoden. Im Gegenteil: Wir versuchen die Anbindung agiler Konstrukte zur Unternehmensleitung, vorhandenen Hierarchie-Formen und übergeordneten Zielen zu konkretisieren. Eine bislang ungelöste Frage. Die Rolle der Capcoaches kann helfen, agile Streams zu synchronisieren, und verdient es, ausprobiert zu werden. Lasst uns die mutigen und willigen mittleren Manager als Transformationsbeschleuniger nutzen und ihre Rolle feinjustieren – anstelle sie abzuschaffen. Wir werden sie noch brauchen.

Über die Autoren

Dr. Karoline Haderer hat in Wien und Buenos Aires Betriebswirtschaft studiert und 2004 an der Karl-Franzens-Universität Graz in Sozial- und Wirtschaftswissenschaften promoviert. Nach Stationen bei KPMG und Energie Baden-Württemberg war sie Marketingleiterin bei der Südhessische Energie. Seit 2015 verantwortet sie die (Marken-)Transformation der Nürnberger Versicherung. Sie ist Co-Autorin von Transformation durch das mittlere Management. Raus der Underdog-Rolle: Praxiserprobte Strategien für schnelle und dauerhafte Transformationserfolge (Haufe, 2023).

Philipp Hilse hat an der Hamburger Texterschmiede das Handwerk des Werbetexters gelernt. Nach Stationen in Agenturen in Hamburg und der Metropolregion Nürnberg als Texter und Projektmanager wechselte er 2012 zur Nürnberger Versicherung und hat den Wandel des Unternehmens aus verschiedenen Positionen heraus begleitet – insbesondere als Leiter der internen Kreativagentur. 2021 absolvierte er den MBA in Management & Communication an der Münchner Marketing Akademie und der FH Wien. Er ist Co-Autor von Transformation durch das mittlere Management. Raus der Underdog-Rolle: Praxiserprobte Strategien für schnelle und dauerhafte Transformationserfolge (Haufe, 2023).

Quelle: humanressourcesmanager.de

06 Dezember 2024

Generation 50+: Wie Arbeitgeber ältere Mitarbeiter halten und fördern können

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Job&Erfahrung

Generation 50+: Wie Arbeitgeber ältere Mitarbeiter halten und fördern können

Der TK-Gesundheitsreport 2024 widmet sich einer umfassenden Analyse des aktuellen Fachkräftemangels und geht detailliert auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen der Generation 50+ ein. Kann man ältere Arbeitnehmende noch ein bisschen länger auf dem Arbeitsmarkt halten? Und wenn ja, wie?

Der Arbeitsmarkt entwickelt sich zunehmend zu einem Arbeitnehmermarkt, wodurch viele Unternehmen um gut ausgebildete Fachkräfte werben müssen. Diese Situation wird besonders durch den demographischen Wandel verstärkt. Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass in naher Zukunft die sogenannten „Babyboomer“ (Geburtsjahrgänge 1955 bis 1969) aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden, wodurch nicht nur Arbeitskraft, sondern auch wertvolles Fachwissen verloren geht.

Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung geht bald in den Ruhestand

Denn: In den kommenden Jahren wird eine große Anzahl der Babyboomer-Generation in den Ruhestand gehen, was den bestehenden Fachkräftemangel weiter verschärfen wird, da nicht genügend junge Arbeitskräfte nachrücken. Wie können wir also die Generation 50+ dazu motivieren, länger im Beruf zu bleiben? Die jüngeren Jahrgänge der „Gen Z“ stehen schon seit längerem im Mittelpunkt des Interesses der Arbeitgeber. Doch auch ältere Beschäftigte sind eine wesentliche Ressource zur Sicherung von Fachkräften. Die Generation 50+ bringt wertvolles Erfahrungswissen mit, ist hoch qualifiziert, gut vernetzt und zeigt in der Regel eine hohe Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes sind fast ein Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland zwischen 55 und 64 Jahren alt und werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen.

Doch was genau wünschen sich ältere Beschäftigte? Welche spezifischen Maßnahmen können sie dazu motivieren, länger im Berufsleben zu bleiben, und welche Rolle spielt dabei die Gesundheit? Diese Fragen werden im „TK-Gesundheitsreport 2024: Fachkräftemangel – Was hält die Generation 50+ im Job?“ untersucht.

Flexibilität für die Generation 50+

Der Report zeigt, dass insbesondere flexible Arbeitsgestaltung, wie die „Anpassung der Arbeitszeit an individuelle Bedürfnisse“ (73,7 %) und die „Unterstützung bei der individuellen Gestaltung des Renteneintritts“ (70,3 %), für die Generation 50+ besonders wichtig sind, um länger im Job zu bleiben. Auch ein höheres Gehalt (66,5 %), die Möglichkeit, zwischen Teil- und Vollzeit zu wechseln (64 %), und gesundheitsfördernde Maßnahmen (60 %) würden die Mitarbeitenden motivieren, länger zu arbeiten.

„Ältere Beschäftigte wünschen sich vor allem eins, mehr Flexibilisierung. Flexiblere Anpassung der Arbeitszeiten und mehr Unterstützung beim Eintritt in den Ruhestand sind die Top 2 Wünsche der Generation 50+, noch vor einem höheren Gehalt“, schreibt Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse im Vorwort zum Gesundheitsreport.

Die Realität zeigt jedoch ein anderes Bild: Nur 57 % der befragten Arbeitgeber bieten flexiblere Arbeitszeiten an. Weniger als die Hälfte (48,8 %) bieten Unterstützungsangebote für den Renteneintritt an.

Die Mehrheit der Unternehmen hat bereits den Wert der Generation 50+ erkannt. Über drei Viertel der Personalverantwortlichen und Geschäftsführer sehen die Bindung älterer Mitarbeiter in den nächsten drei Jahren als besonders wichtig an.

Viele planen noch früher auszusteigen

Eine aktuelle Befragung von über 1.000 erwerbstätigen Personen im Alter ab 50 Jahren, durchgeführt vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) im Auftrag der  Techniker Krankenkasse (TK), zeigt ein weiteres alarmierendes Ergebnis: Fast ein Drittel der älteren Erwerbstätigen ab 50 Jahren (31,3 %) plant, vor Erreichen des gesetzlichen Rentenalters aus dem Beruf auszuscheiden. Diese Erkenntnis stammt aus dem TK-Gesundheitsreport 2024 „Fachkräftemangel: Was hält die Generation 50+ im Job?“, der heute in Berlin vorgestellt wurde.
„Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es für Arbeitgeber unerlässlich, die Generation 50+ noch stärker in den Fokus zu rücken“, sagt Dr. Jens Baas. „Ältere Beschäftigte sind eine wertvolle Ressource für die Unternehmen. Sie verfügen über großes Erfahrungswissen, sind gut vernetzt und haben sich in der Regel über Jahre an ihrem Arbeitsplatz bewährt.“

Es gibt, wie bereits erwähnt, noch Spielraum zur Verbesserung bei der Erfüllung der Wünsche älterer Beschäftigter. Nur etwas mehr als die Hälfte der befragten Arbeitgeber bietet bereits flexiblere Arbeitszeiten an. Ähnlich verhält es sich bei Angeboten zur individuellen Gestaltung des Übergangs in den Ruhestand, die nach eigenen Angaben von weniger als der Hälfte der Befragten umgesetzt werden. Lediglich bei der Möglichkeit, zwischen Teilzeit und Vollzeit zu wechseln, sowie bei gesundheitsfördernden Maßnahmen stimmen Wunsch und Angebot überein.

Mit mehr Wertschätzung arbeitet man länger

Außerdem spielen die Gesundheit und Gesundheitsförderung eine entscheidende Rolle für ein langes und gesundes Arbeitsleben. Laut dem TK-Report zeigt sich ein Zusammenhang zwischen den Fehlzeiten der Beschäftigten in jüngeren Jahren und der Wahrscheinlichkeit, über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten: Personen, die in jüngeren Jahren häufiger fehlen, neigen dazu, seltener im höheren Alter weiterzuarbeiten.
Fabian Krapf, Geschäftsführer des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung, betonte die klare Verbindung zwischen einer positiven Unternehmenskultur und dem Wunsch der Beschäftigten, später in den Ruhestand zu gehen. „Wer mehr Wertschätzung, Selbstbestimmung und Flexibilität am Arbeitsplatz erlebt, der arbeitet auch länger.“

Unterschiedliche Bedeutungen und Prioritäten

Karriere und Jobs haben für verschiedene Generationen unterschiedliche Bedeutungen und Prioritäten. Jeder von uns hat unterschiedliche Perspektiven und Werte, was eine Herausforderung, aber auch eine Chance für Unternehmen darstellt. Schließlich muss man eine vielfältige Arbeitsumgebung für jeden schaffen. Unabhängig vom Alter.

Allerdings laufen Arbeitgeber laut einer Studie des Job-Netzwerks Xing Gefahr, im Wettbewerb um junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre erfahrensten Kräfte aus den Augen zu verlieren. Laut einer Generationen-Analyse (2023) sind laut Xing rund 19 Prozent der Menschen über 50 Jahren offen für einen neuen Job. Neben zu niedrigen Gehältern (45 %) und zu hohem Stress (37 Prozent) sind die Unzufriedenheit mit Führungskräften oder der strategischen Ausrichtung des Unternehmens (jeweils 35 %) Hauptgründe für den Wechselwunsch.

Bedürfnisse der erfahrenen Generation

Ja, auf den ersten Blick ist die Bereitschaft älterer Arbeitnehmer, den Job zu wechseln, im Vergleich zu jüngeren Generationen zwar geringer, birgt aber genug Sprengkraft. Schließlich stellen ältere Mitarbeiter mit rund 12,2 Millionen Erwerbstätigen nach den 30- bis 49-Jährigen die zweitgrößte Gruppe aller Arbeitnehmer dar. „Gerade in Zeiten, in denen in fast allen Bereichen Arbeitskräfte fehlen, ist es für Unternehmen fatal, ausgerechnet ihre erfahrensten und oft auch langjährigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verlieren“, warnte Petra von Strombeck, die Geschäftsführerin der Muttergesellschaft von Xing, New Work SE.

Bisher werden die Bedürfnisse der erfahrensten Generationen auf dem Arbeitsmarkt oft nicht wahrgenommen, obwohl sie noch etwa zehn bis fünfzehn Jahre im Berufsleben stehen und einen Gewinn für eine altersdiverse Unternehmenskultur darstellen. „Viele sind hoch qualifiziert, engagiert und loyal – und es wird Zeit, dass sie von ihren Arbeitgebern die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen“, sagte Strombeck.

Die älteren Mitarbeiter bringen eine wertvolle Erfahrung und Expertise in die Arbeitswelt ein. Außerdem verfügen sie durch ihre langjährige Berufserfahrung über ein umfangreiches Wissen, das sie in der Lösung komplexer Probleme und bei der Bewältigung von Herausforderungen einsetzen können. Nicht zuletzt haben sie in der Regel ein tiefes Verständnis für die Branche und können auf bewährte Praktiken zurückgreifen.
„Die Bedürfnisse der erfahrensten Generationen auf dem Arbeitsmarkt werden oft zugunsten der Jüngeren übersehen“, resümierte Petra von Strombeck.

Maßnahmen zur Förderung von Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Altersgruppen

Deshalb entsteht die wichtige Frage: wie kann man eigene erfahrene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen halten? Dafür gibt es verschiedene Ansätze und Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können:

  1. Wertschätzung und Anerkennung: Älteren Mitarbeitern Wertschätzung für ihre Erfahrung und ihr Wissen zeigen. Anerkennung kann durch Lob, Auszeichnungen oder spezielle Programme zur Mitarbeiterwürdigung erfolgen.
  2. Flexibilität: Es ist wichtig, flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten, die es älteren Mitarbeitern ermöglichen, ihre Arbeit und ihre persönlichen Verpflichtungen besser zu vereinbaren. Dies kann beispielsweise Teilzeitmöglichkeiten, Homeoffice-Optionen oder flexible Arbeitszeiten umfassen.
  3. Weiterbildung und Entwicklung: In die Weiterbildung älterer Mitarbeiter investieren, um sicherzustellen, dass sie mit den neuesten Technologien und Arbeitsmethoden Schritt halten können. So können sie ihre Motivation und ihr Engagement aufrechtzuerhalten.
  4. Mentoring-Programme: Mentoring-Programme etablieren, bei denen ältere Mitarbeiter ihr Wissen und ihre Erfahrung an jüngere Kollegen weitergeben können. Dies schafft nicht nur einen Mehrwert für das Unternehmen, sondern stärkt auch das Engagement und die Bindung älterer Mitarbeiter. Auch das Teamspirit wird dadurch gefördert.
  5. Gesundheitsförderung: Auf die physische und psychische Gesundheit älterer Mitarbeiter achten. Das kann durch diverse Programme zur Gesundheitsförderung, ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und Unterstützung bei der Bewältigung von Stress erfolgen.
  6. Altersgerechte Arbeitsbedingungen: Individuelle Bedürfnisse älterer Mitarbeiter berücksichtigen, z. B. ergonomische Hilfsmittel, barrierefreie Arbeitsplätze beschaffen.
  7. Karrieremöglichkeiten und Aufstiegschancen: Haben ältere Mitarbeiter genug Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung und Aufstieg innerhalb des Unternehmens? Dies kann durch interne Beförderungen, neue Projekte oder verantwortungsvollere Aufgaben erreicht werden.
  8. Arbeitskultur und Zusammenarbeit: Fördern Sie eine Arbeitskultur, in der alle Generationen respektiert und eingebunden werden. Hier könnten Möglichkeiten für den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Altersgruppen behilflich sein, damit mitarbeitenden über alle Altersgruppen hinweg voneinander lernen und voneinander profitieren.
  9. Betriebliche Altersvorsorge: Bieten Sie attraktive betriebliche Altersvorsorge-Optionen an, um die finanzielle Sicherheit älterer Mitarbeiter zu fördern und ihre langfristige Bindung an das Unternehmen zu unterstützen.
  10. Kommunikation und Feedback: Offene Kommunikation mit älteren Mitarbeitern ist enorm wichtig.
    Damit können Unternehmen ältere Mitarbeiter halten, ihr Engagement steigern und ihre Erfahrung und Kompetenz optimal nutzen. Schließlich ist jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin einzigartig, daher ist es wichtig, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Über die Autorin
Alexandra Ilina Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

Quelle: ingenieur.de

29 November 2024

Für viele Unternehmen ist Kultur wichtiger als KI

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Für viele Unternehmen ist Kultur wichtiger als KI

Das Mega-Thema künstliche Intelligenz sowie das instabile geopolitische Umfeld, die beide die Nachrichten mitbeherrschen, sind bei Unternehmen zwar auf der Agenda, aber zählen nicht zu den obersten Prioritäten. Das ergab eine Befragung von CEOs und Aufsichtsräten.

Eine aktuelle Studie, für die die Unternehmensberatung Spencer Stuart weltweit 2.321 CEOs und Aufsichtsratsmitglieder (darunter 130 aus Deutschland) befragt hat, fördert Überraschendes zutage: 78 Prozent der Studienteilnehmer sprechen zwar von hoher geopolitischer Unsicherheit und über die Hälfte geht von einem steigenden Risiko aus. Auch fürchten mehr als zwei Drittel negative Auswirkungen der anstehenden US-Wahlen. Dennoch stehen bei den Befragten Themen ganz oben auf der Maßnahmenliste, die eher nach innen gerichtet sind: Unternehmenskultur (75 Prozent), Mitarbeiterthemen (69 Prozent) sowie Umwelt- und Regulatorik-Fragen (59 Prozent). KI mit 40 Prozent und Maßnahmen im Rahmen der weltpolitischen Unsicherheit mit 28 Prozent spielen nur eine nachgeordnete Rolle.

Unternehmenskultur steht ganz oben auf der Agenda

Auch in Deutschland hat ein Großteil (72 Prozent) die Unternehmenskultur als Top-Priorität ausgerufen – angesichts der ungewissen Zeiten sei sie tatsächlich das wirksamste Instrument dafür, im Einklang mit der Firmenstrategie Agilität und künftiges Wachstum überhaupt erst zu ermöglichen, so Lars Gollenia, Deutschland- und Österreich-Geschäftsführer von Spencer Stuart.

Fast 70 Prozent aller Befragten weltweit und 65 Prozent in Deutschland unterstreichen zudem die Bedeutung einer sich verändernden Belegschaft und damit verbundenen Fragen wie Talentgewinnung, Mitarbeiterbindung, Employee Engagement, Generationenunterschiede sowie Diversität und Inklusion. Allerdings bewerten 25 Prozent der weltweit und auch der in Deutschland Befragten die Agilität in ihren Unternehmen als nicht ausreichend: Die Antwort auf Herausforderungen und sich ändernde Parameter im Unternehmen sei "träge und mühsam".

Unternehmen verspüren Druck, sich politisch zu äußern

Wie vermehrt die Belegschaft gerade hierzulande auch Dinge einfordert, zeigen Zahlen zu politischen Äußerungen: Während weltweit nur 45 Prozent der Unternehmenslenker zumindest moderaten Druck verspüren, öffentlich auch politische Themen zu kommentieren, sind es vor allem französische (72 Prozent), italienische (70 Prozent) und deutsche (67 Prozent) CEOs, die sich in erster Linie von den Beschäftigten gedrängt fühlen – die meisten jedoch reagieren noch vorsichtig und mit möglichst moderatem Engagement.

Künstliche Intelligenz kommt oft nicht über Reflexions-Phase hinaus

Trotz der starken Medienpräsenz wird die Anwendung künstlicher Intelligenz nicht als akut hochrelevantes Thema eingestuft: Nur 38 Prozent der CEOs und 42 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder sehen KI als eine der Prioritäten, die sie konkret adressieren. Weibliche Führungskräfte zeigen dabei tendenziell mehr Interesse an KI als ihre männlichen Kollegen und stellen entsprechend mehr Mitarbeitende mit KI-spezifischer Expertise ein. Immerhin 50 Prozent der Befragten befinden sich mitten in der Analyse darüber, wie ihre Organisation KI nutzen könnte.

Was die generellen Strategien zur stärkeren Implementierung von künstlicher Intelligenz angeht, setzen 40 Prozent noch auf Schulungen ihrer Führungsteams, während 35 Prozent bereits entsprechende Technologien kaufen oder nutzen. 33 Prozent versuchen weiterhin herauszufinden, wie KI überhaupt ihre Unternehmensstrategie beeinflussen kann. Den Mehrwert von KI sehen 44 Prozent der CEOs und 43 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in der Produktivitätssteigerung. In Deutschland geben 21 Prozent der CEOs an, dass sich erste KI-Investitionen bereits auszahlen.

Quelle: haufe.de

22 November 2024

KI in der Arbeitswelt: Warum das Vertrauen noch fehlt?

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KI in der Arbeitswelt: Warum das Vertrauen noch fehlt?

Künstliche Intelligenz wird in Zukunft eine immer größere Rolle im Alltag und in der Arbeitswelt spielen, da sind sich die Deutschen einig. Trotzdem trauen viele Menschen der neuen Technologie nicht.

Künstliche Intelligenz drängt sich mittlerweile immer mehr in den Alltag – sei es schnell selbst einen Prompt an ChatGPT zu schicken oder KI-generierte Inhalte (ob bewusst oder nicht) auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen ausgespielt zu bekommen. KI ist gekommen, um zu bleiben. So sehen es auch die Mehrheit der Berufstätigen in Deutschland.

Laut einer Studie, die von InKonstellation beauftragt wurde, rechnet die Mehrheit der Arbeitnehmenden in Deutschland damit, dass KI die Arbeitswelt in den kommenden fünf Jahren verändern wird (54 Prozent). Für die Studie des Coaching-Anbieters wurden insgesamt 1.051 Menschen in Deutschland befragt. Faktoren, die sich laut den Befragten verändern werden, sind beispielsweise eine Produktivitätssteigerung, die Automatisierung von Routineaufgaben und eine stärkere Überwachung und Steuerung der Belegschaft. An den Antworten lässt sich ahnen, dass sich die Geister scheiden, inwiefern diese Entwicklung positiv oder negativ gesehen wird.

Mehrheit sieht KI als Chance

Rund 55 Prozent der Befragten sehen im Einsatz von KI mehrheitlich eine Chance. Gründe dafür sind beispielsweise erwartete positive Folgen für Nachhaltigkeit und Klima durch verminderten Ressourceneinsatz (65 Prozent) oder eine Effizienzsteigerung in Produktion, Logistik oder dem Kundenservice (62 Prozent).

Doch auch 45 Prozent der Befragten sehen eher die Risiken beim Einsatz von KI. Sie befürchten zum Beispiel politische Risiken durch den Einsatz von gefakten Statements oder Bildern in politischen Auseinandersetzungen (70 Prozent) oder eine fortschreitende Automatisierung und ein daraus folgender massiver Verlust von Arbeitsplätzen (50 Prozent). Trotz Risiken wie einer fortschreitenden Automatisierung erwartet nur ein geringer Anteil, dass der eigene Arbeitsplatz bedroht ist. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen Menschen mit akademischem Abschluss (zehn Prozent) und solchen ohne (neun Prozent). Anders sieht es der Historiker und Autor Yuval Noah Harari. Er erwartet, dass durch den Siegeszug der Künstlichen Intelligenz eine sogenannte „useless class“ geben wird. Diese wird seiner Meinung nach strukturell beschäftigungslos bleiben.

Die Sorge um Entlassung teilen auch Befragte einer anderen Umfrage. Laut der Umfrage „AI at Work 2024: Friend and Foe“ der Boston Consulting Group denken 59 Prozent der Befragten, dass es ihren Job im Laufe der nächsten zehn Jahre aufgrund von KI nicht mehr geben wird. 78 Prozent der Befragten gehen außerdem davon aus, dass sich ihr Job in den kommenden Jahren deutlich durch den Einsatz von KI verändern wird. Damit liegt Deutschland bei den Erwartungen an das disruptive Potenzial der Technologie nahe dem internationalen Durchschnitt (79 Prozent weltweit), wobei die Erwartung, dass der eigene Job durch KI ersetzt wird, mit 59 Prozent gegenüber 42 Prozent deutlich höher in Deutschland ist. Für die Studie wurden insgesamt 13.102 Menschen befragt, 1.002 davon in Deutschland.

Die Deutschen sind skeptischer

Generell scheinen die Deutschen der neuen Technologie kritischer gegenüberzustehen als viele andere. Während in Indien (54 Prozent) und dem Mittleren Osten (52 Prozent) mehr als die Hälfte der Befragten Vertrauen in KI haben, sind es in Deutschland nur 40 Prozent. Diese Skepsis zeigt sich auch im Nutzungsverhalten von KI-Anwendungen. Unter den indischen Befragten gaben 96 Prozent an, KI-Anwendungen zu nutzen. Bei den deutschen Befragten waren es rund 92 Prozent.

Besonders unwohl fühlen sich Deutsche beim Einsatz von KI in Auswahlprozessen bei Bewerbungen. Laut einer Studie, durchgeführt durch das SAS-Institut, sind es knapp 80 Prozent, der 1.016 Befragten: „Die Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern ist eine hochsensible Angelegenheit, umso wichtiger ist es, durchgängig Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Datenschutz sicherzustellen“, sagt Iwona Szylar, Managing Director von SAS Deutschland zu den Ergebnissen. Bank- und Versicherungsgeschäfte (69 Prozent), Diagnostik und Behandlungsempfehlungen (61 Prozent) sowie KI-basierten Produktempfehlungen (44 Prozent) sehen die Befragten hingegen unkritischer.

Vertrauen gegenüber KI steigt mit dem Nutzungsverhalten

Generell lässt sich sagen, dass das Vertrauen gegenüber KI mit dem Nutzungsverhalten steigt. Auch der Rang innerhalb des Unternehmens macht laut der Umfrage der Boston Consulting Group einen Unterschied im Nutzungsverhalten. Von den Personen in leitenden Positionen nutzen 86 Prozent der Befragten regelmäßig KI-Anwendungen. Wohingegen lediglich 43 Prozent der Angestellten KI regelmäßig nutzen.

Das liegt höchstwahrscheinlich daran, dass Führungskräfte einfach früher und umfassender zum Thema Künstliche Intelligenz und wie man diese für den eigenen Job nutzen kann, geschult werden. In Deutschland wurden bereits 57 Prozent der Führungskräfte und nur 35 Prozent der Angestellten zum Thema befragt. Die Studienmacher kommen deshalb zum Schluss, dass Führungskräfte ihre Unternehmen dahingehend transformieren müssen, dass Künstliche Intelligenz öfter Anwendung im Arbeitsalltag findet. Im Roundtable zu der Studie sagt Vinciane Beauchene, Global Leader of Human x AI bei der Boston Consulting Group, dass es wichtig sei, dass Expertenwissen zu KI in den Unternehmen aufgebaut wird. Denn die Technologie entwickle sich so schnell weiter, dass es deshalb Personen in der Belegschaft geben sollte, die über ein breites Wissen zu dem Thema verfügen. „Man sollte aber auch nicht einfach auf gut Glück in KI investieren, sondern überprüfen, was wirklich zum eigenen Unternehmen passt“, sagt Jeff Walters, Greater China Leader of Boston Consulting Group, dazu.

Das der richtige Einsatz von KI Vorteile mit sich bringt, da ist sich die Mehrheit einig. 83 Prozent der deutschen KI-Nutzer stimmen beispielsweise der Aussage zu, dass sie durch KI schneller arbeiten. Weitere 80 Prozent finden außerdem, dass sich die Qualität ihrer Arbeit durch KI verbessert hätte.

KI wird verändern, wie wir untereinander arbeiten

Doch KI wird nicht nur die Art verändern, wie wir arbeiten, sondern auch wie Menschen untereinander arbeiten. Lediglich zwölf Prozent gehen davon aus, dass KI schwache oder sehr schwache Auswirkungen auf die Zusammenarbeit haben wird. Der Großteil der Befragten der InKonstellation Studie gehen zumindest von leichten (46 Prozent) oder starken (29 Prozent) bis sehr starken (13 Prozent) Veränderungen aus. Laut den Befragten könnte sich der Einsatz von KI zukünftig negativ auf die Kommunikation untereinander und generell auf zwischenmenschliche Aspekte auswirken.

Nicht nur deshalb geht InKonstellation davon aus, dass die Durchdringung der Arbeitswelt mit Künstlicher Intelligenz zu gewaltigen Transformationsprozessen führt. Die Boston Consulting Group gibt dabei den Tipp, die Mitarbeitenden bei diesen Transformationsprozessen nicht zu überfordern. Führungskräfte sollten überlegen, inwiefern es sinnvoll sei, bestimmte Prozesse parallel anzustoßen und ob es in bestimmten Situationen nicht besser wäre, Prozess nach Prozess anzustoßen.

Über den Autor

Frederic Haupt ist Volontär der Personalwirtschaft.

Quelle: personalwirtschaft.de

 

31 Oktober 2024

Wenn wir die KI richtig nutzen, macht sie uns schlauer

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Wenn wir die KI richtig nutzen, macht sie uns schlauer

Der sinnvolle Umgang mit künstlicher Intelligenz orientiert sich vorzugsweise am Dialog – und steht damit sogar in einer uralten Tradition.

Jahrzehntelang glich unser Verhältnis zur Informationstechnologie einer Einbahnstrasse. Wir fragten, sie lieferte Antworten. Wir suchten, sie warf Treffer aus. Die neuen KI-Sprachmodelle verändern diese Relation: Sie sind in der Lage, mit uns in einen Dialog zu treten.

Künstliche Intelligenz kann uns dazu anregen, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und unsere Annahmen zu hinterfragen. Man stelle sich etwa einen Arzt vor, der KI zur Analyse von Patientendaten benutzt. Statt einfach nur Ergebnisse zu präsentieren, kann sie den Arzt dazu anregen, alternative Diagnosen und mögliche Verzerrungen in Betracht zu ziehen.

Oder man nehme ein Team, das eine Marketingstrategie entwirft. Die KI kann die Strategien analysieren und dabei nebst eigenen Änderungsvorschlägen alternative Ansätze mit jeweiligen Vor- und Nachteilen aufzeigen.

Kurz, die KI spuckt nicht vorgefertigte Lösungen aus, sondern sie verbessert dank ihren enormen Datenmengen und den daraus gelernten Strukturen die Entscheidungsfindung – indem sie neue Perspektiven einbringt und kritisches Denken einfordert.

Nutzen und Grenzen der KI

Eine kürzlich von Harvard und dem MIT durchgeführte Studie mit 750 Beratern der renommierten Managementberatung Boston Consulting Group hat sowohl den Wert als auch die Risiken der Anwendung einer solchen dialogischen KI verdeutlicht. Bei der Nutzung von KI für kreative Aufgaben verbesserten rund neunzig Prozent der Teilnehmer ihre Leistung.

Berater mit dem tiefsten Leistungsniveau verbesserten sich deutlich stärker als solche mit dem höchsten Niveau. Wichtig ist auch zu wissen: Bei der Arbeit an der Lösung von komplexeren Problemen nahmen viele die Ergebnisse der KI für bare Münze – und ihre Leistung war im Durchschnitt um 23 Prozent schlechter als ohne KI.

Arbeiten in einer neuen Ära

Die Verbreitung dialogischer KI bedeutet also nicht das Ende der Arbeit; vielmehr signalisiert sie einen Wandel der benötigten Kompetenzen. Sicherlich werden monotone Aufgaben automatisiert werden, doch die Fähigkeit, kritisch zu denken, Informationen zu analysieren und effektiv zu kommunizieren, erlangt oberste Priorität.

Entscheidend ist, dass Arbeitnehmer sich im Umgang mit KI wohlfühlen, damit sie deren Fähigkeit zur Lösung komplexer Probleme und zur Entwicklung kreativer Lösungen nutzen können. Diese Mensch-KI-Partnerschaft birgt immenses Potenzial – nicht nur für erhöhte Effizienz und Produktivität, sondern auch für die qualitative Aufwertung von Arbeit und Entscheidungsfindung in allen Sektoren.

Was die Akzeptanz von KI-Anwendungen und deren Verwendung durch die Arbeitnehmer angeht, ist das von höchster Wichtigkeit. Zudem kann eine qualitative Aufwertung der Arbeit bei der Rekrutierung und der Loyalität der Mitarbeitenden eine gewichtige Rolle spielen.

Tradition der sokratischen Methode

Dank den neuen KI-Sprachmodellen können wir zum ersten Mal in unserer natürlichen Sprache mit einer Technologie in einen Dialog treten. Wir nutzen die neuen KI-Modelle im Allgemeinen aber unzureichend. Erstens ist der grosse Vorteil der KI-Sprachmodelle nicht ihre Kapazität, Wissen zu reproduzieren – oft mit einer gewissen Zufälligkeit, welche Halluzinationen genannt wird. Zentral ist ihre Fähigkeit, unser Denken herauszufordern und dadurch deutlich zu schärfen.

Zweitens sollten wir das Denken – entgegen der verbreiteten Meinung – als eine soziale Tätigkeit verstehen. Nur im Zusammenspiel mit einem Gegenüber kommt dessen Potenzial zur vollen Entfaltung – ganz in der Tradition der sokratischen Methode.

An diesem Schnittpunkt der generativen KI und einer sozialen Konzeption des Denkens liegen die revolutionären Möglichkeiten der neuen KI. Wir können mit der KI in einen Dialog treten, der unser Denken vorurteilsfreier, kreativer und kritischer macht.

Über den Autor

Sepp Ruchti ist in der Finanzbranche leitend tätig und beschäftigt sich dort unter anderem mit dem Themenbereich AI.

Quelle: NZZ Neue Zürcher Zeitung

17 Oktober 2024

Generalist oder Spezialist: Welchen Typ brauchen wir in den Unternehmen?

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Generalist oder Spezialist: Welchen Typ brauchen wir in den Unternehmen?

Mein letzter Beitrag hier zum Thema Generalisten hat für reichlich Furore gesorgt. Deshalb möchte ich das Thema vertiefen. Schon gleich vorweg: Nicht ein unversöhnliches Entweder-Oder, sondern ein verbindendes Sowohl-als-auch bringt uns weiter. Natürlich brauchen wir nach wie vor viele Spezialisten, also I-Profile, aber wir brauchen mehr T-, H- und X-Typen.

Mit dem Voranschreiten des Fortschritts und dem Aufstieg junger, forscher, agiler Unternehmen entstehen gänzlich neue Geschäftsmodelle, neue Organisationsdesigns, neue Formen der Arbeit, ein neues Führungsverständnis – und völlig neue Berufe wie etwa diese: Smart-City-Entwickler, Roboter-Disponent, 3D-Handwerker, KI-Trainer, Prompt Engineer, Metaverse Creator, Technologie-Ethiker, Circular-Economy-Designer.

Doch auch die werden wieder verschwinden, um noch neueren Berufsbildern Platz zu machen. Und das wird, wie alles andere auch, immer schneller passieren. 85 Prozent der Berufsbilder, die 2030 den Arbeitsmarkt bestimmen werden, gab es bis vor Kurzem noch gar nicht. Das ergab die Untersuchung „Realizing 2030: Die Zukunft der Arbeit“ des Instituts for the Future in Zusammenarbeit mit dem Technologieunternehmen Dell.

Die neuen Berufe gehen multioptional in die Breite

Die neuen Berufe haben vor allem mit Innovieren, Adaptieren, Kombinieren, Experimentieren, Koordinieren, Kollaborieren, Flexibilisieren, Individualisieren und Emotionalisieren zu tun. Sie verlangen Gespür sowohl für die Menschen als auch für die neueste Technologie. Zunehmend zeigt sich, wie schnell man Expertisen aus der Vergangenheit über Bord werfen muss, weil plötzlich alles ganz anders läuft als zuvor.

Fortan werden wir Mitarbeitende brauchen, die multiperspektivisch denken und kombinatorisch handeln, sich ständig weiterentwickeln und, aufbauend auf einem breiten Wissensfundament, Gesamtzusammenhänge verstehen. Grundvoraussetzung dafür und zugleich unverzichtbar ist eine lebenslange, eigeninitiative Lernbereitschaft, um für die sich immer rasanter wandelnde Zukunft gerüstet zu sein.

So sorgen fundiert agierende Generalisten für ihre Employability vor allem auch dort, wo immer performantere künstliche Intelligenzen die reinen Spezialisten zunehmend ersetzen. Sehr oft mithilfe künstlicher Intelligenz als Co-Kreator und Co-Assistenz gelingt es Generalisten mit multiplen Kompetenzen, Initiativen in Gang zu bringen, die Ideen, Wissen und Können auf neue, unkonventionelle Weise miteinander vereinen.

Übergreifende Vernetzung gewinnt stark an Bedeutung

„Wir nähern uns einer postdisziplinären Ära, in der die einzelnen Fachgebiete immer weniger relevant werden und ihre Vernetzung untereinander an Bedeutung gewinnt“, so Ulrich Weinberg, Direktor der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut, schon vor Jahren. Vor allem muss sich junge Digitalkompetenz mit langjährigem Erfahrungswissen sowie Bewährtes mit dem notwendigen Neuen verknüpfen.

Die globale digitale Vernetzung, die immer drastischeren Folgen des Klimawandels sowie die Neukombination von Technologien und Industrien in Ecosystemen sorgen für vielerlei Wechselwirkungen, die sich im Vorfeld gar nicht absehen lassen. Ein derart unvorhersehbares Umfeld erfordert maximale Adaptionskompetenz – und damit auch mehr Generalisten mit breit fundiertem Wissen und Können.

Generalisten haben ein gutes Gespür für Komplexität und können Zusammenhänge übergreifend erkennen. Sie vergraben sich nicht in ein Fachgebiet, sondern öffnen sich für verschiedene Disziplinen. Nicht nur in einem, sondern in verschiedenen Netzwerken sind sie aktiv. Insbesondere können sie Rollen wechseln, wenn Randthemen plötzlich zum Mainstream werden. Schauen wir uns in diesem Kontext I, T, H und X einmal an.

I-shaped: tiefes Wissen auf einem einzigen Fachgebiet – die Spezialisten

Spezialisten werden wir definitiv auch weiterhin brauchen, doch ihr Stand ist, wie schon allein der Buchstabe zeigt, nicht besonders stabil. Ihr Wissen ist zwar sehr fundiert und überaus tief, doch wenig breit. Sie sind in einer Art Silodenke verfangen. Nur das, was innerhalb dieser Grenzen liegt, kommt für sie dann auch in Betracht. Die eigene ist die beste aller Lösungen, weil der Spezialist gar keine anderen Lösungen kennt.

Spezialisten agieren oft in einer abgeschotteten Welt. Sie analysieren und analysieren. Und das dauert und dauert. So verplempern sie wertvolle Zeit, die in Zukunft niemand mehr hat. Außerdem hocken sie oft auf Knowhow, das in der Next Economy kaum noch was wert ist. Zu schnelllebig sind die benötigten Expertisen. Wenn Kenntnisse rascher altern als jemals zuvor, dann ist Bestandswissen nur noch marginal sinnvoll.

Niemand ist heute mehr „aus“gebildet. Spezialisten können ihre Position maßgeblich verbessern, indem sie ihr Fachwissen kontinuierlich verbreitern und das I damit stabiler machen, am besten „on the job“ nahezu täglich. Unterstützung bietet die ganze Palette der E-Learning-Programme, zudem Learning Games, Lern-Podcasts, Webinare, Lern-Apps und der fortan maßgebliche Beistand durch persönliche KI-Lernassistenten.

T-shaped: in der Tiefe und auch in der Breite aktiv

Symbolisiert durch das T vereinen T-förmige Profile Fähigkeiten von Spezialisten und Generalisten. Neben ihrer eigentlichen Expertise (senkrechte Linie) haben sie fachübergreifendes Wissen in angrenzenden oder übergeordneten Bereichen (waagerechte Linie), so dass sie ganzheitlicher handeln und vielseitiger einsetzbar sind. Sie denken in Zusammenhängen statt, wie ein Experte, nur einen Ausschnitt zu sehen.

T-förmige Talenttypen sind etwa in der zunehmenden Projektarbeit sehr gefragt, weil sie sich leichter einarbeiten und besser in neue Rollen hineinwachsen können. Auch wenn es um die steigende Bedeutung von Shared Leadership geht, können sie punkten. Dies ist ein immer öfter praktiziertes Modell, bei dem jeder in einem Projektteam je nach Situation und Bedarf mal als Mitarbeitender und mal an Führender operiert.

Eine Sonderform des T-shaped Profils ist das sogenannte Full-Stack-Profil. „Full stack“ bedeutet in etwa „das komplette Paket“. Der Begriff wird vor allem in der IT-Branche verwendet, wo man zum Beispiel Full-Stack Developer kennt: Programmierer, die sowohl Frontends (die Benutzeroberfläche) als auch Backends (die Datenbank) entwickeln. Talente mit einem Full-Stack-Profil finden wir sehr oft auch in Startups.

H-shaped: die Konnektoren zwischen den Welten

„Ich habe zwei Superkräfte“, schreibt eine Leserin auf Linkedin. Sie kann das Big Picture und die darin verwobenen Zusammenhänge erkennen, etwas, das anderen oft verborgen bleibt. Und sie hat „Übersetzungskompetenz“, weil sie sich mit Menschen aus unterschiedlichen technischen Bereichen und Hierarchie-Ebenen unterhalten und deren Wissen und Können miteinander verbinden kann, ohne aneinander vorbeizureden.

Ausgeprägtes interdisziplinares Denken und ein kommunikatives Zusammenbringen mehrerer Abteilungen oder Projekte fehlt leider sehr häufig, wenn zu viele Spezialisten am Werk sind. Insofern sind H-förmige Talenttypen die Brückenbauer im Unternehmen, oft auch Konnektoren zwischen drinnen und draußen. Sie sehen nicht nur den eigenen Beitrag, sondern verstehen, wie alles ineinandergreifen kann, soll und muss.

Sie sind darin geübt, Spezialwissen aus verschiedenen Bereichen zu kombinieren. Kurz, sie sind die, die einen hohen Assoziationsspielraum besitzen. Solche Menschen können mit großer Leichtigkeit in verschiedene Denkweisen schlüpfen. Sie haben die Fähigkeit, ihre Kompetenzbreite auf unterschiedlichste Situationen anzuwenden. Das H-förmige Talenteprofil kann insofern Geburtshelfer für bahnbrechende Innovationen sein.

X-shaped: der Typ, den wir nun immer mehr brauchen

X-förmige Talentprofile verknüpfen völlig verschiedene Disziplinen miteinander. Bestes Beispiel dafür ist die Verkettung der digitalen und mit der grünen Transformation, auch als Twin Transformation bezeichnet. Die, die in beidem eine Vorreiter-Strategie entwickeln, gelten als Twin Transformer oder Twin Performer. Ihnen gehört die Zukunft. Manche glauben sogar, unser Planet sei überhaupt nur so noch zu retten.

Schnittstellen (das Zentrum des X) sind die dynamischsten Orte für Fortschritt und Wandel. Sie gestatten einen Ausbruch aus vorherrschenden Denkmustern und etablierten Vorgehensweisen. Sie bieten beste Gelegenheiten für die Neuverknüpfung von Möglichkeiten. Sie erweitern, wie bei einer Straßenkreuzung, den Horizont. Sie lassen neue Blickwinkel entstehen. Und man kann in neue Richtungen gehen.

Durch Überkreuzbefruchtung treten an Schnittstellen überraschende, faszinierende, außergewöhnliche Ideen zutage, die den Lauf der Dinge stark beeinflussen oder sogar radikal verändern können. Sie ermöglichen das Andocken weiterer Ideen im gesamten System und zugleich die Fortentwicklung an den einzelnen Strängen. Wer solche Schnittstellen findet oder erschafft und clever besetzt, wird quasi unschlagbar.

Wie HR sich auf solche Talentprofile einstellen kann

Zunächst braucht es ein neues Mindset: Wer aus dem monokulturellen Grundgedanken bestehender Silostrukturen und interner Konkurrenz ausbricht, wer Kollaboration, Vernetzung und Co-Kreativität akzeptiert, dann schließlich multidimensionale Business-Ecosysteme etabliert, liegt fortan vorn. Was uns daran vor allem hindern, ist kognitive Zukunftskurzsichtigkeit. Das heißt, wir denken nicht weit genug in die Zukunft.

Die Fachkraft mit 28 dezidierten Anforderungsmerkmalen wird ja meist von einer Abteilung gesucht, die jetzt eine Lücke zu stopfen hat. HR wird dabei zum reinen Aufgabenerfüller. Beide Seiten kümmern sich nicht um die strategischen Aspekte, die in Zukunft relevant sein werden. Genau diese Fachkraft mit ihren Spezialkompetenzen wird nämlich obsolet, sobald Altes verschwindet und Neues entsteht.

Entwicklungsplan

Von daher abschließend hier mein Entwicklungsplan in fünf Schritten:

Schritt 1: Die notwendigen Erkenntnisse zu Themen der Zukunft gewinnen
Schritt 2: Verstehen, was dies für das Unternehmen und HRM fortan bedeutet
Schritt 3: Ein Zukunftszielbild entwickeln, das alle im Unternehmen inspiriert
Schritt 4: Aus dem bislang oft zu reaktiven in ein proaktives Handeln kommen
Schritt 5: Mehr T-, H- und X-Generalisten suchen, finden, fördern und fordern

 

Zur Person

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.
 
Quelle: hrjournal.de
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Das neue Buch der Autorin

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