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01 Dezember 2023

Generation Gamer & HR: Einzigartige Fähigkeiten nutzen

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Generation Gamer & HR: Einzigartige Fähigkeiten nutzen

Die Generation Gamer hat wertvolle Skills und Kenntnisse, die in der Arbeitswelt von großem Nutzen sein können. Professor Tobias Scholz beschreibt hier, um welche Fähigkeiten es sich handelt. Und er untersucht deren Übertragbarkeit auf die Arbeitswelt.

In der heutigen digitalen Ära hat sich die Welt des Gamings weit über die Grenzen der Unterhaltung hinaus entwickelt. Es ist nicht nur ein Zeitvertreib oder eine Form der Entspannung, sondern eine Plattform, die Menschen aller Altersgruppen, Geschlechter und sozioökonomischen Hintergründe vereint.

Die Generation Gamer ist eine Gruppe, die nicht durch ihr Geburtsjahr, sondern durch ihre gemeinsame Erfahrung des Gamings definiert ist. Darüber hinaus hat sie wertvolle Fähigkeiten und Kenntnisse durch das Gaming erworben, die in der Arbeitswelt von großem Nutzen sein können. In diesem Artikel werden wir die „Generation Gamer“ genauer betrachten, die Übertragbarkeit ihrer Gaming-Fähigkeiten auf die Arbeitswelt untersuchen und die Rolle von Esports in der modernen Arbeitswelt diskutieren.

Die Generation Gamer

Die Generation Gamer ist eine vielfältige Gruppe und umfasst Menschen aller Altersgruppen. Von Teenagern, die mit den neuesten Online-Spielen aufgewachsen sind, bis hin zu Erwachsenen, die ihre ersten Erfahrungen mit Videospielen auf Konsolen wie dem Atari oder dem NES gemacht haben. Diese Generation ist durch ihre gemeinsame Erfahrung des Gamings vereint, unabhängig vom Alter oder Hintergrund. Sie teilt eine Leidenschaft für das Spiel und hat durch diese Aktivität wertvolle Fähigkeiten und Kenntnisse erworben.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Generation Gamer heterogen ist. Sie umfasst eine breite Palette von Individuen mit unterschiedlichen Interessen, Fähigkeiten und Erfahrungen. Einige Gamer bevorzugen Strategiespiele, die tiefes Denken und Planung erfordern, während andere Action-Spiele vorziehen, die schnellen Reaktionen und Hand-Augen-Koordination benötigen.

Einige Gamer spielen hauptsächlich allein, während andere die sozialen Aspekte des Gamings schätzen und favorisieren, nämlich in Teams oder Gruppen zu spielen. Trotz dieser Unterschiede teilen alle Mitglieder der Generation Gamer eine gemeinsame Erfahrung: Sie haben sowohl Zeit als auch Energie ins Spielen investiert und dabei Fähigkeiten sowie Kenntnisse erworben, die über das Metagame hinausgehen.

Die Übertragbarkeit von Gaming-Fähigkeiten auf die Arbeitswelt

Die Fähigkeiten, die durch das Gaming erworben werden, sind in der modernen Arbeitswelt von großem Wert. Dazu zählen kritisches Denken, Problemlösung, Teamarbeit und Führung.

Darüber hinaus fördert das Gaming die Entwicklung von digitalen Fähigkeiten. In einer Welt, in der die digitale Kompetenz immer wichtiger wird, können Gamer ihre Erfahrung mit Technologie und digitalen Plattformen nutzen, um in der Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Sie sind mit der Nutzung von Computern und anderen digitalen Geräten vertraut, sie sind in der Lage, komplexe Software zu bedienen und zu verstehen, und sie sind oft auf dem neuesten Stand der neuesten technologischen Entwicklungen. Diese digitalen Fähigkeiten sind in vielen Berufen wertvoll und werden in der Zukunft noch wichtiger werden.

Es ist auch wichtig zu betonen, dass das Gaming eine Vielzahl an Fähigkeiten fördert, die für das hybride Arbeiten prädestiniert sind. Gamer lernen, in Teams zu arbeiten, sie entwickeln Kommunikationsfähigkeiten und sie lernen, mit Frustration und Misserfolg umzugehen. Sie lernen auch, strategisch zu denken, kreative Lösungen für Probleme zu finden und unter Druck zu arbeiten. Diese weichen Fähigkeiten sind in der Arbeitswelt von unschätzbarem Wert und können in einer Vielzahl von Berufen angewendet werden.

Esports und die Arbeitswelt

Die Esports-Industrie, die sich auf organisierte, wettbewerbsorientierte Videospielveranstaltungen konzentriert, ist die am schnellsten wachsende Live-Sport-Entertainmentbranche der Welt und bietet weitere Möglichkeiten für die Generation Gamer. Neben der Beherrschung des jeweiligen Spiels erfordert der Erfolg in Esports auch Teamarbeit, strategisches Denken und schnelle Entscheidungsfindung, da Spielerinnen / Spieler oft in Sekundenbruchteilen schwierige Entscheidungen treffen müssen, die das Ergebnis des Spiels beeinflussen können. Diese Fähigkeiten sind nicht nur für den Erfolg in Esports wertvoll, sondern auch in vielen anderen Berufen und Bereichen der Arbeitswelt anwendbar.

Esports ist mehr als nur ein aufstrebender Sektor, er ist auch ein Sprungbrett für eine Vielzahl von Karrieren, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gaming-Industrie. Die Karrierewege von ehemaligen professionellen Spielerinnen / Spieler, beispielweise aus dem Counter-Strike-Umfeld, sind ein Beweis für die Vielfalt der Möglichkeiten, die sich aus der Beteiligung an Esports ergeben können. Von Führungspositionen in Esports-Organisationen und IT-Unternehmen über Rollen in der Finanz- und Immobilienbranche bis hin zu Karrieren in der Wissenschaft und im Gesundheitswesen – die Fähigkeiten und Erfahrungen, die im Esports erworben wurden, haben sich als wertvoll in einer Vielzahl von Kontexten erwiesen.

Diese Beispiele zeigen, dass die Beteiligung an Esports eine wertvolle Ausbildung bietet, die weit über das Spielfeld hinausgeht. Sie betonen die Übertragbarkeit der im Esports erworbenen Fähigkeiten und die Vielfalt der Karrierewege, die ehemalige Spieler:innen eingeschlagen haben. Es ist unstreitig, dass Esports nicht nur eine schnell wachsende Branche ist, sondern auch eine Plattform, die Menschen mit den Fähigkeiten und Erfahrungen ausstattet, die sie benötigen, um in der modernen Arbeitswelt erfolgreich zu sein.

Schlussfolgerung

Die Generation Gamer ist eine wertvolle Ressource für die Arbeitswelt. Die Fähigkeiten und Kenntnisse, die durch das Gaming erworben werden, sind in vielen Berufen anwendbar und können einen wertvollen Beitrag zur Performance im Berufsalltag leisten. Es ist wichtig, dass Unternehmen diese Generation und ihre einzigartigen Fähigkeiten anerkennen und nutzen. So können sie wertvolle Talente gewinnen und ihre Organisationen und die Arbeitgebermarke stärken.

Die Generation Gamer besteht bereits aus vielen Millionen und wird weiterhin wachsen. Es ist an der Zeit, dass die Arbeitswelt dies erkennt und die Fähigkeiten und Talente dieser Generation nutzt. Gleichzeitig ist es die Aufgabe von Unternehmen, Politik und Bildung, diese Talente zu befähigen, ihre im Spiel erlernten Kompetenzen im Berufsalltag anzuwenden. In klassischen Sportarten ist dies schon seit Jahren positiv angesehen. Indem wir die Generation Gamer anerkennen und ihre Fähigkeiten nutzen, können wir eine Arbeitswelt schaffen, die innovativ, inklusiv und anpassungsfähig ist.

Es ist an der Zeit, die Generation Gamer willkommen zu heißen und ihre einzigartigen Fähigkeiten und Talente zu nutzen. Wie das funktioniert? HR und Führungskräfte sollten zunächst die Gamer in ihrer Belegschaft identifizieren, etwa durch Umfragen, was für Spiele gespielt werden. Anschließend sollten sie diese Gamer ermutigen und befähigen, eigene Gaming-Communities oder Betriebsesportgruppen zu gründen und zu leiten. Hier ist wichtig die Belegschaft zu empowern, vor allem aber auch ein langfristiges Versprechen diese Gruppen zu unterstützen.

Über den Autor

Dr. Tobias Scholz hält eine Professur für Academic Esports mit einem Schwerpunkt auf Personalmanagement an der Universität Agder und ist Chief Scientific Officer von metagame. Er hat das Esports Research Network gegründet, das Grundlagenbuch „eSports is Business“ geschrieben und ist Co-Autor von „Grundzüge des Personalmanagement“. In Norwegen ist er maßgeblich an einem Bachelorstudiengang beteiligt, der darauf abzielt, Esports als Werkzeug zur Vermittlung von Fähigkeiten für die zukünftige Arbeitswelt zu nutzen.

Quelle: hrjournal.de

24 November 2023

Warum selbst Top-Mitarbeiter „perfekte Unternehmenskulturen“ verlassen

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Job&Karriere

Warum selbst Top-Mitarbeiter „perfekte Unternehmenskulturen“ verlassen

Attraktive Außendarstellung, innerlich am Verfaulen: Ist die Unternehmenskultur nur ein Trugbild, werden auch die besten Mitarbeiter gehen.

Bei der Einstellung lockt ein attraktives Anfangsgehalt. Der Chef scheint nett zu sein. Das Klima stimmt. Alles perfekt? Bei näherem Hinschauen stellt sich dieses Idealbild in der Realität häufig als Trugbild heraus. Sogar Top-Mitarbeiter, die eine wichtige Position im Unternehmen einnehmen, wenden sich manchmal ab – auch wenn die Entscheidung, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen, nicht leichtfertig getroffen wird und manchmal als schleichender Prozess kommt.

Selbst die (auf den ersten Blick) perfekten Unternehmenskulturen bergen einige Gefahren für Mitarbeiter, wenn es sich um mehr Schein als Sein handelt. Während einige Faktoren sichtbar sind, dazu zählen beispielsweise Strategien oder Rituale, bleiben andere Faktoren im Verborgenen. Dazu gehören unausgesprochene Gesetze, die gelebt werden.

Basis für die Entwicklung der Kultur sind vor allem die gelebten und angestrebten, aber auch die nicht erreichbaren Werte. Um Veränderung zu erreichen, gilt aber vor allem, die „unsichtbaren Muster“ sichtbar zu machen, damit Top-Mitarbeiter bleiben.

1. Accidental Values: Zufallswerte mit negativer Dynamik

Sogenannte Zufallswerte (Accidental Values), die in aller Regel ohne bewusste Absicht entwickelt werden, können schnell eine negative Eigendynamik annehmen. Manchmal sind sie, abhängig von dem, was im Team passiert, kaum aufzuhalten oder nur schwer beeinflussbar, etwa von Führungskräften. So entwickelt sich eine Kultur, die in der Außendarstellung erstrebenswert erscheint, im Inneren aber für Probleme sorgt.

Hierbei kann es sich zum Beispiel um den Umgang mit Mehrarbeit handeln: Wenn Mitarbeiter regelmäßig die Höchstarbeitszeit überschreiten und pünktlich Feierabend zu machen negativ bewertet wird, droht die Überarbeitung. Mehrarbeit wird dann unerwünschterweise zu einem wichtigen, unbeabsichtigten Wert, der gelebt wird. Vor allem Top-Mitarbeiter, die für Höchstleistungen bekannt sind, stehen dann schnell unter Druck, dem sie sich schließlich beugen. Überhöhte Erwartungen, die an Zufallswerte geknüpft sind und sich negativ auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit dieser auswirken, werden Mitarbeiter abschrecken.

2. Core Values: Kernwerte widersprechen den Handlungen

Ausschlaggebend für eine starke Unternehmenskultur ist das Zusammenspiel vom übergeordneten Wertesystem mit den gelebten Werten im Betrieb. Was als Grundwert formuliert wird, muss deshalb auch in der gelebten Praxis mit den Handlungen übereinstimmen. Die Grundwerte („Core Values“) bilden das Kernstück einer jeder Kultur und stehen für den Ist-Zustand. Kann keine Kompatibilität zwischen dem, was formuliert und gelebt wird, festgestellt werden, ist es häufig eine Frage der Zeit, bis Mitarbeiter den Ist-Zustand hinterfragen und sich gegebenenfalls vom Arbeitgeber distanzieren, bevor sie die Firma schließlich verlassen.

3. Systematisches Ködern: Kurzfristige Aufrechterhaltung von Werten

Top-Mitarbeiter sind bei Arbeitgebern heißbegehrt. Sie zeichnen sich durch eine überdurchschnittliche Performance aus, sind in einigen Branchen mit FachkräftedefizitMangelware und Unternehmen wollen sie um jeden Preis langfristig binden.

Eine Möglichkeit, um solche Arbeitnehmer zumindest schon einmal ins eigene Boot zu bekommen, ist das systematische Ködern mit der Hilfe von nach außen präsentierten Werten und Prinzipien, die eigentlich keine sind. Der entscheidende Punkt ist, dass Mitarbeiter zunächst tatsächlich bekommen, was versprochen wird. Doch die vermeintlichen Werte dienen lediglich als kurzfristiges Lockmittel. Am Anfang kann ein attraktives Gehalt zum Beispiel auf die Bereitschaft von Unternehmen hinweisen, in gute Mitarbeiter zu investieren. Sie scheinen zunächst wenig knauserig zu sein und den Marktwert zu kennen.

Aber auch hier gilt: Sobald die perfekte Fassade bröckelt und deutlich wird, dass das Fundament nicht stark genug ist, werden selbst die besten Mitarbeiter nach und nach gehen. Ein anfängliches Lockangebot ist nicht ausreichend, um sie langfristig zu halten.

4. Werte stimmen nicht mit der individuellen Auslegung überein

Arbeitgeber und ihre Mitarbeiter haben mitunter eine unterschiedliche Auffassung von den formulierten und gelebten Unternehmenswerten, die die Basis für die Kultur eines Unternehmens bilden. Die Realität und Wahrnehmung von Arbeitnehmern darf nicht ignoriert werden, denn sie sind es, die tagtäglich im Job mit den Auswirkungen von Widersprüchen zu kämpfen haben.

Was bedeutet zum Beispiel „Work-Life-Balance“ konkret? Während der Chef einer Firma Incentives wie Gutscheine als ausreichend erachtet, um Mitarbeiter zu entlasten, wünscht sich der eine oder andere Mitarbeiter vielleicht bessere Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder oder etwa eine Erholungsbeihilfe, um zu einer guten Work-Life-Balance zu gelangen.

Im Grundsatz geht es um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Bedürfnissen privater Natur und den Jobanforderungen, die Arbeitgeber an ihre Mitarbeiter stellen oder die ein Beruf mit sich bringt. Darüber muss kommuniziert werden und es müssen Kompromisse gefunden werden, die den Bedürfnissen von Mitarbeitern einer Firma entsprechen – denn andernfalls droht die innere Kündigung und somit auch ein Arbeitgeberwechsel von Top-Mitarbeitern.

5. „Nur“ zu 90 Prozent zufrieden mit den Unternehmenswerten

Einen perfekten Arbeitgeber mit perfekt gelebten Werten gibt es nicht. Doch 90 Prozent Zufriedenheit mit den gelebten Unternehmenswerten reichen oft schon aus, um sich als Mitarbeiter gut aufgehoben zu fühlen. Für Top-Mitarbeiter sind jedoch die fehlenden 10 Prozent manchmal der alles entscheidende Grund, um sich nach alternativen Möglichkeiten umzuschauen.

So können die Bezahlung fair, die Benefits super und das Klima top sein. Mangelt es aber zum Beispiel an Aufstiegschancen, sind es gerade Top-Mitarbeiter, die einen Stillstand erleiden. Denn gerade die leistungsstarken Arbeitnehmer sind bewusst auf der Suche nach Chancen, um karrieretechnisch vom Fleck zu kommen. Wenn die Möglichkeiten fehlen, wechseln sie nicht unbedingt, weil der Chef ätzend ist oder die Arbeitszeiten nicht passen. Sie gehen, um aufsteigen zu können.

Generell sind Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter heute besonders wichtig, um Arbeitnehmer von einer Arbeitgebermarke auch langfristig zu überzeugen. Wenn sie fehlen, steigt die Wechselbereitschaft.

6. Dysfunktionale Feedback-Kultur als Teil einer scheinbar perfekten Unternehmenskultur

Eine weitere Lücke, die selbst bei hervorragenden Unternehmenskulturen zu beobachten ist, die sich beispielsweise durch familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, einer super Vergütung und unterhaltsamen Team-Events auszeichnen, ist die Art der Kommunikation. Speziell die Feedback-Kultur steht hier im Fokus.

Problematisch ist eine Feedback-Kultur, die auf Basis von starren hierarchischen Ebenen gelebt wird. Rückmeldungen auf Augenhöhe sind in solchen Fällen ein seltener Fall. Für gute Mitarbeiter kann eine solche Kulturlücke zu einem echten Problem werden: Sie sind auf sachliches, konstruktives Feedback ohne Machtspiele angewiesen, um sich in ihrer Arbeit nicht eingeschränkt oder gar ungesehen zu fühlen.

Lese-Tipp: Im Schatten der Hierarchie: Wie du dein Potenzial zur Geltung bringst

Gleiches gilt für andere Mitarbeiter. Denn unabhängig von dem, was sie leisten, ist eine gute Feedback-Kultur wertschätzend, nachvollziehbar und fachlich sowie persönlich hilfreich, indem sie unterstützend und nicht abwertend wirkt.

Was Top-Mitarbeiter hält, ist eine Wertekultur, die sich echt anfühlt

Das Aufschreiben und Präsentieren von Unternehmenswerten macht noch keine Unternehmenskultur aus. Die Umsetzung von Werten und die Realität in Firmen ist entscheidend. Dabei entwickelt sich eine Unternehmenskultur auf Basis der Normen und Werte, die tatsächlich gelebt werden.

Dynamiken, die nicht ganz unproblematisch sind, befinden sich aber oft lange Zeit im Verborgenen, bis sie thematisiert werden. Und das wissen Top-Mitarbeiter, denn sie spüren, wie sich die Kultur eines Unternehmens auf ihre Arbeit, ihre Bedürfnisse und ihr persönliches Wachstum auswirkt. Wenn sie gehen, dann mit der Überzeugung, dass selbst perfekte Unternehmenskulturen manchmal ein wackeliges Fundament haben.

Quelle: arbeits-abc.de

22 September 2023

Kompetent mit Kompetenzmodellen arbeiten

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Kompetent mit Kompetenzmodellen arbeiten

Was Sie im Recruiting und in der Personalentwicklung bei der Arbeit mit Kompetenzmodellen beachten sollten, erläutert Ronald Franke, Geschäftsführer von LINC. Und er gibt Best-Practice-Tipps für die Erstellung professioneller Kompetenzmodelle.

Kompetenzmodelle sind Teil jeder professionell aufgestellten Personalabteilung. Allerdings variiert das Wissen zur Erstellung und Nutzung solcher Modelle doch beträchtlich. Daher finden Sie im Folgenden einige Erläuterungen und Hinweise für eine erfolgreiche Arbeit mit Kompetenzmodellen in der Personalauswahl und Personalentwicklung.

Was ist überhaupt ein Kompetenzmodell?

Einfach ausgedrückt ist ein Kompetenzmodell eine Liste von Kompetenzen, die in einem Unternehmen besonders relevant sind und gefördert werden sollen. Die Kompetenzen können auf verschiedene Hierarchieebenen aufgeteilt (zum Beispiel erste und zweite Führungsebene) oder spezifischen Jobprofilen zugeordnet werden.

Ein professionelles Kompetenzmodell enthält darüber hinaus Verhaltensanker, die beschreiben, wann eine Kompetenz bei einer Person als stark ausgeprägt anzusehen ist und durch welche (beobachtbaren) Verhaltensweisen dies deutlich wird. Erst durch diese Zuordnung konkret beobachtbarer Verhaltenselemente wird es möglich, die abstrakten Kompetenzbegriffe objektiv zu erfassen und erfolgreich mit ihnen zu arbeiten.

Warum eigentlich Kompetenzen?

Interessant ist die Frage, warum für solche Modelle auf Kompetenzen zurückgegriffen wird. Denkbar wären zum Beispiel auch Modelle, die sich an den Big Five Persönlichkeitsmerkmalen oder den Handlungsmotiven der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter orientieren. Einige Unternehmen etablieren auch reine Verhaltenskodexe, wie zum Beispiel Führungsleitlinien. Diese dienen aber eher als Handlungsempfehlung für in bestimmten Kontexten handelnden Personen (wie zum Beispiel Führungskräften).

Kompetenzen eignen sich im Gegensatz zu Charaktereigenschaften oder Motiven als direkte Basis für PA- und PE-Maßnahmen, da sie durch Lernen und Erfahrung erweiterbar sind. Die Big Five sowie die Motive sind dagegen bei einem erwachsenen Menschen zeitlich relativ stabil und verändern sich nur über lange Zeitspannen. Trotzdem ist es sehr sinnvoll, die Big Five Charaktereigenschaften der Mitarbeiterschaft zu kennen, da die Kompetenzen hier genau wie individuelle Verhaltens- und Denkmuster ihren Ursprung nehmen.

Wie können die richtigen Kompetenzen für ein Kompetenzmodell gefunden werden?

Zunächst einmal der Basistipp: Nutzen Sie keine zu langen Kompetenzlisten in Ihrem Modell. In der Praxis sind schon Kompetenzmodelle mit bis zu 74 Kompetenzen aufgetaucht. Eine solche Anzahl an Kompetenzen führt dazu, dass die einzelnen Begriffe relativ beliebig und austauschbar werden.

Nachfolgend noch einige weitere Best-Practice-Tipps für die Erstellung professioneller Kompetenzmodelle:

  • Sämtliche Kompetenzen sollten sich auf einem ähnlichen Abstraktionsniveau bewegen. Es ist zum Beispiel nicht sinnvoll, eine so zugespitzte Kompetenz wie Präsentationskompetenz neben sehr breite Kompetenzen wie Führungskompetenz oder Planungskompetenz zu setzen.
  • Differenzieren Sie in Ihrem Modell persönliche Kompetenzen ( zum Beispiel Reflexionsvermögen), soziale Kompetenzen ( zum Beispiel Konfliktkompetenz) und fachliche Kompetenzen ( zum Beispiel Präsentationskompetenz).
  • Für die Auswahl der passenden Kompetenzen können Sie zum Beispiel im Unternehmen vorhandene Jobprofile heranziehen. Gehen Sie diese Profile durch und leiten Sie aus den zentralen Aufgaben die benötigten Kompetenzen ab. Alternative Quellen sind die primären Ziele und Herausforderungen Ihres Unternehmens in der Zukunft oder die oben bereits angesprochenen Führungsleitlinien.
  • Sie können bei der Auswahl auch auf bereits bestehende, umfassende Kompetenzlisten zurückgreifen, die sich in der einschlägigen Literatur zuhauf finden lassen. Dabei ist zu beachten, dass es im Bereich der Kompetenzen kein allgemeingültiges wissenschaftlich fundiertes Modell gibt, wie dies zum Beispiel im Bereich der Charaktereigenschaften mit den Big Five der Fall ist.

Wofür ist ein Kompetenzmodell einsetzbar?

Ein professionell entworfenes Kompetenzmodell hat den Vorteil, dass sich verschiedene PA- und PE-Maßnahmen einheitlich aus diesem Modell ableiten lassen. So können zum Beispiel die Kompetenzen für ein Jobprofil im Zuge einer Recruitingmaßnahme genauso aus dem Modell entnommen werden wie die Anforderungen an zukünftige Führungskräfte im Unternehmen. Alle im Unternehmen, die mit Auswahl- oder Entwicklungsaufgaben betraut sind, können sich somit an einem einheitlichen Modell orientieren, wodurch die Basis für faire und professionelle HR-Maßnahmen geschaffen wird.

Praxisbeispiel: Einsatz eines Kompetenzmodells im Rahmen eines Entwicklungsprogramms für Nachwuchsführungskräfte

In einem mittelständischen Unternehmen sollen diejenigen Potentialträger identifiziert und entwickelt werden, denen zugetraut wird, in Zukunft als Führungskräfte im Unternehmen zu fungieren. Dies ist für das Unternehmen von besonderer Bedeutung, da es sich schwer damit tut, Führungskräfte von außen ins Unternehmen zu holen und dauerhaft zu halten. Mit Hilfe eines zuvor definierten, einheitlichen Kompetenzmodells wird es möglich, auf einer objektiven Basis zu entscheiden, welche Kompetenzen für erfolgreiche Führung in diesem Unternehmen möglichst stark ausgeprägt sein sollten.

Der erste Schritt des Programms besteht dann darin, mittels eignungsdiagnostischer Verfahren (Persönlichkeitsanalyse plus Einzel-Assessment-Center) die passenden Kandidatinnen / Kandidaten zu identifizieren. Die in das Programm aufgenommenen Teilnehmerinnen / Teilnehmer erarbeiten im nächsten Schritt gemeinsam mit einem Coach einen individuellen Entwicklungsplan, in dem diejenigen Kompetenzen adressiert werden, die für einen nachhaltigen Führungserfolg noch ausgebaut werden sollten. Je nach identifizierten Kompetenzbereichen partizipieren die Teilnehmerinnen / Teilnehmer außerdem an weiteren PE-Maßnahmen wie zum Beispiel Trainings, E-Learning oder Mentoringprozessen.

Zur Person

Dr. Ronald Franke ist Gründer und Geschäftsführer der LINC GmbH(Lüneburg Institute for Corporate Learning). Als Psychologe, systemischer Coach und Dozent beschäftigt er sich leidenschaftlich mit der modernen Psychologie und der Frage, mit welchen Erkenntnissen und Lösungen sie dabei helfen kann, einige der bedeutendsten Themen unserer Zeit anzugehen. Die LINC GmbH konzipiert und erstellt digitale Instrumente zur Erfassung, Darstellung und Entwicklung von Persönlichkeit mit dem Ziel, die Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis zu schlagen, um einen signifikanten Beitrag zur Professionalisierung im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung zu leisten.

Quelle: hrjournal.de

15 September 2023

Mehrgenerationenhaus statt „Generation-Gap“ im Unternehmen

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Mehrgenerationenhaus statt „Generation-Gap“ im Unternehmen

Das Unternehmen zum Mehrgenerationenhaus umbauen? Andrea Montua, Expertin für Interne Kommunikation, schildert, was HR und PR gemeinsam tun können.

Smiley, Herzchen, Daumen hoch. Spät abends noch ein schnelles „Danke“ oder ein Kommentar. Wir kommunizieren und interagieren auf vielen Kanälen und Devices außerhalb der Kernarbeitszeit. Der Feierabend beginnt mit einem Blick auf die letzten Aktivitäten im Team. Für die einen völlig normal und nebenbei, für die anderen eher neu und stressig. Geht die Generationen-Schere also auseinander und können wir sie schließen? Und ist es überhaupt ein Generationenthema?

Die Digitalisierung hat ihre Sieben-Meilen-Stiefel angezogen und damit vergrößert sich an einigen Stellen im Arbeitsleben auch das Generation-Gap. Das Gap wird größer, je mehr wir digital aufrüsten und tradierte Prozesse und Konventionen in den digitalen Raum verlegen. Die Generation Z profitieren an vielen Stellen von der Dynamik und einer zunehmenden Schnelligkeit der Prozesse. Ihr privater Alltag ist geprägt von einem intensiven Umgang mit Tools und Technik. Allerdings trennt sie durchaus zwischen digitalem Netzwerk und privater Erreichbarkeit, zwischen Job und Freizeit.

Generationengrenze beim Kommunikationsverhalten

Dieser Ansatz eint sie mit Kolleginnen und Kollegen, die in analog geprägten Zeiten aufgewachsen sind. Sie sind privat meist nicht weniger digital unterwegs, die Häufigkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der Tools eingesetzt werden, ist jedoch eine andere. Natürlich ist diese Zuordnung nicht pauschal übertragbar, aber mit Blick auf alle Mitarbeitenden in den Unternehmen verläuft das Kommunikationsverhalten an einer Generationengrenze entlang.

Unser Ziel darf es sein, jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter – unabhängig von ihrem Alter – auf den Weg hin zur optimalen Nutzung digitaler Lösungen mitzunehmen. Denn angesichts der rasanten Geschwindigkeit, mit der digitale Arbeitsplätze sich wandeln, macht der Fortbildungsbedarf jedoch auch vor der Generation Z nicht halt.

Der digitale Arbeitsplatz – Option oder Notwendigkeit?

Der digitale Arbeitsplatz ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Es geht nicht allein darum, jedem Mitarbeitenden einen sicheren und guten Umgang im digitalen Raum zu ermöglichen. Um gute Ergebnisse zu bekommen, muss der digitale Arbeitsplatz zum positiven Erlebnis werden.

Führungskräfte stehen häufig vor Herausforderungen: Vielleicht müssen sie sich selbst enorm strecken, um mithalten zu können, oder sie haben ein sehr gemischtes Team, in dem der Gap zu Reibungsverlusten führt, gefolgt von Frustration und schlechteren Ergebnissen. Denn was für den einen eine Welt mit unbegrenzten (kommunikativen) Möglichkeiten ist, empfindet der andere als lästig.

Ein Perspektivwechsel hilft

Wie wäre es, nicht das Trennende, sondern das Verbindende in den Fokus zu stellen? Statt einem Generation-Gap den Kurs auf das Mehrgenerationenhaus zu nehmen, in dem sich Stärken und Potenziale ergänzen. Der erste Schritt ist dann getan, wenn die Mitarbeitenden keine Scheu haben, ihre Probleme mit neuen Tools oder dem Kommunikationsverhalten anzusprechen. Dafür braucht es eine offene und wertschätzende Kultur, die nicht sanktioniert, sondern im Gespräch das „Warum“ der notwendigen Entwicklung in den Vordergrund stellt.

9 Tipps: Was HR und Unternehmenskommunikation gemeinsam tun können

Dann gibt es diverse Ideen und Optionen, um das Zusammenleben und -arbeiten im Arbeitsraum für alle gleich gut machen. Human Resources und die Kommunikationsabteilung sollten gemeinsam über mögliche Maßnahmen beraten:

  1. Bringen Sie jüngere und ältere Mitarbeitende in Tandems zusammen. Wer einen direkten Ansprechpartner hat, um „schnell mal“ eine Frage loszuwerden, traut sich eher. Beide profitieren von den Erfahrungen des anderen und durch die Vernetzung entsteht Verständnis für die Ansichten des anderen. Im Digitalen wächst die Kompetenz nicht mit dem Lebensalter. Befähigung ist das Zauberwort, mit klassischer Fortbildung, aber eben auch internem Wissenstransfer.
  2. Nutzen Sie die virtuellen Räume, die neue Tools uns bieten. In Austausch- oder Wissensräumen kann ein Umschlagplatz für Workhacks, Fragen und Antworten entstehen. Damit schwindet auch schnell das Gefühl, allein vor Alltagshürden zu stehen.
  3. Etablieren Sie unkomplizierte Lernorte mit Lunch & Learn-Sessions. Wenn das kontinuierliche (Dazu-)lernen in kleinen Snacks daherkommt, wird es leichter.
  4. Produzieren Sie Inhouse-Tutorials zu neuen Tools, Techniken und Themen. Von Kolleginnen / Kollegen für Kolleginnen und Kollegen kommt immer gut an und bekräftigt auch das Bemühen, alle angemessen mitzunehmen.
  5. „Always on“ sollte nicht der Maßstab werden. Legen Sie verbindliche Ruhezeiten fest, in denen niemand auf Mails, Chats oder Erwähnungen reagieren muss. Die gängigen Tools haben bereits auf diese Notwendigkeit reagiert und bieten Funktionen an, um automatische Offline-Zeiten einzurichten.
  6. Schaffen Sie Zeiträume mit bewusst reduziertem Workload, in denen Weiterbildung und Tool-Training praktiziert werden kann – und darf.
  7. Beschäftigen Sie sich mit dem Thema „Data Analytics“, um die Informationsflut im Unternehmen individuell zu begrenzen. Schauen Sie gemeinsam mit der IT auf Ihre Tools: welche Analysemöglichkeiten gibt es, die DSGVO-konform sind und keine Leistungskontrolle erlauben? Im Ergebnis werden Mitarbeitende nur die News erhalten, die wirklich relevant für sie sind.
  8. Das Angebot an Tools ist groß und die Kollaborations-Programme reagieren auf Erfahrungen und Bedürfnisse mit immer neuen Funktionen. Da ist die Versuchung groß, alles auszuprobieren und auch zu implementieren. Aber Stopp – passen Sie die Auswahl Ihrer Tools an die tatsächlichen Bedürfnisse im Unternehmen an. Man kann nicht auf jeder Hochzeit tanzen – das überfordert selbst die eifrigsten.
  9. Bei aller Begeisterung für das Neue und noch unkonventionelle, entsteht schnell Chaos. Setzen Sie Regeln für alle fest: Aufmerksamkeit und Respekt im (virtuellen) Umgang miteinander, Reaktionszeiten, Ruhezeiten, Ansprache – was auch immer bei Ihnen bisher wichtig war und auch in Zukunft wichtig bleiben soll.

Im Arbeitsalltag merken wir alle, wie viel (Zusammen-)Arbeit noch nötig ist, um im digitalen Team stressfrei, effektiv und kollegial zusammenzuarbeiten. Wir müssen gemeinsam lernen, gemeinsam hinschauen und keine Frontenbildung zulassen. Offen sein, für die Bedürfnisse der anderen. Unterstützen, respektieren und wertschätzen. Und natürlich auch immer wieder die eigene Komfortzone verlassen und sich Neuem öffnen, ausprobieren und mutig sein.

Zur Person

Andrea Montua ist Inhaberin von MontuaPartner Communications, einer Agentur für Interne Kommunikation & Change aus Hamburg. Seit 2004 begleitet sie gemeinsam mit ihrem Team mittelständische Unternehmen und Konzerne beim Aufbau und der Optimierung Interner Kommunikationsstrukturen und setzt Maßnahmen als verlängerte Werkbank um. Andrea Montua ist studierte Diplom-Kauffrau, Führungskräfte-Coach und seit mehr als 20 Jahren überzeugte Kommunikatorin.

Quelle: hrjournal.de

25 August 2023

Die lineare Karriere gibt es nicht mehr. Wie Führungskräfte und Mitarbeiter mit beruflichen Brüchen umgehen

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Die lineare Karriere gibt es nicht mehr. Wie Führungskräfte und Mitarbeiter mit beruflichen Brüchen umgehen

Viele Angestellte und Manager entscheiden sich bewusst, kürzerzutreten, oder sie schlagen auf dem Weg nach oben einen Umweg ein. Weshalb die Zickzack-Karriere heute die Regel ist.

Karrierebrüche sind ein Schreckgespenst für ambitionierte Mitarbeiter und Führungskräfte – vor allem, wenn sie während Jahren die Hierarchieleiter emporgestiegen sind und nun scheinbar vor dem Nichts stehen. Je steiler und spektakulärer der Aufstieg, umso schmerzlicher der spätere Fall: Die Aussagen gescheiterter Topmanager sprechen Bände: «Die öffentliche Ächtung hat mich tief getroffen, der Karrierebruch mancher Perspektiven beraubt, der Wandel des persönlichen Umfelds nachdenklich gemacht, die Strafuntersuchung erniedrigt und der Prozess aufgewühlt», schreibt beispielsweise Eric Honegger in seinem Buch «Erinnerungs-Prozess». Darin lässt der ehemalige CEO und Konzernchef der SAir-Group die Zeit im Vorfeld und Nachgang des Groundings der Fluggesellschaft Revue passieren.

Die Angst vor der öffentlichen Ächtung

Scheitern und beruflicher Abstieg werden in der Öffentlichkeit in der Regel mit Schmach und Ächtung bestraft – vor allem wenn den Betroffenen die nötige Selbstkritik und Bodenhaftung abhandengekommen ist. Nur wenigen Topmanagern gelingt die spätere Rehabilitierung.

Dabei gehören Rückschläge in der Karriere zum Lebenslauf zahlreicher Führungskräfte und Mitarbeiter. Kaum eine berufliche Laufbahn verläuft heute gradlinig. Unterbrüche, Wechsel und Neuorientierungen sind Bestandteil des beruflichen Lebenslaufs. Eher selten sind sie das Produkt von Missmanagement und Fehltritten, auch wenn die Liste der gestrauchelten Manager lang ist. Häufig sind sie das Ergebnis wohlüberlegter Entscheidungen.

Sheryl Sandberg und Jeff Bezos machen es vor

Prominente Beispiele sind etwa die Rücktritte von Sheryl Sandberg als Co-Geschäftsführerin des Facebook-Konzerns Meta oder Jeff Bezos als CEO von Amazon. Beide begründeten ihren Abgang damit, sich vermehrt persönlichen Projekten widmen zu wollen wie der eigenen Stiftung (Sandberg) oder der Reise ins Weltall (Bezos).

In der Schweiz gab jüngst der Rücktritt der Staatssekretärin Livia Leu zu reden. Leu erklärte, es sei ihre persönliche Wahl, noch einmal ins Ausland zu gehen und einen Botschafterposten zu übernehmen. Wer wolle, könne das als Rückschritt sehen, hielt sie gegenüber den Medien fest.

Auch in der Führungsspitze der Bank Vontobel kommt es zu einem aussergewöhnlichen Abgang: Zeno Staub gibt nach zwölfjähriger Amtszeit seinen CEO-Posten bei der Bank auf und will sich künftig der Politik widmen. Ebenfalls bemerkenswert ist der im Frühjahr bekanntgegebene berufliche Entscheid der ehemaligen «Annabelle»-Chefredaktorin Jacqueline Krause-Blouin: Nachdem sie das Magazin vier Jahre lang geführt hatte, arbeitet sie seit ein paar Monaten wieder als «Annabelle»-Redaktorin.

Downshifting heisst das verbreitete Phänomen von Karriererückschritten. Der Begriff wurde in den Neunzigerjahren von dem Wirtschaftsphilosophen und Mitbegründer der London Business School, Charles B. Handy, geprägt. Wörtlich übersetzt bedeutet Downshifting so viel wie «Herunterschalten». Downshifter entscheiden sich freiwillig dazu, beruflich kürzer zu treten. Sie verzichten auf den traditionellen Karriereweg und die nächste Hierarchiestufe, fangen neu an und entscheiden sich oftmals auch für eine ausgeglichenere Work-Life-Balance.

Warum Personen auf Karriere und Status verzichten

Zu den wenigen Forscherinnen, die sich im deutschsprachigen Raum der Thematik angenommen haben, zählt die Soziologin Julia Gruhlich*. In einer Studie ist sie der Frage nachgegangen, was Menschen dazu bewegt, beruflich kürzerzutreten. Wie legitimieren sie einen solchen Schritt in einer Gesellschaft, in der die Statusverbesserung über eine Aufstiegskarriere als erstrebenswert gilt?

Gestützt auf über zwanzig Tiefeninterviews hat die Forscherin der Georg-August-Universität Göttingen drei typische Ursachen herausgearbeitet. Wenig überraschend zählt der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu den wichtigsten Gründen des Downshifting. Es sind allerdings nicht nur Mütter, die beruflich kürzertreten. Zu den interviewten Personen zählten auch Väter oder Frauen ohne betreuungspflichtige Kleinkinder. Die zweite Gruppe der Downshifter besteht laut Gruhlich aus Personen mit psychosomatischen Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen. «Die Betroffenen waren einem starken Leidensdruck ausgesetzt», sagt die Forscherin. «Sie spürten, dass sie so nicht weiterarbeiten konnten.»

Die dritte Gruppe hatte sich der Arbeit entfremdet. Sie hätten in ihrer Tätigkeit keinen Sinn mehr gesehen, so führt Gruhlich aus. Personen aller drei Gruppen hätten bei ihrer Entscheidung, ihre berufliche Situation zu verändern, nicht unbedingt ein alternatives Ziel vor Augen gehabt. «Es war zunächst eher eine Flucht aus einer Leidenssituation, die sie nicht auf anderen Wegen lösen konnten. Mit dem Downshifting ist es ihnen gelungen, ihre Handlungsfähigkeit wiederherzustellen», sagt die Forscherin.

Die eingeschlagenen Wege unterscheiden sich hierbei voneinander: In der Untersuchungsgruppe habe es Personen gegeben, die ihr Arbeitspensum reduziert, ihre Führungsaufgabe aufgegeben oder innerhalb des Unternehmens eine neue Funktion mit weniger Prestige wahrgenommen hätten, erzählt Gruhlich. Einige Personen hätten wiederum einen völlig neuen Beruf in Angriff genommen, unter ihnen eine Professorin, die sich selbständig gemacht habe und Coach geworden sei, oder ein Manager, der sich zum Yogalehrer habe umschulen lassen.

Nicht selten sei die berufliche Veränderung mit einem längeren Suchprozess sowie einem deutlichen Status- und Einkommensverlust verbunden gewesen. Doch wie Gruhlich ausführt, hat kaum ein Interviewpartner seine Entscheidung bereut. Vielmehr hätten die meisten den beruflichen Wechsel als einen Akt der Selbstermächtigung empfunden.

Downshifting kann die Karriere beflügeln

In einem kürzlich erschienenen Beitrag im «Harvard Business Review» führt die Professorin und Autorin Dorie Clark aus, weshalb ein vorübergehendes Downshifting der akademischen oder beruflichen Karriere sogar förderlich sein kann: «Wenn Sie sich jetzt die Zeit nehmen, einen Gang zurückzuschalten, mag es sich so anfühlen, als ob Sie einen Schritt zurück machten», schreibt Clark. «Aber es kann Ihnen auch die Energie und die Klarheit geben, die Sie brauchen, um in Zukunft schneller und effektiver voranzukommen.»

Der gegenwärtige Zeitpunkt sei ideal, um neue Energie zu tanken, ermutigt Clark ihre Leserschaft. Denn viele Menschen würden nach der Pandemie ihre Prioritäten und Erwartungen neu bewerten. Downshifting bedeutet im Urteil der Professorin nicht, «dass man alles hinschmeisst. Es kann sogar bedeuten, dass Sie endlich erkannt haben, was nötig ist, damit Leistung und Ehrgeiz nachhaltig sind».

Auch bei Linkedin ruft man seine Mitglieder dazu auf, Mut zur Lücke zu zeigen. Im vergangenen Jahr hat das Karriere-Netzwerk die neue Option «Career-Break» im Linkedin-Profil eingeführt. Damit können seine Mitglieder Zeiten und Aktivitäten beschreiben, die «gefühlt» nicht in einen Lebenslauf oder in die berufliche Laufbahn passen. Die Sichtbarkeit auf dem Profil soll laut Linkedin dazu beitragen, dass eine solche Erfahrung zunehmend als selbstverständlich gilt und nicht länger zum (vermeintlichen) Karrierehemmnis wird.

Karrierepausen und berufliche Lücken sind weit verbreitet

Laut einer vom Netzwerk durchgeführten Erhebung unter rund 23 000 Arbeitnehmenden haben immerhin zwei Drittel der Befragten zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer beruflichen Laufbahn eine Pause eingelegt. In den Firmen und Personalabteilungen stossen solche Lücken im Lebenslauf vor allem auch in Anbetracht des Fachkräftemangels zusehends auf Akzeptanz. Laut Linkedin ist rund die Hälfte der Arbeitgeber der Ansicht, dass Kandidaten mit beruflichen Unterbrechungen einen ungenutzten Talent-Pool darstellen.

Selbst in der Beraterbranche, die für den steilen Karriereaufstieg schlechthin steht, spricht man von einer erhöhten Offenheit gegenüber beruflichen Unterbrüchen. «Es gibt sie nicht mehr, die lineare Erwerbsbiografie», sagt Jens Hohensee, der Leitende Karriereberater Zentraleuropa bei der Boston Consulting Group. Früher habe man in den Personalabteilungen noch die Nase gerümpft, wenn im Lebenslauf eines Kandidaten eine berufliche Lücke von mehreren Monaten vorhanden gewesen sei. Heute interessiere das niemanden mehr, sagt der Personalexperte. Die erhöhte Akzeptanz hänge stark mit den veränderten Lebensmustern und den Präferenzen der jungen Generation zusammen.

Von der Sekretärin zur Autorin und Firmenchefin

Die Berufswege und Lebensläufe von heute weisen Dellen auf und sind spiralförmig geworden. Paradebeispiel für eine solch spiralförmige Karriere ist der Lebenslauf der Amerikanerin Whitney Johnson. Sie begann ihre Laufbahn als Sekretärin bei der Bank Salomon Smith Barney an der Wall Street, nachdem sie mit 27 Jahren, also relativ spät, ihr Musik- und Anglistikstudium abgeschlossen hatte. Bei ihrem ersten Arbeitgeber schaffte sie den Aufstieg ins Investment Banking.

Nach drei Jahren wechselte Johnson zu Merrill Lynch in den weniger glamourösen Job der Equity-Research-Analystin. Fünf Jahre später kündigte sie, produzierte eine TV-Show und schrieb ein Kinderbuch. Danach bloggte sie über gesellschaftliche und berufliche Themen und gründete zusammen mit dem Wirtschaftswissenschafter Clay Christensen einen Hedge-Fund.

Wahrscheinlich sei das die neue Realität, sagt die heutige Chefin eines Beratungsunternehmens für Führungskräfte und Autorin mit Blick auf ihren Lebenslauf. Johnson verweist darauf, dass bereits die Baby-Boomer-Generation in den USA zwischen ihrem 18. und 54. Lebensjahr im Durchschnitt 12-mal einen Jobwechsel vollzogen habe. Auch in der Schweiz und in Deutschland wechseln Arbeitnehmer im Durchschnitt alle vier Jahre ihren Arbeitgeber. Bei der jüngeren Generation dürfte sich die Entwicklung noch akzentuieren. Worauf man bei solchen Zickzack-Karrieren achten sollte, hat Johnson in ihrem Buch «Disrupt Yourself» festgehalten.

Mit Leidenschaft neue berufliche Wege beschreiten

Wie die Autorin ausführt, geht es darum, sich neue Job- und Karrierechancen zu schaffen, indem man anders handelt, indem man sich einen Beruf sucht, für den man Leidenschaft mitbringt, auch wenn dafür vielleicht die geforderte Ausbildung fehlt. Die erfolgreichsten Innovationen seien schliesslich diejenigen, die einen neuen Markt oder Wertschöpfung kreierten und Bestehendes umkrempelten, sagt Johnson in Anlehnung an die Theorie der disruptiven Innovation. Dies funktioniere auch auf persönlicher Ebene.

Sie fordert Stellensuchende und Arbeitnehmende dazu auf, die eigenen Stärken zu nutzen: «Wählen Sie einen Job, den niemand anders ausführen könnte, anstelle mit 50 Bewerbern um dieselbe Stelle zu konkurrieren. Statt auf demselben Karriereweg nach oben zu drängen, bewegen Sie sich seitwärts oder sogar die Leiter hinunter.»

Dabei verweist Johnson auf ihren eigenen beruflichen Werdegang: Sie sei eine gute Finanzanalystin gewesen, aber viele Personen seien gut darin, Modelle zu entwickeln. Was Leute an ihr schätzten, sei die Fähigkeit, Verbindungen zwischen verschiedenen Bereichen zu erkennen und Möglichkeiten zur gegenseitigen Befruchtung auszumachen.

Disruptive Pfade führen zum Erfolg

Laut Johnson erweitert man durch Jobwechsel nicht nur seine beruflichen Fähigkeiten. In eine neue Rolle, Branche oder Art von Unternehmen zu wechseln, heisse oftmals, sich auf einen völlig anderen Wachstumspfad zu begeben. Dabei gelte es, flexibel zu bleiben, einen Schritt vorwärts zu machen, Feedback einzuholen und sich entsprechend anzupassen. Solch disruptive Pfade sind im Urteil von Johnson in vielerlei Hinsicht erfolgversprechend – nicht nur finanziell, sondern auch in sozialer und emotionaler Hinsicht.

Nicht jeder sollte oder möchte den traditionellen Pfad verlassen. Doch Johnson spricht Veränderungswilligen Mut zu, andere Wege einzuschlagen, Rückschläge und Umwege in Kauf zu nehmen, um nicht nur beruflich, sondern auch persönlich zu wachsen. Zickzack-Karrieren, Umorientierungen oder auch Rückschritte sollten nicht länger ein Schreckgespenst sein.

*Dr. Julia Gruhlich forscht an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen.

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

04 August 2023

Salutogenetische Führung – Mindset Gesundheit

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Salutogenetische Führung – Mindset Gesundheit

Gesundheit ist für ein glückliches Leben essentiell. Wir müssen jedoch lernen, folgen wir dem salutogenetischen Modell nach Antonovsky, dass Krankheit und Gesundheit keine Gegenätze sind, sondern lediglich die jeweiligen Endpunkte eines Kontinuums darstellen, auf dem wir wechselnd positioniert sind. Es wird gezeigt, wie der Einzelne sich auf diesem Kontinuum in Richtung des Gesundheit symbolisierenden Pols bewegen kann.

Arbeit ist ein zentraler Faktor unseres Lebens. Es ist offensichtlich, dass die tagtäglichen Arbeitsbedingungen einen Einfluss auf das körperliche wie seelische Wohlbefinden haben. Die Führungskraft spielt in diesem komplexen Geflecht von arbeitsbedingten Einflussfaktoren auf die Gesundheit von Geführten eine besondere Rolle. Gesundheit ist ein großes Wort, und eben nicht das Gegenteil von Krankheit, wie uns Aaron Antonovsky lehrt. Leadership Insiders referiert kommentierend seinen Salutogenetischen Ansatz und liefert damit Führungskräften wie Geführten entscheidende Anhaltspunkte, um das Wohlbefinden nachhaltig zu erhöhen.

Quelle- den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter leadership-insiders.de

12 Mai 2023

Flexibilität braucht Regeln

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Remote Leadership

Flexibilität braucht Regeln

Der Firmensitz ist in Hamburg, der Chef arbeitet von Mailand aus: Tobias Hagenau führt awork, einen Anbieter von Workmanagement-Tools, die meiste Zeit remote. Doch was heißt das in der Praxis, wenn der Chef nicht dauerhaft persönlich präsent, sondern nur virtuell erreichbar ist? Wie muss sich beispielsweise der Führungsstil ändern, um den Kontakt zum Team nicht zu verlieren?

Bei awork wird hybrid gearbeitet. War das von Anfang an so geplant oder hat sich das in der Coronapandemie so ergeben?

Tobias Hagenau: Das war von vornherein so geplant. Von unseren gut 30 Angestellten sind knapp zwei Drittel in Hamburg, der Rest ist weltweit verteilt – etwa in Brasilien oder Italien. Zum einen gibt es einfach wunderbare Teammitglieder, die nun einmal nicht in Hamburg leben. Und da wäre es schade, diese Personen nicht beschäftigen zu können. Zum anderen glauben wir fest daran, dass Wissensarbeit in Zukunft auf jeden Fall hybrid stattfinden wird. Natürlich hat es Vorteile, einen Ort zu haben, an dem ein Team quasi „nach Hause“ kommen kann. Aber trotzdem möchte ich die Flexibilität und all die anderen positiven Seiten von Remote Work nicht missen.

Treffen sich dennoch regelmäßig alle Angestellten face to face?

Hagenau: Wir haben zwei Regeln. Für diejenigen, die in Hamburg sind, gilt: Sie sind zwei Tage pro Woche im Office; an einem Tag kommen alle zusammen, einen Tag kann jeder selbst wählen. Und diejenigen, die konstant remote arbeiten, kommen vier Mal pro Jahr für eine Woche nach Hamburg. Die Kosten dafür übernehmen wir. Aber so sind einmal pro Quartal alle Angestellten zusammen.

Wie passen denn Flexibilität und Regeln zusammen?

Hagenau: Hybrides, remotes Arbeiten ist nichts anderes als ein Managementwerkzeug. Und wie bei jedem anderen Managementwerkzeug gibt es eben bestimmte Regeln, damit die Umsetzung in der Praxis funktioniert. Und damit in einem Unternehmen auch eine gemeinsame Teamkultur entstehen kann, braucht es eben gemeinsameAnwesenheitszeiten. Ich bin mindestens eine Woche pro Monat in Hamburg. Insgesamt achte ich darauf, dass ich über das Jahr verteilt gerade so mehr in Deutschland als im Ausland bin. Das hat vor allem auch steuerrechtliche Gründe.

Wie unterscheidet sich Remote Leadership von „normalem“ Leadership? Welche – vielleicht auch neuen – Fähigkeiten müssen sich Führungskräfte aneignen, wenn sie nicht immer mit ihren Mitarbeitenden an einem Ort sind?

Hagenau: Es ist natürlich viel schwieriger, am Puls des Geschehens zu bleiben – insbesondere wenn man mit einem hybriden Team arbeitet. Schlussendlich gibt es immer drei Möglichkeiten: alle Mitarbeitenden befinden sich an einem Ort, alle sind verteilt oder ein wesentlicher Teil der Angestellten ist an einem Ort und die anderen sind verteilt. Ich glaube, die letzte Option ist für Führungskräfte die herausforderndste, aber auch die erfolgreichste – wenn man es hinbekommt.

Wie gelingt es, trotz räumlicher Distanz eine Beziehung zu Mitarbeitenden aufzubauen und zu pflegen?

Hagenau: Ich musste Wege finden, um das, was sonst im Büro automatisch passiert, zu formalisieren. Es klingt jetzt irgendwie spröde, aber wir nehmen uns bewusst Zeit, um digital Zeit miteinander zu verbringen, in der es nicht um Fachliches geht. Klar, das ist aufwendig. Und es fühlt sich erst einmal so an, als würde man plötzlich hohe Overhead-Kosten aufbauen. Aber ehrlich gesagt, ersetzt diese strukturierte Kommunikation nur das, was sonst beiläufig zwischendurch im Büro stattfand.

Ist es eigentlich leichter remote zu führen wenn man eine bestehende Beziehung zu den Mitarbeitenden hat? Muss man also schon vorher zusammengearbeitet haben?

Hagenau: Wir haben – etwa mit den Kollegen in Brasilien – andere Erfahrungen gemacht. Remote Leadership kann auch bei Mitarbeitenden, die man nie oder nur selten sieht, sehr gut funktionieren – wenn man es schafft, trotz Distanz gewisse unternehmenskulturelle Grundsätze einzuhalten. Zu unserer Kultur gehört zum Beispiel viel Feedback. Und wenn man sich den ganzen Tag gegenübersitzt, ist eine kurze Feedbackrunde schnell spontan gemacht. Remote dagegen erfordert das wieder eine Formalisierung.


Womit wir wieder bei den Regeln wären…

Hagenau: Remote zu arbeiten – das klingt immer nach sehr viel Freiheit. Und die hat man ja auch. Aber bei der täglichen Arbeit erfordert es eigentlich mehr Struktur und ein nachdrückliches Durchsetzen von Routinen. Ich glaube, dass ist ein Fehler, den viele machen, wenn sie in einen Remote-Modus wechseln. Sie denken, alles ist jetzt total flexibel. Aber dem ist gar nicht so. Es gibt bestimmte Dinge, die flexibler werden; andere hingegen müssen strikter werden, damit Remote Work in der Praxis funktioniert. In vielen Firmen hatte man beispielsweise während der Pandemie das Gefühl, dass die Unternehmenskultur auseinanderbricht. Die Schuld daran wurde oftmals dem Remote Work gegeben. Dabei waren daran in erster Linie die fehlenden Prozesse Schuld, um remote sinnvoll arbeiten zu können.

Der Führungsstil ist das eine, Technik das andere beim Remote Leadership. Welche infrastrukturellen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit verteilte Teams vernünftig zusammenarbeiten können?

Hagenau: Man braucht drei Dinge. Erstens: ein Kommunikationswerkzeug, über das man sich zeitunabhängig, also asynchron, austauschen kann – etwa Slack oder Teams. Zum Beispiel mit Blick auf unsere brasilianischen Kollegen hilft ein Videokonferenztool wenig. Wir brauchen eine Möglichkeit zu asynchroner Kommunikation, da wir aufgrund der Zeitverschiebung selten gleichzeitig arbeiten.

Zweitens: ein Organisationswerkzeug wie etwa awork, in dem der Status von Projekten up to date gehalten werden kann. Denn der Fortschritt von Arbeit ist remote viel schwieriger sichtbar zu machen und nachzuverfolgen als in regelmäßigen gemeinsamen Meetings vor Ort.

Und drittens: Man braucht ein Dokumentationswerkzeug. Remote kann man sich Informationen nicht mal eben schnell zurufen. Wissen muss dokumentiert und zugänglich gemacht werden.

Was ist bei der Einführung von neuen Tools zu beachten? Welche Fehler gilt es zu vermeiden?

Hagenau: Der Fehler, den wir oft sehen, ist das Overengineering der Lösungen. Man geht doch oft sehr akademisch an ein Problem heran. Es wird versucht, jeden möglichen Fall von vornherein zu durchdenken und Strukturen einzuführen, die jedes potenzielle Problem von vornherein lösen. Ich plädiere klar für Einfachheit. Es müssen simple Tools eingeführt werden, die für jeden im Team verständlich sind. Das Schlimmste wäre, dass plötzlich alles mit Tools abgedeckt ist und die einzelnen Mitarbeitenden davor sitzen – egal wie digitalaffin sie sind – und nicht wissen, welches Programm nun wofür genutzt werden soll. Weniger ist erst einmal mehr. Schrittweise mehr Tools zum Einsatz bringen funktioniert besser als mit zu vielen zu starten.

Und wie verhindert man, dass ein Tool-Stack am Ende ausartet?

Hagenau: Aussieben. Wir checken regelmäßig, ob wir ein Tool noch brauchen, ob es noch aktiv genutzt wird. Und wir wechseln auch regelmäßig. Denn man darf nicht vergessen: Die Szene der digitalen Kollaborationstools ist noch jung und entwickelt sich schnell weiter – genauso wie sich die Teams in Unternehmen weiterentwickeln. Man sollte also nicht zu versteift auf eine Plattform sein und dieser dauerhaft treu bleiben wollen.

Über Tobias Hagenau

Er ist Gründer und Geschäftsführer von awork, Anbieter eines Workmanagement-Tools. Bereits 2012 gründete er mit zwei Freunden HQLabs. Das Unternehmen ist auf Agentursoftware spezialisiert

Quelle: DUP Unternehmer-Magazin

05 Mai 2023

Arbeit, Gesundheit und Wohlbefinden – Führungsrelevante Zusammenhänge

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Arbeit, Gesundheit und Wohlbefinden – Führungsrelevante Zusammenhänge

Die Arbeit ist ein Ort, der über die eigene Gesundheit und das persönliche Wohlbefinden mitentscheidet. Nachfolgend werden wesentliche Einflussfaktoren hierauf geschildert. Es zeigt sich unter anderem, dass dem Verhindern von der die Arbeit beeinträchtigenden Faktoren eine besondere Rolle zukommt.

Vor einiger Zeit haben wir bei der Erläuterung des Ansatzes der salutogenetischen Führung festgestellt, dass die Arbeit ein zentraler Faktor unseres Lebens ist und es offensichtlich ist, dass die tagtäglichen Arbeitsbedingungen einen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Ebenso, dass die Führungskraft in diesem komplexen Geflecht gefordert ist. Leadership Insiders stellt heute neueste konsolidierte Forschungsergebnisse zu diesem Zusammenhang kommentierend vor.

Gesundheit

Gesundheit kann unterschiedlich definiert werden. Nach der gängigen Definition der WHO (1946, S. 1) ist Gesundheit „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“. Sicherlich in dieser Reinheit des Zustandes ein Ideal, dem begründet eine Alternative entgegengesetzt werden kann, wie es Aaron Antonovsky im Rahmen seines Ansatzes der Salutogenese und dessen Credo, dass niemand sicher an einem Ufer entlang gehen kann (1997, S. 92), auch gemacht hat. Für heute reicht es allerdings, die Definition der Weltgesundheitsorganisation vor Augen zu haben.

Quelle- den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter leadership-insiders.de

28 April 2023

Sinn des Lebens – Wer ihn findet, braucht keine Karriere

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Sinn des Lebens – Wer ihn findet, braucht keine Karriere

Du kennst den Spruch „Du bist was du isst.“ Um den Gedanken etwas auszuweiten – Bist du auch was du arbeitest? Viele Menschen definieren sich über ihren Job, weil dieser einen bedeutenden Teil ihres Lebens einnimmt. Wir bewerten auch andere Menschen gerne nach ihrem Beruf und dem damit einhergehenden Sozialstatus. Aber bestimmt eine gewisse berufliche Position wirklich, ob jemand ein bedeutsames Leben führt? An welchen Kriterien lässt sich ein bedeutsames Leben festmachen?

Wozu dient Arbeit?

Arbeit ist für die meisten Menschen ein fester Bestandteil des Lebens. Jeder Mensch hat Lebenshaltungskosten, die er bestreiten muss. Die meisten Menschen finanzieren ihren Lebensunterhalt aus einer bezahlten Arbeit. Ob sie diese als Karriere, Berufung, Beruf, einfach als Job oder gar als Ursache für Stress und Ärger sehen, ist sehr individuell. Für manche ist die Arbeit ein notwendiges Übel, für andere der Sinn ihres Daseins. Abgesehen davon, brauchen Menschen eine sinnvolle Beschäftigung, der sie nachgehen können, damit sie sich gut fühlen.

Nichtstun ist für den Großteil der Menschen unerträglich, obwohl viele davon träumen, mit 40 oder 50 Jahren aus dem Berufsleben auszusteigen und für den Rest ihrer Tage nur noch die Seele baumeln zu lassen. Tatsächlich macht das so gut wie niemand. Selbst wenn Menschen aus dem traditionellen Broterwerbsjob aussteigen, suchen sie nach einer Erholungspause in der Regel wieder nach einer sinnvollen Aufgabe. Sind sie finanziell unabhängig, fällt ihre Wahl meist nicht mehr auf den traditionellen Acht-Stunden-Job. Aber eine geregelte Tätigkeit brauchen die meisten dann doch, um sich gut zu fühlen.

Erfüllung in der Arbeit finden?

Es ist nicht der Sinn unseres Lebens, in einem Acht-Stunden-Job monotone Tätigkeiten auszuführen. Tatsächlich sind wir so geschaffen, dass uns eine sinnvolle Arbeit Freude bereitet. Eine Tätigkeit, bei der wir etwas schaffen, etwas produzieren, kreieren oder uns selbst ausdrücken können, erfüllt uns mit Zufriedenheit und Stolz.

Während ein Kind völlig davon abhängig ist, von den Eltern versorgt zu werden, ist ein Erwachsener in der Lage, etwas zu geben. Dieses Geben in Form eines Erzeugnisses oder einer Dienstleistung befriedigt unser Bedürfnis nach Sinn und Nutzen unserer Existenz. Die optimale Arbeit sollte uns das Gefühl geben, der Welt etwas Nützliches geschenkt zu haben. Wir möchten aktiv dazu beitragen, die Welt zu verbessern. Das ist das Ideal.

Die Realität ist oft weit davon entfernt. Du hast in deinem Job vielleicht selten bis nie das Gefühl, die Welt mit deinem Tun zu verändern. Auf der anderen Seite hast du Rechnungen zu zahlen und kannst nicht einfach aussteigen. Vielleicht macht dir deine Arbeit auch Spaß oder du bist ehrgeizig und steigst auf der Karriereleiter immer höher. Damit kommen mehr Geld, mehr Status, aber auch mehr Arbeitszeit, mehr Verantwortung und immer weniger Zeit für andere Dinge. Eine gesunde Work-Life-Balance bleibt auf der Strecke.

Lese-Tipp: Work-Life-Balance war gestern! Das neue Ziel heißt Work-Life-Integration

„Manche Menschen sind so arm… das Einzige, was sie haben, ist eine Karriere.“

Je weiter es auf der Karriereleiter nach oben geht, umso weniger Anderes gibt es für die meisten Menschen im Leben. Sie identifizieren sich zunehmend mit ihrer Tätigkeit und ihren Errungenschaften. Hobbys, Beziehungen, Ruhephasen – all das wird zurückgestellt und auf ein vages „Später“ verschoben. Wenn du erst in diese Spirale hineingerätst und keinen gesunden Ausgleich findest, kommst du irgendwann an den Punkt, an dem du nur noch deinen Job hast.

"Außer Arbeit, Geld und Status hat dein Leben keinen Inhalt mehr. Du identifizierst dich nur noch mit deiner beruflichen Tätigkeit."

Mit dem Geld, das du verdienst, kaufst du dir dann Dinge, um die Leere in deinem Inneren zu füllen. Du hast einen Punkt erreicht, an dem deine Arbeit dein Lebensinhalt geworden ist und nicht mehr nur Mittel zum Zweck ist, um deine Lebenshaltungskosten zu bestreiten.

Es zieht uns dahin, wo wir Anerkennung bekommen.

Ein gutes Gehalt oder eine höhere Position auf der Arbeit sind Zeichen dafür, dass deine Leistungen gesehen und wertgeschätzt werden. Das gibt dir das Gefühl, einen wichtigen Beitrag zu leisten. Jeder Mensch mag es, anerkannt zu werden – für das, was er ist oder für das, was er leistet. Erhält er diese Anerkennung an einem Ort, so fühlt er sich magisch dahingezogen.

Es liegt in unserer Natur: Wir möchten uns gut fühlen und Schmerz vermeiden. Was auch immer uns ein gutes Gefühl gibt, davon wollen wir mehr. Ist das die Arbeit, weil wir dort Anerkennung bekommen, so wollen wir eben mehr davon. Dies geht eine Weile gut, viele Jahre sogar. Bis du irgendwann an den Punkt kommst, wo du innehältst und dich fragst: „Ist das wirklich alles, woraus mein Leben besteht? Stimmt das alles mit meiner Definition von mir selbst überein?“

Den Job und die Seele in Einklang bringen – möglich, aber selten.

Wenige von uns sind mit einem Job gesegnet, den sie nicht als Beruf, sondern als Berufung sehen. Manch einer ist mit Leib und Seele Arzt, Lehrer oder auch spiritueller Anführer. Diese Menschen sehen ihren Beruf als Erfüllung und Ausdruck ihrer Seele. Wohlgemerkt: Nicht jeder Arzt ist Arzt aus Berufung. Auch nicht jeder Lehrer, jeder Guru, usw. Aber manche Menschen schaffen es tatsächlich, genau den Beruf zu wählen, der ihnen perfekt entspricht. Sie treffen ihre Berufswahl nicht aufgrund von praktischen Erwägungen, sondern aus einem tiefen inneren Bedürfnis heraus.

Meist sind diese Menschen außerordentlich erfolgreich in dem, was sie tun. Das liegt daran, dass sie in dieser Tätigkeit tiefe Erfüllung erfahren. Das ist aber die Ausnahme. Meist hat das, was Menschen für ihren Lebensunterhalt tun, wenig bis gar nichts damit zu tun, wer sie wirklich sind. Solange sie einen gesunden Ausgleich dazu finden, lässt es sich so leben. Schwierig wird es erst, wenn die Arbeit dazu dient, die eigene Identität zu definieren, weil man sonst nichts mehr im Leben hat.

Wie kannst du dir selbst auch im Job treu bleiben?

Wie wir gesehen haben, braucht jeder Mensch eine Einkommensquelle. Andernfalls sinkt die Lebensqualität drastisch und du entfernst dich noch weiter von einem erfüllten Leben, als wenn du einem Job nachgehst, der dir keine große Freude bereitet, aber wenigstens deine Kosten deckt. Auch wenn du bereits einen Karriereweg eingeschlagen hast, der dir viel materiellen Reichtum aber wenig innere Bereicherung verspricht, kannst du noch gewisse Anpassungen vornehmen.

"Alles was es braucht, ist ein bisschen Mut. Im Leben gibt es niemals nur zwei Optionen, auch wenn es oft so scheint."

Suche immer die dritte Option. Die dritte Option wäre in diesem Fall ein Job, der vielleicht nicht hundertprozentig deiner Berufung entspricht, den du aber gerne ausführst. Oder es ist ein Job, der dir genügend Freizeit garantiert, in der du in Projekten aktiv werden kannst, die dich wirklich glücklich machen. Und wer weiß, was mit der Zeit und der richtigen Begeisterung daraus alles noch wird…

Quelle: arbeitsABC

11 November 2022

So sieht gelebte Vielfalt im Unternehmen aus

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Diversity in der IT-Branche

So sieht gelebte Vielfalt im Unternehmen aus

Vor gut acht Jahren hat der IT-Dienstleister Adacor mit dem Gendern interner Dokumente begonnen. Mittlerweile ist Vielfalt dort kein Schlagwort, sondern gelebter Arbeitsalltag: Nicht nur der Frauenanteil ist höher, sondern auch die Offenheit gegenüber anderen Perspektiven und neuen Themen, wie Mitarbeitende berichten.

Seit bald 20 Jahren unterstützt die Adacor Group Unternehmen wie die GLS Bank, VW oder den Klett Verlag bei der Digitalisierung. An den drei Standorten Offenbach, Essen und Gütersloh arbeiten insgesamt etwa 100 Mitarbeitende: Sie entwickeln technische Konzepte für die Digitalisierung von Geschäftsmodellen, bauen Cloud-Infrastrukturen auf und betreiben mehrere Rechenzentren in Frankfurt. 2019 unterschrieb die inhabergeführte Firma die Charta der Vielfalt, bereits vier Jahre zuvor hatte sie sich zu den Leitlinien des Fortschrittsindex Vereinbarkeit des Bundesfamilienministeriums bekannt. Auf Kununu erzielt Adacor beste Bewertungen, insbesondere in den Bereichen Gleichberechtigung und Umgang mit älteren Teammitgliedern, und gilt als „Great Place to Work“. Warum Diversität und Familienfreundlichkeit wichtige Werte bei Adacor sind, wie sie gelebt werden und in welchen Bereichen noch Entwicklungspotenzial besteht, beschreiben die Leiterin für People & Culture, Kiki Radicke, sowie die Systemadministratorin Lara Nickolai und der Verwaltungsangestellte Benjamin Trigui.

DAS SAGT DIE LEITERIN PEOPLE & CULTURE

„Wir wollen niemanden ausschließen“

Kiki Radicke ist 51 Jahre alt, arbeitet seit zehn Jahren bei Adacor und leitet den Bereich People & Culture.

Faktor A: Vor drei Jahren trat Adacor der Arbeitgeberinitiative Charta der Vielfalt bei. Was waren die Gründe dafür?

Kiki Radicke: Diversity ist für uns schon relativ lange ein wichtiges Thema. Auslöser war eine Kollegin, die nach einem Workshop mit vielen Kolleginnen und Kollegen auf mich zukam und sagte, inhaltlich sei alles super gewesen, aber sie hätte sich nicht angesprochen gefühlt. Es hätte immer nur Mitarbeiter, Teamleiter und Bereichsleiter geheißen, doch sie als Frau habe sich nicht gemeint gefühlt. Das hat mich sehr getroffen, weil das natürlich überhaupt nicht meine Absicht gewesen war. Doch in diesem Moment ist mir schlagartig klar geworden, wie ich selbst Sprache benutze bzw. wie wir im Unternehmen mit Sprache umgehen. Danach haben wir unternehmensweit mit der Umstellung begonnen. Das ist jetzt etwa acht Jahre her. Angefangen haben wir mit allen internen Dokumenten. Gendern ist gar nicht so einfach, wenn man es noch nie gemacht hat. Inzwischen ist es erfreulicherweise völlig normal, von „Mitarbeitenden“ zu sprechen oder „Beschäftigte“ zu sagen.

Wie kam die neue Sprachregelung bei Ihnen in der Firma an?

Zu Beginn haben sich die Kolleginnen und Kollegen etwas schwergetan. Aber wir haben das durchgesetzt, eben weil wir alle mitnehmen wollen. Es gab auch durchaus Diskussionen mit dem Marketing, wo man der Meinung war, dass Doppelpunkte und Sternchen den Lesefluss behindern. Wir haben dann einen Mittelweg gefunden. Seitdem stellen wir Sätze um, benutzen männliche und weibliche Form zusammen oder verwenden den Plural. Mittlerweile haben wir ein richtiges Diversity-Management aufgebaut: mit Zielen, die wir uns jedes Jahr setzen, den Maßnahmen, die wir dafür nutzen wollen, und der Dokumentation der Ergebnisse im Intranet.

Welches Projekt stand dann auf Ihrer Agenda?

Die Stellenanzeigen. Wir haben uns genau angeschaut, wie wir die Menschen ansprechen und mit welchen Attributen wir die Stellen beschreiben. Studien zeigen, dass Begriffe wie „zielstrebig“ und „erfolgsorientiert“ eher Männer ansprechen, „teamfähig“, „emphatisch“ und „begeisterungsfähig“ dagegen eher Frauen. Wir haben deshalb zwei Stellenanzeigen für die gleiche Position formuliert, um gezielt Frauen anzusprechen.

Ist Ihnen das gelungen?

Ganz klar: Ja. Im Schnitt beträgt der Frauenanteil in der IT 16 Prozent, bei uns sind es fast 25 Prozent. Aber natürlich hat das auch mit den vielen Angeboten zu tun, die wir zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf machen.

Wie divers ist Adacor denn mittlerweile? Ihr dreiköpfiges Geschäftsführungsteam ist zumindest nach wie vor sehr homogen: weiß, männlich, mittelalt …

… und vermutlich sind wir auch nicht bahnbrechend divers, was die sexuelle Orientierung betrifft. Allerdings fände ich Daten in diesem Bereich sowieso irrelevant. Wie und warum sollte ich sie auch messen wollen? Am allerwichtigsten ist doch, dass klar ist, dass alle Mitarbeitenden im Unternehmen völlig offen damit umgehen können, wen sie lieben. Andreas Bachmann, einer unserer Geschäftsführer, war übrigens in Sachen Diversity von Anfang an mit dabei. Er gehörte auch zu denen, die sofort und konsequent ihre Sprache verändert haben. Es war ihm wichtig, niemanden auszuschließen.

Und sonst? Wie wird Vielfalt im Alltag gelebt?

Wir haben keine Kantine, aber relativ viele Events. Klar, dass wir bei den Essensvorlieben Rücksicht nehmen: auf die türkischen Kolleginnen und Kollegen, die bestimmtes Fleisch nicht essen, auf vegetarisch und vegan Essende. Das heißt, es gibt immer eine Auswahl, die für alle funktioniert. Und selbstverständlich legen wir keine Feste in den Ramadan. Alle zwei bis vier Wochen bieten wir außerdem sogenannte Lunch-and-Learn-Sessions in der Mittagspause an, stellen das Essen, und dann erzählen Kolleginnen und Kollegen 20 bis 30 Minuten lang, was für andere interessant sein könnte, sei es über das Zuckerfest, Triathlon oder – wie kürzlich – über Neurodiversität. Was sich noch verändert hat, sind unsere Räume. 2018 sind wir innerhalb Offenbachs umgezogen. Die Architektur am neuen Standort ist viel offener. Die große Küche nutzen wir für das gemeinsame Essen, hier ergibt sich immer auch teamübergreifender Austausch. Das finde ich ganz wichtig. Denn der Ort ermöglicht Begegnungen und Gespräche auch mit denen, die vielleicht anders aussehen oder anders orientiert sind.

Wenn Sie als Unternehmen ohnehin schon viel Wert auf Vielfalt gelegt haben, warum war es Ihnen dennoch wichtig, die Charta der Vielfalt zu unterschreiben?

Es hat für uns tatsächlich noch mal einen großen Unterschied gemacht, ob wir unsere Werte nur aus dem Bauch heraus leben oder ob wir uns ganz offiziell dazu verpflichten. Damit setzen wir uns Ziele, die Teil unserer Quartalsplanung sind – und die wir überprüfen. Seitdem gibt es auch nach jedem Projekt eine Art Retrospektive, bei der wir unter anderem schauen, ob wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht wurden. Den Tag der Vielfalt feiern wir auch. Im vergangenen Jahr haben wir uns dafür am Standort Essen mit zwei anderen Firmen zusammengetan und die Initiative „Vielfalt verbindet Unternehmen“gegründet. Unsere Idee war, jedem Unternehmen kostenlos einen Werkzeugkasten zur Verfügung zu stellen, um das Thema Diversity unkompliziert im eigenen Haus anzuschieben und darüber ein Netzwerk in Nordrhein-Westfalen aufzubauen.

Adacor hat sich auch für den „Fortschrittsindex Vereinbarkeit“* zertifizieren lassen. Weshalb?

Einfach weil wir es wichtig finden. Wissen veraltet vor allem in der IT-Branche wahnsinnig schnell. Unsere Leute müssen deshalb konsequent an den Inhalten dranbleiben, was extrem anstrengend ist. Also müssen wir sie als Unternehmen darin unterstützen, das auch mit zu pflegenden Eltern oder Kinderbetreuung zu schaffen. Denn nur dann können wir als Unternehmen erfolgreich sein. Aktuell sind wir dabei, einen Prozess aufzusetzen, durch den unsere Mitarbeitenden nach ihrer Elternzeit wieder gut einsteigen können. Dazu gehört ein Entwicklungsgespräch vor der Pause ebenso wie die Planung einer Einarbeitungszeit, aber auch die Einladung zu Firmenevents und Angebote zur Weiterbildung. Gute Fachleute zu finden, ist nicht einfach. Und wenn sie schon da sind, möchten wir sie natürlich auch halten.

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* Fortschrittsindex Vereinbarkeit

Gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Bundesverband der Personalmanager (BPM) hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Fortschrittsindex Vereinbarkeit entwickelt. Dabei bekennen sich Firmen zu einer familienfreundlichen Unternehmenskultur, verpflichten sich zu sogenannten Leitlinien wie Vielfalt, die sich in der Wertschätzung aller Lebensentwürfe zeigen. Anhand von zwölf Kennzahlen – darunter der Anteil von Männern und Führungskräften in freiwilliger Teilzeit sowie der betrieblichen Unterstützung von Beschäftigten bei der Pflege – lässt sich jährlich unkompliziert messen, wie sich die eigene familienbewusste Unternehmenskultur auch im Vergleich zu anderen entwickelt. Ein Teilnahmesiegel bestätigt diese familienbewusste Unternehmenskultur. Seit Ende 2021 gibt es auch eine Miniversion, den sogenannten Fortschrittsindex Quick. Es ist ein besonders niedrigschwelliges Angebot, bei dem sich Unternehmen auch nur bei einzelnen, für sie wichtigen Kennzahlen wie flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice mit anderen vergleichen können.
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DAS SAGEN DIE MITARBEITENDEN

„Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann noch mehr Kolleginnen“

Lara Nickolai ist 30 Jahre alt und arbeitet seit fünf Monaten als Systemadministratorin bei Adacor.

„Schon bald nach Beginn meiner Ausbildung wusste ich, dass ich in dem Unternehmen nicht länger bleiben würde als nötig. Es lief dort nicht gerade optimal, vor allem, was die Gleichberechtigung betraf. Zum einen, weil auf Auszubildende gerne ein bisschen herabgeschaut wurde, zum anderen, weil ich als Frau einen männlich geprägten Beruf lernte – mit der Folge, dass von meinen Kollegen immer wieder sexistische Sprüche kamen. Auch von meinem Ausbilder. Als ich ihm zum Beispiel mein Halbjahreszeugnis von der Berufsschule mit einem Notendurchschnitt von 1,0 zeigte, durfte ich mir anhören, dass ich bei den Lehrern bestimmt voll den guten Hundeblick draufhätte. Solche Bemerkungen gab es regelmäßig.

Von einem Bekannten hatte ich gehört, dass das Klima bei Adacor gut sein solle. Also habe ich mir bei Kununu die Bewertungen angeschaut und natürlich auch die Webseite des Unternehmens. Dort fand ich unter anderem einen Blogartikel, den eine Angestellte und eine Auszubildende gemeinsam zum Thema Gleichberechtigung geschrieben hatten. Die beiden betonten darin, wie sehr die Geschäftsführung darauf achtet, dass Gleichberechtigung wirklich umgesetzt wird. Auf der Seite stieß ich auch zum ersten Mal auf die Charta der Vielfalt. Da in meinem Familien- und Freundeskreis einige Menschen sind, die transgender sind oder aus anderen Gründen nicht der Norm entsprechen, sind mir die Themen Vielfalt, Antirassismus und Diversität sehr wichtig.

Im Support arbeite ich mit fünf Kollegen sehr eng zusammen, insgesamt sind wir zu zehnt und zumindest altersmäßig gemischt. Kolleginnen habe ich auch, aber die arbeiten in der Entwicklungsabteilung. In meiner Berufsschulklasse waren wir übrigens 30 – 29 davon Männer. Selbst für Unternehmen wie Adacor, die explizit Frauen für den IT-Bereich suchen, ist es extrem schwierig, welche einzustellen – einfach weil es kaum welche gibt. Und das hat vermutlich auch damit zu tun, dass man in vielen Betrieben spürt, als Frau mindestens doppelt so viel leisten zu müssen, um ähnlich anerkannt zu werden wie ein Mann. Ich kann verstehen, dass da nicht jede Lust drauf hat.

Auch bei Adacor gibt es gelegentlich noch diesen alten, weißen Männerhumor, bei dem man sich fragt: ‚In welchem Jahrhundert bist du denn bitte gerade gelandet?‘ Aber im Gegensatz zu meinem Ausbildungsbetrieb kann man das dann ansprechen, ohne das Gefühl zu haben, allein mit dieser Ansicht zu sein. Denn sämtliche Vorgesetzte sehen das wie ich und leben das auch. Das vermittelt enorm viel Sicherheit.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann natürlich noch mehr Kolleginnen. Und dass an den freiwilligen Vorträgen und Schulungen zum Thema Diversität nicht immer nur dieselben Leute teilnehmen, sondern auch die, denen es durchaus guttäte.“

 

„Vielfalt war hier immer schon normal“

Benjamin Trigui, 38, arbeitet seit 2013 als Verwaltungsangestellter bei Adacor.

„Ich war bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellt, als mich ein Freund, der bei Adacor arbeitete, fragte, ob ich nicht wechseln wolle: In der Verwaltung würde jemand gesucht. Eigentlich hatte ich kein Interesse: Meine Kollegen waren nett, ich kannte meinen Job und bekam jedes Jahr eine 0,5-prozentige Gehaltserhöhung. Doch alles, was er mir erzählte, gefiel mir: die flexiblen Arbeitszeiten, die gemeinsamen Mittagspausen, das regelmäßige Feedback. Ich mochte das Familiäre, das er beschrieb, das Duzen, die flachen Hierarchien. Überhaupt fand ich das ganze Paket aus Teamevents, Fitnessstudio und Übernahme von Kitabeiträgen echt attraktiv. Ziemlich cool war auch, dass man als normaler Verwaltungsangestellter sein Diensthandy wie alle anderen frei wählen konnte – und nicht wie sonst üblich nur bis zu einem bestimmten Betrag.

In meiner Abteilung sind wir zu sechst: vier Frauen, zwei Männer, von 25 bis 60 Jahre, also ziemlich gemischt. In unserem Team bin ich allerdings der Einzige mit einem arabischen Nachnamen. In meinem alten Unternehmen gab es immer wieder mal so Sprüche wie: „Wann schließt du dich eigentlich dem IS an?“ und: „Bist du auch ein Schläfer?“. Ich fand das nicht lustig. Bei Adacor habe ich so etwas nie erlebt, hier werde ich auch nicht schief angeschaut, wenn ich in T-Shirt und kurzer Hose zur Arbeit komme. Denn egal ob privater Musikgeschmack oder religiöse Speisevorschriften – all das ist okay, niemand macht darüber flapsige Bemerkungen. Vielfalt war hier immer schon normal, ich kenne das gar nicht anders. Trotzdem finde ich es super, dass die Charta unterschrieben wurde. Das hat einfach größeres Gewicht. Man denkt dann über die Werte immer wieder nach, vor allem dann, wenn Menschen andere Erfahrungen gemacht haben oder anders denken und empfinden als man selbst.

Von dem Vereinbarkeitssiegel hatte ich anfangs kaum etwas mitbekommen – dafür jetzt allerdings ziemlich viel. Meine Frau hatte vor knapp vier Wochen einen Bandscheibenvorfall und konnte unseren 15 Monate alten Sohn weder hochnehmen noch tragen. Also musste ich von jetzt auf gleich Familie und Beruf unter einen Hut kriegen. Ich dachte, das schaffe ich nicht. Doch mein Team hat sofort alle meine Termine übernommen und gesagt: ‚Bleib im Homeoffice und schau, was du schaffst.‘ So konnte ich auch mal am Nachmittag mit meinem Sohn auf den Spielplatz gehen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Die Stunden, die ich jetzt weniger arbeite, werden einfach mit meinem Urlaub verrechnet – für mich eine super Lösung. In meinem Freundeskreis bin ich übrigens der Einzige, bei dem so etwas möglich ist. Sogar mein Antrag auf den Partnerschaftsbonus, bei dem beide Eltern für vier Monate Teilzeit arbeiten, ist schon durch. Bei Adacor werde ich bestimmt noch länger bleiben.“

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

04 November 2022

Work-Life-Blending – Was heißt das und was bedeutet es?

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Work-Life-Blending – Was heißt das und was bedeutet es?

Work-Life-Blending steht für die Idee einer durch Digitalisierung umfänglich ermöglichten flexiblen Überlagerung von beruflichen wie privaten Aktivitäten, losgelöst von Zeit und Ort. Euphorische Befürworter und dystopische Kritiker kommen diesbezüglich naturgemäß zu gravierend unterschiedlichen Bewertungen. Beide Sichtweisen tendieren allerdings zu überzogenen Vorstellungen, die entweder Chancen verschließen oder Risiken ausblenden.

Industrie 4.0, Neue Arbeitswelten, New Work, Work-Life-Balance. Es mangelt nicht an Begrifflichkeiten, um Veränderungen im heutigen Berufsleben begleitend zu charakterisieren. Nun also auch noch Work-Life-Blending. Was ist damit angesprochen, ist es eigentlich neu und welche Bedeutung ist dem zuzumessen? Leadership Insiders skizziert die damit verbundene Vorstellung und bewertet sie.

 

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter leadership-insiders.de

 

21 Oktober 2022

Innere Stärke: Was resiliente Menschen auszeichnet

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Innere Stärke: Was resiliente Menschen auszeichnet

Es gibt Menschen, die sehen sich im Laufe ihres Lebens mit vielen Schicksalsschlägen und Krisen konfrontiert. Doch trotz der schlechten Umstände und einer auf den ersten Blick schier ausweglosen Lage verlieren manche Menschen dabei kaum ihren Lebensmut und sind trotz alledem weiterhin zuversichtlich und positiv eingestellt. Diese besondere Charaktereigenschaft wird in der Wissenschaft auch Resilienz genannt. Doch was bedeutet es, resilient zu sein und kannst du diese Resilienz lernen?

Definition: Was versteht man unter Resilienz?

Auf die Frage, wie man den Begriff Resilienz am besten definiert, gibt es zwei verschiedene Antwortmöglichkeiten. Die einfache Erklärung lautet, dass Resilienz die Fähigkeit ist, besonders starke psychische Belastungen auszuhalten und mit einer grundlegenden lebensbejahenden Einstellung durch das Leben zu gehen. Im Klartext bedeutet das, dass du dich als resilienter Mensch nicht von Schicksalsschlägen aus der Bahn werfen lässt, sondern nach recht kurzer Zeit wieder Anschluss findest und dein Leben weiterlebst.

So weit die einfache Erklärung. Jedoch handelt es sich bei der Resilienz um ein äußerst interessantes Phänomen, welches besonders für die Wissenschaft von Belang ist. Von wissenschaftlicher Seite aus betrachtet, steckt hinter dem Begriff Resilienz nämlich viel mehr als nur eine bemerkenswerte Fähigkeit.

Die Resilienz wird als äußerst komplizierter psychischer Mechanismus betrachtet, welcher sich aus etlichen Faktoren zusammensetzt, welche alle unterschiedliche Auswirkungen auf die Resilienz des Menschen haben. Einige dieser Faktoren sind bereits bekannt und wurden ausgiebig erforscht, andere wiederum stellen für die Forscher immer noch ein kryptisches Rätsel dar. Deshalb wird der Begriff der Resilienz von wissenschaftlicher Seite aus ein klein wenig anders definiert. Hier heißt es nämlich, dass es sich bei der Resilienz um die Fähigkeit handelt, die psychische Gesundheit auch während Widrigkeiten weiterhin aufrechtzuerhalten oder danach wieder schnellstmöglich zu regenerieren.

Was bedeutet es also resilient zu sein?

Wenn du also über den großen Vorteil verfügst, ein resilienter Mensch zu sein, dann wirst du deutlich leichter durch dein Leben gehen. Denn kein Mensch ist vor schweren Schicksalsschlägen oder neuen Herausforderungen sicher. Der Vorteil, den du dabei als resilienter Mensch hast, ist, dass du mit diesen Herausforderungen deutlich leichter umgehst. Egal ob es der Umzug in eine neue Stadt und das damit einhergehende neuer Umfeld ist oder der tragische Verlust eines geliebten Menschen. Dort, wo viele andere Menschen sich wochen-, monate- oder sogar jahrelang quälen und oftmals stagnieren, gehst du deinen Weg weiter und lässt dich von solchen Dingen nicht unterkriegen.

Lese-Tipp: Umgang mit Schicksalsschlägen von Kollegen: Tipps, No-Gos, Beispiele

Warum sind Menschen unterschiedlich resilient?

Wie dir höchstwahrscheinlich klar sein sollte, geht jeder Mensch mit bestimmten Herausforderungen im Leben anders rum. Während für den einen der Verlust einer nahestehenden Person ein Ereignis darstellen kann, welches das persönliche Leben für mehrere Jahre aus den Angeln hebt, gibt es wiederum andere Menschen, welche einen solchen Verlust relativ schnell verkraften. Denn jeder Mensch tickt natürlich anders und genau so verhält es sich auch mit der Resilienz. Selbst unter gleichen Bedingungen können Menschen unterschiedlich auf bestimmte Situationen reagieren und weisen somit eine stark differenzierte Resilienz auf.

Diese Erkenntnisse werden auch heute noch durch eine der ersten Langzeitstudien der Resilienzforschung unterstrichen. Dabei wurden über drei Jahrzehnte lang die Leben von rund 700 hawaiianischen Kindern, welche alle im Jahr 1955 geboren wurden, beobachtet. Die Studie wurde von der US-amerikanischen Psychologin Emmy Werner geleitet.

Ein Drittel der Kinder wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und sah sich täglich mit Armut und Hungersnot konfrontiert. Zusätzlich wurden sie von ihren Eltern misshandelt. Die meisten dieser Kinder wurde später alkoholabhängig und besaßen einen ähnlichen Werdegang wie ihre Eltern. Es gab jedoch ein paar Ausnahmen. Diese Ausnahmen bestritten einen erfolgreichen Lebensweg und ließen sich von ihrer schrecklichen Vergangenheit nicht beeinflussen. Dies war der Moment, in dem das erste Mal der Begriff „Resilienz“ auftauchte.

Doch warum sind nicht alle Menschen resilient? Die Frage lässt sich ebenfalls anhand dieser Studie beantworten. Denn der kleine Anteil der resilienten Kinder hatte in seiner Vergangenheit immer eine positive Bezugsperson. In manchen Fällen waren es Lehrer, größere Geschwister oder andere Verwandte. Das Ergebnis der Studie zeigte also, dass Menschen, welche in ihrer Vergangenheit einen positiven Beistand, also quasi eine Art Auffangnetz haben, deutlich mehr zu Resilienz tendieren. Menschen, denen dieser Halt in ihrer Jugend und der damit einhergehenden schweren Zeit fehlt, fällt es deutlich schwerer, resilient zu sein.

Die sieben Säulen der Resilienz

Wie bereits erwähnt spielen bei der Resilienz viele unterschiedliche Faktoren mit hinein. Von Grund auf resiliente Menschen besitzen diese Eigenschaften bereits. Jedoch gibt es eine gute Nachricht für dich. Bestimmte Eigenschaften kannst du auch lernen und somit deine persönliche Resilienz verbessern. Denn es gibt die sieben Säulen der Resilienz, welche eine Art Grundpfeiler darstellen. Jedoch solltest du dir immer vor Augen führen, dass es sich dabei um einen langwierigen Prozess handelt. Du wirst nicht morgen früh aufwachen und plötzlich ein resilienter Mensch sein, wenn du das nicht schon vorher warst. Oftmals empfiehlt sich auch eine therapeutische Begleitung, um den Prozess der Resilienz besser zu verinnerlichen.

Doch zunächst ein Überblick für dich, über die sieben Säulen der Resilienz:

  • Optimismus: Natürlich stellt ein gesunder Optimismus einen der wichtigsten Faktoren für die Resilienz dar. Versuche an allem negativen auch etwas Positives zu finden. Solltest du dich damit besonders schwertun, kannst du auch ein sogenanntes Glückstagesbuch führen. Das soll dafür sorgen, dass es dir leichter fällt, dich an positive Dinge zu erinnern.
  • Akzeptanz: Es nützt nichts, wenn du dich ständig nur darüber beklagst, wie schlecht alles doch ist. Akzeptiere, dass der aktuelle Zustand nicht von Dauer ist und dass es bald vorbei sein wird.
  • Lösungsorientierte Ziele: Setze dir klare Ziele, auf welche du hinarbeiten möchtest. Dabei ist es wichtig, dass diese Ziele auch wirklich erreichbar sind. Unrealistische Ziele führen eher zu Frustration und haben einen gegenteiligen Effekt.
  • Opferrolle verlassen: Das Einfachste in einer belastenden Situation ist natürlich in die Opferrolle und jede Menge Selbstmitleid zu verfallen. Aber Hand aufs Herz, wirklich besser macht das die Situation für dich auch nicht. Deswegen versuche zu vermeiden, in genau diese Opferrolle zu verfallen
  • Verantwortung übernehmen: Übernimm Verantwortung für dein Denken und Handeln. Vor allem aber solltest du deine persönlichen Einflussmöglichkeiten erkennen und entsprechend nutzen.
  • Enge Bindungen: Natürlich ist der Weg zum resilienten Menschen zu werden, ein persönliches Ziel für dich. Jedoch sind enge Bindungen zu vertrauten ein wichtiger Punkt. Das hast du bereits aus der ersten Resilienzstudie erfahren. Der Schlüssel ist eine Person, welche für dich da ist, also eine enge Bindung. Eine Person, an die du dich im Zweifel immer wenden kannst und die für dich da ist.
  • Positive Zukunftsplanung: Du solltest versuchen, immer positiv in deine eigene Zukunft zu blicken, auch wenn das oftmals sehr schwerfällt. Dabei helfen können Maßnahmen wie Sport treiben, viele Unternehmungen sowie verschiedene Reisen. Such dir außerdem ein Hobby, welches dich erfüllt und dir wirklich Spaß macht. Mit all diesen Maßnahmen, fällt der positive Blick in die Zukunft schon deutlich leichter.

Wie macht sich die Resilienz bemerkbar?

Jetzt wo du in etwas weißt, was Resilienz bedeutet, fragst du dich vielleicht, ob du nicht bereits resilient bist. Eventuell bist du dir dessen nur noch nicht bewusst oder schlichtweg noch nicht sicher. Doch es gibt einige spezifische Merkmale, welche beweisen, dass du ein resilienter Mensch bist.

Diese Merkmale orientieren sich natürlich auch an den sieben Säulen der Resilienz. So ist beispielsweise ein großer Optimismus, ein klares Zeichen für eine gut ausgeprägte Resilienz. Denn wenn es dir in der Vergangenheit bereits des Öfteren leicht gefallen ist, trotzt vieler Rückschläge eine lebensbejahende und optimistisch geprägte Grundeinstellung beizubehalten, dann sind das klare Anzeichen dafür, dass du ein resilienter Mensch bist.

Resilienz – Selbsttest

Wenn du dir deiner Sache noch sicherer werden willst, findest du hier einen kleinen Selbsttest. Dafür musst du die folgenden Fragen mit einer Punkteskala von 0 bis 10 beantworten. Dabei steht 0 für „überhaupt nicht zutreffend“ und 10 für „trifft auf jeden Fall zu“. Am Ende rechnest du zusammen, wie viele Punkte du hast und schaust auf dein Ergebnis. Du:

  • empfindest dein Leben als lebenswert und sinnvoll
  • bemerkst schnell neue positive Dinge, statt dich dauerhaft nur an vergangene negative Dinge zu erinnern.
  • akzeptierst deine Gefühle, lässt dich jedoch nicht von diesen kontrollieren.
  • bist der Meinung, dass du großen Einfluss auf dein Leben hast und denkst nicht, dass du gefangen in deiner Situation bist.
  • stellst dich auch unangenehmen Aufgaben, ohne sie vor dich herzuschieben.
  • setzt klare Prioritäten in deinem Leben.
  • hast mindestens eine Person an deiner Seite, mit der du über alle deine Sorgen und Probleme reden kannst.
  • blickst positiv in die Zukunft.
  • analysierst deine bisherigen Erfahrungen und lernst schnell aus Fehlern, damit du diese nicht mehr wiederholst.
  • kannst dich gut an Veränderungen anpassen.
  • suchst lieber nach Lösungen, statt nach Fehlern oder Schuldigen.
  • glaubst deine Lebensziele stimmen mit deinen Werten überein.
  • achtest auf deinen Körper.
  • achtest gut auf deine psychische Gesundheit.
  • stellst deine Gesundheit über die Erwartungen von anderen an dich.
  • bist dir deiner Fähigkeiten bewusst und traust dir selbst viel zu.
  • kannst auch in schwierigen Zeiten auf deine persönlichen Fähigkeiten vertrauen.
  • glaubst an dich und das, was du tust.

Ergebnisse

Wenn du jetzt deine Punkte alle zusammengerechnet hast, wird es Zeit für deine Ergebnisse.

0 bis 60 Punkte

Solltest du 0 bis 60 Punkte erreicht haben, dann gibt es noch einiges zu optimieren, was deine Resilienz betrifft. Doch keine Sorge, es gibt einige Übungen, mit denen du deine persönliche Resilienz verbessern kannst. Diese findest du ebenfalls in diesem Beitrag.

61 bis 125 Punkte

Wenn du auf 61 bis 125 Punkte gekommen bist, dann ist das schon einmal ein guter Anfang. Du verfügst über sehr gute Ansätze, was deine Resilienz betrifft, auch wenn es noch etwas Verbesserungsbedarf gibt. Mit den passenden Übungen kannst du deine Fähigkeit der Resilienz noch weiter ausbauen und perfektionieren. Alles in allem bist du jedoch ein sehr optimistischer und lebensbejahender Mensch.

Ab 126 Punkte

Solltest du mit deinen Punkten in dieser Kategorie gelandet sein, dann verfügst du in jedem Fall über eine sehr stark ausgeprägte Resilienz. Weitere Übungen sind in deinem Fall völlig obsolet.

Resilienz trainieren – praktische Übungen für jeden

Wenn du mit deiner derzeitigen Resilienzfähigkeit nicht zufrieden bist und diese gerne ausbauen möchtest, gibt es dafür einige praktische Übungen.

Meditation – reduziere dein Stresslevel

Eine einfache und doch äußerst wichtige Übung, die du jederzeit machen kannst und auch machen sollst, ist Meditation. Denn durch regelmäßiges Meditieren reduzierst du den Stresslevel deines Körpers und nimmst dir etwas Zeit für dich selbst. Doch bevor du dir jetzt eine Yogamatte besorgen willst, solltest du wissen, dass du kein Equipment für eine entspannte und effektive meditative Erfahrung brauchst. Auch der zeitliche Umfang ist kaum der Rede wert. Denn du kannst bereits mit der sogenannten One Minute Meditation brauchbare Ergebnisse erzielen. Dafür benötigst du lediglich 60 Sekunden Zeit und etwas Ruhe. So kannst du fast über all im Alltag für eine Minute in dich gehen und eine kleine Meditation durchführen, welche dir um so größere Ergebnisse liefern wird.

Trainiere deinen Optimismus

Eine der wichtigsten Säulen der Resilienz ist der Optimismus. Auch diesen kannst du tatsächlich trainieren. Wie bereits in der Erklärung zu den sieben Säulen der Resilienz beschrieben, kannst du eine Art Glückstagebuch oder Dankbarkeitsbuch führen. Dort trägst du alle deine positiven Erlebnisse rein, für die du dankbar bist und welche dich persönlich glücklich machen. Wenn du einmal an deinem eigenen Optimismus zweifeln solltest, kannst einfach einen Blick in dieses Journal werfen und dich besser an alle diese positiven Dinge erinnern.

Lese-Tipp: Danke sagen: Wie Dankbarkeit Ihr (Berufs-) Leben optimiert

Eine weitere Übung zum Verbessern deines Optimismus ist das sogenannte „Reframing„. Dabei handelt es sich schlicht um eine neue Sicht auf die Dinge. Du gibst negativen Dingen also quasi einen neuen Rahmen, daher auch die Bezeichnung. Du gibst also negativ konnotierten Begriffen oder Dingen also eine positive Bedeutung. Diese kleine Übung hat einen größeren Einfluss, als du vielleicht im ersten Moment denkst. Denn wenn du negativ behaftete Dinge plötzlich aus einem anderen weniger negativen Blickwinkel betrachtest, dann tun sich ganz neue Wege und Lösungsansätze für dich auf. Eine auf den ersten Blick aussichtslose Lage scheint somit gar nicht mehr so aussichtslos

Resilienz lernen für mehr Erfolg

Wie du jetzt also weißt, ist die Resilienz ein äußerst probates Mittel für ein erfüllteres und erfolgreicheres Leben. Selbst wenn du viele Rückschläge in deinem Leben erleiden musstest und kaum über optimistische Eigenschaften verfügst, kannst du mit etwas Selbstdisziplin trotzdem lernen, resilient zu sein. Neben den beiden genannten Übungen gibt es natürlich noch viele weitere Möglichkeiten. Vor allem in den sieben Säulen der Resilienz findest du einige tolle Übungsansätze, wie beispielsweise das Formulieren von realistischen Zielen. Wenn du dich daran orientierst, dann steht der Optimierung deiner Resilienz nichts mehr im Wege.

Quelle: Arbeits-abc

06 Mai 2022

Die neue Herausforderung: Hybrid im Quadrat

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Die neue Herausforderung: Hybrid im Quadrat

Wo und wie künftig gearbeitet wird, müssen Führungskräfte und Teams jetzt herausfinden. Doch wer der Herausforderung mit alten Gewissheiten begegnet, wird bald allein dastehen.

Homeoffice-Pflicht entfallen ist, werden gute Antworten auf diese Fragen dringend gesucht. Wir befinden uns an einem entscheidenden Moment, in dem Arbeit neu definiert wird. Wir stehen in der Verantwortung, jetzt die Weichen zu stellen für den Weg hin zum hybriden Arbeiten, das Produktivität und Zusammenarbeit fördert und Sinn bietet. Wer diese Chance verschläft, wird schon bald Probleme haben, neue Talente zu finden und Leistungstragende zu halten.

„Wir sollten uns nicht der Tyrannei des ‚oder‘ beugen, sondern das Genie des ‚und‘ umarmen.“
Jim Collins, US-Managementexperte

Zu viele deutsche Führungskräfte haben den Schuss noch nicht gehört. Besser gesagt: Sie haben noch nicht gelernt, ihren Mitarbeitenden zuzuhören. Deutlich mehr als ein Drittel aller deutschen Führungskräfte befürchten negative Folgen für ihr Unternehmen, wenn sie ihren Mitarbeitenden flexibles Arbeiten von zu Hause ermöglichen.
Eine Yougov-Umfrage im Auftrag von Linkedin unter 2.000 Führungskräften in elf Ländern zeigt, dass deutsche Chefinnen und Manager bei New Work am konservativsten sind, wenn man von den noch skeptischeren Führungskräften in Irland absieht. Sie glauben tatsächlich, dass zuhause zu viel gefaulenzt wird. Kann sich Europas größte Volkswirtschaft diese Art (Miss-)Management leisten? Ich glaube nicht.

Warum? Weil die Mitarbeitenden das nicht mehr wollen. Und die potenziellen neuen Bewerber und Kandidatinnen übrigens auch nicht, besonders die jüngeren nicht. Wenn sie (wieder) jeden Tag ins Büro müssten, würden laut Studien sagenhafte 40 Prozent der Wissensarbeitenden lieber gleich ihren Job wechseln. Das zeigt der Digital Work Index, den Slack im Oktober 2021 unter 2.000 Befragten in Deutschland erstellen ließ. Über die gesamten Belegschaften verteilt liegt der Wert immer noch bei 15 Prozent, wie der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom anhand einer groß angelegten Untersuchung in 25 Ländern zeigt. Aktuelle Verkehrsdaten des ADAC zeigen zudem, was wirklich Sache ist: Der Wegfall der Homeoffice-Pflicht hat den morgendlichen Pendelverkehr in keiner Weise erhöht. Die Auslastung deutscher Büros lag laut einer Erhebung des Schweizer Statistikanbieters Locatee Anfang März fast genauso niedrig wie Ende 2020. In den USA zeigt eine Umfrage des Pew Research Centers den gleichen Trend: Wer die Möglichkeit hat, zuhause zu arbeiten, bevorzugt das in fast zwei Dritteln aller Fälle. Viele Menschen haben inzwischen herausgefunden, dass bestimmte Tätigkeiten zuhause besser oder mindestens genauso gut funktionieren – zumal man eine Menge tote Pendelzeit und teuren Sprit einspart.

Mich wundert das nicht, denn der Great Reshuffle ist in vollem Gange. Viele Menschen haben sich in der langen Corona-Zeit neu entdeckt und neu erfunden. Die Prioritäten verschieben sich und auf die Personalerverantwortlichen kommt eine große Moderationsaufgabe zu, um den Widerspruch zwischen den Wünschen der Führungskräfte und Mitarbeitenden elegant aufzulösen. Viele Unternehmen – wie auch die Atruvia – haben sich deshalb bereits für hybride Modelle als „das neue Normal“ nach Corona entschieden, zum Beispiel mit zwei Tagen remote und drei Tagen office. Das entspricht ziemlich genau den durchschnittlichen Wünschen der weltweiten Belegschaften, wie die groß angelegte Stanford-Studie zeigt. Auch hier tut sich allerdings noch die bekannte Erwartungslücke auf: global gesehen wollen Manager bislang eigentlich nur einen Tag Work from home zulassen.

Die alten Rituale haben ausgedient

Weltweit hinterfragen Beschäftigte den Sinn alteingespielter Arbeitsplatzrituale. Natürlich vermissen viele den persönlichen Austausch im Büro, gerade den informellen. Sie ahnen vielleicht auch, dass ohne diese „echten“ Kontakte langfristig die Gefahr besteht, bei einigen Dingen außen vor gelassen zu werden. Präsenz zu zeigen, ist also nicht nur Pflicht, sondern mindestens auch Kür – oder gar ein Anrecht darauf, „dabei“ zu sein. Zumal sich Beschäftigte auch für Tätigkeiten wie Kollaboration oder gemeinsame Kreativitäts- und Entwicklungsarbeit am liebsten physisch treffen.
Reine Informationsvermittlung hingegen wird immer weniger akzeptiert. Dafür muss niemand ins Büro fahren. Laut Digital Work Index gilt das allerdings auch immer mehr für Zoom und Teams.
Jedes zweite Meeting wird als unnötig wahrgenommen. Statt „Büro vor dem Computer“ zu spielen, wünschen sich knapp 60 Prozent der Befragten mehr Tools für das nicht gleichzeitige Zusammenarbeiten über Text-, Sprach- oder Video-Nachrichten. Flexibilität und Eigenverantwortung sind auch hier die Schlüssel.

Es fehlt an Übung und geeigneter Infrastruktur

Wir sind in einer neuen Experimentier- und Lernphase. Die richtige neue Mischung hat wohl noch keiner genau gefunden. Bis Ende 2019 waren wir alle gut im Arbeiten in Präsenz; die letzten 2 Jahre haben wir gemeinsam remote Arbeiten professionalisiert. Und jetzt? Die Mischung macht’s: Wir brauchen ein enormes Umdenken, was Führungsverhalten, Vertrauen und Ziel-/Ergebnisorientierung anbelangt. Es ist die Chance für Unternehmen, die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeitenden und Teams zur Organisation ihrer Arbeit nachhaltig zu stärken. Das führt zu ganz praktischen Herausforderungen, denen wir uns jetzt gemeinsam stellen müssen. So ist zum Beispiel ein fester Arbeitsplatz für Menschen im office, die auch remote arbeiten, grundsätzlich nicht mehr sinnvoll. Dafür brauchen wir neue, flexible und kreative Spaces in unseren Gebäuden, um das aufzufangen.

Activity based working kann hier die Lösung sein. Räume, die speziell für hybride Meetings und Kollaborationen angelegt sind, bekommen eine wesentlich höhere Bedeutung, ebenso informelle Arbeitsplätze. Hier brauchen wir neue technologische Lösungen für hybrides Zusammenarbeiten bis hin zu ersten Metaverse-Lösungen. Kreativ und digital gestaltete Räume, die radikal anders sein können als die Infrastruktur vor 2020, spielen aber eine weitere, wichtige Rolle: Für die Bindung ans Unternehmen, für das Erleben als Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen und Unternehmenswerten und zur Auslebung der Kreativität. Sie bieten auch die beste Basis, um neu gewonnene Kräfte auf die eigene Unternehmenskultur einzustimmen und sie schnell zu integrieren. Rein remote – das haben wir die letzten zwei Jahre gelernt – wird dies nicht gelingen. Das neu gestaltete Büro als Flaggschiff von hybrider Arbeit? So sieht es jedenfalls der Leitfaden Mobiles und hybrides Arbeiten des Bitkom und so sehen wir das auch bei Atruvia. Zurzeit gestalten wir unsere Büroflächen zu smarten, flexiblen Arbeitsflächen um, die sich nach den Aufgaben der Mitarbeitenden orientieren.

Meetings nicht mehr im Büro spielen, sondern vom Sinn her denken

Managerinnen und Chefs dürfen sich nicht wegducken, wenn es um das Redesign der Arbeit geht. Die Entscheidungen, welche Meetings in Präsenz, welche remote, welche hybrid und welche überhaupt durchgeführt werden, müssen sie gemeinsam mit ihren Teams treffen. Nur so wird sich im Unternehmen ein gleiches Verständnis dafür entwickeln, was wann wo sinnvoll ist. Dazu brauchen Führungskräfte heute andere Skillsets als vor der Pandemie. Die Psychologin Katrin Winkler, die an der Hochschule Kempten das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft leitet, hat das klar herausgearbeitet. Mit Hilfe einer LinkedIn-Umfrage fand sie heraus, dass 71 Prozent der Befragten glauben, dass Vorgesetzte hybrider Teams vor allem gut kommunizieren müssen. Ähnlich wichtig ist es, dass sie klare Ziele setzen und Empathie beweisen. So müssen sie ein intuitives Gefühl dafür entwickeln, was Sinn und Zweck von Treffen und Tätigkeiten sind. Soft Skills im Management und digitale Fähigkeiten sind also ein Schlüssel für die hybride Zukunft der Arbeit.

Mitarbeitende spüren, wenn Führungskräfte ihnen Vertrauen schenken und Hybrid authentisch selbst vorleben. Wenn die Belegschaft dadurch engagierter und kreativer wird, gewinnen alle. Wir müssen nur die Angst verlieren, dadurch weniger effizient zu werden. Blooms große Studie zeigt, dass WFH unsere Produktivität und Effizienz sogar leicht steigert, und zwar im Bereich um +5 Prozent. Zeit also, uns für eine neue Mischung zu entscheiden und „Hybrid im Quadrat“ wirklich zu wagen.

Über den Autor

Jörg Staff ist Mitglied des Vorstands und Chief People Officer bei Atruvia (früher Fiducia & GAD) sowie Aufsichtsrat, Beirat und Investor von (Tech-)Start-ups. Er arbeitete vor dieser Position über 20 Jahre als Mitglied von Global Executive Leadership Teams direkt für CEOs und Vorstände führender globaler Unternehmen in der IT- Industrie (SAP, Debis Systemhaus), Logistik (Deutsche Post/DHL) und der Automobilindustrie (Daimler). In seinen globalen Positionen verantwortete er unternehmensweite Strategie-/Transformationsprogramme, Restrukturierungs- und Effizienzprogramme und unterstützte diverse Wachstumsinitiativen. Darüber hinaus sind Schwerpunkte seiner Arbeit People-Themen, wie die Ausrichtung der Unternehmensorganisation auf Human Experience, die Einführung agiler Zusammenarbeitsmodelle und die Stärkung der Innovationkraft. Staff absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaft und einen Master of Business Administration (MBA). Über 30.000 Leserinnen und Leser haben bisher seine Kolumne Logbuch einer Transformation gelesen, die 2019/2020 monatlich auf humanresourcesmanager.de erschienen ist. 2021 ist er zum CHRO of the Year gewählt worden.

Quelle: Human Ressources Manager

22 April 2022

Turboboost für Ihr hybrides Team – so punkten Sie schnell und nachhaltig!

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Turboboost für Ihr hybrides Team – so punkten Sie schnell und nachhaltig!

Das „New Normal“ hält aktuell Einzug in unseren Teams. Sie haben mit Ihrem Team eine annehmbare und durchaus effiziente Arbeitsweise im Remote-Alltag gefunden. Dennoch haben Sie das Gefühl, dass was auf der Strecke bleibt!? Dazu kommt bereits eine neue Herausforderung, … „Hybrid Work“.

Einige KollegInnen sind wieder vermehrt vor Ort, die Anderen arbeiten nach wie vor hauptsächlich mobil. Der Teamalltag ändert sich und die gemeinsamen Kommunikationsstrukturen und Regeln für ein gutes Miteinander gilt es neu zu gestalten. Hybrid-Work bedeutet, dass ein Team an einigen Tagen in der Firma arbeitet, an anderen mobil oder von zu Hause aus. Im Idealfall folgt es einer teaminternen Logik: Menschen verbringen eine bestimmte Zahl von Tagen im Büro, für Meetings und für die engere Zusammenarbeit. Stillarbeit und Aufgaben, die Konzentration erfordern, können dagegen zu Hause ausgeführt werden.

Wenn wir von EinfachStimmig Anfragen für New-Work-/Hybrid-Work-Themen bekommen, sind es meist folgende Fragen, die wir lösen sollen:

  • Wie können wir im Team hybrid gut miteinander arbeiten?
  • Welche technischen Möglichkeiten gibt es für Teammeetings, wenn einige vor Ort sind und andere mobil arbeiten?
  • Wie schaffen wir auch hier Raum für gemeinsame Ideen-Sessions, ein konstruktives Miteinander, den persönlichen Austausch – und wo sind ehrlich auch die Grenzen?
  • Was müssen wir uns bewusst machen und wo gilt es neue Arten der Zusammenarbeit zu entwickeln?

Aus den zahlreichen Erfahrungen, Workshops und Projektbegleitungen haben wir deshalb einen 10-Punkte-Plan als „Turboboost“ aufgestellt. Dieser gibt Ihnen erste Hilfestellungen und lässt gleichzeitig Raum für neue Ideen zum hybriden Miteinander. Und so gestalten Sie die erfolgreiche hybride Zusammenarbeit:

1. Lüften Sie das Geheimnis – wo befinden Sie sich gerade?

Das Frustrationspotenzial
Teammitglieder sind nicht immer da, wo man sie vermutet.

Die Lösung
Transparenz! Alle Teammitglieder müssen sichtbar machen, wann sie wo sind und ob sie gerade erreichbar sind. Im Idealfall verhalten sie sich dabei vorhersagbar.

Was Sie tun können
Sprechen Sie bei Ihrem Team die Frage an, ob die Verortung ein Problem darstellt. Wenn ja, überlegen Sie, wie Sie mit einer technischen Lösung möglichst bequem unterstützen können. Wer ein Chat-System nutzt, kann den Standort z.B. im Anzeigenamen oder mit einem Symbol klarstellen. Weitere Ideen: Dienstplan-System, Digitales Kanban-Board.

2. Im „Flow“ sein – WO wird WAS gemacht?

Das Frustrationspotenzial
An Bürotagen am Schreibtisch sitzen und im Homeoffice vor Video-Konferenzen hängen? So nervt das hybride Arbeiten.

Die Lösung
Gute Absprachen! Wer weiß, welche Arbeit wo hingehört und wann sie gemacht werden muss, kann seinen Wochenplan daran ausrichten.

Was Sie tun können

  • Transparenz und Vorhersehbarkeit schaffen
  • Handlungsorte als Teil der Prozessplanung

Gibt es in Ihrem Team viele sich wiederholende Aufgaben oder Aufgaben gleicher Art, dann legen Sie für jede von ihnen fest, wo sie gemacht werden können. Was zählt, ist der gemeinsame Nenner. Zusätzlich können Sie einen Jour fixe vereinbaren, an dem Sie absprechen, wann Aufgaben angegangen werden, die Anwesenheit erfordern. Laden Sie Kolleginnen und Kollegen dann regelmäßig ein, Termine zu vereinbaren:

  • Welche Termine, Aufgaben oder Prozesse sind kritisch und erfordern Anwesenheit?
  • Ist es sinnvoll, für bestimmte Projekte auf Coworking-Spaces auszuweichen?
  • Welches Team braucht wann welche Arbeitsplätze?

3. Leistungsstark im eigenen Takt tanzen.

Das Frustrationspotenzial
Alle müssen gleichzeitig arbeiten, selbst wenn Biorhythmus oder Familie andere Bedürfnisse schaffen.

Die Lösung
Trennen Sie sich von der Idee der synchronen Arbeit. Es gibt keinen zwingenden Grund für sie. Es will nur niemand durch Abwesenheit auffallen. Normalisieren Sie das asynchrone Arbeiten.

Was Sie tun können
Besprechen Sie mit Ihrem Team, welche Fixpunkte in einer Woche oder an einem Tag wirklich wichtig für Sie sind. Sie können wie Kernzeiten funktionieren, also Zeiten, in denen (fast) alle erreichbar sein sollten.

Tipp an Führungskräfte: Nehmen Sie den persönlichen Bedürfnissen das Stigma! Dann finden Sie heraus, wie Ihre Leute am besten arbeiten.

4. Virtuelle Pause – heute bin ich präsent im Meeting!

Das Frustrationspotenzial
Beim Meeting sitzen einige zu Hause, andere im Konferenzraum. Kolleginnen und Kollegen sind unerwartet nicht da, andere sitzen im Büro und erledigen Arbeit, die zu Hause genau so gut (oder besser) machbar sind.

Die Lösung
Schaffen Sie Meetingtage, an denen das Team darauf eingestellt ist, ins Büro zu kommen, und organisieren Sie die Arbeit so, dass die Zeit vernünftig genutzt wird.

Was Sie tun können
Schauen Sie sich an, was Ihr Team an welchen Tagen der Woche tut:

  • An welchen Tagen treffen Sie sich für wichtige Besprechungen?
  • An welchen Tagen bereiten Sie viel vor oder nach?
  • Sind diese Tage und Zeiten für alle gleich oder gibt es Unterschiede?
  • Gibt es Funktionen, die im Büro täglich besetzt sein müssen?

Der Wechsel auf hybrides Arbeiten verlangt und ermöglicht, dass Sie den Rhythmus Ihrer Arbeit anpassen.

5. „Remote first“ – entweder ganz oder gar nicht!

Das Frustrationspotenzial
Einige sitzen im Konferenzraum, andere zu Hause. Die Teammitglieder zu Hause sehen ihre Kolleginnen und Kollegen nur klein, manche sind schlecht zu verstehen, manche Gesprächsteile gehen unter. Das Gefühl, ausgestoßen zu sein, entsteht.

Die Lösung
Remote first! Wenn das Meeting gemischt stattfindet, dann können alle Beteiligten über ihre eigenen Geräte zugeschaltet sein. Jeder schaut in seine Kamera, alle sind gut zu hören. Oder Sie sorgen für eine gute Technikausstattung.

Was Sie tun können
Versuchen Sie zunächst, Meetings so zu planen, dass möglichst viele aus dem Team an einem Ort zusammenkommen.

6. Effektivitätsbremse lösen und MitarbeiterInnen empowern.

Das Frustrationspotenzial
Menschen arbeiten zu Hause und sind unsicher, ob sie Entscheidungen selbst treffen können. Fragen müssen per E-Mail, Chat oder Anruf gestellt werden. Die Arbeit verzögert sich, Vorgesetzte werden unterbrochen.

Die Lösung
Statten Sie Ihr Team mit mehr Autonomie aus. Überprüfen Sie im Team, wo Entscheidungen eigenverantwortlich getroffen werden können.Alles, was ohne Chefin oder Chef entschieden werden kann, spart Zeit und stärkt die Kompetenz der Mitarbeitenden.

Was Sie tun können
Hinterfragen Sie Ihre "Hierarchien". Finden Sie heraus:

  • Welche Dinge sprechen Mitarbeitende mit ihren Führungskräften ab, obwohl sie es nicht müssten?
  • Welche Kompetenzen oder Freiheiten fehlen?
  • Gibt es Unsicherheiten oder Zurückhaltung davor, Verantwortung zu übernehmen?
  • Wie lässt sich das ändern?

7. Ready for Hybrid-Work?!

Das Frustrationspotenzial
Lösungen für Probleme oder Entscheidungen bei Uneinigkeit treffen die Anwesenden „mal schnell“ unter sich. Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice bleiben außen vor – mit der Begründung, sie seien nicht da gewesen.

Die Lösung
Schaffen Sie verlässliche Prozesse für alles, was in einer Gruppe entschieden werden muss.

Was Sie tun können

  • klare, effiziente Regeln für ein Miteinander
  • Entscheidungen festlegen
  • fixe Zeiten für Entscheidungen wirken Unsicherheit entgegen
  • keine Geheimnisse bei der Entscheidungsfindung

8. Wollen - mehr als nur ein Zufall.

Das Frustrationspotenzial
Zufällige Begegnungen auf dem Flur sind seltener geworden, an Arbeitstagen fehlen die Zerstreuung und das kreative Potenzial. Virtuelle Kaffee-Dates sind häufig unbefriedigend.

Die Lösung
Vergessen Sie die halbherzigen Videodates. Wenn Sie sich nicht mehr zufällig treffen können, dann verabreden Sie sich bitte richtig.

Was Sie tun können
Bewusstes Socializing statt Zufallsbegegnungen: Nutzen Sie die Bürotage dafür, sich mit Anderen zu verbinden, vielleicht neue Leute kennenzulernen. Konkret kann das bedeuten:

  • Wenn Ihnen spontan ein Kollege oder eine Kollegin einfällt, schreiben Sie direkt eine kurze Nachricht und fragen Sie, wie es ihm oder ihr geht.
  • Verabreden Sie sich.
  • Etablieren Sie einen Check-in: Zum Beginn eines Meetings sind alle Beteiligten eingeladen, zu erzählen, was sie gerade beschäftigt.
  • Werden Sie konkret: Wenn Sie sich treffen möchten, dann vereinbaren Sie direkt Zeit und Ort.
  • Gehen Sie aufmerksam mit Geburtstagen um. Im Team können Sie diese nachfeiern, wenn alle zum Meetingtag zusammenkommen.
  • Planen Sie Tage im Büro nicht durch. Lassen Sie sich Freiräume für Begegnungen.

9. Fair Play – Ich habe die Regeln (mit)gemacht!

Das Frustrationspotenzial
Jeder arbeitet für sich, bald entstehen verschiedene Abläufe. Das Team wird unübersichtlich und Absprachen schleifen sich ab.

Die Lösung
Einigen Sie sich auf Spielregeln und benennen Sie eine Person, die sie aktuell hält, ihren Nutzen hinterfragt, bei Unklarheiten antworten kann und regelmäßig Feedback einholt. Die Initiative sollte von der Führungskraft ausgehen - die Auslegung der Spielregeln kann gemeinsam im Team erfolgen.

Was Sie tun können
Jedes Team hat seine eigenen Bedürfnisse, Ziele und Wünsche an die Zusammenarbeit. Finden Sie heraus, was für ihr Team wichtig ist. Das kann bedeuten, dass Sie erst einmal bestimmte Abläufe ausprobieren, ohne diese schon fest zu verankern.

Ein Beispiel: „Wir wollen, dass bei wichtigen Entscheidungen alle Mitarbeitenden gehört werden. Deshalb entscheiden wir – wann immer es möglich ist – in einem Remote-First-Meeting, das dieses vor 16 Uhr beendet sein muss. Diese Treffen sind neutral moderiert und jede/r, der möchte, kommt zu Wort. Um diese Meetings zeitlich zu begrenzen, einigen wir uns darauf, Beiträge nicht zu wiederholen, sondern uns, wenn es geht, auf Zustimmung zu beschränken.“

10. Onboarding – einfangen reicht nicht!

Das Frustrationspotenzial
Für neue Kolleginnen und Kollegen ist es schwer, in das bestehende Team zu finden.

Die Lösung
Betrachten Sie den Prozess des Onboardings als wichtige Aufgabe des Teams. Benennen Sie einen Verantwortlichen und geben Sie den Neuen eine Struktur an die Hand, mit der sie gut ankommen.

Was Sie tun können
Menschen verbinden sich mit Menschen. Das ist leichter, wenn sie einander begegnen oder zumindest die Gelegenheit bekommen, sich auf einer persönlichen Ebene zu verbinden. Schaffen Sie ihnen außerdem für den allerersten Tag einen klaren Zeitplan: Wann ist das Welcome-Meeting mit allen? Wann trifft sich die Person virtuell mit wem? Was muss zwischendurch erledigt werden? Wer kann wann Orientierung geben? Welche Meetings sind wichtig?

Im Idealfall wissen neue Kolleginnen und Kollegen am ersten Tag zu jeder Zeit, was sie zu tun haben, bevor sie am zweiten Tag in die selbständigere Arbeit starten. Onboarding-Buddys können den neuen Kolleginnen und Kollegen zur Seite stehen, indem sie sie dabei unterstützen, anzukommen. In der Rolle als Buddy beantworten Sie Fragen oder klären proaktiv über Besonderheiten auf.

Sie können auch zu einem Speeddating anregen: Dann treffen sich neue Mitarbeitende einzeln mit allen Kolleginnen und Kollegen zu kurzen (bei Bedarf digitalen) Kaffee-Dates.

 

Gleich ausprobieren und Erfahrungen sammeln! Wir freuen uns auf Ihr Feedback!

Autorin: Annika Leopold ist Expertin für Design Thinking und digitales Neudenke, Kooperationspartnerin von EinfachStimmig

Quelle: Leseraum unseres Geschäftspartner EinfachStimmig

25 März 2022

Personalentwicklung heißt: Menschen befähigen, das Richtige zu tun

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Mitarbeitende sollten im Unternehmen befähigt werden, ihre persönliche Entwicklung eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen.

Personalentwicklung heißt: Menschen befähigen, das Richtige zu tun

In einer immer schneller sich verändernden Unternehmenswelt muss sich auch die Personalentwicklung wieder neu ausrichten. Mehr Individualität und Eigenverantwortung sind gefragt. Christian Friedrich, Geschäftsführer Digital Learning Solution der Haufe Akademie, teilt seine Ideen für eine Personalentwicklung der Zukunft.

Wirtschaft, Unternehmen und Gesellschaft erleben im Moment eine der größten Veränderungen der jüngeren Geschichte. Und die Umbrüche sind teilweise radikal. Organisationen müssen neue Wege finden, mit diesen Anforderungen umzugehen. Kontinuierliche Weiterentwicklung und lebenslanges Lernen sind die Grundlage für Zukunftsfähigkeit. Vor allem gilt es, die Menschen in den Unternehmen zu befähigen, ihre persönliche Entwicklung eigenverantwortlich mitzugestalten und sie beim lebenslangen Lernen zu unterstützen – im Einklang mit den strategischen Unternehmenszielen. Mit anderen Worten: Die Personalentwicklung muss sich selbst weiterentwickeln, um auf der Höhe der Zeit zu agieren.

Bei den genannten Veränderungen und beim Übergang zu einer lernenden Organisation kommt der Personalentwicklung eine Schlüsselrolle zu. Denn sie hat den einen und einzigen Zweck, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern: indem sie daran mitarbeitet, die Personalstrategie an der Unternehmensstrategie auszurichten, die Veränderungen in Produktionsweise und Zusammenarbeit berücksichtigt und die kommenden Bedarfe in Bezug auf Wissen, Skills und Fähigkeiten antizipiert.

Personalentwicklung muss Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stärken

Bevor wir die Personalentwicklung der Zukunft skizzieren, ist es sinnvoll, einen Blick zurück zu werfen, um zu verstehen, wo die Personalentwicklung in den meisten Unternehmen heute steht und warum sie dort steht. Was in vielen Organisationen nach wie vor abgebildet wird, ist die Idee, leicht auswechselbare Ressourcen an die richtige Stelle zu bringen. Also ein Clustern von Mitarbeitenden auf bestimmte definierte Rollen- und Jobprofile – so zum Beispiel die "Projektmanager/innen", die "Vertriebler/innen" etc. - und dann einer rein darauf abgestellten rollenfokussierten Qualifizierung. Damit können Organisationen die Herausforderungen einer komplexen, sich schnell verändernden und unsicheren Welt allerdings nicht bewältigen.

Personalentwicklung und Weiterbildung müssen individueller und personalisierter werden, so viel ist deutlich. Wir erleben einen Wandel der heute und zukünftig geforderten und notwendigen Kernkompetenzen und damit einhergehend einen grundlegenden Wandel von Aufgaben- und Kompetenzprofilen. Aber das stellt häufig die bisher etablierten Prozesse, Standards und Schulungsangebote auf den Kopf. Denn das bestehende System ist auf Masse ausgerichtet. Heute geht es leider in vielen Fällen noch immer darum, das bestehende Budget für Personalentwicklung auszuschöpfen, die entscheidende Kennzahl ist die Zahl der absolvierten Maßnahmen in Kombination mit der Anzahl von Mitarbeitenden, die Schulungen und Trainings besucht haben. Inwiefern das Ganze die tatsächlichen Lernbedarfe der einzelnen Mitarbeitenden trifft und sich damit kurz- und mittelfristig wirklich positiv auf Unternehmensziele und -strategie auswirkt, ist mindestens fraglich.

Die Personalentwicklung sollte in Zukunft Antworten vor allem auf diese Fragen geben:

  • Was benötigt der einzelne Mensch in der Organisation?
  • Was benötigen Teams?
  • Was wirkt in die Zukunft?
  • Welches ist der strategische Ansatz hinter den Maßnahmen?
  • Welche Regelmechanismen werden adressiert?

Ziel sollte es sein, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Mitarbeitenden für die eigene Entwicklung zu stärken. Nicht, um die Verantwortung für eine zielgerichtete Entwicklung einseitig bei den Mitarbeitenden abzulegen. Doch um das Ziel der "Lernenden Organisation" zu erreichen – eine Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg in der VUCA-Welt – müssen Unternehmen ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeitende fokussiert auf reale Aufgaben lernen wollen, dürfen und können.

Personalentwicklung muss individueller werden

Die meisten Menschen wollen lernen und sich entwickeln. Diese Überzeugung sollte Grundlage für die berufliche Weiterentwicklung sein. Die Realität in vielen Unternehmen hemmt aber die Lernfreude und den Entdeckergeist der Menschen. Weil sie nur lernen können und dürfen, was die Personalentwicklung zentral für richtig und nötig befunden hat, ungeachtet dessen, was die Einzelnen tatsächlich brauchen. "Lernen ist unmittelbar ans Leben gebunden", sagt der Neurowissenschaftler Gerald Hüther. Und damit an die konkrete Arbeit. Haben die Mitarbeitenden nicht die Möglichkeit, innerhalb des Unternehmens und bei der Arbeit zu lernen, tun sie es außerhalb. Doch was außerhalb des Unternehmens passiert, ist für das Unternehmen intransparent, nicht zu fassen und kann von der Personalentwicklung nicht gesteuert werden. Und Unternehmen, die nicht wissen, was jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin kann und lernt, kann aus diesem Wissen und den Fähigkeiten keinen Wert für das Unternehmen generieren. Zumindest nicht gezielt.

Personalentwicklung muss individueller werden, auf die Bedürfnisse und Interessen jedes Menschen in der Organisation eingehen und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die Unternehmensziele und die Unternehmensstrategie im Blick bleiben. Es geht um zielgerichtetes Lernen – und das ausgerichtet am heutigen und zukünftigen Unternehmensziel sowie an den dynamisch sich wandelnden Marktanforderungen.

Individuen und Teams unterstützen, Verantwortung zu übernehmen

Das bedeutet einen enormen kulturellen Wandel für viele Unternehmen, in denen heute die Personalentwicklung das gewünschte beziehungsweise für nötig erachtete Skillset der Mitarbeitenden definiert. "Wir wissen, was Du brauchst", lautet die Devise. Doch dieser Ansatz reicht in der dynamischen und komplexen Welt nicht mehr aus. Seit Jahren wird intensiv darüber diskutiert, wie die Strukturen und Entscheidungswege in Unternehmen den Herausforderungen der VUCA-Welt angepasst werden müssen, um den Kundenerwartungen und Marktentwicklungen nicht hinterherzulaufen, sondern sie im besten Fall zu antizipieren. "Oben kann nicht mehr überblicken, was zu tun ist", meint der Autor und Vordenker der Digitalisierung Sascha Lobo. Deshalb wandern die Entscheidungsbefugnisse in immer mehr Unternehmen dorthin, wo Markt- und Kundennähe am größten und Entscheidungen unmittelbar wirksam sind: in die Teams. Deshalb geht es in der neuen Personalentwicklung nicht nur um den einzelnen Menschen, sondern auch und besonders um die Entwicklung und Unterstützung von Teams. Das ist eine enorm wichtige Seite von Personalentwicklung und bislang zu häufig noch nicht auf der Agenda.

Diese Unterstützung brauchen Individuen und Teams auch beim Lernen und der Entwicklung. Die Menschen in den Teams wissen besser als andere, welche konkreten Lern- und Entwicklungsbedarfe sie haben - insbesondere bezogen auf die täglich erlebten Herausforderungen im Zuge der realen Anforderungen. Top down allein funktioniert beim Lernen nicht mehr.

Personalentwicklung muss strategischer denken

Das bedeutet konkret: Unternehmen müssen ihr Weiterbildungsangebot permanent mit den Anfragen, Bedarfen und Wünschen der Mitarbeitenden und Teams abgleichen und prüfen, ob Angebot und Nachfrage passen. Die Menschen in der Personalentwicklung müssen sich in Zukunft stärker strategisch ausrichten und ihre Ziele und Handlungen aus der Kombination von Personal- und Businessstrategie der Organisation ableiten. Dabei gilt es, die Sicht des Managements und das Kundenwissen der Mitarbeitenden zusammenzuführen. Erst diese kombinierte Sicht ergibt ein stimmiges Bild. Die Kombination aus Unternehmensstrategie und dem Wissen der Mitarbeitenden hilft zudem, das Unternehmen langfristig attraktiv für Menschen zu machen, die an den Herausforderungen der Zukunft arbeiten möchten. Menschen arbeiten an ihrer Employability, das Unternehmen an seiner Employer Value Proposition.

Markt und Organisation in Übereinstimmung bringen

Ein Bild beschreibt das gut: Die Organisation mit ihren Menschen steht auf einer dynamischen Fläche, dem Markt. Sie braucht gute Sensoren, um zu merken, dass der Markt unter ihr sich bewegt, und wohin er sich bewegt. Gelingt das nicht, stehen alle auf einmal außerhalb des Marktes. Die Menschen mit ihrem Wissen über Kunden und Märkte verbinden das Unternehmen und den Markt. Das Unternehmen braucht Strukturen, die es möglich machen, dieses Wissen der Mitarbeitenden zu nutzen und die Marktbewegung mitzugehen. Diese Bewegung umfasst sowohl die Organisationsstruktur, als auch die Fähigkeiten, Skills und Kompetenzen der Mitarbeitenden sowie das Wissen, das sich in Produkten, Services und Leistungen abbildet.

Die entscheidende Frage für die Personalentwicklung lautet: Wie übersetzen wir das in eine Organisation? Wie entwickeln wir Kompetenzen im Zusammenspiel mit Strukturen, Technologie und den sich wandelnden Anforderungen? Diese Frage zu beantworten, ist die Aufgabe der Personalentwicklung. Allerdings kann sie diese Aufgabe heute (noch) nicht erfolgreich angehen, weil in den allermeisten Fällen HR und Personalentwicklung vom Business abgekoppelt sind. Es findet zu wenig Austausch statt oder das Standing der Personalentwicklung ist zu schwach. Zu oft stimmen die Wahrnehmung der Veränderungen "draußen" und die Maßnahmen "drinnen" nicht überein.

Personalentwicklung geht über "Personalentwicklung" hinaus

Personalentwicklung ist keine Unternehmensabteilung, Personalentwicklung ist eine Aufgabe. Eine Aufgabe, die über den "Personalentwicklung" genannten Bereich von HR weit hinaus reicht. Personalentwicklung ist etwas, das Führungskräfte und Mitarbeitende auch eigenverantwortlich mitgestalten und wahrnehmen müssen. Der Funktionsbereich Personalentwicklung muss sicherstellen, dass es entsprechende Mechanismen, Systematiken und Systeme gibt. Die Personalentwicklung ist verantwortlich dafür, dass Lerninhalte zur Verfügung stehen. Und die Personalentwicklung muss an einer Unternehmenskultur arbeiten, die arbeitsnahes Lernen, Wissensaustausch und selbstbestimmte Entwicklung überhaupt möglich macht.

So verstanden, bleibt die Personalentwicklung der Zukunft eine zentrale Funktion im Unternehmen. Sonst droht Wildwuchs, der verhindert, die Menschen über die Grenzen der Einheiten innerhalb einer Organisation hinweg zu entwickeln. Ein Unternehmen benötigt stringente, einheitliche Standards der Weiterbildung, die überall gelten – wenn man so will: Vereinheitlichung. Das entbindet jedoch die Führungskräfte und HR vor Ort nicht davon, in einem gewissen Rahmen selbst kreativ zu sein und Dinge zu entwickeln.

 

Quelle: haufe.de

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