Durch den demografischen Wandel steigt die Zahl älterer Beschäftigter. Im letzten Beitrag haben wir deren Erwartungen und Wünsche vorgestellt. Lesen Sie nun unsere zugehörigen Praxistipps!
Bye, bye GenZ, welcome Boomer! Im letzten Faktor A-Beitrag zum Thema "Best Ager am Arbeitsmarkt" haben wir gezeigt, warum die Alten im Kommen sind und den Arbeitsmarkt der Zukunft mitbestimmen werden. Wir haben gezeigt, wie und warum sich der demografische Wandel immer deutlicher in den Belegschaften deutscher Unternehmen abzeichnet. Ebenso, dass Arbeitgeber nicht nur auf die jüngeren Generationen Y und Z schauen, sondern auch die Erwartungen und Bedürfnisse der Generation 50plus kennen und berücksichtigen sollten. Obwohl viele Betriebe bereits darauf achten, junge Talente anzulocken und ihnen attraktive Karriereperspektiven zu verschaffen, bleiben Maßnahmen zum Erhalt älterer Mitarbeitender (noch zu) häufig auf der Strecke. Also höchste Zeit zum Handeln!
15 Tipps für Arbeitgeber, mit denen Sie Ihre Beschäftigten fit fürs Alter machen
Sie wollen wissen, wie Sie Ihr Unternehmen demografiefester machen können? Dazu haben wir für Sie eine kleine Frischzellenkur zum Thema „Best Ager“ zusammengestellt. Im Folgenden finden Sie kompakte Tipps aus den Bereichen Kultur und Führung, Flexibilität, Weiterbildung und Gesundheit, mit denen Sie Best Ager (und die, die es noch werden) bestmöglich ansprechen, motivieren und binden.
Ein Hoch auf die generationengerechte Kultur und Führung
Betriebe, die den demografischen Wandel gut bewältigen wollen, stellen das Wohlbefinden und die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden auf die gleiche Stufe wie den wirtschaftlichen Erfolg oder die Zufriedenheit ihrer Kundschaft. Moderne Führungsstrukturen und eine demografiefeste Personalpolitik bilden hier die Basis.
Tipp 1: Wertschätzung und Kommunikation
Alter ist kein Makel und bringt durchaus wertvolle Kompetenzen mit sich. Führungskräfte, die dem eigenen Alterungsprozess gelassen entgegensehen, treten gegenüber älteren Mitarbeitenden offen auf und erkennen deren Potenzial besser. Eine vertrauensvolle Kommunikation ermöglicht hier den Zugang zu Älteren und hilft, Probleme oder Überforderungen schnell offenzulegen. Speziell bei der Einführung von Maßnahmen zur Bindung älterer Beschäftigter sollten Sie stets auch die Jüngeren mit einbeziehen. Denn Akzeptanz wird erst dann geschaffen, wenn für alle ein klarer Nutzen vorhanden ist und sich alle aktiv beteiligen können. Sonst erscheinen Angebote schnell unfair oder diskriminierend. Zudem müssen Best Ager die Option erhalten, ihre Erfahrung und ihr Wissen einfließen zu lassen. So entsteht bestenfalls ein Generationenzusammenhalt, von dem beide Seiten und Ihr Betrieb nur profitieren können.
Tipp 2: Zusammenarbeit
Flache Hierarchien, bei denen sich Vorgesetzte in die einzelnen Teams einbringen, erlauben eine bessere Beurteilung der Stärken und Schwächen der einzelnen Mitarbeitenden. Oberstes Gebot für Jung und Alt im Betrieb sollte auch die gegenseitige Toleranz, Fürsorge und der Respekt füreinander sein. Die Alten lernen etwa von den IT-affinen Jungen, diese umgekehrt von ihnen den Umgang mit Kundschaft und Kollegenkreis. Intergenerative Team- und Projektstrukturen fördern hier die interdisziplinäre und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zwischen Alt und Jung.
Tipp 3: Altersgerechte Arbeitsplanung und Förderung
Ältere Mitarbeitende benötigen zum Teil Veränderungen in ihrem Aufgabenbereich, um weiter produktiv zu sein. Führungskräfte müssen die Entwicklungen erkennen und fähig sein, auch die zukünftigen Arbeits- und Einsatzmöglichkeiten abzuschätzen und im Voraus zu planen. Genauso sollten Führungskräfte die Beschäftigten entsprechend ihrer Talente und Leistungsfähigkeit altersgerecht fördern und über die Generationen hinaus fordern.
Tipp 4: Diverse Recruiting-Strategie
Personalverantwortliche haben oftmals eher die Jungen im Blick. Machen Sie sich die hohe Bereitschaft zum Jobhopping der Generation Ü50 zunutze! Lassen Sie kein Kandidaten-Potenzial links liegen, sondern rücken Sie gezielt auch Ältere in den Fokus Ihrer Rekrutierungsmaßnahmen.
Tipp 5: Altersstruktur- und Qualifikationsbedarfsanalyse
Als Arbeitgeber sollten Sie Ihren Personalstamm regelmäßig einer Analyse unterziehen. So erfahren Sie, wie er sich in der Zukunft entwickelt und wann in welchen Abteilungen Mitarbeitende in Rente gehen. Sie erkennen besser, welche Qualifikationen vorhanden sind und künftig im Betrieb benötigt werden. Genauso finden Sie heraus, welche Qualifikationen Sie inhouse mit dem eigenen Mitarbeitenden-Potenzial entwickeln können und müssen.
Ein Hoch auf das Lernen
Leider kommt die Fort- und Weiterbildung älterer Arbeitnehmender laut Silver-Workforce-Studiebisher viel zu kurz. Je weniger das Alter dabei thematisiert wird, desto zielführender. Denn nur selten ist es sinnvoll, Angebote nicht an alle, sondern nur an Ältere zu richten. Das kann bei Tablet-Schulungen oder bei Weiterbildungen mit schwerer körperlicher Arbeit zutreffen. Vielmehr sollte lebenslanges Lernen fester Bestandteil Ihrer Unternehmenskultur sein.
Tipp 6: Re- und Upskilling
Schaffen Sie altersgerechte Angebote, die es Best Agern ermöglichen, ihre Kenntnisse kontinuierlich aufzufrischen und sich weiterzuentwickeln. Bei neuen Tätigkeiten und Arbeitsmitteln sollten sie eine ausreichende Einweisung, Einarbeitung und/oder Fortbildung erhalten. So reduzieren Sie Belastungen und fördern das Commitment.
Tipp 7: Job Enlargement, Job Enrichment und Job Rotation
Entwicklungs- und Aufstiegsperspektiven tragen dazu bei, dass sich Ältere weiter engagieren und stetig weiterbilden. Karriere-upleveln muss auch im Alter selbstverständlich sein! Ein Ansatz: die Erweiterung der Aufgaben mit gleichem oder höherem Anforderungsniveau. Oder schaffen Sie Abwechslung! Das geht mit Instrumenten wie dem Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen. So können ältere Beschäftigte nicht nur potenzielle altersgerechte Alternativen bestimmen, sondern bleiben fitter und erfüllter.
Tipp 8: Betriebsinterne Praktika bis Neuorientierung
Auch darüber lässt sich prima herausfinden, ob im Alter eventuell andere interne Tätigkeiten in anderen Arbeitsbereichen infragekommen. Wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt, bieten sich Umschulungen oder Umsetzungen auf andere Stellen im Betrieb mit weniger oder gar keinen körperlich anstrengenden Tätigkeiten an.
Tipp 9: Coaching-, Mentoring-, Paten- und Tandemsysteme
Über frühzeitige Programme können Sie den Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Beschäftigten fördern. Über Alumni-Netzwerke lassen sich Ältere bei Bedarf für einen temporären Wiedereinstieg gezielt ansprechen und gewinnen.
Tipp 10: Benefits
Auch Best Ager fragen sich, was sie konkret von einer späten Weiterbildung haben. Ein höheres Gehalt, Zusatzleistungen, mehr Durchblick bei internen Vorgängen oder die Aussicht auf neue interessante Projekte können hier bei der Motivationsfindung ebenso helfen wie die Übernahme der Kosten für die Weiterbildung.
Ein Hoch auf die Flexibilität
Das Klischee, dass ältere Beschäftigte unflexibel sind, ist so nicht haltbar. Als Arbeitgeber sollten Sie hier unbedingt die passenden Rahmenbedingen auch fürs Alter schaffen.
Tipp 11: Flexible Arbeitszeiten und -orte
Auch im höheren Alter bleibt Flexibilität wichtig. Das gilt zugleich für Remote Work, Homeoffice und hybrides Arbeiten. Denn auch als Oma oder Opa stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie der Pflege Angehöriger oder Betreuung der Enkelkinder. Mehr Zeit für die Familie bei einem gesicherten Einkommen kann die Motivation älterer Beschäftigter erhöhen, Ihrem Betrieb länger treu zu bleiben. Denkbar sind auch Teilzeitstellen bis hin zu ganz flexiblen Lösungen.
Tipp 12: Individuelle Freiräume
Ältere sollten Schichtarbeit reduzieren oder davon ausgenommen werden. Geben Sie Ihnen die Freiheit, die Arbeitsbelastung und das Aufgabenspektrum an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. So vermeiden Sie Überlastung und Unzufriedenheit. Für Menschen in körperlich anspruchsvollen Berufen und mit gesundheitlichen Einschränkungen sollten passgenaue Lösungen gesucht werden. Aufgaben mit Wahl- und Entscheidungsoptionen bieten weiteres Potenzial, wie bei der aktiven Mitgestaltung von Dienstplänen oder aktiven Pausen. Bestenfalls sollten flexible Pausenregelungen her, mit denen Ältere lange und gesund fahren. Individuelle und Gruppencoachings können dabei helfen, das persönliche Zeit- und Zielmanagement gesundheitsschonend zu steuern. Das kann langfristig psychische Belastungen reduzieren, die im Alter zunehmen.
Ein Hoch auf die Gesundheit
Dass die Generation 50plus lange fit bleibt und länger arbeitet – das geht nur, wenn die Gesundheit im Alter mitmacht. Die Lösung: Betriebliche Gesundheitsförderung – und das für alle so früh wie möglich! Denn die Arbeitsgestaltung hat enormen Einfluss auf die körperliche und geistige Gesundheit. Beschwerden am Bewegungsapparat (wie Rückenschmerzen) und psychische Probleme (wie Burn-out) zählen zu den häufigsten Ursachen für eine Arbeitsunfähigkeit. Für eine lange Beschäftigungsfähigkeit braucht es daher präventive Maßnahmen und eine umfassende individuelle Analyse.
Tipp 13: Arbeitsplatzanalysen und Befragungen
Überforderung wie Unterforderung sind gesundheitlich belastend. Führen Sie deshalb regelmäßige Befragungen und Arbeitsplatzanalysen durch, um etwaige Belastungen zu ermitteln und zu reduzieren. Prüfen Sie zudem die Erwerbsbiografien Ihrer Beschäftigten frühzeitig auf besondere Belastungen hin, um altersbedingten Leistungseinbußen vorzubeugen. Der Arbeitsfähigkeitsindex zeigt Ihnen, wie jemand persönlich seine aktuelle und zukünftige Arbeitsfähigkeit einschätzt, inklusive Leistungsgrenzen, Leistungsreserven und individueller Belastbarkeit. Als Arbeitgeber können Sie damit die Arbeitsfähigkeit gezielt unterstützen, optimieren und besser auf die individuellen Stärken und Schwächen eingehen.
Tipp 14: Gesundheitsprogramme und Rehabilitation
Um Ihre Belegschaft zu einem gesunden Arbeits- und Lebensstil zu bewegen, sollten Sie am individuellen Verhalten ansetzen. Sensibilisieren Sie über Schulungen, Unterweisungen, Fitnesskurse, Gesundheitsworkshops oder Gruppenarbeiten. Etablieren Sie ein betriebliches Gesundheitsmanagement, das eine regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung samt Stressmanagement fördert. Sinnvoll sind auch Maßnahmen zur Entspannung und Suchtprävention. Regelmäßige Check-ups über einen Ärztlichen Dienst und betriebliche Sportangebote tragen weiter zur Stressreduktion bei, da sie Platz für andere Verpflichtungen und Hobbies in der Freizeit schaffen. Sofern Ihre älteren Beschäftigten über Smartphones oder PC verfügen, können Sie ergänzend digitale Lösungen bereitstellen.
Sind gesundheitliche Beeinträchtigungen einmal da, müssen Rehabilitationsbedarfe frühestmöglich erkannt werden. Nur so kann einer Erwerbsminderung oder Frühverrentung entgegengewirkt werden. Ein Wiedereinstieg gelingt nämlich aktuell nur bei 12 Prozent, oft nur in Minijobs. Verweisen Sie Betroffene frühzeitig auf Beratungs- und Förderangebote, wie das der Bundesagentur für Arbeit, und nehmen Sie Kontakt zu unserem Arbeitgeber-Service auf, um gesundheitlich beeinträchtigte Personen (weiter) zu beschäftigen: über Zuschüsse für technische Arbeitshilfen, für Umschulung, Aus- und Weiterbildung und technische Anpassungen am Arbeitsplatz. Weiter gibt es Förderungen für Langzeitarbeitslose und Eingliederungszuschüsse.
Tipp 15: Ideale Arbeitsbedingungen
Schon kleine Änderungen erhalten und steigern die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden Ihrer älteren Beschäftigten.
Ergonomie: Viel Sitzen oder Überlastung in körperlich anstrengenden Berufen, rächen sich früher oder später: Beugen Sie vor, indem Sie den Arbeitsplatz so ergonomisch wie möglich einrichten. Dazu gehört u.a. die richtige Sitzhöhe, aber auch die Möglichkeit zur regelmäßigen Bewegung. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch für das Arbeiten im Stehen, aktive Pausen oder Besprechungen im Stehen bieten sich ebenso an.
Licht: Eine stärkere Beleuchtung und eine blendfreie und schattenarme Ausleuchtung des Arbeitsplatzes verbessern die Sicht älterer Arbeitnehmender.
Raumklima: Eine eher warme, Arbeitsumgebung mit einer angemessen hohen Luftfeuchtigkeit verbessert das Wohlbefinden und die Arbeitsleistung.
Lärm: Lärm belastet uns alle. Jüngere können das häufig nur besser kompensieren. Von einer ruhigen Umgebung profitiert jedoch die gesamte Belegschaft.
Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung: Um Gefahrenquellen und ungünstige Belastungen für alterstypische Beschwerden sicher zu identifizieren, ist diese unentbehrlich.
Fazit
Trotz Überalterung sind ältere Arbeitnehmende eine wertvolle Ressource. Es liegt an Ihnen, das Potenzial zu erkennen, zu fördern und auszuschöpfen, indem Sie ein inklusives wie nachhaltiges Arbeitsumfeld schaffen. Ein Generationen-Management, bei dem die Schwächen Älterer ausgeglichen und ihre Qualitäten voll zum Tragen kommen, ist das Gebot der Stunde. Stellen Sie daher noch heute die Weichen für morgen.
Denn, wer hier schläft, läuft Gefahr, bald selbst alt auszusehen!
Zur Autorin
Katrin Feuerstein - Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin