02 Juli 2021

Homeoffice und Mobiles Arbeiten: Worauf sich Arbeitgeber langfristig einstellen sollten

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Die Konstanzer Homeoffice Studie von Professor Dr. Florian Kunze

Homeoffice und Mobiles Arbeiten: Worauf sich Arbeitgeber langfristig einstellen sollten

Die Coranakrise führt aktuell zu einer massiven Transformation der Arbeitssituation von Millionen Beschäftigten in Deutschland, die Büro- oder Wissenstätigkeiten nachgehen. Zu Beginn des ersten Lockdowns im März und April 2020 wurden plötzlich Millionen von Beschäftigten angewiesen mobil von zu Hause zu arbeiten. Repräsentative Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen, dass durch die Krise die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland im Homeoffice von 12 Prozent auf 33 Prozent gestiegen ist.

Generell besteht laut dem IFO Institut sogar ein Potenzial von fast 56 Prozent der Jobs in Deutschland, die im Homeoffice ausgeführt werden können.

Die Frage für Unternehmen und Beschäftigte ist über die aktuelle Pandemielage hinaus ist, wie nachhaltig diese Transformation der Arbeitswelt durch die Coronapandemie sein wird.

Wird es eine Veränderung der Arbeitssituation hin zu mehr Flexibilität und Mobilität geben die längerfristig anhält oder werden die meisten Beschäftigten nach dem Ende der Corona Lage wieder ins Büro zurückkehren? Erleben wir durch die Coronapandemie eine Veränderung hin zu mehr „New Work“, d.h. zu flexibleren Arbeitsarrangements, mit der Präsenzpflicht im Büro, nicht mehr als alleinigen Standard, wie bisher?

Die Konstanzer Homeoffice Studie

Aktuell führe ich mit meinem Forschungsteam an der Universität Konstanz die Konstanzer Homeoffice Studie durch, in der wir 700 Erwerbstätige befragen, die aktuell im Homeoffice arbeiten und die repräsentativ für die deutsche Erwerbsbevölkerung sind, um diese Fragen zu beantworten. Seit Beginn der Corona Pandemie im März 2020 haben wir die Studienteilnehmer an inzwischen 12 Befragungszeitpunkten befragt; zum letzten Mal zu Ende Januar 2021.

Basierend auf den ersten Studienergebnissen würde ich die These aufstellen, dass die coranabedingten Veränderungen der Arbeitswelt sehr nachhaltig sein werden. Was wir in der Studie sehen, ist, dass eine große Mehrheit der Befragten sehr zufrieden mit der neuen Arbeitssituation ist und ein hohes Engagement und Produktivität berichtet. Zusätzlich wird insbesondere auch die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, als besonders positiv während der Homeoffice Tätigkeit eingeschätzt.

Auch wenn das Arbeiten von zu Hause, durchaus auch Schattenseiten hat, wie eine soziale Isolierung und eine mögliche emotionale Erschöpfung, wenn man es nicht schafft seinen Arbeitstag gut zu strukturieren, dürfte es vielen Unternehmen schwerfallen nach Corona das Rad wieder komplett hin zu einer vollständigen Präsenzpflicht zurückzudrehen. Die Kultur in vielen Unternehmen, die Präsenz im Büro mit Leistung gleichsetzt, dürfte durchaus beträchtlich ins Wanken kommen und auch die Argumentation von Führungskräften, dass spezifische Bürotätigkeiten grundsätzlich nicht im Homeoffice möglich sind, dürfte schwer zu halten sein.

Beschäftige wünschen sich Hybride Arbeitsformen

Allerdings sehen wir in den Daten interessanterweise über die Zeit einen Rückgang der zeitlichen Präferenzen für das Arbeiten im Homeoffice (siehe Abbildung 1). Während zu dem Befragungszeitpunkt im Mai 2020, direkt nach dem ersten Lockdown, die höchste Zustimmung bei der persönlichen Präferenz noch bei drei Tagen Homeoffice pro Woche war, ist diese im Oktober 2020 auf zwei Tage zurück gegangen. Auch wollen deutlich weniger Befragte (-5 Prozent) komplett im Homeoffice arbeiten. Diese Daten machen deutlich, dass viele Arbeitnehmende sich eine hybride Form des Arbeitens mit einer Kombination von Präsenzarbeit und mobilen Arbeiten wünschen. In anderen Fragen der Studie sehen wir, dass die Studienteilnehmenden sowohl die Vorzüge der Präsenzarbeit für den sozialen Austausch und das kreative Zusammenarbeiten mit Kollegen und Kolleginnen schätzen, als auch die Vorteile des mobilen Arbeitens, wie mehr Ruhe und fokussiertes Arbeiten sowie den Wegfall des Pendelweges wahrnehmen.

Volle Rückkehr in Präsenzarbeit reduziert Engagement und erhöht die Erschöpfung

Zusätzlich machen unsere Daten auch deutlich, dass es der absolute falsche Weg für Unternehmen ist, bei einem Abflachen der pandemischen Situation wieder alle Mitarbeitenden in die volle Präsenzarbeit zurückzuholen. In unserer Studie konnten wir in den letzte beiden Erhebungswellen im Oktober 2020 und im Januar 2021 beobachten, dass es bei denjenigen Beschäftigten, die wieder in vollständiger Präsenzarbeit sind, einen Rückgang der Produktivität um fast 12 Prozent, im Vergleich zu denjenigen gab, die weiter mobil arbeiten können (Vgl. Abbildung 2). Gleichzeitig steigt bei dieser Gruppe, die wieder in voller Präsenz arbeitet, die gefühlte psychische Belastung auch deutlich an und liegt 5 Prozentpunkte, über der Mitarbeitendengruppe, die weiterhin mobil arbeiten darf.

Diese Zahlen zeigen eindrücklich, dass durch eine Rückkehr zur Präsenzarbeit, die Gefahr besteht, dass die Leistungsfähigkeit einzelner Mitarbeiter und der ganzen Organisation leidet, und auch Stress und Belastung gesteigert werden.

Ausblick – Warum mobiles Arbeiten auch nach Corona bleiben wird

Auf Basis unserer Studienergebnissen lässt sich klar prognostizieren, dass sich mobiles Arbeiten auch nach der Corona Krise mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer deutlich erhöhten Quote fortgesetzt werden, wird, als zuvor. Zentrale Gründe hierfür wurden auch gerade nochmals in einer Studie aus Stanford beschrieben wurden. Erstens wurden Trägheit und langjährige Widerstände in Organisationen gegen mobiles Arbeiten, durch die dynamische Veränderung durch Corona mit einem Schlag überwunden. Zweitens haben sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer:innen Investitionen in das mobile Arbeiten getätigt, zu, Beispiel in Form von IT-Infrastruktur getätigt, die Anreize für eine Fortsetzung geben. Drittens wurde das mobile Arbeiten von dem Stigma befreit, dass dies nur Teilzeitbeschäftigte oder weniger leistungsfähig Arbeitnehmer:innen machen können. Zusätzlich ist es möglich, dass Mitarbeitende auch Maßnahmen der sozialen Distanz beim Arbeiten, zum Beispiel zum Infektionsschutz während der Grippesaison weiter aufrechterhalten werden. Fünftens werden technologische Innovationen für ein effektives mobiles Arbeiten weiter zunehmen. So hat sich bis zum Juni 2020 schon die Zahl der Patente, die explizit das Wort Homeoffice erwähnen in den USA im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Schließlich dürfte mobiles Arbeiten auch ein zentraler Faktor für die Arbeitgeberattraktivität werden, der besonders von jungen auf dem Arbeitsmarkt begehrten Beweber:innen stark nachgefragt werden wird.

Über den Autor

Professor Florian Kunze leitet den Lehrstuhl für Organisational Studies und das Future of Work Lab Konstanz an der Universität Konstanz. Er ist einer der führenden wissenschaftlichen Experten zu den Themen Generationenmanagement, erfolgreiche Führung, Personalmanagement, Digitalisierung in der Arbeitswelt und erfolgreiches Arbeiten im Homeoffice sowie mobiles Arbeiten. Zuvor hat er an renommierten internationalen Universitäten wie der Universität St. Gallen und der University of California Los Angeles (UCLA) geforscht und gelehrt. Er hat mehr als 70 Publikationen veröffentlicht. Diese wurden wiederholt in renommierten Medien wie der Wirtschaftswoche, dem Economist, der Financial Times, Forbes und dem Wall Street Journal aufgegriffen. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit berät Professor Florian Kunze regelmäßig Firmen (von KMUs bis zu Dax Konzernen) zu effektiven Ansätzen für zukunftsorientiertes Führungsverhalten und Personalmanagement.

Quelle: ZukunftderArbeit

 

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