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25 Oktober 2019

Performance Ratings – wie aussagekräftig sie wirklich sind

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Performance Ratings – wie aussagekräftig sie wirklich sind

Leistungsbeurteilungen von Angestellten sind in fast jedem Unternehmen Praxis. Doch ihre Aussagekraft ist umstritten. Was das für darauf basierende Managemententscheidungen bedeutet.

Die Performance von Mitarbeitern zu bewerten ist für die meisten Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. Das Ziel von Performance Ratings ist es geeignete Konsequenzen abzuleiten, welche zu einer Leistungssteigerung beitragen und damit letztlich die Unternehmensperformance erhöhen. Performance Ratings dienen zudem oftmals als Grundlage für die Auszahlung von variabler Vergütung, für Beförderungen oder spezielle Programme zur Leistungssteigerung. Somit ziehen sie weitreichende Konsequenzen für die Bewerteten nach sich – positiv wie negativ. Umso wichtiger ist es, dass Performance Ratings die tatsächliche Leistung der Mitarbeiter widerspiegeln. Genau das ist jedoch häufig das Problem. Manager, Mitarbeiter und HRler sehen den aktuellen Performance Management Prozess in ihrem Unternehmen überwiegend als ineffektiv oder nicht akkurat genug an.

Beurteilungsfehler schmälern die Validität von Performance Ratings

Auch die Wissenschaft kritisiert die Validität von „klassischen“ Performance Ratings, bei denen die Bewertung lediglich auf einer einzelnen Einschätzung (meist des Managers) basiert. Der Grund liegt unter anderen in individuellen, verzerrten Bewertungsmustern der Bewertenden. Beispielsweise tendieren manche Manager dazu, all ihre Mitarbeiter eher streng oder eher milde zu beurteilen. Bei strengen Bewertern fließen schon geringe Mängel stark in die Beurteilung ein und gute Leistungen werden kaum gewichtet (Strengefehler), wodurch insbesondere leistungsstarke Mitarbeiter bestraft werden. Bei einer zu milden Bewertung erhält jeder Mitarbeiter unabhängig von der tatsächlichen Leistung eine gute Bewertung (Mildefehler). Dies führt wiederum zu einer Benachteiligung der Leistungsträger, da sich deren Performance nicht ausreichend von der Performance leistungsschwächerer Mitarbeiter differenzieren lässt. Im Gegensatz dazu scheuen sich manche Bewerter davor Extremurteile abzugeben, da diese meist mit schwerwiegenderen Konsequenzen verbunden sind als mittlere Urteile. Deshalb neigen sie dazu, alle Mitarbeiter relativ neutral zu bewerten (Tendenz zur Mitte).

Ein weiteres Problem stellt der zugrundeliegende Beurteilungszeitraum der Performance dar. Idealerweise sollten Performancebeurteilungen auf Daten basieren, die über einen längeren Zeitraum erhoben wurden. Leider passiert es häufig, dass Manager kürzlich vergangene Performance stärker gewichten als länger zurückliegende Performance, da ihnen diese präsenter ist. Man spricht hier vom Recency-Effekt. Werden nicht alle leistungsrelevanten Verhaltensweisen in die Performancebewertung eines Mitarbeiters einbezogen, können verzerrte Ratingergebnisse die Folge sein.

Wie stark Performance Ratings durch individuelle Bewertungstendenzen beeinflusst werden, wurde unter anderem von Scullen, Mount und Goff (2000) in einer groß angelegten Studie untersucht. Knapp 4.500 Manager wurden auf bestimmten Performance Dimensionen von zwei Vorgesetzten, zwei Kollegen und zwei Mitarbeitern bewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bewertungen zu einem großen Teil auf individuelle Unterschiede in der Wahrnehmung der Bewerter zurückzuführen sind. Die eigentliche Performance hingegen beeinflusst die Ratings kaum. Somit scheinen Performance Ratings nicht die tatsächliche Performance des Bewerteten zu messen, sondern bilden vielmehr die individuellen Rating Tendenzen des Bewertenden ab.

Die Anwendung von 360° Feedback kann die Aussagekraft von Performance Ratings steigern

Als Konsequenz haben einige Unternehmen klassische Performance Ratings abgeschafft und stattdessen neue Systeme eingeführt. Ein Ansatzpunkt ist es herkömmliche Rating Kategorien abzuschaffen, um Rating Tendenzen entgegenzuwirken. Anstatt die Teamleiter nach den Fähigkeiten ihrer Teammitglieder zu fragen, sollen sie nun die eigenen Intentionen in Bezug auf die Personen einschätzen. Diese weisen im Gegensatz zur Bewertung von Fähigkeiten eine deutlich höhere Konsistenz auf. Eine zu bewertende Aussage im Performance Review kann beispielsweise lauten: Ich möchte sie/ihn in meinem Team haben, weil andere Kollegen gerne mit ihr/ihm zusammenarbeiten.

Netflix setzt seit der Abschaffung von formalen Reviews auf informelles „360° Feedback“. Bei einem 360° Feedback werden grundsätzlich verschiedene Ressourcen zur Leistungsbewertung herangezogen, welche beispielsweise die bewertete Person selbst, Manager, (Team)Kollegen und Mitarbeiter einbeziehen. Die verschiedenen Meinungen sollen differenzierte und vielseitige Eindrücke über den Bewerteten ermöglichen. Während bei Netflix zunächst ein anonymes Softwaresystem verwendet wurde, erfolgte im Laufe der Zeit ein Wechsel zu unterschriebenem Feedback, wobei auch viele Teams ihr 360° Feedback face-to-face abhalten. Auch die Forschung bestätigt, dass 360° Feedback die Performance der Mitarbeiter steigern und zu einer Verhaltensänderung führen kann (Hazucha, Hezlett, & Schneider, 1993; Atwater, Rousch, & Fischtal, 1995; Smither et al., 1995).

Fazit

Klassische Performance Ratings stehen in der Kritik, da sie häufig nur auf einer einzelnen und häufig verzerrten Bewertung basieren. Da Performance Ratings einen großen Einfluss auf die variable Vergütung, Beförderungen oder Kündigungen besitzen, sollten sie auch die tatsächliche Leistung des Mitarbeiters abbilden. Um die Validität von Performance Ratings zu erhöhen, nutzen Unternehmen verschiedene Lösungsansätze. Neben einer Anpassung der Bewertungsfragen ist auch 360° Feedback eine sinnvolle Möglichkeit, um aussagekräftige Performance Bewertungen zu erhalten. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn das 360° Feedback mit der Vergütung verknüpft wird. Ausschlaggebend für den Bonus ist dann auch die Bewertung der eigenen Kollegen, was die Gültigkeit der Performance Bewertung beeinflussen kann.

Über den Autor

Leon Jacob berät Unternehmen bei der Entwicklung von modernen und zweckmäßigen Lösungen im HR Management. Mit umfassender Projekterfahrung in den Bereichen Vergütungs-und Talent-Management zählt er zu den führenden Experten für die Entwicklung integrierter HR-Lösungen entlang des gesamten Mitarbeiterlebenszyklus. Er ist Co-Autor des Buches „Die Kunst Talente talentgerecht zu entwickeln“, einer Studie für wertebasiertes und selbstgesteuertes Talent Management.

Literatur:

  • Atwater, L.E., Roush, P., & Fischthal, A. (1995). The influence of upward feedback on self and follower ratings of leadership.
  • Hazucha, J.F., Hezlett, S.A., & Scheinder, R.J. (1993). The impact of 360-degree feedback on management skills development.
  • Scullen, S. E., Mount, M. K. & Goff, M. (2000). Understanding the latent structure of job performance ratings.
  • Smither, J.W., London, M., Vasilopoulos, N.L., Reilly, R.R., Millsap, R.E., & Salvemini, N. (1995a). An examination of the effects of an upward feedback program over time.

Quelle: Human Ressource Manager

18 Oktober 2019

Agile Performance Reviews – wie funktioniert das?

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Agile Performance Reviews – wie funktioniert das?

Subjektiv, unflexibel, zweifelhafter Nutzen: Performance Reviews sind ungeliebte Tradition in vielen Unternehmen. Wie es anders geht, erfahren Sie hier.

In Deutschland sind verschiedene Formate unter dem Begriff der „Performance Reviews“ im Einsatz: Leistungs- und Potenzialbeurteilungen, Mitarbeitergespräche sowie Rückmeldungen zum Status beziehungsweise zu den Ergebnissen von Zielsetzungen. Fast immer finden sie einmal im Jahr statt, haben verpflichtenden Charakter und sind im „Top-Down-Modus“ angelegt. Eine Rückmeldung der Mitarbeiter an die Führungskraft ist bisher selten vorgesehen. In gut zwei von drei Unternehmen gibt es diese Ansätze, die Verbreitung steigt mit der Größe der Unternehmen.

Warum Sie Ihre Reviews unter die Lupe nehmen sollten

Es gibt viele Gründe, warum diese Modelle weiterentwickelt werden sollten:

  • Der jährliche Austausch über Performance, Qualifizierungsbedarf und Potenzial steht oft nicht mehr im Einklang mit der Dynamik im Geschäft.
  • In der Praxis basieren die Ansätze oft auf veralteten Kompetenzmodellen und blicken damit in die Vergangenheit statt auf zukünftige Anforderungen.
  • Die Beurteilung an festen, in der Regel für ein Unternehmen einheitlichen Set von Kompetenzen, ist zu starr, wird der Führungsvielfalt im Unternehmen nicht gerecht und schränkt Führungskräfte zu sehr ein. Dies gilt insbesondere, wenn Sie zusätzlich noch Verteilungsvorgaben oder Abstimmungsrunden für die individuellen Ergebnisse machen.
  • Die Ansätze fördern „Einzelkämpfer“, immer mehr Unternehmen setzen aber auf die Entwicklung der Teamkultur.
  • Der Jahresturnus überfordert Führungskräfte in der objektiven Beurteilung von Leistung und Potenzial. Hinzu kommen Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie, dass unser Gehirn gerade in Beurteilungsfragen sehr subjektiv ist und bei der Analyse fast nur kurzfristige und leicht verfügbare Daten und Eindrücke verarbeitet (und nicht die komplette Leistung im betrachteten Jahr).
  • Führungskräfte sehen wenig Nutzen bei hohem Aufwand. Mitarbeiter wiederum wünschen sich häufiges Feedback und fühlen sich in den Schulnotenmodellen der Leistungsbeurteilung oft ungerecht behandelt.
  • Die Feedback-Kultur wird nicht wirklich entwickelt, dafür finden die Gespräche zu selten statt.
  • Die aktuelle Praxis legt keinen Fokus auf zeitnahe und kontinuierliche Verbesserung, eine positive Kosten-Nutzenrechnung ist fraglich und basiert auf einem überholten Führungs- und Organisationsmodell (Top-Down, One-Size-Fits-All).

Dreiteiliges Gesprächsformat als erfolgversprechende Alternative

Positive Ergebnisse verspricht ein Grundgerüst eines dreiteiligen Gesprächsformats zwischen Mitarbeitern und Führungskraft:

1. Erwartungen

Hierbei werden kurzfristige To-Do´s, wichtige Meilensteine und kurzfristige Ziele besprochen (ohne formale Zielvereinbarung). Die Führungskraft erläutert den Beitrag des Mitarbeiters für das Team und die Strategie des Unternehmens. Festgelegt wird, wie die Führungskraft den Mitarbeiter und das Team in den Punkten optimal unterstützen kann.

2. Feedback

Aus meiner Sicht sollte Feedback immer wechselseitig, konstruktiv und auf Augenhöhe sein. Ich empfehle ein Format, bei dem nicht Feedback gegeben, sondern erbeten wird. Konkret tauschen die Gesprächspartner im Vorfeld des Termins die Punkte aus, zu denen der Feedbacknehmer vom Gegenüber eine Rückmeldung haben möchte. Ideal ist es, wenn man sich bei der Vorbereitung des Gesprächs zudem überlegt, wie der Gesprächspartner auf die adressierten Themen reagieren könnte. Der Vorteil dieses Modells ist, dass man Klarheit über die Themen hat. Denn Ungewissheit über Inhalte und Art des Feedbacks führt dazu, dass beide Gesprächspartner Vorbehalte oder sogar Angst vor Feedback haben. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen den hier geschilderten Ansatz als weniger angstbelegt. In der Praxis hat sich gezeigt, dass dann sogar eher die Themen besprochen werden, die für das Team und das Unternehmen wirklich wichtig sind.

3. Entwicklung

In dieser Rubrik werden aktuelle Qualifizierungs- und Trainingsnotwendigkeiten besprochen sowie mögliche Entwicklungsschritte des Mitarbeiters. Die Rolle von Führungskräften ändert sich in Richtung „Lerncoach“. Als Lerncoach bespricht die Führungskraft mit dem Mitarbeiter, wie erfolgreich eine Qualifizierung gewesen ist, sorgt durch Nachfrage auch dafür, dass Lernfortschritte erzielt werden. Daneben beurteilt sie insbesondere die Fortschritte bei den Soft Skills, die erfolgskritisch in den anstehenden Veränderungen für das Unternehmen sind (wie Veränderungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Teilen von Wissen, kommunikative Kompetenz, unternehmerisches Denken, Kundenorientierung…).

Neue Rollen von Führungskräften in agilen Unternehmen

Ihr neues Modell sollten Sie verpflichtend einführen, da gerade die Themen Feedback und Lerncoach sich erst über das regelmäßige Anwenden und Üben entwickeln. Es sollte in der oben beschriebenen Dreiteilung mindestens einmal im Quartal stattfinden. In dynamischen Unternehmen macht es aber auch Sinn, Erwartungen und Feedback isoliert öfter zum Thema zu machen. Gute Erfahrungen habe ich damit gemacht, einen Reformansatz erst in einem Pilotbereich zu etablieren.

Der Lerncoach ist eine neue Rolle für Führungskräfte und entspricht den veränderten Anforderungen an Führung in digitalen und agilen Unternehmen. Er ist eine Antwort auf die Frage, wozu Führungskräfte in der digitalen Ökonomie gebraucht werden. Führungskräfte werden gegenüber den bestehenden Ansätzen insofern gestärkt, als Abstimmungsrunden oder Steuerungsvorgaben wegfallen (auch in der Schnittstelle zum Talentmanagement). Und: Durch die Ansätze des Lerncoachs und Feedbacks ist es möglich, auch in hierarchisch aufgebauten Unternehmen agile Prinzipien einzuführen.

Über den Autor

Klaus Peren hat nach langer operativer HR-Verantwortung in verschiedenen Management-Funktionen bei der Deutschen Telekom und beim Arbeitgeberdachverband BDA die HR-Strategieberatung 360Compass gegründet. 360Compass begleitet Unternehmen in Transformationsphasen, bei der Weiterentwicklung zentraler Themen wie Performance-Management, Kulturentwicklung und der Verhandlung mit Sozial-/Betriebspartnern.

Quelle: Human Ressource Manager