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04 Juni 2021

Die vernetzte Organisation

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Die vernetzte Organisation

HR und interne Kommunikation können gemeinsam Veränderungen im Unternehmen vorantreiben. Damit die Vernetzung funktioniert, kommt es neben Know-how vor allem auf das richtige Mindset an.

Der Begriff Vernetzung klingt zunächst einmal eindeutig. Für Unternehmen ist er heute ein Muss, um erfolgreich zu sein. Aber dahinter verbergen sich auch Herausforderungen und Geburtsschmerzen – für sich selbst, das Team und die anderen Abteilungsmitglieder. Vernetzung zu erreichen, setzt den Schritt in unbekanntes Terrain voraus. Das erfordert Mut, Zuversicht und mentale Beweglichkeit. Geht es dabei um fachliche Kompetenz? Oder aber auch um mehr Klarheit und Konsequenz? Alles ist miteinander verbunden, Hierarchien lösen sich auf, Mitarbeitende partizipieren und gestalten mit. Dabei können HR und interne Kommunikation als gemeinsame Pioniere gelten. Sie werden zu Treibern und Vorbildern einer neuen Arbeitsform und Arbeitswelt. Beide Fachbereiche können sich als Akteure im Unternehmen zukunftsweisend positionieren.

Für vernetzte Arbeitswelten braucht es neue Kompetenzen. Das war schon vor der Corona-Pandemie für Unternehmen ein viel diskutiertes Thema. Es steht aufgrund der aktuellen Herausforderungen der digitalen Kommunikation und Kollaboration im New-Normal-Arbeitsalltag nun ganz oben auf der Agenda. Auch wenn die Arbeit dank Digitalisierung von jedem Ort aus möglich ist, fällt der effiziente Umgang, besonders hinsichtlich Zusammenarbeit und Führung, oftmals schwer. Im Kern steckt die Herausforderung darin, dass Führungskräfte sich als Teil eines Netzwerks in einer neuen Rolle erleben. Führung ist immer weniger eine hierarchische Position und fordert zunehmend mehr dynamische Leadership-Kompetenzen, die weit über das Management von Hierarchiestrukturen hinausgehen. Führungsexzellenz entsteht über Sozialkompetenz und es braucht weitaus mehr als Tool-Know-how, um den Anforderungen erfolgreich zu begegnen. Zudem zeigt sich deutlich, dass die starke Flexibilisierung der Arbeit vermehrt Selbstführung von uns allen fordert.

Es stellt sich die Frage: Wer kann diesen Weg der neuen Kompetenzen gestalten? Es handelt sich dabei um keinen klassischen Change. Vielmehr geht es um eine grundlegende Erneuerung von Kooperation und Kollaboration, bei der kaum etablierte Standards, Praktiken und Key Performance Indicators greifen. Ein Denken in Abteilungen und Zuständigkeiten, besonders seitens HR und interne Kommunikation, sind hier nicht zielführend. Um die neuen Formen der Kommunikation, Zusammenarbeit und Führung zu entwickeln, braucht es die strategische Entscheidung seitens der Unternehmensführung, HR und interne Kommunikation als vernetzte Einheit zu etablieren. So können beide Orientierung geben, als verlässliche Vorbilder Vertrauen schaffen und kontinuierliche Schritte ganzheitlicher Kompetenzentwicklung anbieten. Dafür ist es wichtig, die Rollen und die Zusammenarbeit von HR und interne Kommunikation weiterzuentwickeln.

Soft Skills als Faktor der Transformation

Viele Unternehmen konzentrieren sich bei der Transformation von Kommunikation und Zusammenarbeit besonders auf strukturelle Fragestellungen und Anwendungskompetenzen. Der Fokus liegt dann auf neuen Abläufen und Techniken – Hierarchieebenen werden gestrichen, digitale Kommunikationsumgebungen geschaffen, Projekte agiler aufgesetzt. Dies stärkt vielleicht die Strukturen in der Organisation, aber befähigt nicht unbedingt die Personen, die darin arbeiten. Mitarbeitende benötigen aber unbedingt persönliche Begleitung für die neuen Anforderungen hinsichtlich der strukturellen Veränderung. Unterschiedliche Studien weisen immer wieder darauf hin, dass Soft Skills in diesem Zusammenhang eine hohe Relevanz haben. Die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen, die Fähigkeit zum Umgang mit Komplexität und Risiken, Lernbereitschaft, Selbstmanagement, soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit sind Bereiche, bei denen Entwicklungsbedarf besteht.

Voraussetzungen in der Organisation

In Zukunft heißt es, nicht an eindimensionalen Entwicklungswegen festzuhalten, sondern sie auf den Ebenen Struktur, Kultur, Know-how und Mindset integriert zu gestalten. Mit der Kollaborationsbereitschaft unterschiedlicher Bereiche – von HR und interne Kommunikation über IT bis hin zu Management und Geschäftsführung – wird das möglich sein. Geschäftsführung und Führung sind die Vordenker des Neuen und Vorbild für zukünftig wünschenswertes Handeln. HR und interne Kommunikation arbeiten in enger Abstimmung, wenn es um eine ganzheitliche Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter geht. Sie stellen die Kommunikation der Veränderung sicher und vermitteln zwischen Tool- und Methodenkenntnis der Anwendung sowie dem Mindset des Neuen. Eine Kommunikation, die sich über das Kommunikationsziel der Information hinaus auf die mentale Verfassung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie das Ergebnis neuen Handelns ausrichtet, wird zum Lerngestalter. Mit den von HR definierten notwendigen Skills der Zukunft führt dies schrittweise zu einem neuen Mindset in der Belegschaft, das nachhaltige individuelle Veränderungen ermöglicht.

Um ihre Rollen einzunehmen, brauchen die Bereiche eine neue Organisation der Zusammenarbeit. Diese findet über digitale Kollaborationstools statt und basiert auf einer Klarheit bezüglich Prozesse, Sinn und Zielen. Digitale Tools, über die Beschäftigte zu erreichen sind, gilt es aufzubauen. Für die interne Kommunikation dient beispielsweise das Social Intranet der niedrigschwelligen Kommunikation und Förderung von Mitarbeiterengagement. Für die HR kann eine digitale Lernplattform den Kern eines ganzheitlichen Lern-Ökosystems darstellen. Wenn HR und interne Kommunikation gefordert sind, vernetztes Arbeiten umzusetzen, brauchen sie selbst Unterstützung – sei es beim Aufbau von Fachwissen oder einer Resilienz für den Arbeitsalltag.

Entwicklung von Kompetenzen

Kompetentes Handeln, das sich auch im stressigen Arbeitsalltag abrufen lässt, ist die Schnittmenge aus Wissen und Fähigkeiten im Sinne von Know-how – und Mindset im Sinne von Werten, Selbsteinschätzung und Motivation. Immer deutlicher wird die Bedeutung eines Growth Mindsets, das übrigens ein wichtiger Teil von Resilienz ist; also der Fähigkeit eines Menschen, Probleme und schwierige Situationen zu überwinden und an der Erfahrung zu wachsen. Unter Mindset versteht man eine Sichtweise, die Einzelne von sich selbst und ihrer Umgebung haben. Dies bestimmt ganz wesentlich das Denken und Handeln.

Wie können Unternehmen dieses Zusammenspiel aus persönlicher Mindset-Entwicklung und Wissensvermittlung in einem Entwicklungsprogramm abbilden?

Beispiele für persönliche ­Entwicklungsfelder

  • Selbstwahrnehmung: Mit welchen Stärken und Schwächen, Wertvorstellungen und Glaubenssätzen begegne ich dem Neuen?
  • Selbstregulierung: Wie kann ich einen konstruktiven Umgang mit Stress und Emotionen finden?
  • Bedeutsamkeit: Wie kann ich das Neue so in meinen Alltag integrieren, dass es meinen persönlichen Motiven entspricht und ich so Bedeutsamkeit in meiner Arbeit erlebe?
  • Empathie: Achtsam zuhören, Fragen stellen, mein Gegenüber unvoreingenommen erleben, um Neuem ohne vorgefertigte Meinung zu begegnen. Wie kann ich zu einer Empathie gelangen, anstatt den Fokus auf mich und meine Perspektiven zu setzen
  • Beziehungsstärke: Wie schaffe ich mit einer authentischen Kommunikation in unterschiedlichen Kommunikationsformaten Nähe und Vertrauen – und damit starke und lebendige Netzwerke?

Zu Beginn steht immer eine Bestandsaufnahme der Herausforderungen – beispielsweise hinsichtlich Kommunikation und Zusammenarbeit. Es gilt, den tatsächlichen Bedarf gemeinsam mit Führungskräften, Management, Entscheiderinnen und Entscheidern sowie Beteiligten aus interne Kommunikation, HR und IT zu bestimmen. Daraus ergeben sich wesentliche Zielparameter für zukünftige Handlungskompetenzen. Zudem sind Abhängigkeiten zu anderen Entwicklungsbereichen – struktureller und kultureller Natur – aufzudecken. Gemeinsam mit den Beschäftigten und insbesondere den Führungskräften ist das mit dem gewünschten Know-how korrespondierende Mindset zu entwickeln. Mit Eins-zu-eins-Coachings, analogen und digitalen Gruppenformaten können persönliche Entwicklungsfelder an die Handlungsziele gebunden werden. Zur nachhaltigen Implementierung empfiehlt sich sowohl der Aufbau von Train-the-Trainer-Angeboten als auch die Multiplikation durch qualifizierte digitale Coaching-Impulse.

Die interne Kommunikation ist bei neuen Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit seitens HR besonders einzubeziehen. Denn: Sie definiert Strukturen und Fähigkeiten mit. Zudem sollte sie die Notwendigkeit erfüllen, die neuen Verhaltensweisen zu erklären sowie Multiplikatoren im Unternehmen einzubinden und für die Kolleginnen und Kollegen erlebbar zu machen.

Ein solcher Entwicklungsprozess findet nicht von heute auf morgen statt. Das Ergebnis sind nachhaltig neue Handlungsweisen, aber ebenso mehr Ausrichtung, Verständnis, Klarheit und Flexibilität im Umgang mit den Herausforderungen der Transformation. Dies fördert wiederum die Effizienz der Zusammenarbeit im Netzwerk. Grundsätzlich sollte im Mittelpunkt stehen, viel mehr den Weg als das Ziel zu betonen – und wie HR und interne Kommunikation gemeinsam ein Verständnis entwickeln, neue Entwicklungsprozesse im Unternehmen zu initiieren.

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Über die Autorin

Verena Wölkhammer ist Professorin für Kommunikation und Führung an der Hochschule Fresenius sowie Gründerin des Neuskill Instituts. Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Beraterin für interne Kommunikation, Change- und Leadership-Kommunikation.

Quelle: Human Ressources Manager

27 März 2020

Psychologische Grundlagen in der Führung virtueller Teams

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Mobiles Arbeiten

Psychologische Grundlagen in der Führung virtueller Teams

Um in der heutigen globalisierten und digitalisierten Welt wettbewerbsfähig zu sein, müssen viele Organisationen ihre Wertschöpfungsaktivitäten international koordinieren. Dies resultiert darin, dass sie Teams einsetzen, deren Mitglieder in unterschiedlichem Maße Technologien nutzen, um über räumliche, zeitliche und organisationale Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten und voneinander abhängige Aufgaben erfüllen – sogenannte virtuelle Teams. Diese sind heutzutage weit verbreitet und eine normale Form der Zusammenarbeit in vielen Organisationen. In der Forschung hat sich eine Differenzierung bezüglich folgender Facetten etabliert:

  • Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT): Es handelt sich dabei um klassische IKT (E-Mails, Telefonkonferenzen, …) und neuere Formen (Kollaborationsplattformen, firmeninterne soziale Netzwerke, …). Die einzelnen IKT lassen sich anhand der Kriterien Reichhaltigkeit (wie viele verschiedene Informationen ein Medium übermitteln kann) und Synchronität (Ausmaß, in dem ein Medium eine gleichzeitige, nicht zeitversetzte Kommunikation ermöglicht) beschreiben (Kirkman & Mathieu, 2005). Anders als im alltäglichen Sprachgebrauch werden Medien mit einer geringen Reichhaltigkeit und geringen Synchronität als virtuell beschrieben. Wenn ≥90% der Gesamtkommunikation im Team durch IKT stattfindet, sind deutlich negative Effekte auf die Aufgabenleistung und das Commitment der Teammitglieder zu erkennen (Johnson, Bettenhausen & Gibbons, 2009).

  • Geographische und temporale Distanz: Hier geht es um die Verteilung der Mitarbeiter auf verschiedene Standorte, die geographische sowie temporale Distanz (Zeitunterschiede zwischen den Arbeitsorten).

  • Kulturelle Diversität: Die kulturellen Hintergründe der Teammitglieder können sich in unterschiedlichen Wertevorstellungen, Normen und Einstellungen manifestieren. Relevant ist hierbei aber auch die im Team verwendete Kommunikationssprache.

Sozialer Identitätsansatz der Führung

Führung ist ein wichtiger Faktor, um die Effektivität der Zusammenarbeit in virtuellen Teams zu gewährleisten. Doch wie sieht wirksame Führung im virtuellen Kontext aus? Den meisten Führungstheorien liegt eine individualistische bzw. dyadische Perspektive zugrunde, die bewirkt, dass sie die Führung von Teams nicht vollständig erklären können. Ein Modell, das sich explizit auf den sozialen Kontext des Teams fokussiert, ist der soziale Identitätsansatz der Führung (Haslam et al., 2011). Dieser postuliert, dass es erfolgreichen Führungskräften gelingt, den Gruppenmitgliedern die gemeinsame Gruppenmitgliedschaft ins Bewusstsein zu rufen und eine mit den Teammitgliedern geteilte soziale Identität zu entwickeln und zu gestalten.

Grundlegend für diesen Führungsansatz ist der soziale Identitätsansatz, der bezüglich des Selbstkonzepts einer Person zwischen der personalen und sozialen Identität unterscheidet (Turner, 1982). Die personale Identität ist das Wissen, das eine Person über sich selbst hat (eigene Kompetenzen, Werte, Einstellungen etc.). Die soziale Identität besteht aus den Merkmalen der Gruppen, denen die Person angehört („Gruppenprototyp“: Normen, Einstellungen und Verhaltensweisen).

Wenn einer Person – z. B. aufgrund der Ansprache der Führungskraft „Liebes Marketing-Team, …“ – die eigene Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe bewusst wird, findet ein Prozess der Depersonalisierung statt. Dieser bewirkt, dass sich Personen in der Situation weniger als unabhängige Individuen verstehen, sondern stärker als Mitglieder der spezifischen Gruppe. Daraus resultiert, dass das Denken, Fühlen und Handeln der Personen durch ihre situativ aktivierte, soziale Identität beeinflusst werden und sie sich entsprechend dem Gruppenprototypen verhalten. Dies legt die Basis für soziale Einflussprozesse wie Teamführung.

Identitätsführung als Ansatz zur Führung virtueller Teams

Eine hohe Virtualität der Teamarbeit kann zu Schwierigkeiten beim Teilen von Wissen und Informationen führen sowie die Kommunikationsfrequenz und -qualität verringern. Besonders der geringere persönliche Kontakt kann dazu führen, dass die gemeinsame Teammitgliedschaft sowie die Aufgaben und Ziele des Teams den einzelnen Mitgliedern in virtuellen Teams weniger präsent sind als in konventionellen Teams und Bindungen zu anderen Teammitgliedern nur schwer aufgebaut werden können.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass gerade für virtuelle Teams die Identitätsführung besonders relevant ist. Identitätsführung stärkt die gemeinsame soziale Identität und schafft ein geteiltes Verständnis der Aufgaben und Ziele des Teams.

Dadurch rücken diese in den Fokus und werden von den Teammitgliedern als ihre persönlichen Ziele empfunden. Dies motiviert sie, sich gemeinsam für die Ziele einzusetzen und sich gegenseitig zu unterstützen – unabhängig von Ort und Zeit. Die Identitätsführung bewirkt, dass die eigene Mitgliedschaft im Team emotional positiv besetzt wird, was die Zufriedenheit der Teammitglieder steigert.

Die Wirksamkeit der Identitätsführung erweist sich jedoch davon abhängig, wie stark die Führungskraft virtuelle Medien zur Führung ihres Teams einsetzt. Je höher die Häufigkeit der Mediennutzung und je höher die Virtualität dieser Medien ist (im Sinne einer geringen Reichhaltigkeit und geringen Synchronität der Informationsvermittlung), desto wirksamer ist die Identitätsführung bei der Steigerung der Leistung des Teams und der individuellen Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter.

Implikationen für die Praxis

Aufgrund des Einflusses der Mediennutzung sollten Führungskräfte wissen, wie sie die vorhandenen Medien mit ihren Limitationen nutzen können, um die gemeinsame soziale Identität im Team zu stärken und die Ziele ihrer Kommunikation zu erreichen. Dies umfasst die Art der Kommunikation, aber auch die zielgerechte Auswahl der Medien.

Allgemein ermöglicht die Wahl synchroner und reichhaltiger Medien einen intensiven Austausch zu komplexen Sachverhalten (z. B. Videokonferenzen). Bei Aufgaben mit geringer Komplexität, die jeder Gesprächsteilnehmer unabhängig von den anderen erledigen könnte (z. B. reine Sammlung von Ideen), kann der Einsatz synchroner Medien die Produktivität jedoch dadurch beinträchtigen, dass nicht mehr als eine Person zur gleichen Zeit sprechen kann.

Unternehmen können ihre Führungskräfte und Mitarbeiter in virtuellen Teams unterstützen, indem sie ihnen Trainingsangebote zu Verfügung stellen. Zum einen können Workshops für virtuelle Teams angeboten werden, in denen spezifische Modelle der erfolgreichen Kommunikation in dem jeweiligen Team erarbeitet werden. Hilfreich sind zum anderen aber auch gezielte Führungstrainings, in denen Führungskräfte darin geschult werden, wie sie die Prinzipien der Identitätsführung in die Führungspraxis übersetzen können. Haslam et al. (2011) nennen dazu die folgenden drei Kernkompetenzen:

  • Reflektieren: Teammitglieder kennenlernen und bisherige Gruppenprototypen explorieren
  • Repräsentieren: Den Eindruck bei den Teammitgliedern schaffen, dass die Führungskraft den Gruppenprototypen repräsentiert
  • Realisieren: Die soziale Identität des Teams aktiv gestalten und die Zielerreichung unterstützen

Gemeinsame Ziele entwickeln

In den Trainings sollte darauf eingegangen werden, wie Führungskräfte ihren Mitarbeitern den Eindruck vermitteln können, dass sie sich für das Team und die gemeinsamen Ziele einsetzen. Führungskräfte können in solchen Trainings auch lernen, welche Art von Aktionen und Teamevents sie einsetzen können, um die Teammitglieder näher zusammenzubringen, die Kooperation zu stärken und die gemeinsame soziale Identität zu gestalten. Auch durch den Einsatz besonderer Meeting-Formen, wie man sie beispielsweise aus agilen Ansätzen wie Scrum kennt, können diese Ziele besser erreicht werden.

Aus diesen Erkenntnissen lassen sich ebenfalls Implikationen für die Auswahl von Führungskräften zur Neuanstellung oder Versetzung in virtuelle Teams ableiten. Auf Grundlage der Wirksamkeitsbelege der Identitätsführung erscheint es gerechtfertigt, bei solchen Personalentscheidungen zu überprüfen, inwiefern die Kandidaten die Prinzipien der Identitätsführung umsetzen können. Bei externen Bewerbern ist diese Einschätzung bei Übungen in Assessment Centern (z. B. Rollensimulation, Präsentation, …) möglich.

Darüber hinaus konnten Kompetenzen identifiziert werden, die erfolgskritisch für die Führung virtueller Teams sind (Kompetenzen in der Auswahl von und Umgang mit IKT, interkulturelle Kompetenz, Kompetenzen zur Gestaltung von effektiver Teamarbeit; Schulze & Krumm, 2016). Auf Basis dieser sollten bestehende Kompetenzprofile weiterentwickelt werden, damit sich Maßnahmen der Personalauswahl & -entwicklung daran orientieren können.

Quellen & weiterführende Literatur

Haslam, S. A., Reicher, S. D. & Platow, M. J. (2011). The new psychology of leadership: Identity, influence and power. New York, NY: Psychology Press.

Johnson, S. K., Bettenhausen, K. & Gibbons, E. (2009). Realities of working in virtual teams: Affective and attitudinal outcomes of using computer-mediated communication. Small Group Research, 40 (6), 623-649.

Kerschreiter, R. & van Dick, R. (2017). Führung in Gruppen: Der soziale Identitätsansatz der Führung [The social identity approach to leadership]. In D. Frey & H. W. Bierhoff (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie (Bd. Sozialpsychologie 3, S. 718-743). Göttingen, Deutschland: Hogrefe.

Kirkman, B. L. & Mathieu, J. E. (2005). The dimensions and antecedents of team virtuality. Journal of Management, 31 (5), 700-718.

Schulze, J. & Krumm, S. (2016). The „virtual team player“: A review and initial model of knowledge, skills, abilities, and other characteristics for virtual collaboration. Organizational Psychology Review, 7, 66-95.

Turner, J. C. (1982). Towards a cognitive redefinition of the social group. In H. Tajfel (Hrsg.), Social identity and inter-group relations (S. 15-40). New York, NY: Cambridge University Press.

van Dick, R. & West, M. A. (2013). Teamwork, Teamdiagnose, Teamentwicklung. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.

Über den Autor 

Florian Schnitzler ist Psychologe und Berater bei der Unternehmensberatung Kienbaum. Seine Leidenschaften sind die Themen New Work, Digitale Transformation, Führung und Agilität. In seiner Funktion bei Kienbaum ist er zum einen als Trainer in Projekten zur Führungskräfte- und Personalentwicklung tätig, zum anderen berät er Unternehmen beim Auf- und Ausbau von Lern- und Entwick-lungslandschaften sowie in Change- und Kulturwandel-Projekten.

Quelle: ZukunftderArbeit

06 März 2020

Führung eines komplett virtuellen Unternehmens

Posted in Trends, Führung, Leadership

Führung eines komplett virtuellen Unternehmens

Wenn Firmen vernetzter und digitaler werden und Mitarbeitende flexible Arbeitsorte und -zeiten selber wählen können, dann wird auch Führung vermehrt online stattfinden. Es gibt Firmen, die bereits jetzt nur noch virtuell existieren: Führung findet damit nur im virtuellen Kontext statt und eigentlich nie face-to-face und vor Ort. Eine solche Firma ist «required» und Karin Christen ist die Geschäftsführerin. Im Interview sind wir der Frage nachgegangen, was es heisst, in einer Firma zu arbeiten, die nur «remote», ohne Büros und feste Arbeitsplätze existiert.

Virtuelle Zusammenarbeit erfordert auch neue Formen der Führung. Wie wird dies bei required angegangen und evtl. auch gefördert und geschult?

Karin Christen: Virtuelle Zusammenarbeit setzt zum einen klare Prozesse, eine zielgerichtete Kommunikation und den sinnvollen Einsatz von Tools voraus. Zum anderen setzt diese Form der Zusammenarbeit ein gewisses selbständiges Handeln/Arbeiten (Eigeninitiative) von jedem einzelnen Teammitglied voraus. Damit dies gelingt, leben wir Führungskräften unsere Prozesse vor. Bei uns unterstützt jeder jeden, egal welche Rolle/Funktion die Person im Team hat. Entscheidungen werden demokratisch gehandhabt. Jeder kann sich einbringen, muss aber nicht. Trotz dieser flachen Hierarchie dürfen eine klare Führung und eine starke Vision für das Team und die Firma nicht fehlen. Diese Rolle wird von unseren Leadern homogen und kompetent übernommen.

Was sind bei virtueller Führung die typischen Schwierigkeiten und im Gegenzug, was sind typische Vorteile, die sich bei der virtuellen Führung von Mitarbeitenden und Teams ergeben?

Die Kommunikation erfolgt bei einem virtuellen Team zu 90% schriftlich und asynchron. Dies bringt diverse Vorteile aber auch gewisse Schwierigkeiten mit sich.

Vorteile:

  • Aufgrund der schriftlichen Kommunikation (sofern die Prozesse stimmen) ist alles dokumentiert und für alle Beteiligten jederzeit einsehbar, und der Projektverlauf bleibt auch zu einem später Zeitpunkt nachvollziehbar. Somit hat man speziell als Leader immer den Überblick.
  • Asynchrone Kommunikation unterstützt fokussiert zu arbeiten und dann zu antworten, wenn man offen für die «Ablenkung» ist. Dies setzt jedoch auch ein bestimmtes Mass an konsequenter Selbstdisziplin voraus.
  • Durch die schriftliche Kommunikation können sich auch introvertierte Team-Mitglieder einbringen, die sich in einem konventionellen physischen Meeting in einer Gruppe eher weniger zu Wort melden würden. Dies ergibt ein homogenes Miteinander aller Beteiligten und ein besseres und ausgeglichenes Resultat.
  • Wir erleben mehr Qualität und wertvolle Inputs der einzelnen Team-Mitglieder in einer asynchronen Kommunikation, da man seine Ideen überlegt niederschreiben muss und somit keine unnötigen Diskussionen entstehen, die nicht relevant sind.

Schwierigkeiten:

  • Schriftliche Kommunikation ist auf emotionaler/sozialer Ebene schwierig einzuschätzen. Als Leader braucht es zusätzliches Engagement und Gespür, um herauszulesen, wie sich der Mitarbeiter aktuell fühlt. Da oft kein Augenkontakt besteht, sieht man der Person nicht an, ob sie müde, gestresst oder einfach schlecht gelaunt ist und kann entsprechend auch nicht dieselbe Rücksicht nehmen.
  • Asynchrone Kommunikation bringt Wartezeiten mit sich, was Geduld und Vertrauen benötigt. Besonders schwierig ist das in Situationen, wo man Druck vom Kunden bekommt und darauf angewiesen ist, dass sich der Mitarbeitende meldet/online ist.
  • Da man die Mitarbeitenden tagsüber nicht über den Weg läuft, finden keine natürlichen «ausserbetrieblichen» Gespräche statt. Diese muss man spezifisch in seinen Führungsprozess einbauen, um auch auf zwischenmenschlicher Ebene eine gute Beziehung zu den Mitarbeitenden aufzubauen und zu pflegen.

Ist man von gewissen Vorgehensweisen wieder abgekommen oder etabliert sich virtuelle Führung quasi als Standard?

Die virtuelle Führung ist bei uns der «Default». Bei spezifischen Themen setzen wir jedoch öfters auf real-time-Kommunikation mit Video-Calls oder sogar Treffen, um die asynchrone Kommunikation und somit Wartezeiten und Missverständnisse zu minimieren. Zum Beispiel:

Video-Calls

  • Wöchentliches Team-Meeting/Planungsmeeting
  • HR: Bewerbungsgespräche
  • Projektspezifisch: Komplizierte Tasks/Briefing oder Bugs werden real-time besprochen

Physische Meetings:

  • HR: Mitarbeitende werden erst angestellt, wenn man sich mindesten 1x gesehen hat
  • HR: Regelmässige Mitarbeitergespräche werden mit einem physischen Treffen kombiniert
  • Teambildung: Wir treffen uns mindestens 1-2x im Jahr, alle zusammen, für mehrere Tage

Welche Schlüsselkompetenz muss ich als virtuelle Führungskraft vor allem mitbringen/entwickeln?

Das sind einige, beispielsweise:

  • Gute Sozialkompetenz, Vertrauen und Geduld (als Micro-Manager ist man fehl am Platz)
  • Die Führungskraft ist Teil vom Team (flache Hierarchie) und muss für eine offene Feedback-Kultur offen sein. Es gibt keine Chefs, keiner steht über dem anderen, sondern es ist ein Miteinander
  • Akzeptieren, dass jeder Mitarbeitende seine eigene Routine hat und selber entscheiden kann, wann und wo er arbeitet
  • Darauf vertrauen, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeit pflichtbewusst erledigen, auch wenn sie online nicht verfügbar sind
  • Als Leader zwar die Vision/Rahmenbedingungen vorgeben und vorleben, aber Raum lassen, dass sich die Mitarbeitenden entfalten können
    Teamspirit muss aktiv gepflegt werden und gehört genauso auf die To-do-Liste wie die Tasks aus dem Kundenprojekt
  • Der Führungsstil basiert auf Vertrauen und Support
  • Vollumfänglich digital Arbeiten
  • Gute schriftliche Kommunikation
  • Breites Know-how und offen sein, Neues auszuprobieren

Fazit: Jeder Mensch arbeitet anders – darauf muss man sich einstellen.

«Ein virtuelles Team funktioniert nur mit den richtigen Menschen. Die Mitarbeitenden müssen entsprechende Fähigkeiten mitbringen: selbstständiges Arbeiten, sich selber organisieren können, gut und offen kommunizieren. Es braucht Personen, die gut für sich alleine arbeiten und die keine speziellen physischen Interaktionen im Job benötigen.» Karin Christen, CEO required

Weiterführende Literatur

  • Buhr, Andreas / Feltes, Florian: Revolution? Ja, bitte!: Wenn Old-School-Führung auf New-Work-Leadership trifft. GABAL 2018.
  • Lariani, Amel: Digital Leadershit - Die innere Haltung führt zur Wirkung. Selbstverlag Embodymentguide 2019.
  • Liebermeister, Barbara: Digital ist egal: Mensch bleibt Mensch - Führung entscheidet. GABAL 2017.
  • Sheninger, Eric C.: Digital Leadership: Changing Paradigms for Changing Times. SAGE Publications 2019.

Über dem Autor

Daniel Stoller-Schai ist durch seine mehrjährigen Praxis davon überzeugt, dass Kollaboration der Schlüssel zum Erfolg in Netzwerkorganisationen ist. Die Strategien, Methoden und Kompetenzen dazu, entwickelt er als Change Companion der Firma Collaboration Design zusammen mit seinen Kunden. Als Manager für digitale Lern- und Arbeitstechnologien hat er bei Phonak, UBS, CREALOGIX sowie in weiteren Firmen und Startups Kundenprojekte umgesetzt und Erfahrungen mit dem globalen Einsatz internetgestützter Lern- und Arbeitsprojekten gesammelt. Diese Erfahrungen gibt er auch als Programmleiter am Institut für Kommunikation & Führung, Luzern und als Head Advisory Board der LEARNING INNOVATION Conference weiter.

Quelle: hrtoday