24 Februar 2023

New Work braucht New Pay

Posted in Trends

New Work braucht New Pay

Unternehmen sollten Vergütungsstrukturen erwägen, die zu den flexiblen Arbeitsmethoden der Gegenwart passen. Wie können New-Pay-Ansätze arbeitsrechtlich umgesetzt werden?

New Work braucht New Pay: Denn neue Arbeitsmethoden und -prozesse passen nicht zu einer Vergütungsstruktur, die gerade von jungen Arbeitnehmern häufig als starr, intransparent und ungleich empfunden wird. Für die Bezahlung ist oftmals ausschlaggebend, wer zum Firmeneintritt besonders gut verhandelt hat oder lange im Unternehmen geblieben ist und so automatisch in der Gehaltsstufe nach oben rückt.Selbst wenn er oder sie sich nicht fortgebildet und weiterentwickelt hat. Dies kann motivierte Beschäftigte frustrieren – egal ob diese sonst ohne strenge Hierarchien und gerne auch mal vom Urlaubsort aus arbeiten. Ein Umdenken ist daher nicht nur in der Arbeitsmethodik, sondern gerade auch bei der Vergütung gefragt. Die flexiblen Vergütungsstrukturen, die junge Start-ups vormachen, haben indus­trielle Schwergewichte wie Bosch auch bereits ausprobiert. Anlass genug, einen genauen Blick auf den Begriff sowie die arbeitsrechtliche Umsetzung sowie Risiken und Chancen zu werfen.

Was ist New Pay?

Auf Wunsch der Belegschaft wird nur noch an vier Tagen pro Woche gearbeitet. Jeder bestimmt sein Gehalt selbst – oder aber es wird durch das Kollegium festgelegt. Alle Mitarbeitenden entscheiden gemeinsam, welcher Anteil der Gewinne des Unternehmens investiert oder vielleicht stattdessen an sie ausgezahlt wird. Alles darf, nichts muss. Das ist das Prinzip New Pay.

Doch was auf den ersten Blick chaotisch und naiv klingt, hat Struktur. Denn der Begriff „New Pay“ umschreibt Prozesse rund um die Entwicklung neuer Gehaltsmodelle, nicht einen konkreten Ansatz. Ziel ist es, dem sich stetig wandelnden Organismus Unternehmen und den Bedürfnissen der Belegschaft gerecht zu werden, indem ständig neue, eigene Lösungen für die Gehaltsfrage gefunden werden. Doch was in einem Unternehmen funktioniert, kann in einem anderen zu Unzufriedenheit oder falschen Anreizen führen. Individuelle Lösungen sind gefragt.

Neue Fairness und Transparenz

Erster und wohl der zentrale Grundsatz des New Pay ist das Prinzip der neuen Fairness. Nachvollziehbare, angemessene und verlässliche Prozesse sollen für mehr gefühlte Gerechtigkeit sorgen, gleiche Chancen und Bedingungen für alle schaffen und so für Vielfalt in der Belegschaft und im Führungskreis sorgen. Dies steht im Einklang mit arbeitsrechtlichen Grundlagen, insbesondere dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht.

Transparent sollen jedoch nicht nur die Prozesse bei New Pay sein, sondern auch die konkreten Gehälter im Unternehmen – einschließlich die der Vorgesetzten und der Geschäftsleitung. Rechtlich ist die Veröffentlichung von Gehältern eine Datenverarbeitung, die nach Datenschutzgrundverordnung und Bundesdatenschutzgesetz eines Erlaubnistatbestandes bedarf. Nicht ausreichend ist hierfür Paragraf 26 Bundesdatenschutzgesetz, da die Offenlegung von Gehältern für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses wohl kaum als erforderlich bezeichnet werden kann. Datenschutzrechtlich sicherer ist eine Pseudonymisierung. Empfehlenswert ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß Artikel 80 Datenschutzgrundverordnung, um die Datenverarbeitung explizit zu regeln. Vorstellbar ist es außerdem, schriftliche Einwilligungen der Beschäftigten einzuholen. Diese wären dann jedoch jederzeit frei widerruflich und die entsprechenden Personen müssten konsequenterweise aus der Liste entfernt werden. Im Ergebnis kann so nur ein lückenhaftes Bild von der Gehaltsstruktur vermittelt werden.

Alternativ zur Offenlegung der konkreten Gehälter kommt eine Offenlegung von Gehaltsstrukturen, insbesondere Gehaltsgruppen in Betracht, die den Beschäftigten ebenfalls ein Bild davon vermitteln, wie sie im Verhältnis zu anderen Beschäftigten entlohnt werden und wie höhere Verantwortung und gesteigerte Anforderungen an die Tätigkeiten die monetäre Entlohnung beeinflusst.

Selbstverantwortung und Partizipation

Weitere Schlagwörter des New Pay sind Selbstverantwortung und Partizipation. Jede Einzelperson das eigene Gehalt selbst festlegen zu lassen, birgt rechtliche und finanzielle Risiken. Praktisch könnte dies immerhin zu einer geringeren Vergütung von marginalisierten Gruppen führen, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen würde. Eine Vielzahl an Verhaltensstudien deutet darauf hin, dass beispielsweise Frauen in Gehaltsverhandlungen tendenziell schlechtere Ergebnisse erzielen als Männer und dass Frauen im Durchschnitt auch weniger Geld für dieselbe Gegenleistung angeboten wird als Männern. Es besteht daher eine praktische Gefahr, dass eine stärkere Betonung der individuellen Forderung und Verhandlung zu mehr Diskriminierung führt als ein Gehaltssystem, das auf die Stelle und gegebenenfalls Gehaltsgruppen abstellt. Begegnet werden kann dieser Gefahr durch eine Selbstkontrolle, die regelmäßig den Median der Gehälter nach den Geschlechtern im Auge behält und gegebenenfalls Anpassungen anstößt. So kann vermieden werden, dass es zu bösen Überraschungen kommt, sollte ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin den individuellen Auskunftsanspruch gemäß des Entgelttransparenzgesetzes geltend machen.

Partizipation kann auch auf kollektiver Ebene gewährt werden. Bekannt sind insbesondere die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zur betrieblichen Lohngestaltung sowie zu speziellen Leistungsvergütungen. Junge Unternehmen insbesondere in der Medienbranche leben jedoch vor, was ein Mehr an Partizipation bedeuten kann: etwa einen offenen Dialog, wie Teile des Gewinns verwendet werden sollen. Wer meint, dabei kämen ausschließlich Forderungen nach einer Ausschüttung an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, irrt, denn das Praxisexperiment zeigte, dass der Arbeitnehmerschaft gerade auch Investitionen in die Zukunft des Unternehmens am Herzen lagen. Rechtlich lässt sich dies durch freiwillige Betriebsvereinbarungen wie beispielsweise zur Erweiterung von Beratungsrechten erreichen. Diese können so ausgestaltet werden, dass ein Abbruch des Experiments möglich bleibt, zum Beispiel durch die Möglichkeit der Kündigung von Betriebsvereinbarungen ohne Nachwirkung. Außerhalb betriebsverfassungsrechtlicher Strukturen ist darauf zu achten, dass die Betriebsverfassung nicht umgangen wird. Bei Bestehen eines Betriebsrates müssen die Mitbestimmungsrechte gewahrt werden, selbst wenn der Betriebsrat damit einverstanden wäre, auf seine Mitbestimmung beispielsweise zugunsten eines alternativen Gremiums zu verzichten. Denn ein solcher Verzicht ist dem Betriebsrat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwehrt. Er kann jedoch eine mit einem alternativen Gremium gefundene Lösung später durch Regelungsabrede oder Betriebsvereinbarung bestätigen.

Menschen mehr Flexibilität in puncto Arbeitszeit zu gewähren – etwa um weniger zu arbeiten und in diesem Fall weniger Geld zu erhalten, wie es etwa im Tarifabschluss der Metallindustrie 2018 vorgesehen wurde –, begegnet juristisch betrachtet keinen Bedenken, soweit die dafür verwendete Rechtsgrundlage klar formuliert ist. Möglich sind beispielsweise institutionalisierte Teilzeitmodelle oder erprobte Methoden wie Arbeitszeitkonten. Betriebliche Erfordernisse dürfen jedoch nicht zu kurz kommen und es besteht weiterhin die Möglichkeit, die Beschäftigten zur Arbeit in vollem Umfang oder sogar zu Überstunden zu verpflichten, wenn dies erforderlich ist.

Vermehrt haben Unternehmen in den letzten Jahren Beschäftigten unter Beibehaltung des Vollzeitlohnes die Möglichkeit gewährt, weniger zu arbeiten, wenn die erwarteten Arbeitsergebnisse in kürzerer Zeit erzielt werden. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass Beschäftigte auch zu Überstunden verpflichtet werden können, wenn der erforderliche Arbeitserfolg sich einmal nicht einstellt. Insbesondere in Zeiten von Inflation und Krise könnten Mitarbeitende daran denken, durch Nebentätigkeit das Gehalt aufzubessern. Rechtlich kann dies nicht pauschal untersagt werden. Möglich sind relative Verbote der Nebentätigkeit mit einem Erlaubnisvorbehalt. Die Erlaubnis zur Nebentätigkeit kann vorenthalten werden, wenn berechtigte Gründe hierfür bestehen. Das Ziel, dass Personen ihre Freizeit auch als solche nutzen sollen, dürfte nicht ausreichend sein, um die Erlaubnis vorzuenthalten.

Um das Wir-Gefühl zu stärken und Mitarbeiter und Arbeitnehmerinnen dazu anzuhalten, sich für den Unternehmenserfolg als Ganzes einzusetzen, setzen Unternehmen auch zunehmend auf die Gewährung von Boni in Abhängigkeit zum Unternehmensergebnis, anstatt persönliche Ziele zu setzen, die auf die Ausübung der individuellen Tätigkeit gerichtet sind. Dies wird wissenschaftlich damit begründet, dass zahlreiche Studien der Verhaltenspsychologie darauf hindeuten, dass individuelle Bonusvorgaben wohl nur bei einem geringen Anteil von Menschen überhaupt zu einem sinnvollen Leistungsanreiz führen.

Soll ein bestehendes Vergütungssystem umgestaltet werden, so ist zunächst eine Analyse möglicher Ablösungsmechanismen durchzuführen. Dabei sind bestehende Betriebsvereinbarungen verhältnismäßig leicht anzupassen. Aber auch individualvertragliche Regelungen können bei entsprechender Formulierung der Arbeitsverträge gegebenenfalls durch Betriebsvereinbarungen abgelöst werden. Im Übrigen wird in aller Regel ein Änderungsvertrag mit der betroffenen Person erforderlich sein, was zwar den Gedanken des New Pay entspricht, praktisch jedoch umständlich ist und seine Grenzen dort findet, wo der Änderung nicht zugestimmt wird.

Permanent Beta

Der wohl charakteristischste Wesenszug des New Pay ist jedoch die Einordnung als Permanent Beta, als ein System, das lebt und sich verändert mit dem Unternehmen, seinen Beschäftigten und den Erfordernissen beider Seiten. Rechtlich empfehlenswert ist es daher, Änderungsmöglichkeiten im System bereits anzulegen, auch wenn dies teilweise dem Gedanken der Fairness und Transparenz widersprechen mag. So kann ein Bonus zum Beispiel unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, wenn er nicht mehr als 25 Prozent des Zielgehalts beträgt und nicht die Arbeitsleistung im engeren Sinne honoriert.

Alternativ haben sich Widerrufsvorbehalte zur Flexibilisierung von Leistungen etabliert. Die Rechtsprechung verlangt dafür jedoch eine Nennung von Widerrufsgründen und beschränkt Widerrufsvorbehalte wiederum auf Boni, die nicht mehr als 25 Prozent der Zielvergütung betragen, da sonst in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig eingegriffen würde.

Transparenter ist eine Lösung über eine Befristung von Bonusregelungen. In diesem Fall sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten für den Befristungszeitraum verbindlich und können nicht einseitig zurückgenommen werden. Auch hier ist jedoch genau auf die Konstellation zu achten; insbesondere sollen nach der Literatur für befristete Boni gemäß Arbeitsvertrag andere Voraussetzungen als für nachträglich vereinbarte Boni gelten.

Weitere Beiträge zum Thema:

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Employee Lifecycle. Das Heft können Sie hier bestellen.

Über die Autorin

Katja Schiffelholz Semedo ist Fachanwältin für Arbeitsrecht. Zu ihren ­thematischen Schwerpunkten gehört die Beratung im Bereich Corporate Social ­Responsibility und die Umsetzung von ESG-Strategien.

Quelle: Human Ressources Manager

No video selected.