19 November 2021

6 Strategien, wie Unternehmen zukünftig arbeiten wollen

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6 Strategien, wie Unternehmen zukünftig arbeiten wollen

Wie wird die zukünftige Arbeitsrealität aussehen? Thomas Kessler von Locatee hat sich führende Unternehmen angesehen und sechs Strategien abgeleitet.

Getyourguide, Apple, Facebook, SAP: Sowohl die deutsche- als auch die internationale Medienlandschaft füllt sich mit Berichten über die Strategien großer Unternehmen für den zukunftsgerichteten Umgang mit der Arbeitswelt. Zwischen strikten Vorgaben und einem großen Freiraum für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigt sich vor allem eines: Jede Strategie ist verknüpft mit dem eigenen Purpose und der eigenen Vision des jeweiligen Unternehmens. Wie gehen Unternehmen nun vor? Locatee hat sich die führenden Unternehmen angesehen und sechs Strategien abgeleitet.

1. Investieren in Technologie

Diese Strategie, die auf Investitionen in neue Technologien und virtuelle Umgebungen vertraut, zielt darauf ab, die Schnittstellen zwischen der physischen und der digitalen Arbeitserfahrung stärker zu verzahnen. Laut einer Studie von Advanced, einem britischen IT-Dienstleister, gehen derzeit knapp 77 Prozent der befragten Entscheidungsträger davon aus, dass die Pandemie eine permanente Digital-first-Einstellung hervorrufen wird.*

Bereits jetzt lässt sich beobachten, wie Tools, die Feedback, Zusammenarbeit und Kollaboration abdecken, aber auch administrative HR-Prozesse, wie Dokumente, Leistung und Entwicklung abbilden, deutlich beliebter werden. Um die physische Distanz und “Zoom Fatigue” zu überwinden, investieren Unternehmen zudem vermehrt in Virtual Reality als Teil der hybriden Arbeitsstrategie. PwC plant damit, digitale Meetings zu optimieren und die Bank of America prüft, wie sich mit dieser Technologie Kundentrainings abdecken lassen. In der Tat lassen wissenschaftliche Studien vermuten, dass virtuelle Umgebungen eine ähnliche Wirkung haben wie physische Umgebungen. Das heißt, dass bestimmte Arbeitsszenarien aus der Ferne simuliert werden können.

Im Gegensatz zu den britischen oder amerikanischen Nachbarn halten sich deutsche Arbeitskräfte im Umgang mit Technologien aber noch zurück, wie eine Umfrage von Locatee und YouGov zeigt.** Auf die Frage, welche technischen Hilfsmittel oder Geräte für wichtig gehalten werden, um die Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter zu schützen, sprachen sich nur 28 Prozent der befragten Büromitarbeiterinnen / -mitarbeiter dafür aus, dass digitale Besprechungsräume eine Lösung sein könnten. Die niedrige Zahl lässt vermuten, dass generell eine geringe Vertrautheit mit neuen Technologien besteht.

Da Hybridarbeit ein fester Teil vieler Arbeitsrealitäten wird, dürfen Unternehmen nicht aufhören zu prüfen, wie sich weiter in Technologien investieren lässt. Zum Beispiel um zu verhindern, dass sich Remote-Kollegen durch einen Videocall nicht integriert oder gehört fühlen, während andere Menschen physisch anwesend sind. Anstelle eines großen Flachbildschirms an der Wand können hier zum Beispiel smarte Kameras helfen, die die Teilnehmer auch in Videoboxen darstellen, damit alle gesehen werden können. Auch können immersive Präsentationen eine Möglichkeit sein. Hier wird nicht der Bildschirm geteilt, sondern der Moderator steht wie ein Nachrichtensprecher vor der Präsentation. Hier werden sich in den kommenden Monaten noch weitere Beispiele entfalten. Sie allesamt können dabei helfen, Gleichberechtigung und Sichtbarkeit am Arbeitsplatz – auch von zu Hause aus – zu fördern.

2. Die Rückkehr ermöglichen

Diese entschlossenen Rückkehrer (Resolute Returners) glauben, dass der beste Weg, um die Unternehmenskultur, Innovation sowie das Lernen und die Produktivität zu verbessern, die Rückkehr aller Teams in das Büro ist. Für diese Unternehmen hat Fernarbeit zu viele Nebenwirkungen, die sich nicht dauerhaft in die Arbeitsplatzstrategie involvieren lassen. Zwar müsse das physische Büro auch neu gedacht und geplant werden, aber es bleibt der wichtigste Faktor für den Unternehmenserfolg.

Derzeit sind vor allem große Finanzkonzerne führend in dem Bestreben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück ins Büro zu bringen, zum Beispiel Barclays oder Goldman Sachs. Auch Techunternehmen wie Apple oder das Reisebuchungsunternehmen Getyourguide haben ein vollständiges Homeoffice abgelehnt. Verbunden ist diese Entscheidung stets mit dem Bezug auf die eigene Mission, die einen direkten Austausch vor Ort voraussetzt. Laut der bereits genannten YouGov-Umfrage stimmen Büromitarbeiterinnen / -mitarbeiter dem sogar zu und benennen negative Auswirkungen auf das soziale Miteinander mit den Kollegen (33 Prozent) und weniger effektive Kommunikation innerhalb und zwischen Teams (30 Prozent) als größte Nachteile des Homeoffice.

Allerdings gaben auch 56 Prozent aller Befragten an, dass sie selbst entscheiden möchten, ob sie in das Büro kommen. Die Auswirkungen einer strikten Präsenzpflicht kann aber auch deutlich negative Auswirkungen auf die Belegschaft haben. So ziehen laut Medienberichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Apple bereits eine Kündigung in Erwägung, da sie keine Entscheidungsfreiheit und Flexibilität genießen. Strenge Vorgaben der Unternehmensführung könnten also sowohl aktive Teammitglieder als auch Bewerberinnen / Bewerber vom Unternehmen abschrecken.

3. Daten analysieren

Neue Situationen erfordern oft die Erhebung von konkreten Daten, um eine klare Ausgangslage für Entscheidungen zu haben. In einer Zeit, in der ein Großteil der Mitarbeitenden nicht vom Büro aus arbeitet und das Büro weitestgehend leer steht, ist dies mehr als plausibel für die nächsten datengetriebenen Schritte. Dies ist nicht nur für klassische Office Companies – wie zum Beispiel LinkedIn – wichtig, sondern auch für Unternehmen mit großem und durch die Pandemie wechselhaftem Kundenkontakt – wie zum Beispiel British Airways.

Beide Unternehmen haben durch interne Programme begonnen, Daten zu sammeln und auszuwerten. Dank der Datenanalysen lassen sich viele Fragen beantworten: Wie werden Räume genutzt? Ergibt der Meeting-Raum Sinn? Wie viel Fläche brauchen wir wirklich? An welchen Tagen ist das Büro besonders beliebt? An welchen nicht? Wo sitzen zu viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einmal und wo gäbe es noch Platz? Wo müssen wir beleuchten, heizen und Equipment bereitstellen? Wie können wir Energie und Ressourcen sparen? Welche Flächen müssen wir neu denken?

Eine erhebliche Hürde liegt derzeit jedoch noch im fehlenden Vertrauen. Wenn Unternehmen Sensoren, künstliche Intelligenz und maschinelle Lernsysteme einführen, werden schnell Bedenken hinsichtlich Datenschutz oder einer möglichen Überwachung laut. Dennoch spielt der Mensch nach wie vor die entscheidende Rolle in einem System, das auf Daten vertraut. Denn erst wenn diese mit den individuellen Wünschen und Bedürfnissen abgeglichen werden, lassen sich wirklich zukunftsträchtige Weichen stellen.

4. Räume überdenken

Durch das erhöhte Bedürfnis nach Sicherheit und Hygiene, ergibt sich für viele Unternehmen die Chance und auch die Pflicht, die eigenen Räume zu überdenken. In vielen Fällen ist der wichtigste Hauptimpuls, den CO2-Fußabdruck und die Immobilienkosten zu senken. Swiss Re, zum Beispiel, hat sich aktiv dazu entschlossen, das Portfolio um zehn Prozent zu reduzieren, da es nicht genutzt wird. Dadurch sparen sich auch Kosten für Equipment, Klimatisierung, Reinigung und Beleuchtung. Andere überlegen aber auch, wie sich ein dynamisches, teamorientiertes Umfeld schaffen lässt. Das Mineralölunternehmen BP schließt laut Medienberichten sogar sein einstiges Hauptquartier in London, um sich stärker auf Homeoffice einstellen zu können.

Die Räume zu überdenken, scheint in Deutschland noch eine der größten Herausforderungen für die Führungsteams zu sein. Laut der Umfrage von Locatee und YouGov wurden in 41 Prozent aller deutschen Büros noch keine Schritte ergriffen, um die Verbesserung der Arbeitsplatzqualität zu fördern. Die größte Herausforderung liegt hier noch immer in der verfügbaren Datenlage beziehungsweise der fehlenden Erhebung. Wer seine Räume überdenken will, muss verstehen, wo die Auslastung der Arbeitsbereiche stattfindet, warum manche Bereiche nicht genutzt werden und wo dadurch Potentiale entstehen. Wenn es darum geht, den Arbeitsplatz neu zu denken, müssen Arbeitgeber allerdings genau definieren, welche Aufgaben darin eigentlich erfüllt werden sollen. Erst wenn sie das wissen, können sie anschließend erfahren, was ihre Mitarbeitenden dafür brauchen. Erst dann können neu gedachte Räume beide Seiten ineinander vereinen.

5. Wohlbefinden als Faktor etablieren

Im Zuge der Pandemie stellen Unternehmen das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter in den Fokus und handeln mit größtmöglicher Empathie. Dafür haben viele eine “mitfühlenden Führung“ etabliert, um ein offenes Ohr und Verständnis für die Arbeitskräfte zu haben, wo auch immer sie tätig sind. Mental-Health-Programme, flexibles Reagieren auf persönliche Situationen oder Therapieangebote werden auch in Deutschland diskutiert und finden bereits in vielen Unternehmen Einzug. Das kanadische Unternehmen Shopify hat seinen Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern mit einem Geldbetrag zum Beispiel die freie und individuelle Gestaltung ihres Homeoffices ermöglicht, um sich den neuen Herausforderungen bestmöglich zu stellen.*** Auch haben Unternehmen vermehrt freie Tage – LinkedIn zum Beispiel eine Woche am Stück – als Urlaub angeboten, um einen privaten Ausgleich zu ermöglichen.

Tatsächlich wünschten sich 28 Prozent der YouGov-Befragten auch mehr Urlaub, als nach Aspekten gefragt wurde, die zur Büroarbeit ermutigen würden. Angebote zur Mental-Health-Unterstützung wählten nur neun Prozent der Befragten. Es bleibt jedoch offen, wie stark Unternehmen nach der Pandemie weiterhin einen Fokus auf Mental Health legen werden. Wer weiterhin auf Homeoffice vertraut, sollte dies aber nicht außer Acht lassen. 27 Prozent der Befragten geben an, dass (permanentes) Homeoffice die Stimmung und die Gesundheit negativ beeinflusst.

6. Freiheiten und Optionen schaffen

In Deutschland haben laut der Umfrage von YouGov und Locatee nur 19 Prozent der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer die volle Freiheit zu entscheiden, von wo aus sie arbeiten möchten. Das Work-from-Anywhere-Modell (WFA-Modell) gibt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die volle Flexibilität und stärkt das Vertrauen der Führungskräfte. Indem ein Unternehmen verschiedene Szenarien schafft, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihre persönlichen Vorlieben anwenden können, entsteht ein Umfeld, in dem jeder so arbeiten kann, wie er oder sie es möchte. In diesem Modell sind Büro und Homeoffice nur zwei Kanäle, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wählen können und die je nach Möglichkeit von Satellitenbüros, Aus- und Weiterbildungsstandorte oder Spezialistenstandorte komplementiert werden.

Der schwedische Musikstreamingdienst Spotify ist ein Beispiel für die umfassende Nutzung einer Omni-Channel-Strategie, bei der verschiedene Kanäle genutzt werden können. Gleichzeitig optimiert das Unternehmen aber auch seine Büroräume und schafft neue Orte des Begegnens. Das Softwareunternehmen Salesforce hingegen bietet drei frei wählbare Modelle an: flex, fully remote und officebased.

Es gibt keine Universallösung

 

Diese Grundsteine für zukunftsreiche Arbeitsplatzstrategien zeigen sehr gut, wie unterschiedlich Unternehmen mit der Weichenstellung der zukünftigen Büroarbeit umgehen. Natürlich kann es auch vorkommen, dass ein Unternehmen zwei Strategien verknüpft und daraus erneut einen eigenen Weg beschreitet. Unabhängig davon, welchen Weg ein Unternehmen letztlich wählt, gilt es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, zu fördern und ihnen wirklich zuzuhören. Nur so lassen sich auch neue Talente gewinnen und das Unternehmen weiterentwickeln. Die Umfrage unter Büroangestellten zeigt nämlich auch sehr eindrucksvoll, wie unterschiedlich wichtig das Büro in der Zukunft betrachtet wird. Nur wer eine integrierende Arbeitsplatzstrategie aufstellt und kohärent verfolgt, kann die Zukunft des Arbeitens prägen.

Anmerkungen:

*Quelle: The Annual Business Software Trends Report 2020/21 highlights, 2020. Advanced.
** Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 2055 Personen zwischen dem 22. und dem 24.06.2021 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.
*** Amy Spurling, Benefits Pro, The cost of remote work: Who’s paying?, 30.08.2021.

Über den Autor

Thomas Kessler ist Mitgründer und CEO von Locatee, der führenden Workplace Analytics Plattform im Corporate Real Estate Sektor. Gemeinsam mit dem CTO Benedikt Köppel hat er Locatee im Jahr 2014 gegründet. Vor der Firmengründung in verschiedenen Unternehmen gearbeitet, so auch bei der Schweizer Grossbank Credit Suisse. Dort sammelte er erste Erfahrungen mit «Smart Working Environments» und erkannte dabei das ungenutzte Potenzial moderner Arbeitsplatzkonzepte, was zur Unternehmensgründung von Locatee führte.

Quelle: hr journal

 

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