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07 September 2018

"In 20 Jahren benötigen wir ein anderes Gesellschaftsmodell"

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Warum wir Arbeit ganz neu denken müssen

Warum wir Arbeit ganz neu denken müssen - ein Gespräch mit Ansgar Oberholz, New Work Pionier und Gründer des legendären Cowork-Cafés St. Oberholz in Berlin.

Als er sein „Coworking-Space“ vor 13 Jahren gegründet hat, da gab es diesen Begriff noch nicht mal. Es gab auch erst wenige Laptops mit W-LAN-Möglichkeit und Smartphones schon gar nicht. Heute führt der Unternehmer Ansgar Oberholz zwei Cafés und Coworking-Häuser in Berlin Mitte – und berät Banken und Kaufhäuser über die Möglichkeiten der digitalen Transformation und New Work. Wie der Querdenker es geschafft hat, Arbeit ganz neu zu denken. Und was man sich davon abgucken kann…

Capital: Das St. Oberholz feiert in diesem Jahr seinen 13. Geburtstag. Gibt es etwas, das Sie heute anders machen würden als damals?

Ansgar Oberholz: Ganz banal: Ich würde mehr Steckdosen bauen. Und ich hätte mir den Mut gewünscht, das Gastronomische früher noch mehr zurückzulassen und stattdessen auf Ideen zu setzen, die für die Community wichtig sind.

Zum Beispiel?

Wir haben immer geglaubt, dass es ein netter Nebeneffekt ist, wenn die Menschen bei uns im Café auch arbeiten können. Wir haben nicht geglaubt, dass das unser Alleinstellungsmerkmal wird. 2005 gab es den Begriff „Coworking“ ja noch nicht. Aus gastronomischer Sicht hätte man da bereits sehen müssen, dass das nicht funktioniert: Dass alles toll ist, aber der Umsatz nicht. An dem Punkt mussten wir uns fragen: Wohin gehen wir? Wir haben dann gemerkt, dass da etwas ist, was viel mehr wert ist als die zwei Kaffees, die man bei uns trinkt: die Community. Dann haben wir angefangen, Räume für Coworking zu bauen. Dazu hätte ich mir früher den Mut gewünscht.

Sicherlich kommt dem Coworking-Konzept der Büroflächenmangel in Berlin zu Gute.

Keine Frage, das spielt in die Karten. Aber uns geht es auch darum, einen echten Mehrwert für die Community zu schaffen.

Die Arbeitswelt verändert sich gerade grundlegend. Was hat Sie in den vergangenen Jahren am meisten überrascht?

Es gab einen großen Trend: Dass Unternehmen das Prinzip Coworking plötzlich ernst genommen haben. Dass die Corporates unsere Räume nicht bloß nutzen, sondern uns fragen, ob wir ihnen helfen können, solche Strukturen in ihren eigenen Unternehmen aufzubauen. Das machen wir seit eineinhalb Jahren und haben das auch als Start-Up ausgegründet: Wir schaffen alles, was du brauchst, um eine offene Arbeitsumgebung zu erzeugen.

Könnte jedes Unternehmen von diesen Strukturen profitieren?

Ich würde nicht sagen, dass es für jedes Unternehmen bereichernd ist, wenn sie Coworking installieren und flexible Strukturen einführen. Aber bereichernd wird es immer sein, die Menschen zu fragen: Wie wollt ihr arbeiten? Was tut euch gut? Wie muss die Struktur dafür aussehen? Kann sein, dass man dann beim Open Space und Coworking raus kommt, kann aber auch sein, dass man bei anderen Sachen landet. Wichtig ist, den Hype nicht zu hoch zu hängen und immer eine gute Mischung zu finden.

Man darf nicht jeden Hype hoch hängen, sagen Sie: Was wird also bestehen bleiben? Sabbatical, flexibles Arbeiten, Open Spaces?

Sicherlich wird sich nicht alles bewähren. Es wird davon abhängen, ob die Wirtschaft weiter floriert oder ob wir nochmal in eine echte Rezession kommen. Es ist ja aber gerade keine Krise in Sicht. Daher denke ich, dass diese Riten immer mehr Einzug gewinnen werden. Ich glaube aber, dass es noch zwei große Aufgaben zu lösen gibt: Die Betriebsräte müssen ihr Mind-Set verlassen.

Das heißt?

Dass man sich zum Beispiel genau an die Pausenzeiten halten muss. Natürlich brauchen wir Regeln und natürlich müssen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen geschützt werden, aber wir brauchen die Bereitschaft und gesetzliche Regulierungen, dass Arbeit auch anders geht. Der zweite Bereich, der Prozesse ausbremst, ist die IT: So banal es ist, aber ganz oft funktionieren Remote Work und Homeoffice nicht, weil die Strukturen dafür nicht da sind.

Es gibt die Legende, dass der Blogger Sascha Lobo im St. Oberholz den Tod der E-Mail vorausgesagt hat. Trotzdem hält sich die Mail noch ziemlich gut.

Das stimmt. Die E-Mail ist ein Fluch, auch was New Work und kollaboratives Arbeiten angeht. Das ist dysfunktional für Teams: Jeder, der schon ein mal in CC-Gewitter erlebt hat, weiß das. Die E-Mail-Schwemme erstickt effektives Arbeiten. Es gab ja mal den Tipp für mehr Produktivität: Dass abends das Mail-Postfach leer sein sollte. Das habe ich schon lange nicht mehr gehört. Weil es nicht zu schaffen ist. Jeder, der schon mal einen Chat benutzt hat, weiß, welche Magie davon ausgeht

Das Postfach kann ich nach der Arbeit einfach nicht öffnen, aber im Chat bin auch nach der Arbeit noch ansprechbar.

Stimmt, der Messenger-Dienst ist näher am Menschen. Aber dem Chatprogramm kannst du auch sagen, dass du jetzt nicht mehr arbeitest. Alle, die dir schreiben, bekommen dann auch diese Benachrichtigung. Man muss natürlich kulturell verankern, dass das auch akzeptiert wird. Gleichzeitig kann man da dann trotzdem Nachrichten durch drücken.

Wie werden wir in zehn Jahren arbeiten?

Hoffentlich endlich ohne Fax. Das hätte ich vor drei Jahren auch gedacht. Ich hoffe, dass die Mail in zehn Jahren ein Nebenprodukt ist oder sich anfühlt wie das Fax heute. Ich hoffe, dass wir dann menschenzentrierteer denken und die Digitalisierung nicht als Naturgewalt wahrnehmen. Wir sollten mit unserem Potenzial nicht nur blaue Daumen verteilen, sondern mehr Wirkkraft entfalten. Wenn das passiert, wird sich die Arbeit massiv verändern. Bestenfalls gibt es den Begriff Coworking dann nicht mehr, weil es selbstverständlich geworden ist, so zu arbeiten.

Und in 20?

Ich glaube, die größte Herausforderung wird die Automatisierung sein, die man jetzt zurückhält, weil man weiß, was sie für eine gesellschaftspolitische Krise auslösen würde. Man könnte heute schon viel mehr digitalisieren und automatisieren. Man würde aber ganze Branchen arbeitslos machen. Ich glaube, es ist nur eine Frage, bis das passiert. In 20 Jahren benötigen wir ein anderes Gesellschaftsmodell.

Das bedingungslose Grundeinkommen zum Beispiel?

Das ist ein guter Schritt. Aber wir müssen den Menschen, die sich durch die Automatisierung abgehängt und hilflos fühlen, nicht nur Geld, sondern auch neue Perspektiven geben. Da geht es dann um eine andere Idee von Wertschöpfung: Das heißt, wir müssen es wertschätzen, wenn man seine kranken Eltern pflegt oder ehrenamtlich Trainer in einem Fußballverein ist. Wir brauchen eine neue Definition von Arbeit.

Die hat dann aber nicht mehr viel mit Neoliberalismus zu tun oder mit unserer Idee der sozialen Marktwirtschaft.

Ja. Ich glaube, wir brauchen zwar das System. Aber jeder soll das tun, was er tun möchte. Wenn man wirklich alles automatisiert, was man kann, riefe das aus jetziger Perspektive eine Arbeitslosenquote von 50 Prozent auf den Plan.

Aber mit dieser Zukunftsprognose beschäftigen wir uns noch nicht genug. Warum nicht?

Weil es tabuisiert ist: Man müsste jetzt radikale Lösungen auf den Tisch packen: Was ist Arbeit? Wollen wir das Grundeinkommen? Wie müsste man die Schulausbildung verändern? Stattdessen ist die einzige Maxime der Bundespolitik: Vollbeschäftigung. Der Weg ist also noch weit. Es ist aber jetzt schon in der Gesellschaft zu spüren, dass Digitalisierung und die Angst davor den Rechtspopulisten in die Hände spielen.

Um diese Angst auszuhebeln, bräuchte man mehr positive Beispiele, wie man die Digitalisierung packt. Daran mangelt es aber.

Ja. Solange die großen Internetkonzerne die Digitalisierung prägen, so lange werden wir auf dem falschen Weg sein. Denn Facebook, Amazon, Google und Co., haben bloß ein Ziel: maximalen Profit. Und den erreichen sie, in dem die Menschen sehr viel Zeit auf ihren Seiten verbringen und dort Werbeeinahmen erzielen. Dabei sollte man möglichst wenig Zeit in den Apps verbringen. Wir wollen durch das Digitale Freiheit erlangen. Solange das noch nicht der Fall ist, ist die Politik gefordert.

Autorin - Elisa von Hof

Quelle: Capital

17 August 2018

Firma ohne Chefs - geht das?

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Firma ohne Chefs - geht das?

Vor fünf Jahren schuf das Wiener Technologieunternehmen TELE Haase alle Chefposten ab und ließ die Angestellten vollkommen autark arbeiten. Geschäftsführer Markus Stelzmann erinnert sich an einen aufwendigen Prozess, der das Unternehmen von grundauf veränderte.

„Vor ein paar Jahren hatten wir ein Aha-Erlebnis. Wir fragten uns: Geht es eigentlich immer nur um Wachstum? Wohin wollen wir noch wachsen? Ist Umsatz das einzige Ziel? Diese Gedanken haben eine regelrechte Revolution ausgelöst. Wir stellten die klassischen Hierarchien zwischen Angestellten und Vorgesetzten infrage und beschlossen, unseren Mitarbeitern viel mehr Freiräume zu lassen. Wir wollten den Einzelnen in die Verantwortung ziehen, damit das kreative Potenzial im Unternehmen steigt. Wir waren überzeugt davon, dass nur so die richtigen Ideen entstehen, die uns wettbewerbsfähig halten – und gleichzeitig sinnstiftend für den Einzelnen sind. So wurde TELE Haase zur ,Firma ohne Chef‘ – und das war gut so.

Jahrelang war ich der klassische Geschäftsführer-Typ. Ich habe entschieden, unterschrieben, bestimmt. Wenn Mitarbeiter die Organisation in meinen Augen nicht genug unterstützt haben, habe ich ihnen gekündigt. Es gab viele Konflikte, und ich traf einige schwere Entscheidungen.

"ICH ENTSCHEIDE NICHT."

Heute sehe ich mich als Mitglied einer Organisation, so wie jeder andere Mitarbeiter auch. Mein Geschäftsführer-Büro wurde in einen Hub (Anm. d. Red.: Treffpunkt) umgewandelt, ich sitze jetzt im Großraumbüro neben unserer HR-Abteilung oder arbeite von zu Hause aus. Ich verhandle mit Banken, gründe Subunternehmen oder berate Mitarbeiter, wenn sie nicht weiterkommen. Ich entscheide nicht. Die Lösung eines Problems müssen sie selbst finden. Sie stehen in der Verantwortung für ihren Bereich. Das klappt mittlerweile so gut, dass ich auch mal länger verreisen kann, ohne Angst zu haben, dass alles den Bach heruntergeht. Aber das war ein Lernprozess.

Vertrauen, Transparenz und Impulse von außen

Unser Betrieb funktioniert heute so: Sieben Personal- und elf Prozessverantwortliche wuppen relativ autonom den Betrieb. Bei Gehaltsverhandlungen wird das jeweilige Personalbudget innerhalb der Personalverantwortlichen offengelegt. Wer qualifizierte Funktionen übernimmt, erhält mehr Geld. Es kommt aber auch auf die Tätigkeit und Rolle im Unternehmen an. Unsere rund 85 Mitarbeiterinnen haben Gleitzeitarbeit, und bis zu zwei Tage pro Woche ist Home Office möglich. Wir haben alles transparent gemacht. Die Mitarbeiter können betriebswirtschaftliche Zahlen locker im Intranet nachlesen. Das zeigt ihnen, dass wir ihnen vertrauen.

Wir schotten uns auch nicht mehr ab, sondern lassen uns stark von außen inspirieren. Deshalb stellen wir 15 Start-ups Räume zur Verfügung und kooperieren auch mit Universitäten. Impulse von draußen sorgen für einen regen Wissenstransfer. Sich als Unternehmen zu öffnen und vom Know-how anderer zu profitieren ist ein großes Ziel unserer Firma. Deshalb pflegen wir das Verhältnis zu unseren „Mitmietern“ und stellen ihnen unter anderem Fertigungsmaschinen zur Verfügung.

„WIR HABEN 2,5 MILLIONEN EURO UMSATZ FÜR DIE VERÄNDERUNGEN WEGGESCHMISSEN.“

Um es kurz zu sagen: Wir haben ungefähr 2,5 Millionen Euro Umsatz weggeschmissen für diese Veränderungen. Zu den grundlegenden Veränderungen gehörte nämlich auch, dass wir moralisch korrekt handeln. Wir lassen unsere Ware zum Beispiel nicht in Bangladesch produzieren, nur weil ein Kunde es billiger haben möchte. In den ersten Jahren sind wir finanziell erst mal abgestürzt. Es braucht Mut, ein Unternehmen so umzukrempeln. Jeder beäugt eine Firma kritisch, in der es keinen Chef gibt. Aber es hat funktioniert: In den letzten Jahren haben wir große Gewinne geschrieben.

Förderung von Eigenverantwortung

Die Verwandlung war auch psychologisch kein Kinderspiel. Für manche Mitarbeiter war es schwer, den Job, den sie 20 Jahre gemacht haben, nun vollkommen eigenverantwortlich zu erledigen. 30 Prozent der Kollegen waren nicht gemacht für diesen Schritt und haben das Unternehmen verlassen. Ich bin überzeugt davon, dass das Thema Eigenverantwortung viel zu wenig gefördert wird in unserer Gesellschaft. Das fängt schon in der Schule an: Da geht es immer noch viel zu stark ums Funktionieren statt ums eigenständige Denken. 

Auch Unis generieren oft nur Spezialisten. Dabei brauchen wir Mitarbeiter, die auch weltoffen, interessiert, neugierig und gespannt auf die Zukunft sind. Wir brauchen mehr Generalisten. Menschen, die sich dazu entscheiden, sinnhaft zu wirken. Bei uns ist es so: Wenn es unserer Firma nicht gut geht, schläft nicht nur die Geschäftsführung schlecht, sondern die ganze Belegschaft. Dann wird gemeinsam an einer Lösung gearbeitet. Die Mitarbeiter haben sich verändert. In den letzten fünf Jahren arbeiteten sie aktiv an einer Entschuldung des Unternehmens. Das macht uns stolz und zeigt, dass unser Weg richtig war. In Zukunft möchten wir sie am Unternehmen beteiligen. Ich bemerke viel mehr Stolz und Selbstständigkeit bei ihnen.

Der Mittelstand muss mit der Zeit gehen

Ich glaube, KMU tun sich schwer mit Veränderungen. Jetzt funktioniert das hierarchische Führungsprinzip vielleicht noch. Aber sollte sich die wirtschaftliche Hochphase abkühlen, wird sich zeigen, wer wirklich mit der Zeit gegangen ist. Welche Unternehmen sich mit den Fragen der Zukunft beschäftigt haben: mit künstlicher Intelligenz, Digitalisierung und der Ressource Mensch. Welche Schritte haben sie unternommen, um ihren Mitarbeitern die Angst vor Verantwortung zu nehmen?

Wir können als Unternehmen immer noch scheitern, aber wir könnten das auch, wenn wir so weiterarbeiten würden wie vorher. Der Unterschied zu damals ist, dass es gut für uns läuft – und dass wir uns viel besser als vorher fühlen.“

Meinung - Eva Stöger, seit 1989 Office-Managerin bei TELE Haase

„In unserem Unternehmen handle ich sehr eigenverantwortlich und selbstständig. Bei meiner Arbeit schaut mir keiner über die Schultern, und ich verfolge ganz konsequent meine Ziele. Das empfinde ich als großen Vorteil. Der Nachteil des Arbeitens ohne Chef ist, dass ich einen klassischen Zehn-Stunden-Tag auch mal überschreite. Gar nicht mal nur am Arbeitsplatz, sondern auch gedanklich. Ich schalte dann nicht ab, sondern denke Arbeitsvorgänge zu Hause weiter. Ich glaube, das liegt daran, dass ich das Ganze viel mehr lebe als vorher – und das ist eine Bereicherung.“

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

20 Juli 2018

Stark in stürmischen Zeiten: Die Kunst, sich selbst und andere zu führen

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Autoren Bodo Janssen, Anselm Grün

Stark in stürmischen Zeiten: Die Kunst, sich selbst und andere zu führen

Buchbeschreibung des Verlages

Kurzinterview mit Bodo Janssen und Pater Anselm Grün
Frage: Herr Janssen, Sie, ein Hotelunternehmer aus Ostfriesland, und Anselm Grün, ein Benediktinermönch aus dem Unterfränkischen – etwas Gegensätzlicheres ist kaum vorstellbar. Ist Ihre Zusammenarbeit einem Wunder zu verdanken?

Bodo Janssen: Wenn Wunder durch ein gemeinsames Wollen passieren, dann könnte man es so sehen. Aber so unterschiedlich sind Pater Anselm und ich gar nicht. Als ehemaliger Cellerar, als wirtschaftlicher Leiter der Abtei Münsterschwarzach, hat er über zwanzig Klosterbetriebe mit über 300 Mitarbeitern erfolgreich geführt und gemanagt. Immer im Hinblick auf sich verändernde gesellschaftliche Bedingungen. Zudem ist die Benediktinerkongregation eine weltweite Ordensgemeinschaft – ihr ist globales Denken und ein Zugehen auf Menschen mit unterschiedlichsten Lebensformen und Glaubensvorstellungen nicht fremd. Auch wir in der Hotellerie müssen uns auf den Einzelnen einstellen und für sein Wohl sorgen, wo auch immer er herkommt – sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Gästen.

Frage: Pater Anselm, Sie arbeiten spirituell mit verschiedenen Managern zusammen, etwa aus der Automobilindustrie, aber auch mit Ärzten und anderen Menschen, die sich von Ihnen anregen lassen wollen, um sich selbst und andere besser führen zu können – wieso haben Sie gerade zusammen mit Bodo Janssen ein Buch geschrieben?

Pater Anselm: Bestimmt nicht, weil ich einmal in einem seiner Küstenhotels übernachten wollte, denn am liebsten schlafe ich, je älter ich werde, in meinem eigenen Bett. Aber als er zum ersten Mal ins Kloster kam, fiel er auf. Er wollte wirklich etwas an sich und in seinem Unternehmen ändern, war auf der Suche. Da war etwas ganz Authentisches, ganz Offenes und Neugieriges – die meisten Manager verstecken sich hinter Masken und brauchen Zeit, bis diese abgelegt werden. Das war bei Bodo nicht der Fall. Und er kam immer wieder, nach und nach mit seinen ganzen Mitarbeitern aus allen möglichen Bereichen. Da entstand eine Verbundenheit.

Frage: War da auch eine Faszination, zu sehen, wie Mitarbeiter eines Unternehmens mitziehen wie ihr Chef?

Pater Anselm: Selbstverständlich. Da war die Idee einer Gemeinschaft, wie wir sie auch im Kloster haben, und plötzlich wurde sie auch in einem Unternehmen gelebt – ohne dass es wirtschaftliche Einbußen gab. Als gelernter Betriebswirt ist Rentabilität ein wichtiger Faktor – und so verstaubt scheinen Klöster nicht zu sein.

Frage: Herr Janssen, was haben Sie aus dem Kloster mitgenommen?

Bodo Janssen: Pater Anselm hatte mir gleich zu Anfang, nach unserer ersten Begegnung, deutlich zu verstehen gegeben, dass ich sehr kopflastig sei, dass ich unter einem großen Leistungsdruck stehen würde und viel zu ehrgeizig meine eigenen Ziele durchsetzen wolle. Er hatte mich genau erkannt, durchschaut, was auch immer. Mit seiner Hilfe habe ich die Lust wiedergefunden, etwas zu gestalten. Und ich stehe seitdem wieder mit meinen Leuten in Beziehung – das hatte ich durch die wirtschaftlichen Zielsetzungen verloren. Nichts finde ich spannender und anregender, als mich gemeinsam mit den Mitarbeitern zu entwickeln und Ideen umzusetzen.

Frage: Ist Ihr Weg für jeden anderen Unternehmer, für jeden anderen Menschen auch einer?

Bodo Janssen: Unbedingt. Wichtig ist nur, Stille aushalten zu können, und den Mut zu haben, sich selbst kennenlernen zu wollen. Meditation ist da eine gute Hilfe. Meine Frau hat mir nach meinem ersten Aufenthalt im Kloster ein Meditationskissen geschenkt – dafür bin ich ihr heute noch dankbar. Es ist schön, wenn die Familie den Weg mitgeht.

Über den Autor und weitere Mitwirkende
Bodo Janssen studierte BWL und Sinologie und stieg im Anschluss ins elterliche Hotel-Unternehmen ein. Nachdem sein Vater bei einem Flugabsturz ums Leben gekommen war, übernahm er die Führung der Hotelkette. Nachdem er bei einer Mitarbeiterbefragung vernichtende Ergebnisse erhalten hatte, beschloss er, für eineinhalb Jahre ins Kloster zu gehen. Nach dieser Zeit der inneren Einkehr leitete er in seinem Unternehmen einen Paradigmenwechsel ein mit dem Ziel, eine authentische Unternehmenskultur zu entwickeln, in der jeder Mitarbeiter im Unternehmen das leben kann, was ihm als Mensch wichtig ist. Im Ariston Verlag ist bereits sein Buch Die stille Revolution erschienen.

Pater Anselm Grün, geboren 1945, ist Benediktinermönch der Abtei Münsterschwarzach, deren Cellerar (wirtschaftlicher Leiter) er 36 Jahre lang war. Als Kursleiter und geistlicher Begleiter ist er viel unterwegs. Mit zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen erreicht er Millionen von Menschen.

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Anselm Grün und Bodo Janssen in ORF 2 Feierabend: Am Grunde des Ozeans

Sehr interessantes Interview mit Anselm Grün und Bodo Janssen.
Bodo Janssen " Wir haben keine wirtschaftlichen Ziele. Wir haben im Unternehmen eine These, Synthese - Die Wirtschaftlichkeit ist die Basis unseres Handelns, aber nicht der Sinn unseres Tuns. Die Mitarbeiter formulieren selbst, was Erfolg für sie bedeutet. Verbundenheit, Wertschätzung, Freiheit, Mut... und geben sich Antworten zu den Fragen Wer bin ich, was macht mich einzigartig, warum bin ich heute hier?"...

25 Mai 2018

New Work: Definition und Denkfehler

Posted in Trends

New Work: Definition und Denkfehler

Die Zukunft hat inzwischen die Arbeitswelt erreicht. New Work nennt sich der Trend und die rasante Entwicklung in Richtung moderner Arbeitsweise. Ein Thema, das allgegenwärtig und in aller Munde ist. Viele verfolgen New Work mit großer Begeisterung und wachsendem Interesse für das, was noch kommt. Wie werden sich die Veränderungen auf die Arbeit und auch Arbeitnehmer auswirken? Welche neuen Ideen setzen sich durch, welche schaffen es nicht? Und welche Abläufe, die bisher als selbstverständlich galten, werden vielleicht schon bald abgelöst und gelten dann als veraltet? Experten sind sich sicher, dass New Work und der rasante technologische Fortschritt das Arbeitsleben komplett umkrempeln könnten. Wir schauen uns an, was sich hinter dem großen Begriff New Work verbirgt, welche Entwicklungen schon jetzt zu beobachten sind und wie es mit New Work für zukünftige Generationen der Arbeitswelt voraussichtlich weitergehen wird.

New Work Definition: Was ist die neue Arbeit?

Ursprünglich prägte der austro-amerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann den Begriff New Work: Da sich die Arbeitswelt wandelt, habe die Menschheit die Chance, sich von der Knechtschaft der Lohnarbeit zu befreien. Die Werte der Neuen Arbeit definierte er als:

  • Selbstständigkeit
  • Freiheit
  • Teilhabe an der Gemeinschaft

Im Moment sieht es ganz danach aus, als würde Bergmann recht behalten. Inzwischen ist der Wandel in vollem Gange und New Work heute ein Synonym für neue innovative Ansätze der Gestaltung von Arbeit, die die Grundsätze des Philosophen im weitesten Sinne berücksichtigen.

Allerdings herrscht oftmals auch Verwirrung, was nun wirklich New Work ist. Das liegt auch daran, dass die Grenzen nicht ganz klar gezogen werden und sich verschiedene Bereiche überschneiden. Das sieht auch Lars Vollmer, Unternehmen und Mitbegründer von intrinsify.me, so.

Der hehre Gedanke von Frithjof Bergmann vermischt sich neuerdings kreuzwild mit den Ideen von Digitalisierung, Arbeiten 4.0 und hipper Startup-Kultur. New Work bildet in vielen Köpfen ein diffuse Wolke, in der Menschen irgendwie anders arbeiten. Menschlicher. Im Hoodie statt im Anzug. Im Home-Office, digital vernetzt und hochflexibel. Auf Augenhöhe, ohne Hierarchien, geduzt, selbstbestimmt und human, demokratisch und sinngetrieben. Mit Sitzsäcken, Tischkicker und Müslibar und eigentlich am liebsten in einer Garage, sagt Vollmer.

Er sieht darin auch eine Gegenbewegung zum kalten und kapitalistischen Taylorismus des letzten Jahrhunderts. New Work als Ende der Von-oben-herab-Hierarchien, Schluss der strikten Anweisungen, denen detailliert gefolgt werden muss und raus aus den winzigen Büronischen in grauen Betonklötzen. Eine Befreiung ganz im Sinne des Erfinders.

New Work: Arbeit wird mobil, flexibel und dezentralisiert

New Work wird oft als die Arbeitsweise der Zukunft verstanden. Doch diese lässt sich auch in der Gegenwart bereits in vielen Unternehmen beobachten – und zwar weit über die reine Gestaltung der Arbeitsplätze hinaus. Die Veränderungen zeigen sich nicht nur darin, wo gearbeitet wird, sondern besonders auch wie die Arbeit erfolgt.

Schon jetzt müssen Kollegen in vielen Bereichen nicht mehr im gleichen Büro sitzen, um gemeinsam produktiv zu sein. Vor noch gar nicht so langer Zeit kaum vorstellbar, heute absolute Normalität. In großen Unternehmen und Konzernen ist bereits jetzt absehbar, dass Teams aufgrund der voranschreitenden Globalisierung immer häufiger über den gesamten Erdball verteilt sein und trotzdem ohne Probleme gemeinsam arbeiten können. So formt New Work das Team-Modell der Zukunft mit mehr Freiheiten und Möglichkeiten.

Das wird einerseits die Bürowelt nachhaltig verändern, andererseits auch das Miteinander von Kollegen. Denn wenn zunehmend mehr Arbeit mobil, eigenständig und vor allem ortsunabhängig erledigt wird – wofür brauchen Unternehmen dann noch Großraumbüros, die eine Menge Geld kosten?

Wer nun die Kehrseite des New Work fürchtet und glaubt, dass Arbeitsplätze vollkommen abgeschafft werden, kann beruhigt sein. Auch in absehbarer Zukunft wird es weiterhin klassische Arbeitsplätze geben. Schon aus psychologischer Sicht, denn Mitarbeiter bauchen einen festen Hort und eine Anlaufstelle, um sich mit einem Unternehmen identifizieren zu können. Es wird somit auch weiterhin im Interesse von Unternehmen sein, einen solchen Ort zu gestalten.

Große Änderungen sind jedoch in der Gestaltung dieser Arbeitsplätze zu erwarten. Wie der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen könnte, testen erste Firmen bereits unter dem Arbeitstitel New Workspace. Dieser hat mit traditionellen Büroräumen nicht mehr allzu viel gemein. Stattdessen besteht das Büro der Zukunft aus flexiblen Bürolandschaften und bietet Arbeitnehmern je nach Bedürfnislage eine Auswahl unterschiedlicher Arbeitsplatzangebote: Ungestört telefonieren in der Telefonbox, in aller Ruhe nachdenken in der Quiet Zone oder sich mit anderen in geschützten Bereichen austauschen.

Allerdings darf weiterhin darüber diskutiert werden, ob diese Art der New Work wirklich immer besser ist und ausschließlich Vorteile mitbringt. So beschreibt auch Lars Vollmer leicht ironisch Hier ist Arbeit hip, sind Büros trendy, versprüht von der Kreativ-Couch bis zum hauseignen Café im Atrium jedes Detail puren Lifestyle. Krawatten trägt schon lange keiner mehr. Stattdessen führt man den eigenen Bürohund am Morgen in Sneakers zum frei wählbaren Arbeitsplatz. 

New Work: Viele Vorteile durch Flexibilität

New Work ist auf dem Vormarsch und es spricht vieles dafür, dass gerade Arbeitnehmer aber auch Unternehmen von den Entwicklungen profitieren. Im Kern geht es schließlich darum, dass Mitarbeiter mehr Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten erhalten und dass neue technologische Innovationen eingesetzt werden, um die Arbeit zu vereinfachen und zu modernisieren.

Somit wirken sich die Neuerungen auch auf die Personalführung und die Rolle des Vorgesetzten aus. Dieser ist weniger da, um den Mitarbeitern über die Schulter zu gucken, diese zu kontrollieren und Anweisungen zu geben, sondern um die Organisation zu übernehmen, Verantwortungen zu verteilen und den Überblick zu behalten, wenn Projekte an vielen Stellen gleichzeitig bearbeitet werden.

Dabei rücken auch virtuelle Teams in den Fokus, indem beispielsweise Meetings nicht vor Ort, sondern per Konferenzschalte durchgeführt werden: Egal ob Teammeetings, One-to-Ones, Feedbackgespräche – alles kein Problem.

Der wahrscheinlich größte Vorteil sind aber die völlig neuen Möglichkeiten, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie umzusetzen. Die Work Life Balance bekommt mehr Aufmerksamkeit und durch New Work können Karriere und Familienplanung besser zusammengebracht werden. Eine Diskussion, die vor allem die Generation Y prägte, die das Ziel verfolgen, ein ausgeglicheneres Verhältnis der beiden Bereiche zu realisieren.

Insbesondere für berufstätige Eltern ist es heutzutage oft schwer, beides miteinander zu kombinieren. Dank Homeoffice-Lösungen und immer ausgefeilteren Optionen zur virtuellen Zusammenarbeit könnte dieses Problem bald der Vergangenheit angehören.

  • Keine Pendelei mehr
  • Arbeitsphasen und Freizeitphasen könnten sich abwechseln
  • Mehr Mitarbeiter kommen in den Genuss flexibler Arbeitszeiten und moderner Arbeitszeitmodellen


Doch all das verlangt natürlich zum einen eine gute Koordination innerhalb der Teams – Meetings müssten etwa zu bestimmten Kernzeiten stattfinden. Und zum anderen kann eine zunehmende Verschmelzung von Leben und Arbeit dazu führen, dass der Arbeitnehmer der Zukunft überhaupt nicht mehr abschalten kann. Vielleicht aber auch umso besser, weil ihm durch das Plus an Flexibilität viel Druck von den Schultern genommen wird, und er arbeiten kann, wenn die Ideen sprudeln, und nicht, wenn es der Chef für gut befindet.

Und auch Unternehmen freuen sich über New Work, denn mit der neuen Arbeit steigt auch die Produktivität und verbessert das Ergebnis des Arbeitgebers. Oder etwa nicht?

Führt New Work automatisch zu besserer Leistung?

Es ist die Wunschvorstellung, die der gesamten New Work Entwicklung noch ein zusätzliches Extra verleiht. Neben der gestiegenen Zufriedenheit von Mitarbeitern, dem mordernen Arbeitsumfeld und dem Nutzen neuer Technologien steigt ganz nebenbei auch noch die Produktivität. Das beste Nebenprodukt, das wirtschaftliche Unternehmen sich wünschen könnten.

Aber gibt es einen solchen Zusammenhang wirklich? Lars Vollmer zweifelt daran und erklärt Dahinter steht die Überzeugung, Arbeit müsse „schön“ sein. Eben so, dass die Mitarbeiter sich im Büro ungefähr genauso wohlfühlen wie auf der heimischen Couch oder im Lieblingscafé. Und die logische Folge dieser glücklichen Mitarbeiter ist Unternehmenserfolg. Genau darin sieht Vollmer jedoch einen Trugschluss.

Seiner Ansicht nach folgt der Erfolg eines Unternehmens in erster Linie daraus, wie gut dieses seine Arbeit macht und die Erwartungen von Kunden zufriedenstellen kann. New Work richtet sich also nicht danach, einen schöneren und einfacheren Arbeitsplatz zu schaffen, sondern sorgt dafür, dass eine Firma wirtschaftlich bleiben und sich gegen die Konkurrenz durchsetzen kann. Erst wenn das gelingt, steigt auch der Unternehmenserfolg.

Wenn sich die Arbeit radikal verändert, und das tut sie derzeit vielerorts, dann nicht deshalb, weil sich die Chefs überlegt haben, wie sie die Arbeit anders gestalten können, sondern weil das Kundenproblem anders gelöst werden muss, damit der Kunde noch kauft. Und wenn die Menschen im Unternehmen nun die Arbeit so organisieren, dass das Produkt in seiner Kosten-Nutzen-Relation dem Wettbewerb überlegen ist, wenn sie schneller, geschickter und produktiver zusammenarbeiten, dann wird das Unternehmen erfolgreich sein, beschreibt Vollmer die Zusammenhänge.

Der wahre Erfolgsfaktor ist damit nicht New Work an sich, sondern wie diese genutzt wird. Das soll die vielen Vorteile der neuen Arbeitswelt keinesfalls schmälern und natürlich ist es auch im Sinne des Unternehmens, für zufriedene Mitarbeiter zu sorgen – schon um deren Motivation und Loyalität zu steigern.

Geht es rein um den Erfolg, kommt es jedoch das richtige Gleichgewicht und die Nutzung der neuen Entwicklungen an. Erst wenn New Work dazu führt, dass die Fähigkeiten und das Know How im Unternehmen optimal genutzt werden und sich so ein Vorteil am Markt verschafft werden kann, bringt die Veränderung auch Erfolg.

Über die Autorin

Sonja Dietz arbeitet als freiberufliche Journalistin und Social-Media-Redakteurin. Die studierte Germanistin verfügt über eine vertiefte Expertise im Bereich HR-Management. Ihr besonderes Interesse gilt dem Thema Digitalisierung der Arbeitswelt.

Quelle: karriere-bibel

13 April 2018

Sieben Thesen für die neue Arbeitswelt

Posted in Coaching, Führung, Leadership

Erfahrungen des New-Work-Experten Andreas Vollmann

Sieben Thesen für die neue Arbeitswelt

Wenn Andreas Ollmann über neue Arbeits- und Organisationsformen spricht, dann tut er das aus Erfahrung. Mit seiner Agentur Ministry Group probiert er seit fast fünf Jahren aus, wie die Zukunft der Arbeit funktioniert – und wie nicht. Seine New-Work-Erfahrungen hat er für Faktor A in sieben Leitsätzen zusammengefasst.


Ich starte mal gleich mit einer Binsenweisheit: Digitalisierung verändert alles, jede Branche, jeden Job. Das heißt, jeder im Management muss sich und sein Unternehmen darauf einstellen. Niemand kann sagen: „Mit uns hat das alles nichts zu tun.“
Wobei: Natürlich kann man das sagen. Es könnte aber sehr gut sein, dass es Ihr Unternehmen dann schon sehr bald nicht mehr gibt. Denn wir leben in exponentiellen Zeiten. Durch die Digitalisierung wird jede Veränderung prinzipiell einer exponentiellen Entwicklungskurve folgen, die also zuerst unscheinbar und dann sehr extrem ansteigt. Dieser „Hockey Stick“ gilt dabei nicht nur für Businesspläne von Start-ups, sondern eben für uns alle, für jede Veränderung, die durch die Digitalisierung beeinflusst wird.
Das Problem: Die Veränderung bewegt sich lange fast parallel zur x-Achse. Und ist damit deutlich unter dem Radar der etablierten Unternehmen. Aber sobald sie sich erst einmal so weit davon entfernt hat, dass sie die Radarflughöhe überschreitet, verdoppelt sich der Effekt mit jeder zusätzlichen Zeiteinheit. Das heißt: Wenn es wehtut, kann es schon zu spät sein, um noch zu reagieren. Diese Dynamik sind viele unserer Unternehmen aus ihren Märkten nicht gewohnt.


Hierarchiefreie Teams bei der Ministry Group

Bei der Ministry Group haben wir vor mehreren Jahren einen Restrukturierungsprozess gestartet, der uns erlauben soll, uns auf diese Zeit einzustellen. Konkret: Wir haben zum Beispiel 2013 eine Struktur geschaffen, die aus crossfunktionalen, eigenverantwortlichen und hierarchiefreien Teams besteht. Wir haben diese Teams „X-Teams“ genannt. Diesen Teams haben wir möglichst viel Entscheidungsspielraum gegeben. Und sie aus dem Management als „Serviceteam“ unterstützt.

Wir sind mit einem sehr freien Ansatz gestartet, haben den Teams viel Freiraum gegeben. Zu viel, wie wir bald lernten: Wir haben unterschätzt, wie sehr wir Menschen durch unser heutiges Bildungssystem geprägt sind, das nicht unbedingt Eigenverantwortung, Mut oder Experimentierbereitschaft fördert. Wir waren auch zu radikal, was die Themen Hierarchiefreiheit und Eigenverantwortung angeht. Wir haben den Begriff Hierarchie bewusst verneint. Um zu erreichen, dass sich die Menschen bei uns mit Alternativen zur klassischen Hierarchie beschäftigen.
Aber wir haben einige damit überfordert. Wir haben dann im Lauf der Zeit unsere Konzepte überprüft und angepasst. Und sind heute auf einem guten Weg. Die Erfahrungen der letzten drei Jahre haben uns als Organisation weitergebracht. Wir haben in dieser Zeit eine Menge Erfahrungen gesammelt. Und viel gelernt.

Sieben Thesen zu „New Work“

Unsere wichtigsten Erkenntnisse habe ich in den folgenden sieben Thesen zusammengefasst. Sie alle drehen sich um neue Arbeits- und Organisationsformen, also das, was Frithjof Bergmann „New Work“ nennt. Über jede einzelne These kann man stundenlang diskutieren – hinterlassen Sie daher gerne Ihre Meinung bei den Kommentaren am Ende des Textes.

1. Warum gibt es Ihr Unternehmen eigentlich?

Alle Unternehmen können sagen, was sie tun. Die meisten Unternehmen werden auch kein Problem damit haben, zu sagen, wie sie es tun. Aber der Kommunikationsexperte Simon Sinek hat absolut recht, wenn er fordert: „Start with why“ – fangen Sie mit dem Warum an. Definieren Sie, warum es Ihr Unternehmen gibt – und warum es auch im 21. Jahrhundert existieren sollte. Warum Sie und Ihre Mitarbeiter morgens in die Firma kommen sollten. Das ist der Kern Ihrer unternehmerischen Existenz. Ohne sich dieses Kerns bewusst zu werden, kommen Sie vom Weg ab.

2. Gehen Sie in die Bibliothek, aber suchen Sie kein Handbuch

Für „New Work“ gibt es kein Handbuch. Es gibt Ansätze, gemeinsame Prinzipien und Werte, aber jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Vergessen Sie vermeintliche Heilsbringer wie Holocracy, den Spotify-Weg oder die Methode Semco. Studieren Sie diese – und fragen Sie sich, was Sie daraus mitnehmen können. Aber sehen Sie sie als das, was sie sind: Lösungen, die für ein Unternehmen passen. Solange Sie nicht Spotify sind, hilft Ihnen der Spotify-Weg in Reinform wahrscheinlich nicht. Sie brauchen Ihren eigenen Weg, der zu Ihnen und Ihrem Unternehmen passt.

3. Die Hierarchie ist tot. Lang lebe die Hierarchie!

Bei Ministry haben wir für unsere Teamstruktur den Begriff „hierarchiefrei“ benutzt. Ganz bewusst, um zu provozieren. Machtpyramiden zementieren Strukturen, befördern die falschen Menschen (nämlich Machtmenschen), unterbinden das Mitdenken der „Untergebenen“, machen Unternehmen starr. Und das ist in einer hochagilen Umwelt tödlich. Was wir brauchen: wahre Führung. Menschen, die mit Begeisterung anderen Menschen helfen wollen, besser zu werden.
Führung heißt dienen. Und diese Führung wechselt in einer Gruppe – je nach Thema. Bei dem einen Thema führe ich. Weil ich es gut kann, mich auskenne, mich stark involvieren möchte. Bei einem anderen Thema folge ich. Dafür brauchen wir Strukturen, Systeme und letztlich auch andere Entlohnungsstrukturen. Und wir brauchen ein klares Bekenntnis, wie „Führung“ und wie „Folgen“ genau aussieht.

4. Voller Durchblick: radikale Transparenz

Alle im Unternehmen tätigen Personen haben das Recht, zu wissen, wie es dem Unternehmen geht. Und zwar möglichst umfassend. Natürlich gibt es Dinge, die erst einmal nur kleine Gruppen kennen und diskutieren sollten. Aber das meiste in einem Unternehmen sollte möglichst allen bekannt sein. Urlaubstage, betriebswirtschaftliche Kennzahlen, Gehälter, auch Pläne und Vorhaben. Dann können alle damit arbeiten.

5. Eigenverantwortung und Vertrauen

„Angestellte wie erwachsene Menschen zu behandeln, sollte zum gelebten gesunden Menschenverstand gehören. Gleichwohl ist es nicht gelebte Praxis.“ (Jurgen Appelo) Warum eigentlich nicht? Warum verzichten so viele Unternehmen auf so viel wertvolle Köpfe? Ich glaube, weil Führungskräfte nicht vertrauen. Und da sind wir beim Kern dessen, was das sogenannte neue Arbeiten ausmacht: Es geht um Vertrauen. Menschen, die Vertrauen bekommen und sich mit ihrer Firma identifizieren, werden dieses Vertrauen nicht ausnutzen. Mehr noch: Menschen haben ein sehr feines Gespür dafür, was sie sich zutrauen können und wo sie Hilfe brauchen.
Schaffen Sie darum ein System, das dafür sorgt, dass Ihr Unternehmen sich kontinuierlich entwickeln und an Marktveränderungen anpassen kann. Dazu müssen alle Teile Ihres Unternehmens in der Lage sein, in ihrem direkten Umfeld Veränderungen anzustoßen und durchzuführen. Das ist nicht einfach. Und man muss dafür eine Menge neuer Entscheidungswege üben. Und als Führungskraft muss man loslassen und vertrauen.

6. Wir brauchen (k)eine Fehlerkultur

Fehlerkultur ist ein furchtbares Wort. Ich hasse es. Sprache ist da übrigens auch entlarvend: Wir sprechen davon, dass jemand „Fehler macht“. Aber: Niemand „macht“ Fehler aktiv. Fehler passieren. Und der, dem sie passieren, ärgert sich darum meist mehr als jeder andere. Außerdem ist das Wort Fehlerkultur zu sehr auf Negatives fokussiert. Es geht nicht um Spaß an Fehlern, sondern um Spaß am Lernen. Lernen ist wichtig. Damit meine ich nicht Erwachsenenbildung, Klassenzimmer und Vorträge. Es geht darum, Spaß an Experimenten zu entwickeln, regelmäßig anzuhalten und zurückzublicken und aus dem zu lernen, was man getan hat. Ich glaube also: Wir brauchen eine Lernkultur!

7. Wir brauchen Zeit – und Geduld

Alle angesprochenen Veränderungen brauchen Zeit. Zeit, damit das System „Unternehmen“ lernt. Veränderungen, wie sie hier nötig sind, lassen sich eben nicht von heute auf morgen per Befehl von oben einführen. Hier muss überzeugt werden, und alle Teile des Systems müssen lernen. Und Lernen braucht eben Zeit. Also fangen Sie besser heute als morgen damit an.
Sie begeben sich übrigens auf einen Weg mit einem beweglichen Ziel. Facebook sagt von sich: „This journey 1% finished.“ Und zwar schon seit Jahren. Das meint: Es geht darum, auf den Weg zu gehen, nicht um die Erwartung des Ankommens. Sie werden nie „ankommen“ im Sinne eines faustischen „Verweile doch! Du bist so schön!“. Und das ist die gute Nachricht: Als Faust das sagte, war er tot.

Über den Autor

Andreas Ollmann ist geschäftsführender Gesellschafter der digitalen Kommunikationsagentur Ministry Group in Hamburg. Er beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie wir künftig arbeiten werden. Jährlich veranstaltet er mit Gleichgesinnten die Konferenz New Work Future.

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

06 April 2018

Wie werden wir morgen arbeiten?

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Fragen an Prof. Jutta Rump

Wie werden wir morgen arbeiten?

In Zeiten der Digitalisierung verändern sich Berufsbilder, Wettbewerber und Geschäftsmodelle. „Employability-Management“ lautet darum das Gebot der Stunde. Prof. Dr. Jutta Rump erklärt im Interview mit Faktor-A, was das für Arbeitgeber bedeutet.

„Was jemand heute gelernt hat, wird nicht für die nächsten 50 Jahre halten", sagt Prof. Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen im großen Faktor-A-Interview. In Zeiten der Digitalisierung veränderten sich Berufsbilder, Wettbewerber und Geschäftsmodelle. „Employability-Management“ laute darum das Gebot der Stunde.

Es wird automatisiert, was sich automatisieren lässt: Maschinen, Methoden, Prozesse, Büros, Fabriken, Lagerhallen. Berufsbilder verändern sich rasant, an der Schnittstelle von Mensch und Maschine entstehen neue Berufe, andere verschwinden ganz. Befristete Beschäftigung, Teilzeit, Leiharbeit, Selbstständigkeit und vieles mehr drohen das bisherige Normalarbeitsverhältnis zu verdrängen. Immer neue Wettbewerber und Geschäftsmodelle kommen auf den Markt. In dieser Welt des Wandels wird der Arbeitnehmer selbst zur einzigen Konstante und zum Garanten für Beschäftigungsfähigkeit – sowohl für seine eigene als auch für die des Unternehmens. Will er in der neuen Arbeitswelt mitspielen, muss er einerseits selbst für seine Arbeitsmarktfitness sorgen, andererseits sind Betriebe, die Beschäftigungsfähigkeit fordern, in der Verantwortung, diese zu fördern.

Faktor A: Um in der digitalen Arbeitswelt klarzukommen, genügt es längst nicht mehr, dass Beschäftigte fachlich gut ausgebildet sind. Es braucht sogenannte überfachliche Kompetenzen. Welche sind das?

Prof. Dr. Jutta Rump: Das sind Lernbereitschaft und -fähigkeit, Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit, die Fähigkeit, mit Schnelligkeit und Komplexität umgehen zu können und mit einer Fülle von Daten. Es bedeutet aber auch, Entscheidungen zu treffen, wenn sich alles rasend schnell verändert – und das nicht nur als Führungskraft. Man braucht aber auch Revidierbarkeitskompetenz. Wenn man merkt, das war jetzt nicht die beste Entscheidung, muss man neu prüfen und beschließen. Das A und O ist das Selbstmanagement: sich klarmachen, dass man in einer Welt von Arbeiten 4.0 zum Unternehmer in eigener Sache wird. Der Arbeitnehmer mit seiner Beschäftigungsfähigkeit ist ein Vermögenswert, das ist sein Sicherungsanker. Damit das auch langfristig funktioniert, muss er daran arbeiten und sich selbst managen. Dazu gehört ein großes Maß an Eigenverantwortlichkeit.

Sind das nicht alte Hüte? Wieso sind diese gerade jetzt so entscheidend?

4.0 steht für Dynamik, steigende Veränderungsgeschwindigkeit, Komplexitätszuwachs, Vernetzung untereinander. Um sich da zurechtzufinden, braucht es mehr als nur fachliches Wissen. Das ist Nummer eins. Zweitens ist zu überlegen: Welche Jobs und Tätigkeiten sind denn sicher? Und an welcher Stelle werden Kollege Roboter und Kollege Algorithmus die Arbeit tun? Sicher sind Jobs, die stark vernetzt sind, also wo Wissensarbeiter ihr Know-how mit dem von anderen Spezialisten verbinden, Regeln brechen und so neues Wissen erzeugen. Es sind immer Aufgaben, in denen es vor allem auf die überfachlichen Kompetenzen ankommt. Um sich beschäftigungsfähig und arbeitsmarktfähig zu halten, muss man in diese Kompetenzen investieren.

Das wichtigste Ausbildungsfach heißt demnach Selbstständigkeit und Eigenverantwortung?

Ja, es heißt vor allem Mitdenken! Verantwortung übernehmen. Sich klarmachen, dass die einmal abgeschlossene Berufsausbildung nicht ein Leben lang hält. Die Sicherheit eines Arbeitsplatzes gibt es nicht mehr, und die Gewissheit eines Beschäftigungsverhältnisses? Ich bin nicht sicher. Viele Menschen machen sich permanent darüber Gedanken, ob das Auto in einem perfekten Zustand ist. Bringen sich die Leute eigentlich auch regelmäßig selbst zur Inspektion?

Welchen Unterschied machen die Branche und die Hierarchie?

Es gibt keinen Unterschied in den überfachlichen Kompetenzen. Egal ob jemand in der Produktion, im Handel oder in der Gesundheitswirtschaft tätig ist, ob als Führungskraft oder nicht: Es ist eine grundlegende Haltung, eine Einstellungssache.

Wovon genau sprechen wir, wenn wir von Beschäftigungsfähigkeit, Employability, reden?

Beschäftigungsfähigkeit hat drei Elemente: 1. Qualifikation und Kompetenzen: was eine Stelle jetzt und in Zukunft vom Arbeitnehmer verlangt. 2. Motivation: Am besten sollte ein Mensch, der employable ist, auch einen inneren Antrieb haben für das, was er tut – so was wie Identifikation. 3. Gesundheit: Die Förderung von Employability hat einen Bezug zur präventiven Gesundheitsförderung. Neben dem körperlichen Wohlbefinden stehen der Umgang mit mentalen Belastungen und der Abbau von negativen Stresssituationen im Blickpunkt.

ICH KANN MIR NICHT MEHR VORSTELLEN, DASS JEMAND GLAUBT, DASS DAS, WAS ER GELERNT HAT, FÜR DIE NÄCHSTEN 50 JAHRE HÄLT.

PROF. DR. JUTTA RUMP, DIREKTORIN DES INSTITUTS FÜR BESCHÄFTIGUNG UND EMPLOYABILITY

Was denken Sie, wie tief ist die Erkenntnis im Bewusstsein von Unternehmen und Mitarbeitenden gereift, ihre Beschäftigungsfähigkeit zu sichern?

Wenn ich die letzten 15 Jahre Revue passieren lasse, ist diese Erkenntnis deutlich gereifter als früher. Bei den Großkonzernen taucht das Thema Employability mittlerweile überall auf. Selbst in Betriebsvereinbarungen ist das schon manifestiert. Auch bei Mitarbeitern ist es angekommen. Vielleicht nutzen sie eher den Begriff der Arbeitsfähigkeit. Vielen ist klar, dass sie an diesem Wert beständig arbeiten müssen. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass jemand glaubt, dass das, was er gelernt hat, für die nächsten 50 Jahre hält.

Und wie sieht das in kleinen und mittelständischen Unternehmen aus?

Gerade KMU, die im Wettbewerb miteinander stehen, haben das Thema Fachkräftemangel und attraktiver Arbeitgeber entdeckt und wissen ganz genau, dass sie nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie Leute haben, die die beste Leistung bringen. Sie wissen, dass sie in diese Leute investieren müssen, nicht nur im Sinne von Kompetenzen, sondern auch in Gesundheit und Motivation, damit die von innen brennen. Die Realität hat gerade KMU mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Kraft auf das Thema gebracht.

Welches wären erste Schritte eines Unternehmens hin zur Entwicklung einer Employability-Kultur?

Unternehmer müssen sich fragen, wo sie mit ihrem Betrieb in fünf Jahren stehen. Was ist die Vision? Wie ist der Stand heute, und wie lassen sich Lücken schließen? Das kann ein Einzelunternehmer genauso machen wie der Handwerksmeister mit zehn Leuten, genauso wie ein mittelständisches Unternehmen mit 50 Leuten oder der produzierende Bereich mit 200 Leuten. Wir wissen, dass sich unglaublich viel bewegt. Wir haben relativ verlässliche Informationen, wohin es sich entwickelt, und die Frage, was das für den eigenen Betrieb bedeutet, muss man sich ernsthaft stellen. Sonst wird man nur reagieren, nur hinterherhechten.

Was genau beinhaltet Employability-Management?

Es braucht ein Unternehmenskonzept, Einzelaktivitäten sind hier nicht ausreichend. Firmen müssen alle relevanten Unternehmensfelder einbeziehen, die Aktivitäten zur Steigerung der Employability aufeinander abstimmen, miteinander verknüpfen und Wechselwirkungen berücksichtigen. Konkret betrifft das die Unternehmenskultur, Personalentwicklung, Vergütung, Führung, Gesundheitsmanagement, Arbeitsorganisation, Werdegänge und Controlling.

WAS MACHT DEN WERT VON UNTERNEHMEN IN EINER WISSENS- UND INNOVATIONSGESELLSCHAFT AUS? NICHT DIE MASCHINE UND NICHT DAS BANKKONTO, SONDERN DER MITARBEITER

PROF. DR. JUTTA RUMP, DIREKTORIN DES INSTITUTS FÜR BESCHÄFTIGUNG UND EMPLOYABILITY

Welchen Vorteil haben Arbeitnehmer, welchen Unternehmen?

Der Gewinn für den Arbeitnehmer liegt in der Beschäftigungssicherung. Zugleich gibt es ihm eine gewisse Beweglichkeit auf dem Arbeitsmarkt. Wenn er nämlich feststellt, dass es im angestammten Arbeitsumfeld enger wird, kann er sich in anderen Bereichen schneller zurechtfinden. Er ist vielleicht zunächst geschockt über diese Entwicklung, dann aber auch schneller wieder sortiert. Das ist ein ganz erheblicher Vorteil. Drittens: Er zeigt mehr Selbstbewusstsein. Wer das hat, weist ein hohes Maß an Gelassenheit auf. Das ist auf dem Arbeitsmarkt superwichtig.

Und die Unternehmen?

Der Unternehmer hat eine Belegschaft, die er flexibler einsetzen kann, eine Belegschaft, mit der er in die Zukunft starten kann, die mit ihm auch Ungewissheit aushält, ohne in Lähmung zu verfallen. Dadurch hat er einen höheren Vermögenswert. Denn was macht den Wert von Unternehmen in einer Wissens- und Innovationsgesellschaft aus? Nicht die Maschine und nicht das Bankkonto, sondern der Mitarbeiter. Ich frage KMU immer: Was würdet ihr tun, wenn die Leute ab morgen keine Lust mehr hätten, zu euch zu kommen? Seid ihr dann noch handlungsfähig? Wir reden über den größten erfolgskritischen Faktor, den KMU haben. Den müssen sie managen.

Das alles setzt aber voraus, dass sich KMU selbstbewusste, mitdenkende Mitarbeiter wünschen …

Manchmal sagen mir Unternehmer, sie hätten in ihre Mitarbeiter investiert. Und jetzt seien diese viel selbstbewusster und redeten dauernd ins Geschäft rein. Das gefalle ihnen gar nicht, außerdem seien diese Beschäftigten schneller auf dem Sprung. Das lohne sich doch gar nicht. Meine Gegenfrage an die Unternehmer lautet dann: Können Sie es sich leisten, es nicht zu tun?

FÜHRUNGSKRÄFTE BRAUCHEN LEADERSHIP-SKILLS, DIE FÄHIGKEIT, MENSCHEN INSPIRIEREN ZU KÖNNEN, ZUZUHÖREN UND SICH EINZUFÜHLEN.

PROF. DR. JUTTA RUMP, DIREKTORIN DES INSTITUTS FÜR BESCHÄFTIGUNG UND EMPLOYABILITY

Das heißt, Führung muss gewaltig umdenken?

Damit die Mitarbeiter nicht so schnell auf dem Sprung sind und sich der Return on Investment rentiert, müssen sich Firmenlenker und Führungskräfte Gedanken machen, wie sie mit selbstbewussteren Leuten umgehen. Die wollen mitreden, ja, aber das ist doch gut und sogar eine Entlastung, das gibt doch viel mehr Möglichkeiten. Employability geht mit einer zunehmenden Partizipation einher, ja sogar mit einer zunehmenden Demokratisierung.

Was empfehlen Sie konkret?

Führungskräfte müssen all das können, was ich bereits genannt habe. Außerdem sollten sie Macht abgeben, Eigenverantwortung und Autonomie fördern sowie die Managementkompetenzen beherrschen, die notwendig sind, um partizipativ zu führen. Und sie brauchen Leadership-Skills, die Fähigkeit, Menschen inspirieren zu können, zuzuhören und sich einzufühlen. Das hat viel mit der Persönlichkeit zu tun.

Wenn ich mich als Beschäftigter weiterentwickeln möchte, wie gehe ich vor?

Das Gespräch mit dem Chef suchen: „Ich möchte mich weiterbilden, gibt’s Möglichkeiten, mein Profil auszuweiten, zum Beispiel mit Job-Enrichment, Job-Enlargement, Job-Rotation?“ Sich fragen, ob die eigene Qualifikation noch dem aktuellen Stand entspricht, Stellenanzeigen lesen, im Internet surfen, Begrifflichkeiten checken. Wer all das tut, handelt gleichzeitig eigenständig und verantwortungsbewusst. Dazu gehört auch, in Balance zu bleiben, sich nicht zu überfordern und nicht schon in jungen Jahren auszubrennen.

Und wenn sich mein Unternehmen selbst noch gar nicht auf den Weg gemacht hat?

Die harte Antwort lautet: Dann muss man es losgelöst von seinem Arbeitgeber tun. Fehlt dem diese Einstellung, ist das keiner, mit dem man alt wird. Leute, die ihren Weg konsequent bis zu diesem Punkt gegangen sind, die werden auch was anderes finden.

Unabhängig vom Alter?

Bis 55 Jahre ist der Arbeitsmarkt mittlerweile schon beweglicher geworden.

OB JEMAND EMPLOYABLE IST, HÄNGT VON DER INNEREN HALTUNG AB, ABER NICHT GRUNDSÄTZLICH VOM BIOLOGISCHEN ALTER.

PROF. DR. JUTTA RUMP, DIREKTORIN DES INSTITUTS FÜR BESCHÄFTIGUNG UND EMPLOYABILITY

Ist da ein größeres Bewusstsein seitens der Unternehmen für die Kompetenzen älterer Arbeitnehmer gewachsen?

Ja. Einer der zentralen Gründe ist, dass es Weiterbildung inzwischen bis zum Renteneintrittsalter gibt. Zweitens: Die, die vor zehn, 15 Jahren noch das Defizitmodell des Alters vertreten haben, sind alle selbst gealtert. Der Personalchef ist jetzt selber 50, und für ihn kann das ja nicht stimmen – so seine Wahrnehmung. Drittens ist mittlerweile überall angekommen, dass die psychologische Forschung das Defizitmodell nicht aufrechterhalten kann. Ob jemand employable ist, hängt von der inneren Haltung ab, aber nicht grundsätzlich vom biologischen Alter.

Wenn sich das durchgesetzt hat, wieso hat es die Zielgruppe 45 plus dann immer noch schwerer, einen Jobwechsel zu vollziehen als Jüngere?

Die Frage ist, ob die Passgenauigkeit zwischen Aufgabe und Profil gegeben ist. Oft scheitert es auch an Gehaltswünschen. Das zu verdienen, was der Jüngere dafür bekommt, ist für viele Ältere „out of the range“. Das Unternehmen sagt dann, die Seniorität ist jetzt nicht so wertvoll. Ich bekomme einen, der halb so alt ist, für die Hälfte, und noch dazu ist der formbar und anpassungsfähiger.

Wie gehen Sie mit Ängsten um, also wenn Arbeitnehmer befürchten, aufgrund des digitalen Wandels ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder den Anschluss zu verpassen?

Derzeit wird diskutiert, dass sich die Chancen auf dauerhafte Beschäftigung für einige „durchschnittlich“ Qualifizierte, die mittleren Qualifikationsstufen, reduzieren könnten. Die bisher als selbstverständlich betrachtete Annahme, dass mit der Entwicklung neuer Technologien die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften steigt und die Nachfrage nach niedrig Qualifizierten sinkt, scheint nicht mehr zu gelten. Denn aktuelle Forschungsergebnisse zeigen veränderte Zusammenhänge. So wird es danach bei vielen Tätigkeiten, die bisher von Beschäftigten mit mittlerem Qualifikationsniveau bearbeitet werden und die eine manuelle und/oder kognitive, teilweise auch hochkomplexe Routineaufgabe darstellen, zu einer Substitution durch die Technik kommen.

DER BLICK ZURÜCK IN DIE VERGANGENHEIT KANN NIEMALS DIE LÖSUNG FÜR DIE ZUKUNFT SEIN.

PROF. DR. JUTTA RUMP, DIREKTORIN DES INSTITUTS FÜR BESCHÄFTIGUNG UND EMPLOYABILITY

Da steht einiges auf der Roten Liste. Doch es entstehen ja auch neue Jobs, die mit kreativer Denkarbeit und Innovation zu tun haben …

Was Menschen Angst macht, ist, dass das alte Qualifikationsprofil nicht mehr zum neuen Job passt. Das heißt, Unternehmen müssen die Menschen stufenweise qualifizieren: Wenn einerseits Jobs wegfallen, können sie sie nur Stück für Stück an neue Aufgaben heranführen. Um diesen Wandel sozialverträglich zu gestalten, möglichst ohne Verlierer, braucht es Investition, Zeit und Konzepte.

Sehen Sie auch Grenzen der Beschäftigungsfähigkeit?

Der Erfolg eines Unternehmens hängt heute mehr denn je davon ab, ob die Mitarbeiter ihre Talente einbringen können. Doch mehr als 70 Prozent der Beschäftigten kennen diese nicht. Für die Arbeitswelt ist das schlecht. Wenn Arbeitnehmer das nicht wissen, werden sie derartige dynamische Welten so stressig empfinden, dass sie sich wie ein Hamster im Rad vorkommen, sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht und suchen nach Ankerpunkten, und sei es den Blick zurück in die Vergangenheit. Doch der kann niemals die Lösung für die Zukunft sein. Von daher ist die Frage: Was ist mit den Menschen, die wollen, aber nicht können – aus gesundheitlichen Gründen, weil ihre Lebenssituation es ihnen im Moment nicht ermöglicht, warum auch immer? Hier muss das Subsidiaritätsprinzip einer Gesellschaft wirken. Wenn es Menschen gibt, die nicht können, ist es Aufgabe einer Gesellschaft, der Sozialgemeinschaft, ihnen dennoch eine Perspektive zu bieten.

Steckbrief

Prof. Dr. Jutta Rump ist Spezialistin für Megatrends in der Arbeitswelt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Unternehmen, Organisation und Führung.

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

15 März 2018

Wie sich Menschen organisieren, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen

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Neuestes Buch von Lars Vollmer über mehr Erfolg und Agilität

Wie sich Menschen organisieren, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen

Ein motivierendes und höchst wirkungsvolles Buch für alle, die Strukturen und Methoden aus dem Industriezeitalter überwinden wollen und sich mehr Erfolg und Agilität in Gesellschaft und Wirtschaft wünschen.

Verantwortung und Freiheit wecken Kreativität

Der Reflex, der in jedem Unternehmen, jeder Organisation, jeder Gruppe wach wird, sobald Menschen zusammen arbeiten und etwas erreichen wollen, ist: Wer ist zuständig und wer verteilt weitere Zuständigkeiten? Und wie selbstverständlich bilden sich daraus Hierarchien und Abteilungen.

Statt sich diesen starren Strukturen unterzuordnen, inspiriert Lars Vollmer zu mehr Initiative, Verantwortung und der Überlegung, wie es gelingen kann, Organisationen voller Agilität und Freiheit zu gestalten, Denn der Unternehmer und Honorarprofessor der Leibniz Universität Hannover weiß: Wenn Menschen freiheitlich leben und arbeiten, entsteht echter Nutzen für Kunden und Gesellschaft auf den Märkten des 21. Jahrhunderts. Und dies bewirkt Freude an der Arbeit und wahre Wirksamkeit.

Vom Business-Theater zur Selbstorganisation

Dass Menschen in Unternehmen mehr Theater spielen, dafür aber aufgrund starrer Pläne, Meetings und Vorgaben nicht die Möglichkeit erhalten, echte Arbeit zu leisten, hat der Vordenker Lars Vollmer in seinem Spiegel-Bestseller „Zurück an die Arbeit. Wie aus Business-Theatern wieder echte Unternehmen werden“ bereits deutlich gemacht. Dass dieses Business-Theater und die dafür verantwortlichen tayloristischen Strukturen abgeschafft gehören, ebenso.

Es blieb die Frage: Wie organisieren sich Menschen eigentlich, wenn starre Führungsrollen ausbleiben und ihnen niemand mehr sagt, was genau sie tun sollen?

Freude an der Arbeit durch Eigenverantwortung

Anhand überraschender Beispiele aus Gesellschaft und Wirtschaft macht sich Vollmer nun in seinem neuen Buch siebeneinhalb aufrüttelnde Gedanken über eben jene Entwicklung, die Menschen vollführen, wenn ihnen keine Führungskraft Zeit-, Ziel- oder sonstige Pläne vor die Nase setzt. 

In Zeiten von Modernisierung, Digitalisierung und New Work liefert Vollmer eine Ode auf die Selbstorganisation und agiles Arbeiten und vermittelt wertvolle Gestaltungsprinzipien, um Eigenverantwortung zu fördern und echte Freude an der Arbeit zu erlangen.

Über den Autor Lars Vollmer

Lars Vollmer, 46, ist promovierter Ingenieur und Honorarprofessor der Leibniz Universität Hannover. Als Unternehmer und Mitbegründer von intrinsify.me, einem offenen Thinktank für die neue Arbeitswelt und moderne Unternehmensführung, kennt er die Verstrickungen im Unternehmeralltag aus eigener Erfahrung. Er gilt als einer der führenden Management-Vordenker der neuen Generation. Als gefragter Redner und Autor plädiert er dafür, Unternehmen, Führung und Arbeit völlig neu zu denken.

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Interview mit Lars Vollmer zu seinem Buch

Im Dezember 2017 war Lars Vollmer zu Gast bei der Talkshow »Chefsache« des Baden-Württembergischen Senders Regio-TV. Interviewt wurde er von dessen Geschäftsführer, Rolf Benzmann zu den Thesen meines neuen Buches....

14 Februar 2018

Neu im Kino: "Gute Führung - Der Film"

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Zukunft von Führung und Arbeit

Neu im Kino:

Der Dokumentarfilm „Die Stille Revolution“ zeigt einen Vordenker einer neuen Arbeitswelt, die humaner und dabei produktiver ist. Was können Unternehmer und Führungskräfte von ihm lernen?

Was tun Sie, wenn eine Mitarbeiterbefragung ergibt: „Wir brauchen einen anderen Chef“? Schlucken und so weitermachen wie bisher? Bodo Janssen, Geschäftsführer der friesischen Hotelkette Upstalsboom, war in genau dieser Situation. Er bekam 2010 ein vernichtendes Feedback von seinen Mitarbeitern – und beschloss, etwas zu ändern. Er besuchte Seminare in einem Schweigekloster und kam wieder mit einer neuen Vorstellung von Führung. Und mit einem neuen Selbstbild. „Wenn jemand etwas als Führungskraft verändern möchte“, sagt Janssen heute, „dann ist er gut damit beraten, zunächst und ausschließlich bei sich selbst anzufangen.“

Dokumentiert hat diesen zweifachen Wandel Kristian Gründling in seinem Film „Die Stille Revolution“, der jetzt in einigen Kinos gezeigt wird. Der Film wirbt für einen Kulturwandel in der Arbeitswelt, für eine neue Unternehmenskultur, die nicht das Geld, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellt. „Der Zweck ist immer der Mensch“, sagt Bodo Janssen. Dass neben dem Hotelchef noch 60 Gleichgesinnte zu Wort kommen, verleiht dieser Botschaft Gewicht, sodass der Filmtitel nicht zu viel verspricht und hoffen lässt.

Es äußert sich zum Beispiel Peter Bostelmann, „Direktor für globale Achtsamkeitspraxis“ beim Technologiekonzern SAP. Er wird dabei gezeigt, wie er bei einem Meeting meditiert: Ein Dutzend Frauen und Männer in Businesskleidung sitzen um einen Konferenztisch, die Augen geschlossen –  für viele immer noch ein ungewohntes Bild. „Vor zehn Jahren hätte ich darüber gelächelt“, sagt Bostelmann in die Kamera. Heute weiß er, dass Meditieren guttut, dem Menschen und der Arbeit.

Reflexion, Bewusstsein, Sinnhaftigkeit, Freiheit, Entfaltung – das sind Wörter, die im Film immer wieder fallen. Der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, zum Beispiel sagt: „Der Verstand fragt, wie’s geht, aber mit dem Bewusstsein kommt die Sinnfrage dazu.“ Nur wenn das Bewusstsein entsteht, etwas Sinnvolles zu tun und für einen sinnvollen Unternehmenszweck zu arbeiten, kann jemand auch zufrieden bei der Arbeit sein. Der ehemalige Finanzminister Hans Eichel spricht die Finanzkrise an. Man habe gesehen, dass es kein gutes Ende nehme, wenn Unternehmen nur noch möglichst viel Gewinn erzielen wollten. Er fragt: „Was ist eigentlich der wirkliche Sinn dessen, was wir da tun?“ Und der Benediktinermönch Anselm Grün, bekannt als Autor spiritueller Bücher, ist überzeugt: „Unternehmen, die Werte beachten, werden auf Dauer wertvoller.“

Der Film zeigt noch viele andere Köpfe, prominent oder nicht, alt oder jung, ob Spezialist für Gong-Meditation, Professorin, Personalleiter, Trendexpertin, Karma-Ökonom, Pferdetrainerin, Ideenhistoriker, Olympiasportler oder Leiter einer Stadtreinigung – leider nur wenige Frauen darunter. Allen gemeinsam ist der Gedanke, dass Arbeit auch anders geht und produktiver, wenn man bereit ist, sich vom veralteten Bild der Machtpyramide zu lösen: oben der Chef, ganz unten der Praktikant.

Bodo Janssen sagt es ganz offen: „Ich war ein Mensch der Zahlen, Daten, Fakten. Ich saß im größten Büro mit dem größten Schreibtisch.“ Erfolgreich war er damit nicht und glücklich auch nicht. „Mein ganzes Leben war eine Maske, immer am Posen.“ Anstrengend sei es gewesen, immer die Chefrolle aufrechtzuerhalten und insgeheim zu wissen: „Das bin ja nicht ich.“ Heute trägt er Dreitagebart und eine Strickweste überm weißen Hemd. Er spricht langsam, unkompliziert, ohne Scheu vor der Kamera. Die folgt ihm bei Spaziergängen übers Feld, am Strand, ins Watt, durch die Säulengänge des Schweigeklosters, durch den Wald, sie zeigt ihn am Steuer seines Segelbootes und immer wieder beim Meditieren im Kreise seiner Mitarbeiter. Der Prozess seines persönlichen Wandels wird begleitet von dem Gedanken: „Erst wenn ich mich selbst erkenne, kann ich andere führen.“

Dass der Hotelchef dabei handfeste Absichten verfolgt, verschweigt er nicht: „Ich wollte, dass die Mitarbeiter zufriedener werden, um mehr Leistung zu bringen.“ Und so dokumentiert der Film auch den Wandel des Unternehmens. 2013 erarbeiten sie alle gemeinsam in ihrem Hotel in Varel, Ostfriesland ein neues Leitbild für die Hotelgruppe. Jeder darf mitreden – das erleben die Mitarbeiter, wie sie sagen, als größte Veränderung.

Mehr Umsatz, weniger Krankmeldungen

Im Januar 2016 fahren Janssen und die Azubis nach Tansania und erklimmen gemeinsam den Kilimandscharo. Sie haben lange dafür trainiert, quälen sich nun die 5895 Meter nach oben und erreichen tatsächlich den Gipfel. „Man kriegt so oft gesagt, was man nicht kann“, sagt eine Auszubildende in die Kamera. „Jetzt sehen wir mal, was wir alles können.“ Das ist mehr als Teambuilding, hier hat scheinbar ein Umdenken begonnen. Die Experten im Film liefern dazu die Theorie, wenn sie von „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ sprechen und von „Potenzial entfalten, nicht Ressourcen ausnutzen“.

Und noch ein emotionales Projekt wird von der Kamera begleitet: eine Fahrt nach Ruanda im Februar 2016, wo die Hotelgruppe die von Reiner Meutsch gegründete Stiftung „Fly & Help“ beim Bau von Schulen unterstützt. Zur Eröffnung einer dieser Schulen sind ungefähr 20 Mitarbeiter und Bodo Janssen angereist, die Aufnahmen zeigen sie inmitten von Einheimischen, es ist ein großes Fest. Eine leitende Angestellte sagt: „Wenn man Wohltätiges in der Arbeitszeit tut, bekommt die Arbeit einen anderen Stellenwert“, und man glaubt ihr das.

Am Ende, wie um noch die letzten Zweifler zu überzeugen, packen die Filmemacher dann doch noch wirtschaftliche Kennzahlen aus. Krankmeldungen bei Upstalsboom: stark gesunken. Umsatz: verdoppelt. Bewerbungen: gestiegen. Weiterempfehlungen von Hotelgästen: gestiegen. Der Film an sich folgt keiner erkennbaren Struktur, die Flut von Zitaten ist schwindelerregend, und Rückschläge oder kritische Stimmen im Unternehmen scheint es nicht gegeben zu haben. Dennoch zeigt „Die Stille Revolution“ sehr eindrücklich: Ein Wandel ist möglich.

Filmvorführungen: am 12.2. in Berlin, bundesweiter Filmstart am 22.3., hier können auch separate Vorstellungen gebucht werden.

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

TRAILER - Die Stille Revolution

02 Februar 2018

Das Start-up WeWork erobert Londoner Büros

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Coworking Spaces

Das Start-up WeWork erobert Londoner Büros

Der Coworking-Space-Betreiber ist in London der größte Anbieter gewerblicher Bürofläche. Das Konzept des geteilten Arbeitsplatzes wird auch in Deutschland immer beliebter.

Das amerikanische Coworking-Start-up WeWork ist der zweitgrößte Büronutzer in London geworden – nach der britischen Regierung. Mit 242.000 Quadratmetern Bürofläche übertrifft WeWork sogar Giganten wie die Deutsche Bank und Amazon in der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs, schreibt das britische Finanzblatt „Financial Times“.

WeWork wurde vor acht Jahren von den Amerikanern Adam Neumann und Miguel McKelvey in New York gegründet. Seitdem ist das von Softbanks Vision Fund finanzierte Unternehmen enorm gewachsen; im August wurde es zuletzt mit 20 Milliarden Dollar bewertet.

Überraschend rasantes Wachstum

Mittlerweile ist WeWork mit 207 Standorten in 64 Städten in der ganzen Welt vertreten; in Deutschland bisher in Berlin, Frankfurt, München und Hamburg. Gerade in Großstädten wie London oder New York wird das Unternehmen immer dominanter auf dem Immobilienmarkt. Die Strategie: Bürogebäude kaufen oder mieten, um sie schließlich als stylische geteilte Büros anzubieten. Dieses Modell scheint gut zu funktionieren: WeWork meldete, dass bis Ende letzten Jahres 175.000 Menschen auf der ganzen Welt in ihren Räumlichkeiten arbeiteten.

Das rasante Wachstum des Unternehmens hat viele in der Immobilienbranche überrascht. Allein in London verdoppelte sich WeWorks Bürofläche im letzten Jahr. Laut „Financial Times“ belegt das Unternehmen dort doppelt so viel Büroraum wie Google, das nur 121.000 Quadratmeter über fünf Jahre gemietet hat. Zum Vergleich: Amazon und die Deutsche Bank mieten 930.000 Quadratmeter beziehungsweise 837.000 Quadratmeter in London.

In Zukunft kommt auch der Brexit WeWork zugute. Besonders internationale Banken könnte das flexible Büromodell ansprechen. Denn so könnten sie langfristige Mietverträge vermeiden, solange Unsicherheit darüber besteht, wo die Angestellten künftig arbeiten sollen.

Mehr als nur ein Büro

WeWork sieht sich aber als weitaus mehr als ein Untervermieter. Die Büros punkten mit Einrichtung im Hipster-Stil und Networking-Veranstaltungen. Auch das Getränk Kombucha wird kostenlos zur Verfügung gestellt. „WeWork setzt vor allem auf den sozialen Aspekt. Es gibt zum Beispiel eine Dachterrasse, um auch mal die Kollegen zu treffen“, sagt Shannon Doyle vom Biotech-Start-up Smart Flora, das das WeWork-Büro in London Fields mitnutzt. Es werden Vorträge, Kurse und Wettbewerbe organisiert, damit die Arbeitnehmer sich kennenlernen und eine Gemeinschaft bilden. Es geht also nicht nur um schicke Sofas, sondern um den Kontakt mit anderen innovativen Unternehmen. Von dem Austausch untereinander sollen sie alle profitieren.

Während sich das Modell in erster Linie an junge Tech-Start-ups gerichtet hatte, zieht es heute Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen an. Mit verschiedenen Modellen und Tarifen können sich Selbständige, Start-ups und Großunternehmen ihren eigenen Büroraum zusammenstellen – vom einfachen „Hot Desk“, einem Arbeitsplatz ohne festen Tisch, bis hin zu privaten Büros, einem eigenen Stockwerk oder einem ganzen Gebäude. Über ein Fünftel der Kunden sind Unternehmen mit mehr als 1000 Angestellten, darunter General Electric, Samsung und MasterCard.

Das Erfolgsmodell Coworking haben sich inzwischen auch andere Start-ups zu eigen gemacht. In London sind 20 Prozent aller gemieteten Büroräume von Anbietern flexibler Arbeitsräume belegt. Das Konzept des geteilten Arbeitsplatzes wird auch in Deutschland immer beliebter. In Berlin gibt es inzwischen um die dreißig Coworking-Büros, in Frankfurt sind es zwanzig – WeWork ist hier noch ein Anbieter von vielen.

Quelle: FAZ.NET

12 Januar 2018

Generation Y

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Freizeit als Statussymbol

Generation Y

Die Generation Y macht Personalchefs Angst. Wie werden Überstunden bezahlt? Wann gibt es das erste Sabbatical? Junge, hochqualifizierte Berufseinsteiger treten heute so fordernd auf wie nie zuvor. Worauf sie Wert legen, wie sie ticken: das ABC der Ys.

Aufmerksamkeit

Die Generation Y will von ihrem Arbeitgeber umsorgt werden. Die nach 1980 Geborenen geben sich nicht mehr damit zufrieden, nach dem Studium beim Unternehmen ihrer Wahl einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben und fortan fleißig, aber demütig die ihnen übertragenen Aufgaben zu verrichten. Stattdessen fordern die Jungen von ihren Vorgesetzten regelmäßige Feedbackrunden zu ihrer Arbeit ein.

Babyboomer

Die Eltern der Generation Y. Sie kamen in der Mitte der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre auf die Welt und sind Teil der geburtenstarken Jahrgänge. Die Babyboomer wurden früh zu Höchstleistungen und bedingungsloser Hingabe für den Beruf angespornt - schließlich galt es, sich von der Masse abzuheben.

Chief Executive Officer

Als das charakteristische Merkmal der Generation Y gilt ihr mangelnder Wille zum Aufstieg. Karriere? Jahrelang schuften, Überstunden schieben, die Familie kaum sehen, Urlaube abbrechen, um zu einem wichtigen Projekt zu eilen, alles in der vagen Hoffnung, sich auf der Karriereleiter nach oben zu dienen? Nein, danke, sagen sich viele Berufseinsteiger.

Demographie

Das ausgeprägte Selbstbewusstsein der Generation Y hat maßgeblich damit zu tun, dass sie die Bevölkerungsstatistik auf ihrer Seite weiß. Wegen der geringen Geburtenrate in Deutschland wird der Nachwuchs an Arbeitskräften immer knapper. Gab es im Jahr 2012 nach einer Hochrechnung des Statistischen Bundesamtes noch 9,7 Millionen Deutsche im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, werden es im Jahr 2030 nur noch 7,5 Millionen sein.

Erben

Nicht minder wichtig wie der demographische Faktor ist die finanzielle Sicherheit, in der viele junge Menschen heute aufwachsen. Schon zwischen 2000 und 2010 wurden in Deutschland rund 2 Billionen Euro vererbt. Zwischen 2011 und 2020 sollen es nach einer Studie des Instituts für Altersvorsorge rund 2,6 Billionen Euro sein.

Firmenwagen

Sind der Generation Y ziemlich egal. War früher der Dienst-BMW oder -Mercedes noch eines der wichtigsten Statussymbole, die es im Berufsleben zu erreichen galt, setzen die Jungen heute andere Prioritäten. Hoch im Kurs steht etwa eine Bahncard 100, mit der sich nach Belieben durchs Land reisen lässt. Und auch der Wunsch nach Dienst-Fahrrädern wird immer häufiger geäußert.

Gehalt

Noch macht sich die Verhandlungsmacht der Ys kaum in den Gehältern bemerkbar. Sprach- und Kulturwissenschaftler kommen im Schnitt nur auf 30 600 Euro, weil es viele Absolventen, aber nur wenige feste Stellen gibt. Anders sieht die Lage bei den Medizinern aus, die bereits eifrig umworben werden: Sie steigen im Schnitt mit 46 200 Euro ein.

 

Hierarchien

Sollten möglichst flach und unauffällig sein. Nichts bringt die Generation Y so sehr in Rage wie Vorgesetzte, die Diskussionen mit dem Verweis auf ihre überlegene Position abkürzen.

Ich

Ein Vorwurf, den Arbeitgeber der Generation Y immer wieder machen, ist ihre Ich-Bezogenheit. Sie denken nicht in erster Linie an das Wohl des Unternehmens, sondern erst einmal an ihr eigenes. Zwar ist ehrenamtliches Engagement mittlerweile fast schon Standard bei den Ys, doch oft dient dies vor allem dazu, den Lebenslauf zu polieren.

Java

Ein großer Vorteil der in den achtziger und neunziger Jahren Geborenen ist, dass sie mit dem Internet groß geworden sind und damit um einiges selbstverständlicher umgehen als die vor ihnen geborene Generation X, die sich zwar mittlerweile auch an Facebook herangewagt hat, aber beim Wort „Java“ immer noch zuerst an Indonesien und nicht an die gleichnamige Programmiersprache denkt.

Karotte

Jahrzehntelang war das Karotten-Prinzip das Nonplusultra in der Managementlehre: Man halte dem Esel eine Karotte vors Gesicht, und er wird mit der Aussicht auf die Belohnung nicht erlahmen. Die ersten Jahre - oder Jahrzehnte - galt es viel zu arbeiten für wenig Geld, auf dass sich das Verhältnis im fortgeschritteneren Alter umkehrte. Die Jungen sind so schwerlich zu motivieren. Sie wollen erst die Karotte, bevor sie sich in Gang setzen.

Loyalität

Einmal Siemens, immer Siemens - diese Gleichung ließ sich bis zur Jahrtausendwende auf viele namhafte Unternehmen und ihre Mitarbeiter übertragen. Doch auch die klangvollsten Namen schinden bei der Generation Y keinen Eindruck, wenn die Arbeitsbedingungen nicht stimmen. Die Wechselbereitschaft ist deutlich gestiegen - was auch damit zu tun hat, dass viele Unternehmen dem Nachwuchs erst einmal befristete Verträge anbieten. Dauerten die Beschäftigungsverhältnisse von Unter-Dreißigjährigen früher im Schnitt 800 Tage, schrumpfte dieser Wert bereits für den Jahrgang 1977 auf 600 Tage und dürfte für die danach Geborenen noch niedriger liegen.

Mosaik

Die Mosaik-Karriere, auch Portfolio-Laufbahn genannt, zeichnet sich durch eine Mischung von Tätigkeiten aus, die sich gegenseitig ergänzen. Wenn zum Beispiel ein Grafikdesigner einen Teil seiner Zeit damit verbringt, auf freiberuflicher Basis gut bezahlte Projekte in Werbeagenturen zu übernehmen, nebenher für den erweiterten Bekanntenkreis mittelgut bezahlt Logos und Imagebroschüren gestaltet und in seiner Freizeit gering bis gar nicht bezahlt ein Modemagazin konzipiert und produziert, dann ist er: ein Mosaikkünstler.

Null Bock

Man kann der Generation Y vieles vorwerfen, dass sie zu anspruchsvoll ist, zu verwöhnt oder zu bequem, aber eines ist sie nicht: eine Null-Bock-Generation.

Optionen

Nichts ist unmöglich - die heute Um-die-Dreißigjährigen sind mit dem Toyota-Slogan groß geworden. Sie hatten die freie Wahl, welchen Beruf sie ergreifen wollten, und auch in ihrem Arbeitsleben schöpfen sie aus dem Vollen. Wo sie sich in fünf oder zehn Jahren sehen, die beliebte Frage von Personalern in Vorstellungsgesprächen, können sie schwerlich beantworten. Es gibt so viele Optionen - und wer weiß schon, was die Zukunft bringt?

Pippi Langstrumpf

„Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt. Hey, Pippi Langstrumpf, trallari trallara tralla hoppsasa, hey, Pippi Langstrumpf, die macht, was ihr gefällt.“ Nicht umsonst wird die Generation Y gerne auch als Generation Pippi bezeichnet. 

In einem gesunden Körper wohnt auch ein gesunder Geist. Waren Kurse wie Yoga und Qigong früher etwas für Esoteriker, achtet der Nachwuchs - Frauen wie Männer - heute schon an den Hochschulen darauf, im Gleichgewicht zu bleiben. Gleiches erwartet er später vom Arbeitgeber.

Relevanz

Wie fügt sich die Arbeit eines Unternehmens in die Gesellschaft ein? Verbessern die Produkte das Leben der Menschen nachhaltig? Und wie wirken sie sich auf die Umwelt aus? Die Generation Y will kein kleines Rädchen in einem ominösen Getriebe sein, sondern wissen, wofür ihre Arbeit gut ist. Die modernen Weltverbesserer kommen ohne Jute-Aktivismus aus.

Seitwärtskarrieren

Wenn der Aufstieg in der Unternehmenshierarchie nicht mehr der wichtigste Anreiz für qualifizierte Mitarbeiter ist, müssen die Personalabteilungen umdenken. Immer häufiger bieten sie inzwischen sogenannte Seitwärts- oder Fachkarrieren an. Diese zielen nicht auf möglichst große Umsatz- und Personalverantwortung, sondern auf einen möglichst großen Wissens- und Erfahrungsschatz.

Tunnelblick

Hat die Generation Y nicht. Ganz im Gegenteil, sie schaut gerne mal über den Tellerrand ihres Fachgebiets hinaus. Was es für die Vorgesetzten nicht immer einfach macht, weil Abteilungswechsel und Rotationsprinzip zur Regel statt zur Ausnahme werden.

Urlaub

Die Ys messen der Freizeit große Bedeutung bei, der Urlaub sollte folglich nicht zu knapp bemessen sein. Um ihre Berater bei Laune zu halten, bietet etwa die Unternehmensberatung McKinsey seit kurzem an, jedes Jahr zusätzlich zu den 30 Tagen Jahresurlaub drei Monate unbezahlten Urlaub zu nehmen. Fast jeder fünfte Berater hat das Angebot im ersten Jahr des Bestehens angenommen. Die Aussicht auf diese Auszeit sei im Recruiting der Renner, sagt die Beratungsgesellschaft.

Vollzeit

So wichtig der Generation Y Selbstbestimmung und berufliche Freiheit sind - die Sicherheit des Vollzeit-Angestellten-Daseins möchte sie nicht missen. Zwar hat sich die Zahl der Selbständigen seit dem Jahr 2005 von 4,4 auf 4,5 Millionen Menschen erhöht. Doppelt so stark ist aber die Zahl der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer gestiegen, von damals 23,3 auf zuletzt 24,3 Millionen Menschen.

Work-Life-Balance

Das Reizwort altgedienter Manager, die es leid sind, von den Jungen immerzu nach der Einhaltung der 37,5-Stunden-Woche gefragt zu werden. Doch es hilft nichts: Der Nachwuchs ist zwar bereit, in Ausnahmefällen auch mal die Nacht durchzuarbeiten. Aber dafür will er am nächsten Tag auch frei haben. Besonders junge Mütter und Väter achten darauf, dass sie nach Feierabend noch genügend Zeit mit dem Nachwuchs verbringen können. Man kann darüber jammern. Man kann es aber auch gut finden.

X-Generation

Die Vorgänger der Ys und die Nachfolger der Babyboomer. Die Generation X, in Deutschland auch Generation Golf genannt, kam zwischen 1966 und 1980 auf die Welt. Sie wuchs mit einer größeren Unsicherheit auf als die Babyboomer. Die Ölkrise und die Krise auf dem Arbeitsmarkt nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes haben sie geprägt.

Yps

Die Zeitschrift zur Generation Y. Zwischen 1975 bis 2000 war Yps ein Comicheft für Kinder, seit diesem Jahr erscheint es wieder regelmäßig, diesmal für verspielte Erwachsene.

Z-Generation

Sie sind die nächsten, diejenigen, die auf die Generation Y folgen. Noch hegen die Mitte der neunziger Jahre bis jetzt Geborenen keine beruflichen Ambitionen, aber schon jetzt zeichnet sich ab: Weniger Macht als die Ys werden sie kaum haben.

Autorin: Julia Lehr

Quelle: faz.net

03 Januar 2018

Müssen wir Arbeit neu definieren?

Posted in Trends

Moderne Arbeitswelt

Müssen wir Arbeit neu definieren?

New Work ist mehr als ein Buzzword. Es ist die zentrale Herausforderung der modernen Arbeitswelt, der Sie sich stellen müssen. Denn ohne ein klares Verständnis davon, was Arbeit für Sie und für Ihre Teams bedeutet, fährt der Zug ohne Sie ab. Keine Angst, der New Work-Experte Martin Bergmann sorgt dafür, dass Sie dann in der 1. Klasse sitzen.

Wir arbeiten, um zu leben? Acht Stunden im Büro und dann ab in den Feierabend oder 5 Tage warten bis auf’s Wochenende? Eben nicht mehr. Die neue Arbeitswelt macht uns klar: Wir wollen vor allem mit unserer ‘Arbeit’ dazu beitragen, dass wir glücklich sind”, erklärt New Work-Experte Martin Bergmann von improwe. Sich in diesen Zeiten intensiv mit New Work auseinanderzusetzen, kann Ihrer Karriere, vor allem aber auch Ihrem Leben einen völlig neuen Schub verleihen. Denn gerade als Führungskraft gewinnen Sie einen klaren Blick auf die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter. Die es Ihnen mit noch besserer Leistung danken werden.

Musterlösungen? Vergessen Sie’s!

New Work beschreibt die neue Arbeitswelt, mit ihren rasend schnellen Veränderungen von Lebens- und Gesellschaftsformen, von Arbeitsbedingungen. Der Sie im schlimmsten Fall einfach unterliegen. Oder die Sie als Führungskraft aktiv mitgestalten können. In der New Work gibt es keine einfachen Rezepte. Getreu dem Motto: „Nehmen Sie eine Portion Freiheit, reichern Sie sie mit ein wenig Bedeutung an und garnieren Sie das Ganze mit einer Prise Selbstbestimmung.“ Wäre ja auch zu schön. New Work-Experte Martin Bergmann erläutert: „Es ist nun mal so, dass es bei New Work um eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen von Menschen geht. Da ist kein ‚Plop, das mach’ ich jetzt mal so …’. Vielmehr müssen Sie zunächst ein Mindset entwickeln, das Transparenz, Offenheit und Innovation kennt, und es ihnen ermöglicht, über Sinnhaftigkeit und Selbstbestimmung nicht nur zu diskutieren, sondern diese auch zu leben.“

Grundlagen der New Work

Wir Menschen, unsere Lebens- und Gesellschaftsformen und damit auch unsere Arbeitswelten verändern sich. Früher langsam, heute rasant. Entscheidend ist, dass wir unsere Tätigkeiten stets unabhängiger von Zeitpunkt, Raum und Fachkompetenz erledigen können. Das erfordert zum einen Fähigkeiten, die früher weniger gefragt waren, weckt aber gleichzeitig auch Bedürfnisse, die nicht mehr einfach so befriedigt werden können.

Die Frage nach dem Sinn der Arbeit

Einer der zentralen Punkte in der New Work ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit unserer Arbeit. Und diese Frage spielte auch in Ihrem Leben mit Sicherheit eine durchgehend wichtige Rolle.

  • Was willst Du denn mal werden – fragen wir das Kind.
  • Schon überlegt, was Du studieren möchtest – das zentrale Thema in der Jugend.
  • Was fange ich mit meinen Qualifikationen an – fragen sich Studierende.

Die Arbeit ist zentraler Bestandteil Ihres Lebens, und damit auch Ihrer Lebenszufriedenheit. Martin Bergmann erläutert: „Welchen Beruf hätten Sie gewählt, wenn Sie als Kind entschieden hätten? Häufig waren es da noch Berufe mit großem gesellschaftlichen Nutzen. Denn in uns allen besteht der Wunsch, die eigene (Lebens-) Zeit sinnvoll zu nutzen.“

Das Bedürfnis nach sinnhafter Arbeit ist also nicht neu, neu ist vielmehr, dass dieses Bedürfnis endlich zunehmend Beachtung auf der Seite der Arbeitgeber findet. Bergmann konkretisiert: „Ein Mensch, der Sinn in seiner Arbeit sieht, ist glücklicher, identifiziert sich stärker mit seinem Arbeitgeber und hat Freude daran produktiv zu sein. Stellen Sie sich vor, Ihre Mitarbeiter und sie selbst fühlen sich so. Ist es eine Utopie? Nein, es ist eine erreichbare Zukunft.“

So machen Sie Sinnstiftung im Team begreifbar

  • DO: Sprechen und reflektieren Sie über Sinnstiftung. Fragen Sie sich selbst und Ihre Mitarbeiter, wo sie eigentlich den Sinn ihrer Arbeit sehen? Wichtig dabei:
  • DON’T: Sinnstiftung geschieht nicht von außen, sondern nur von jedem Menschen selbst. Öffnen Sie daher den Gesprächsraum, schlagen Sie aber bitte keine ihnen logisch erscheinenden Argumente vor.

Selbstbestimmung – Schlüssel zur New Work

Freuen Sie sich über Selbstbestimmung? Natürlich. Es ist ja auch komfortabel, nicht darüber nachdenken oder entscheiden zu müssen, was Sie wie, wann und wo erledigen. In der New Work geht es nicht darum, dass nun alle Mitarbeiter alles selbst entscheiden dürfen, sondern vielmehr darum, dass Sie als Führungskraft jedem einzelnen Mitarbeiter passende Freiheitsgrade einräumen, die diesen nicht überfordern, sondern einen Nutzen haben. Lassen Sie einen Mitarbeiter, der an neuen Ideen und an deren Umsetzung tüftelt, selbst entscheiden, wo und wann „gearbeitet“ wird, um so die besten Ergebnisse zu erhalten.

New Work-Experte Bergmann führt aus: „Selbstbestimmt zu arbeiten bedeutet nicht, egoistisch zu handeln, sondern seine Arbeitsbedingungen auf seine Bedürfnisse ausbalancieren zu dürfen. Im Sinne der Tätigkeit UND des Menschen.“

3 Tipps, mit denen Sie New Work etablieren können

  1. Überlegen Sie, in welchen Grenzen Sie im Team Selbstbestimmung ermöglichen können. Bitte denken Sie dabei nicht an SICH, sondern an die Arbeit und die Ergebnisse, die dabei im Fokus stehen. Nur weil Sie sich wünschen, dass Ihre Mitarbeiter jeden Tag im Büro sind, bedeutet das nicht, dass diese Situation auch die besten Ergebnisse erzielt.
  2. Trauen Sie sich etwas. Schaffen Sie „Test“-Situationen, in denen Sie mal mehr, mal weniger Freiraum geben. Werten Sie die Ergebnisse aus. Besprechen sie diese im Team und leiten Sie daraus entsprechende Freigiebigkeit ab.
  3. Helfen und entwickeln Sie, indem Sie die Seiten wechseln. Wie organisieren Sie Ihre Arbeit selbst? Was müssen Sie bedenken, wenn Sie nicht im Büro, sondern im Arbeitszimmer zuhause agieren.

Was Sie nicht tun sollten

Scheren Sie nicht alle über einen Kamm. Nur weil ein Mitarbeiter Schwierigkeiten damit hat, sich an definierte Absprachen zu halten, wenn er im Homeoffice arbeitet, müssen nicht alle anderen auch darunter leiden. Machen Sie Unterschiede, und zwar leistungsbezogen.

Über den Autor

Jörg Peter Urbach ist Autor, Redakteur und Blogger aus Sprachleidenschaft. Seit mehr als 25 Jahren schreibt er. Für Print und Online. Konzepte. Geschichten. Fachartikel. Als langjähriger Chefredakteur des Portals wissen.de und des Brockhaus Digital weiß er, wie man Leser begeistert und Themen findet. Sein Portfolio finden Sie unter UrbacH – text. und kommunikation.

Quelle: Experteer-Magazin

20 Oktober 2017

Zukunftsfähig führen. Die Erfolgsformel

Posted in Trends, Führung, Leadership

Zukunftsfähig führen. Die Erfolgsformel

Deutsche Chefs führen nicht zukunftsorientiert – und verspielen damit den Respekt ihrer jungen Angestellten. Denn die erwarten, dass Vorgesetzte ihre Werte verstehen und sich darauf einstellen. Was müssen Manager tun, um ihr Team langfristig erfolgreich zu halten?

Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung, gesellschaftliche Umbrüche und auch die Erwartungen der anspruchsvollen Generation Y machen ein Festhalten an traditionell-hierarchischen Strukturen zum Knock-out-Kriterium. Vorausschauende Chefs setzen sich darum heute schon mit ihrem Führungsstil auseinander, lernen ihr Verhalten den neuen Situationen anzupassen und testen neue Formen der Zusammenarbeit. Doch nun zeigt eine repräsentative Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, dass es mit der zukunftsorientierten Führung deutscher Chefs gar nicht so gut bestellt ist. Wie kann das sein? Wir haben mit Prof. J. Menno Harms, ehemaliger HP-Chef und Vorsitzender der Stiftung Zukunftsfähige Führung, gesprochen.

45 Prozent der jungen Angestellten finden ihren Chef unzuverlässig
278 Führungskräfte und 273 Nachwuchskräfte aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung wurden im Herbst 2015 für die Studie befragt. Auffälligstes Ergebnis: Junge Arbeitnehmer schätzen ihre Vorgesetzten deutlich kritischer ein als die Vorgesetzten selbst – und das bei zentralen, zukunftsrelevanten Aspekten. Während zum Beispiel 84 Prozent der befragten Chefs finden, dass sie Absprachen zuverlässig einhalten, sind nur 55 Prozent der befragten jungen Angestellten der gleichen Meinung. 70 Prozent der Chefs finden, dass sie Veränderungen im Arbeitsumfeld erfolgreich begründen könnten – von den Nachwuchskräften sehen das nur 38 Prozent so. Selbstbild und Fremdbild weichen also stark voneinander ab. Dabei wäre gerade Zuverlässigkeit eine wichtige Eigenschaft von Vorgesetzten, um Vertrauen aufzubauen und ihr Team sicher in die Zukunft zu führen.

Führungskräfte haben Probleme mit kooperativen Führungsmodellen
Zudem sind offenbar viele Führungskräfte noch immer in tradiertem Verhalten und alten Strukturen verhaftet. Die Studie zeigt: Es dominiert nach wie vor das Modell einer hierarchischen Führung. Nur 38 Prozent der befragten Nachwuchskräfte bescheinigen ihrem direkten Vorgesetzten, offen für Kritik zu sein. Auch die Förderung von Mitarbeitern ist noch keine Selbstverständlichkeit: Nur gut jede dritte Nachwuchskraft fühlt sich von ihrem Chef in der Umsetzung der eigenen Fähigkeiten und Potenziale begleitet und unterstützt.

Ebenfalls alarmierend: Die mangelnde Sicherstellung flexibler Arbeitszeiten und die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sind für junge Angestellte ein zentrales Hemmnis, später selbst Führungsverantwortung übernehmen zu wollen. Wie sollen sich Unternehmen so für die Zukunft wappnen? Langfristiges Wirtschaften kann nicht funktionieren, wenn die Nachwuchsförderung vernachlässigt wird. Kein Wunder also, dass jede fünfte Nachwuchskraft das Führungsverhalten des eigenen Chefs für nicht zukunftsfähig hält.

Eine lohnende Investition in die Zukunft
Nutzen Sie die Chance und beginnen Sie, Ihre Arbeitsweise und Verhalten kritisch zu reflektieren. Führungskräfte, die dies heute in Angriff nehmen, investieren sinnvoll in die Führungszukunft ihrer Organisation. Seien Sie sich auch bewusst, dass Ihre Mitarbeiter Sie womöglich anders wahrnehmen, als Sie es sich wünschen. Gleichen Sie beide Perspektiven regelmäßig miteinander ab. Seien Sie empathisch dabei, hören Sie hin, wenn die potenziellen Führungskräfte der Zukunft ihre Bedürfnisse äußern. Es gibt viele Möglichkeiten, Arbeitsbedingungen motivierend zu gestalten – und Work-Life-Balance steht nicht im Widerspruch zu erfolgreicher Arbeit! Das ist leider eine Annahme, die noch in den Köpfen vieler Chefs verankert ist. Haben Sie stattdessen Mut und Vertrauen in das Potential Ihrer Mitarbeitenden. Ich bin überzeugt: Wenn Führungskräfte sich aktiv weiterentwickeln, spiegelt sich das auch in der Organisation wider. Sie fördern damit die Innovationskraft im Team und machen es fit für die Zukunft.

Auftraggeber der Studie ist die Initiative Zukunftsfähige Führung (IZF) e.V., die von engagierten Führungskräften aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft 2013 in Stuttgart gegründet wurde. Zweck der Initiative ist es, den Erfahrungsaustausch zwischen Führungskräften zur konkreten Umsetzung zukunftsfähiger Führung zu fördern sowie zur öffentlichen Diskussion und Anerkennung von bewährter Führung anzuregen.

Informationen zum Gastautor:

Prof. J. Menno Harms ist Vorsitzender der Initiative Zukunftsfähige Führung (IZF) e.V. Bis 2004 war er Vorsitzender der Geschäftsführung der Hewlett Packard GmbH in Böblingen, bis heute ist er Vorsitzender des Aufsichtsrats. Seit 2001 lehrt er als Honorarprofessor an der betriebswirtschaftlichen Fakultät der Universität Stuttgart. Zudem ist er geschäftsführender Gesellschafter der Menno Harms GmbH, International Management Services in Stuttgart.

Quelle: Experteer Magazin, 20. September 2017

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