28 November 2025

Dynamischer Wissenstransfer durch Learnfluencer

Posted in Coaching

Weiterbildung

Dynamischer Wissenstransfer durch Learnfluencer

In Zeiten rasanter technologischer Umbrüche und Fortschritte stellt sich für viele Unternehmen die Frage, wie sie ihre Mitarbeitenden weiterbilden können, sodass deren Wissen immer auf dem neuesten Stand bleibt. SAP hat einen Ansatz in dem Konzept der Learnfluencer gefunden, das sich vor allem im IT-Bereich bewährt hat.

Gerade in der Softwareentwicklung vergeht praktisch kein Jahr, ohne dass neue Programmiersprachen, Frameworks oder Tools auftauchen. Während klassische Schulungsangebote oft zu starr sind und nicht schnell genug aktualisiert werden können, haben sich informelle Austauschformen in vielen Unternehmen als deutlich effektiver erwiesen. Hier kommt das Konzept der „Learnfluencer“ ins Spiel: Personen, die ihr Know-how mit intrinsischer Motivation weitergeben und ihre Kollegen dazu motivieren, ebenfalls aktiv zu lernen.

SAP hat mit den SAP Developer Advocates im Bereich der Softwareentwicklung ein Beispiel dafür geschaffen, wie eine solche Rolle aussehen und im Unternehmensalltag verankert werden kann.

Lebendige Lernkultur

Learnfluencer sind Mitarbeitende, die nicht nur Fachwissen besitzen, sondern es auch gekonnt an andere vermitteln. Anders als in reinen Mentoren- oder Expertenrollen geht es ihnen darum, eine lebendige Lernkultur im Unternehmen zu etablieren und möglichst viele Menschen in den Wissenstransfer
einzubeziehen.

Statt starrer Schulungspläne, die von oben nach unten durchgereicht werden, steht bei ihnen der Austausch auf Augenhöhe im Vordergrund. Sie organisieren beispielsweise interne Workshops, beantworten Fragen in Chat-Kanälen, veröffentlichen Blogartikel oder erstellen kurze Erklärvideos. Der entscheidende Unterschied zu anderen Formen des Wissensmanagements ist dabei die hohe Dynamik: Learnfluencer können spontan auf neue Trends reagieren und das Gelernte direkt aus dem Arbeitsalltag heraus teilen.

Diese Art der Wissensvermittlung führt dazu, dass Kollegen Inhalte besser annehmen. Denn wenn eine Person aus dem eigenen Team Tipps gibt, ist das Vertrauen in deren Praxisnähe meist höher, als wenn externe Trainer für ein bis zwei Tage im Haus sind. Nicht zuletzt trägt eine solche Kultur dazu bei, dass Wissen nicht in Silos verharrt. Vor allem in einer Zeit, in der Fachkräfte wechseln und wertvolles Know-how abwandern könnte, hilft es, wenn mehrere Personen gleichzeitig zu Trägern dieses Wissens werden.

Positiver Einfluss im Arbeitsalltag

Der Mehrwert von Learnfluencern zeigt sich besonders im Arbeitsalltag. Zunächst beschleunigen sie den Wissenstransfer: Mitarbeitende müssen nicht erst auf das nächste Seminar warten, wenn sie sich in ein neues Thema einarbeiten wollen. Sie gehen einfach auf die Kollegen und Kolleginnen zu, die sich als Learnfluencer bereits einen Namen gemacht haben, um sich Tipps zu holen oder gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.

Dieser beidseitige Austausch fördert zudem eine offene Fehlerkultur und wirkt sich positiv auf die Innovationsfreude aus. Darüber hinaus sind Learnfluencer oft wichtige Ansprechpersonen beim Onboarding neuer Mitarbeitender. Da sie bereits Erfahrung in der Vermittlung haben, können sie neue Kolleginnen und Kollegen schnell mit relevanten Informationen versorgen und den Einstieg ins
Unternehmen erleichtern. Studien legen außerdem nahe, dass eine gelebte Lernkultur die Zufriedenheit und Motivation im Team steigert: Wer das Gefühl hat, stetig dazuzulernen und Wissen auch weitergeben zu können, bleibt eher im Unternehmen.

Praxisbeispiel: Die SAP Developer Advocates

Ein Beispiel dafür, wie Learnfluencer im Unternehmenskontext erfolgreich agieren können, sind die SAP Developer Advocates. Dieses Programm wurde bereits vor über 15 Jahren ins Leben gerufen, um Softwareentwickler im SAP-Umfeld gezielt beim Verständnis und der Anwendung von SAP-Technologien zu unterstützen. Seit rund sieben bis acht Jahren liegt der Fokus dabei verstärkt auf Entwicklern bei SAP-Kunden und Partnerunternehmen.

Das Team der Developer Advocates fungiert damit als Bindeglied zwischen dem Unternehmen SAP und der weltweiten Entwickler-Community. Es greift Ideen auf, beantwortet Fragen und leitet ihr Feedback regelmäßig an die Entwicklungsabteilungen weiter. Zurzeit gehören 16 Personen zu den SAP Developer Advocates, verteilt über die ganze Welt – von den USA über Indien bis nach Deutschland. Mit ihrem eigenen Hintergrund als Entwickler bringen sie dabei nicht nur technisches Fachwissen aus Bereichen wie Produktentwicklung oder Beratung mit, sondern verfügen auch über ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten.

Um neue Technologien greifbar zu machen, setzt das Team auf vielfältige Formate: Sie veranstalten Tech-Talks und Webinare, schreiben Blogposts, drehen Videos, veröffentlichen Quellcode-Beispiele und
führen praxisorientierte Programmier-Workshops, sogenannte CodeJams, durch. Besonders wichtig ist dabei die Fähigkeit, die Inhalte verständlich aufzubereiten. Statt sich auf Vorträge mit zahlreichen Präsentationsfolien zu beschränken, zeigen die Developer Advocates in Live-Demos, wie sich bestimmte Lösungen konkret umsetzen lassen.

Auf diese Weise entstehen Lerneinheiten, in denen Teilnehmende schnell den Praxisbezug erkennen und das Gelernte selbst anwenden können. Regelmäßige Einsätze auf Entwicklerkonferenzen, in Foren oder in sozialen Netzwerken sorgen dafür, dass ein kontinuierlicher Informationsaustausch stattfindet. Rückmeldungen aus diesen Kanälen fließen wiederum in die Produktentwicklung ein. So entsteht ein Kreislauf, in dem das Feedback der Community direkt Einfluss auf die künftige Produktentwicklung nimmt.

Arbeitsweise mit Multiplikationseffekt

Im Alltag arbeiten die Developer Advocates sehr eigenständig. Sie planen ihre Inhalte und Events eigenständig und reagieren flexibel auf Anfragen aus der Community. Ein großer Teil ihres Erfolgs beruht auf ihrer Fähigkeit, komplexe Themen verständlich zu vermitteln und gleichzeitig durch Feedback den Produktteams wichtige Hinweise für Weiterentwicklungen zu geben. So sind sie nicht nur Wissensvermittler, sondern auch interne Multiplikatoren und Innovationstreiber.

Die Wirksamkeit dieses Ansatzes macht sich am wachsenden Zuspruch bemerkbar. So stiegen die Aufrufe des zugehörigen Youtube-Kanals von rund 22.800 im Jahr 2019 auf über 1,4 Millionen im Jahr 2024. Die Watch Time kletterte dabei von 1.900 auf über 106.000 Stunden, und auch die Abonnentenzahl nahm im selben Zeitraum von 1.000 auf 11.800 jährliche Neuabonnenten deutlich zu.

Die Developer Advocates vergrößerten zudem das thematische Spektrum ihrer Inhalte um Technologien wie Cloud Computing, Low-Code Plattformen und künstliche Intelligenz (KI). Parallel haben sie mehr Präsenzschulungen organisiert. Waren es 2019 noch wenige CodeJams, fanden 2024 bereits über 100 Veranstaltungen statt, die Entwickler zum Mitmachen motivierten.

Learnfluencer im Unternehmen entwickeln

Unternehmen, die vergleichbare Learnfluencer-Programme aufbauen wollen, sollten zunächst potenzielle Learnfluencer in ihrer Organisation identifizieren. Wer nicht nur Fachkompetenz besitzt, sondern auch Freude daran hat, Wissen weiterzugeben, ist ein guter Kandidat. Im nächsten Schritt sollten entsprechende Schulungen in Präsentationstechnik, Didaktik oder digitaler Kommunikation angeboten werden. So können die künftigen Learnfluencer ihre Rolle sicher und souverän ausfüllen.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Schaffung geeigneter Plattformen: Ein Wiki, ein Forum auf einer Kollaborationsplattform oder ein interner Social-Media-Kanal bieten die notwendigen Strukturen, um Wissen auffindbar und zugänglich zu machen. Gleichzeitig muss die Unternehmensführung anerkennen, dass Zeit und Aufwand in solche Rollen investiert werden müssen. Wer seine Arbeit liegen lassen muss, um Kollegen zu schulen, braucht Rückendeckung und entsprechende Ressourcen.

Diese Form der Anerkennung zahlt sich jedoch aus: Mitarbeitende, die andere weiterbringen und regelmäßig konstruktives Feedback geben, tragen entscheidend zur Lernkultur im Unternehmen sowie zur Mitarbeiterbindung bei.

Wie Lernprogramme davon profitieren

Auch in offizielle Lernprogramme lassen sich Learnfluencer sinnvoll integrieren. Statt vornehmlich auf externe Trainer zu setzen, können Firmen ihre eigenen Fachleute einbeziehen. So entsteht eine Verbindung zwischen formeller Weiterbildung und dem praktischen Wissen aus dem Unternehmensalltag. Wenn Learnfluencer bereits in die Planung eingebunden werden, sind die Lerninhalte oft passgenauer und praxisnäher. Neue Inhalte können außerdem leichter aktualisiert werden, weil die internen Experten sich häufig schneller auf aktuelle Entwicklungen einstellen.

Microlearning, Gamification oder interaktive Workshops können den Lernerfolg weiter steigern. Wichtig ist,
dass der Transfer in den Arbeitsalltag nicht verloren geht. Hier ist die Rolle der Learnfluencer besonders wertvoll: Sie begleiten Mitarbeitende auch nach der offiziellen Schulung und stehen für Fragen parat. So wird aus einer einmaligen Veranstaltung ein nachhaltiger Lernprozess.

Learnfluencer als Investition in die Zukunft

Learnfluencer sind in einer Arbeitswelt, in der Wissen rasch veraltet, eine wichtige Säule für unternehmensweites Lernen. Am Beispiel der SAP Developer Advocates wird deutlich, dass solche Rollen sowohl intern als auch extern wirksam sein können: Sie stärken nicht nur die Kompetenz der eigenen Teams, sondern fördern auch den Austausch mit Kunden und Geschäftspartnern. Das ist besonders dann
wertvoll, wenn Feedback aus der Praxis in die Produktentwicklung einfließen soll.

Unternehmen, die eine solche Lernkultur etablieren wollen, benötigen allerdings mehr als nur eine Person mit Fachwissen. Es braucht eine klare Strategie, Schulungen zur Vermittlung von didaktischen Fähigkeiten und Soft Skills sowie technische Plattformen für den kollaborativen Austausch. Wer diesen Weg geht, wird nicht nur von einem schnelleren Wissenstransfer profitieren, sondern auch von motivierten Mitarbeitenden und einer dynamischen Innovationskultur.

Über den Autor

Andre Bechtold ist Senior Vice President und Head of Solution & Innovation Experience bei SAP. In dieser Funktion ist er dafür verantwortlich, Kunden, Partnern und Mitarbeitern Lern- und Schulungsangebote zu Produkten und Lösungen bereitzustellen. Er verantwortet die Lern-, Trainings- und Kunden-Demos bei SAP sowie die SAP Experience Center.

Quelle: humanressourcesmanager.de

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