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29 September 2023

Flexibilität im Job – sechs sinnvolle Maßnahmen

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Flexibilität im Job – sechs sinnvolle Maßnahmen

Wie können Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität im Job und die eigenen Strukturen in Einklang bringen? Patrick Löffler, CEO von givve, stellt ausgewählte Maßnahmen vor.

Freiheit, Selbstbestimmung, Flexibilität: Es sind Begriffe wie diese, die im Arbeitskontext für Angestellte – insbesondere für die jüngere Generation – immer wichtiger werden. Das Einfordern von größtmöglicher Flexibilität ist oft schon Teil des Vorstellungsgesprächs und junge Talente fordern immer häufiger flexible Modelle.

Dabei ist Flexibilität nicht gleich Flexibilität. Die einen verstehen darunter die frei wählbare Arbeitszeit und das Homeoffice an Tagen, an denen sie dieses gern hätten. Die anderen wiederum wünschen sich beim Thema Flexibilität monetäre Benefits, die sie, je nach Gusto, ins Mittagessen, den Sportkurs oder den wöchentlichen Einkauf stecken können.

Bei all diesen Angeboten kommt die Frage auf: Wie wirken sich die flexiblen Angebote – Flex-Pay, Flex-Commuting und Co. – auf die Unternehmenskultur aus? Führen sie zu mehr Gelassenheit und Freude bei der Arbeit oder lösen sie vielmehr Chaos innerhalb der Belegschaft aus?

Mit den folgenden Maßnahmen haben Unternehmen die Chance, Struktur und Flexibilität im Job in Einklang zu bringen – für zufriedene Mitarbeitende und ein florierendes Geschäft:

1. Flexibler Arbeitsort

Durch die Pandemie haben viele Firmen ihren Angestellten gezwungenermaßen die Arbeit im Homeoffice gewährt; heute jedoch fordern viele Angestellte die freie Wahl des Arbeitsortes bereits ein. Ebenso ist eine Verflechtung aus Büro, Homeoffice und Off-Site-Space für viele Angestellte attraktiv. Insbesondere Familien schätzen die Flexibilität, entscheiden zu können, von wo aus die Eltern arbeiten – zum Beispiel, wenn die Kita streikt oder ein Kind krank zu Hause bleiben muss.

Auch für Menschen ohne Kinder kann es die Lebensqualität verbessern, nicht täglich ins Büro zu müssen, denn das spart Zeit, die in eine längere Mittagspause oder zum Beispiel einen Spaziergang zum Ausgleich nach einem langen Meeting investiert werden kann.

Zudem: Studien belegen, dass unterschiedliche Arbeitsumgebungen die Kreativität fördern. Und nicht nur das: Auch das Arbeiten inmitten verschiedener, unbekannter Menschen, zum Beispiel während des Aufenthalts in einem Coworking-Space, kann dazu beitragen, neue Ideen anzuregen. Das kann sich letztlich positiv auf das gesamte Outcome und die Produktivität auswirken.

2. Desk-Sharing

Hierbei wählen die Angestellten jeden Morgen neu aus, auf welchem Platz sie im Büro sitzen. Auch das unterstützt und fördert, wie die Wahl des generellen Arbeitsortes, die Kreativität der Mitarbeitenden. Denn verschiedene räumliche Arbeitsplätze bieten vielmals auch verschiedene Sichtweisen. Gleichzeitig kann ein Unternehmen so Hierarchien lockern und lösen – wenn nämlich Menschen unterschiedlicher Ebenen neben- und vielleicht sogar mehr miteinander arbeiten.

Kritisch sehen Angestellte teilweise den Verlust der Privatsphäre, der dadurch entsteht, dass feste Plätze entfallen. Umso wichtiger ist es, dass sich Unternehmen vor Einführung des Desk-Sharing-Konzepts feste Regeln überlegen und diese für alle Beteiligten auch formulieren.

3. Bewegliche Arbeitszeiten

Die Möglichkeit der flexiblen Zeiteinteilung ist in vielen Unternehmen bereits gegeben. Gleichwohl ist es dabei wichtig, Kernarbeitszeiten zu definieren, damit eine Struktur gewahrt bleibt. Ratsam sind beispielsweise regelmäßige Calls oder Meetings, sodass Kolleginnen / Kollegen, aber auch Kundinnen / Kunden wissen, wann jemand definitiv erreichbar ist. Das fördert gleichzeitig den Teamspirit, da ein persönlicher Austausch – gerade in Teams, die viel Remote arbeiten – unabdingbar ist und bleibt.

4. Flex-Commuting

Insbesondere dadurch, dass sich die Arbeitswelt verändert und Menschen immer flexibler ihrer Tätigkeit nachgehen, ändert sich auch die Art der Mobilität. Firmenwagen waren einmal. Heute wünschen sich die Menschen Alternativen zum Auto. Für Unternehmen, die dies unterstützen möchten, ist das Mobilitätsbudget das Mittel der Wahl.

Zudem fördert seine Bereitstellung die Mobilitätswende und Unternehmen zeigen damit: Nachhaltigkeit im Verkehrssektor ist uns wichtig. Als flexibel einsetzbares Benefit für Bus, Bahn, Stadtrad und Co ist es für viele Angestellte sicherlich ein attraktives Angebot.

5. Flex-Pay

Eine Deloitte-Studie zeigt: 73 Prozent der Menschen mit niedrigem Einkommen und immer noch ein Viertel derjenigen mit hohem Einkommen haben am Monatsende kein Geld mehr zur Verfügung. Dem können Arbeitgebende entgegenwirken. Wie? Mit dem Earned Wage Access (EWA). Darunter versteht man einen On-Demand-Zugriff auf das eigene Gehalt, das im laufenden Monat bereits verdient wurde.

So bleiben Angestellte stets liquide. Da finanzieller Stress sich negativ auf das Wohlbefinden und sogar auf die Bindung an ein Unternehmen auswirkt, sollten sich hiesige Unternehmen überlegen, ob EWA nicht auch für sie ein Benefit ist, das der eigenen Belegschaft gut täte.

6. Freie Wahl von Leistungen

Steuerfreie Sachbezüge in Höhe von bis zu 50 Euro pro Monat in Form von Dienstleistungen, Produkten oder Gutscheinen sind nach wie vor beliebt bei Angestellten. Ob Sport, Mittagessen oder Einkauf – die Bezuschussung tut dem Geldbeutel gut und stärkt die Bindung an den Arbeitgebenden und für das Unternehmen ist das Ganze auch noch steuerfrei.

Flexibilität im Job plus Struktur – Schlüssel zu Produktivität und Wohlbefinden

Freiheiten und flexible Strukturen fördern grundsätzlich das Wohlbefinden der Belegschaft und unterstützen dadurch die Gesundheit und Produktivität, was effektiv zu größerem Erfolg innerhalb eines Unternehmens führen kann.

Dabei sollten Arbeitgebende im Blick haben, dass Regeln und Strukturen gewahrt bleiben. Nur so ist es möglich, Freiheiten zu gewähren, ohne dass alles im Chaos mündet. Es ist gut und wichtig, dass ein regelmäßiger Austausch im Team stattfindet; dazu bedarf es fester Zeiten. Ebenso sind Regeln zu Arbeitsorten und der freien Platzwahl im Office unverzichtbar, um beispielsweise Unstimmigkeiten zu vermeiden und eine positive Grundstimmung sicherzustellen.

Natürlich können nicht alle Unternehmen ihren Angestellten in gleichem Maße Flexibilität im Job anbieten. Es gibt nun einmal Berufe, da muss die Belegschaft vor Ort sein und Homeoffice ist unmöglich. Gleichzeitig gibt es in der Vielzahl an flexiblen Angeboten offensichtlich für jede Firma solche, die zur eigenen Philosophie passen und die auch umsetzbar sind. Damit sollten sich Arbeitgebende auseinandersetzen, denn sie tragen erheblich zu einem Wohlfühlklima bei der Arbeit bei und das kommt wiederum letztlich auch der Firma zugute.

Zur Person

Patrick Löffler ist CEO und Mitgründer von givve, einem Unternehmen, das Produkte für den steuerfreien Sachbezug entwickelt und vertreibt. Privat sind ihm eine ausgewogene und regelmäßige Ernährung, ehrliche und bedürfnisorientierte Kommunikation wichtig. Darüber hinaus findet Löffler Ausgleich beim Sport und Meditieren.

Quelle: hrjournal.de

16 June 2023

Vertrauensurlaub: Wie funktioniert das in der Praxis?

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Vertrauensurlaub: Wie funktioniert das in der Praxis?

Unbegrenzter Urlaub – auch bekannt als Vertrauensurlaub – klingt wie ein Traum. Nora Feist von Mashup Communications berichtet über Learnings und schildert, was Unternehmen beachten sollten.

Welche Vorurteile und rechtliche Hürden gilt es zu überwinden? Wie muss eine längere Auszeit im Unternehmen geplant werden? Und welche Vorteile versprechen sich Mitarbeitende und Arbeitgeber davon?

Die Einführung von Vertrauensurlaub war das Ergebnis unserer offenen Unternehmenskultur und der Ereignisse, die 2020 über uns hereinbrachen. Wir setzten uns für 2021 das Ziel: Unsere Gesundheit sollte die wichtigste KPI sein. Dazu stellten wir als Agentur zunächst die Frage, wie wollen wir in Zukunft zusammenarbeiten und den individuellen Bedürfnissen gerecht werden? Aus einer Utopie wurden konkrete New-Work-Maßnahmen. Wichtigste Orientierungshilfe waren unsere Unternehmenswerte: Flexibilität und Unabhängigkeit. Wir gestalteten im Team ein passendes Modell für komplett offene Dienstzeiten.

Der Schritt von der Vertrauensarbeitszeit zum Vertrauensurlaub stieß in unserer Agentur zunächst auf Skepsis und wenig Gegenliebe. Plötzlich waren die eigenen Bedürfnisse, wie Urlaubstage als Verhandlungsgrundlage oder die Angst, andere könnten ständig und viel mehr freie Tage nehmen als man selbst, viel stärker als der eigentliche individuelle Mehrwert. Wir überzeugten schließlich auch die letzten Zweifelnden, indem wir von unseren Erfahrungen mit unbegrenzter arbeitsfreier Zeit berichteten. Nun mussten nur noch die richtigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.

Urlaubsanspruch vs. flexible Auszeiten

In Deutschland sind Arbeitszeit und Urlaubsanspruch gesetzlich geregelt. Beschäftigte haben einen Urlaubsanspruch von mindestens 20 freien Tagen pro Jahr bei einer 5-Tage-Woche. Als Unternehmen ist es mir also freigestellt, wie viele Urlaubstage ich meinen Mitarbeitenden ermöglichen möchte, solange die Mindestanzahl nicht unterschritten wird. Ein begründetes Vorurteil, was mir immer wieder begegnete, war die Aussage, dass mit Vertrauensurlaub die Mitarbeitenden noch weniger Ferien nehmen würden als ihnen eigentlich zustand. Das war bei großen US-amerikanischen Firmen, wie Netflix, Dropbox oder Pinterest, der Fall. Wir legten wir deshalb strikte Regeln fest, um sicherzustellen, dass unsere Mitarbeitenden tatsächlich genügend Urlaub nehmen.

Nicht nur aus rechtlicher Sicht war es wichtig, den vorgeschriebenen Anspruch von 20 Tagen als Pflichturlaub einzuführen. Dieser muss nun am Anfang des Jahres oder mit Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses bereits grob geplant werden, um mögliche Engpässe im Team rechtzeitig abzufedern und die entsprechende Vertretung zu planen.

Über die Pflichtzeit hinaus gibt es unbegrenzten Vertrauensurlaub. Dieser darf bei uns jedoch einen Monat am Stück nicht überschreiten. Zudem beträgt der Vorlauf für die Einreichung, sowohl für Pflicht- als auch Vertrauensurlaub, immer mindestens die doppelte Zeit der beantragten Tage. Und ganz wichtig, am Ende entscheiden weiterhin die Führungskräfte, ob die eingereichte Erholungszeit so genommen werden kann oder es sonst zu Kapazitätsengpässen kommt.

Vertrauensurlaub: Benefit für Mitarbeitende und Arbeitgebende gleichermaßen

Warum haben wir als Agentur Interesse daran, Vertrauensurlaub einzuführen? Regelmäßige Auszeit – egal ob es sich um ein verlängertes Wochenende oder zwei Wochen am Stück handelt – ist einfach notwendig, um arbeitstüchtiges, motiviertes Personal zu haben. Die Erfahrung zeigt, dass die Stimmung im Team schnell kippen kann, wenn jemand urlaubsreif ist. Die Konzentration lässt nach, Antriebslosigkeit und Müdigkeit hinterlassen Spuren. Das merken auch die Kundinnen / Kunden.

Viele Mitarbeitende nehmen kaum oder gar keine Freizeit, weil sie denken, unersetzbar zu sein. Oder weil sie befürchten, dass die eigene Arbeit liegen bleibt und sich nach der Pause noch weiter aufgetürmt hat. Nur rächt sich dieses Verhalten irgendwann und geht zu Lasten des eigenen Wohlbefindens.

Unsere Learnings für eine längere Auszeit – Vorbereitung steht vor Erholung

Arbeitnehmende in Deutschland haben durchschnittlich 28,9 Urlaubstage im Jahr, aber ist das genug, um der Berufswelt sowohl körperlich als auch mental zu entfliehen? Körper und Geist geben wichtige Signale, wann es Zeit für eine längere Auszeit ist. Wenn Teammitglieder jedoch drei oder vier Wochen abwesend sind, muss dies gut geplant werden, um nicht zu Lasten der übrigen Kollegen zu gehen. Die folgenden Punkte sollten bei einer mehrwöchigen Abwesenheit beachtet werden:

1. Rechtzeitig den Vertrauensurlaub planen und kommunizieren.

2. Teammitglieder frühzeitig in die eigenen Projekte einbeziehen.

3. Langfristige Aufgaben detailliert vorbereiten und wichtiges bereits erledigen.

4. Priorisieren, delegieren und loslassen.

5. Mit entspanntem Kopf neu durchstarten.

Erholung vs. Krankenstand: Fazit und Ergebnisse aus einem Jahr Vertrauensurlaub

Nach einem Jahr „Feldexperiment“ haben wir die genommen Urlaubs- und Krankentage in unserem Unternehmen einmal genauer unter die Lupe genommen. Die gute Nachricht zuerst: Alle Teammitglieder nutzten ihre 20 Pflichttage. Zusammen mit ihrer Vertrauenszeit gönnten sich die Kolleginnen / Kollegen zudem mehr Jahresurlaub, als ihnen vorher vertraglich zugesichert war.

Im Durchschnitt kamen die Mitarbeitenden so in einem Jahr auf 35 freie Tage. Von der Verteilung her haben sich unsere langjährigen Senior-Beraterinnen / -Berater meist mehr Urlaub genommen als die jüngere Generation. Vielleicht auch, weil sie aus der Erfahrung wissen, dass unsere Maßnahmen nicht nur auf dem Papier schön aussehen, sondern wirklich gelebt werden dürfen.

Die schlechte Nachricht unserer Analyse zeigt aber auch: Der durchschnittliche Krankenstand hat sich durch den Vertrauensurlaub nicht wirklich verringert. Nun muss man dazu sagen, dass wir auch 2022 mitten in der Pandemie steckten und neben Corona auch andere Erkrankungen eine Rolle spielten. Hinzu kamen die krankheitsbedingten Ausfälle der kleinen Familienmitglieder, die wir als Arbeitgeber mit einem hohen Mütteranteil nur schwer beeinflussen können.

Auch wenn der Vertrauensurlaub im letzten Jahr keinen spürbaren Einfluss auf die durchschnittlichen Krankheitstage hatte, so merken wir im Unternehmen, wie dankbar die Mitarbeitenden für die Möglichkeit der unbegrenzten freien Tage sind. Letztendlich ist der Vertrauensurlaub ein Baustein für eine wertschätzende, faire Arbeitsatmosphäre, welche den gesunden Menschen in den Mittelpunkt stellt. Und dieses Ziel werden wir auch in den nächsten Jahren weiterverfolgen und anstreben.

Zur Person

Nora Feist ist gemeinsam mit Miriam Rupp Geschäftsführerin von Mashup Communications, der Berliner Agentur für PR und Brand Storytelling. Als HR-Verantwortliche konzentriert sie sich auf Employer Branding und sorgt in der Agentur dafür, dass arbeitstechnisch zusammenkommt, was zusammenpasst.

Quelle: hrjournal.de

02 June 2023

1000 bis 1500 Euro reichen absolut, um gut leben zu können – was digitale Nomaden wissen müssen, wenn sie die Heimat verlassen

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1000 bis 1500 Euro reichen absolut, um gut leben zu können – was digitale Nomaden wissen müssen, wenn sie die Heimat verlassen

Ortsunabhängiges Arbeiten über Landesgrenzen hinweg etabliert sich als Lebensstil und neue Arbeitsform. Das hat auch seine Tücken.

In Südspanien scheint nicht immer die Sonne. Doch auch wenn es bewölkt ist, sind dort 26 Grad. In der Schweiz herrscht in diesem April noch der Winter. Bastian hält sich gerade in Granada auf, in Andalusien. Als digitaler Nomade will er nicht bezeichnet werden. Für ihn ist der Begriff zu szenig und mittlerweile auch etwas abgenutzt. Überhaupt sei er jetzt ferienhalber unterwegs und nicht am Arbeiten. Der Web-Entwickler erzählt von den letzten vier Jahren, die er auf den griechischen Inseln Kreta und Korfu verbracht hat – keine typischen Nomaden-Destinationen, sagt er.

Er nahm Aufträge aus der Schweiz an und unternahm von Griechenland aus weitere Reisen. Er war Anfang 30 und arbeitete etwa in Thailand oder in der Transsibirischen Eisenbahn auf dem Weg von Moskau nach Peking. Unter dem Strich erreichte Bastian ein Arbeitspensum von rund 40 Prozent. «1000 bis 1500 Euro reichen absolut, um gut leben zu können», sagt er. Mietwohnung und Auswärtsessen inklusive. Griechenland sei günstig, und als IT-Spezialist habe er gute Stundensätze verlangen können. Manchmal habe er das Monatseinkommen an einem Arbeitstag verdient, sagt er etwas verlegen.

Schnell wird klar: Mobiles Arbeiten, digitales Nomadentum ist nicht bloss ein Job, es ist ein Lebensstil. Nach der Pandemie spüren auch viele Angestellte, dass jetzt mehr drinliegt als nur Home-Office. Darauf richten sich auch die Unternehmen aus, sie entwickeln vermehrt Workation-Angebote, also Möglichkeiten, Arbeit (Work) mit Ferien (Vacation) an einer Feriendestination zu verbinden. Das digitale Nomadentum wird damit erwachsen und etabliert sich als alternative Arbeitsform. Diese neue Arbeitswelt ist aber noch jung, wichtige Fragen bleiben offen.

Wer sind diese Nomaden? Für wen passt die Arbeitsform?

Eine offizielle Definition gibt es nicht, die Vorstellung schon: jung, gut ausgebildet, digitalaffin. Das deckt sich mit dem Eigenverständnis der Nomaden-Community NomadX. An einem Workshop werden ihre Mitglieder als «Remote Workers», also ortsunabhängige Arbeitende, die zwischen Gemeinschaften (Communities) reisen, bezeichnet. Die Nomaden zeichnen sich durch eine «Digital first»-Mentalität sowie Interesse an Nachhaltigkeit und einer guten Work-Life-Balance aus. Zudem ernähren sich gemäss NomadX rund 30 Prozent vegetarisch oder vegan.

Das Nomaden-Profil ist eng gefasst, das Klischee bedient. Zwar sind auch Nomaden-Paare unterwegs, Familien oder Menschen über Mitte 30 bleiben aber die Ausnahme. «Es geht um Reiselust, aber auch Minimalismus. Es ist nur die Spitze des Eisbergs, was mit ortsunabhängiger Arbeit gemacht werden kann», sagt Lorenz Ramseyer, Präsident des Vereins digitale Nomaden Schweiz. Er hält sich nahe Narbonne am französischen Mittelmeer auf. Ramseyer ist in der Schweiz das Gesicht der Szene und seit mehr als 15 Jahren nomadisch unterwegs.

Hierzulande ist die Szene überschaubar, sein Verein zählt nur rund 200 Mitglieder. In den USA sollen sich gemäss einer Studie des Personaldienstleisters MBO Partners aber mehr als 15 Millionen Menschen als digitale Nomaden bezeichnen. Ramseyer glaubt, der Trend stehe erst am Anfang: «Nach der Pandemie wissen wir: 2,5 Millionen Jobprofile in der Schweiz könnten remote ausgeübt werden.» Spielte früher «Geo-Arbitrage», also günstiges Leben im Ausland, eine wichtige Rolle, sei das heute weniger entscheidend.

Auf spezialisierten Job-Plattformen wie Remoteworkjobs.ch sind viele Aufträge im Bereich des Internet-Monitorings oder der Bewertung von KI-Ergebnissen ausgeschrieben. Doch gemäss Ramseyer geht das Spektrum unterdessen über typische IT- oder Übersetzungsarbeiten hinaus. Heute würden immer mehr auch sozial ausgerichtete Aufgaben wie medizinische oder psychologische Beratung als Remote Jobs angeboten.

Welche Destinationen sind beliebt?

Derzeit steht gemäss Ramseyer Portugal, vor allem Lissabon und Madeira, hoch in der Gunst. Portugal versucht gezielt, diese Klientel anzuziehen, und bietet ein entsprechendes Nomaden-Visum an. Auch eine starke lokale Startup-Szene und ein entsprechendes Hotellerie-Angebot sind Standortvorteile. In Europa buhlen auch Estland, Italien, Kroatien oder Rumänien derzeit um die Kundschaft. Die Nomaden zahlen zwar selten Steuern, bleiben im Schnitt aber mindestens zwei Monate und damit länger als normale Touristen. Mit ihrem Konsum unterstützen sie die lokale Wirtschaft.

Digitale Nomaden, die oft allein unterwegs sind, suchen die Gemeinschaft Gleichgesinnter und tiefe Lebenshaltungskosten. So gehören Bali oder Bangkok seit Jahren zu den populärsten Destinationen. Gemäss dem Szeneportal «Nomad List» sind auch Buenos Aires, Mexiko-Stadt und Medellín in Kolumbien ganz vorne dabei. Mit der zunehmenden Popularität findet aber auch eine Art nomadische Gentrifizierung dieser Orte statt, das Preisniveau steigt.

Worauf ist zu achten, wenn man loszieht?

Gemäss Ramseyer waren Steuern und Versicherungen lange kein Thema unter den Nomaden, vieles sei im Graubereich abgelaufen. Das sei heute anders. Auch Bastian, der die meiste Zeit seines Nomadendaseins ausserhalb der Schweiz verbrachte, hatte sich nicht abgemeldet, hat hier weiterhin Steuern und AHV gezahlt und die Krankenkasse weiterlaufen lassen. Das sei günstiger gekommen, als eine internationale Krankenversicherung abzuschliessen oder in Griechenland Steuern zu entrichten. «Ich würde es gleich machen, obwohl es ethisch nicht ganz okay ist», sagt Bastian. Es sei zwar korrekter, dort auch Steuern zu zahlen, aber praktischer, im Grauzonenbereich zu bleiben.

Sich administrativ sauber aufzustellen, ist anspruchsvoll. «Selbständige oder Freelancer sind persönlich verantwortlich, Steuer- und Versicherungsfragen zu regeln», sagt Pascal Domenig, Rechtsanwalt und Arbeitsrechtsexperte. Diese Fragen würden ungleich komplexer, sobald man zwischen verschiedenen Ländern herumreise. «Die Idealvorstellung: Ich arbeite, wann und wo ich will, lässt sich über längere Zeit nur schwer realisieren», sagt Domenig. Er empfiehlt deshalb, Drittstaaten ausserhalb der EU zu vermeiden. Zudem gilt es folgende Aspekte zu beachten.

Aufenthaltsstatus

Um offizielle Vorgaben zu erfüllen, muss man sich nach einer Abwesenheit von mehr als sechs Monaten ausserhalb der Schweiz abmelden. Die meisten Nomaden behalten eine Adresse in der Schweiz, damit sie weiterhin hier in die Krankenkasse und in die Sozialversicherungen einzahlen können. Meist entscheiden sie sich für ein Touristenvisum, was arbeits- und steuerrechtlich fragwürdig ist, denn sie üben im Gastland eine Erwerbstätigkeit aus: Eine Aufenthaltsgenehmigung als Touristin ist keine Arbeitserlaubnis. Um das Problem zu entschärfen, bieten mittlerweile 42 Länder Digital-Nomad-Visa an. Diese sind je nach Land unterschiedlich ausgestaltet.

Krankenversicherung

Ist der Wohnsitz in der Schweiz, bleibt die Krankenversicherungspflicht bestehen. Wird der Wohnsitz ins Ausland verlegt, geht diese Deckung verloren. Selbständige müssen darauf achten, die Unfallversicherung im Rahmen der Krankenversicherung abzuschliessen. Alternativ kann es sinnvoll sein, eine Krankenkasse mit einem internationalen Angebot wie ASN, GlobalHealth, KPT, Sanitas, Swica oder Visana zu wählen. Diese Angebote bieten eine gewisse Flexibilität, sind tendenziell aber teuer.

Sozialversicherungen

Arbeitnehmende sind dort beitragspflichtig, wo sie physisch arbeiten, und nicht dort, wo sie angestellt sind. Um während des temporären Auslandsaufenthalts weiterhin im Schweizer Sozialversicherungssystem zu bleiben, muss beim Bundesamt für Sozialversicherungen ein Antrag gestellt werden. Verbringt man mehr als 25 Prozent der Zeit im EU-Raum, geht die Deckung in der Schweiz verloren, ausser man ist selbständig. Bei Sozialversicherungen wie der AHV, der IV oder der beruflichen Vorsorge gilt die Sozialversicherung in dem Land, in welchem gearbeitet wird. Eine ähnliche Deckung ausserhalb der EU zu finden, ist schwierig.

Steuern

Die steuerliche Situation unterscheidet sich von Land zu Land. Ist man ständig unterwegs, ohne neuen Wohnsitz, bleibt man grundsätzlich in der Schweiz steuerpflichtig. Arbeitet man aber mehrere Monate im Ausland für einen lokalen Arbeitgeber, kann es sein, dass man dort einen Wohnsitz und ein Steuerdomizil begründet. In dem Fall kann man im entsprechenden Land steuerpflichtig werden. Lebt man abwechselnd an verschiedenen Orten, entscheidet der Lebensmittelpunkt über den steuerrechtlichen Wohnsitz. Die Nomaden-Visa enthalten teilweise steuerrechtliche Bestimmungen, die Bedingungen müssen aber länderspezifisch geprüft werden.

Reiseversicherung

Empfehlenswert ist zudem eine klassische Reiseversicherung. Diese deckt Annullierungskosten ab, Diebstahl von Gepäck und teilweise auch Rettungs- und Rückführungskosten in die Schweiz im Falle einer schweren Krankheit oder eines Unfalls.

Nomadismus light: Workations

Sich als digitale Nomadin versicherungs- und steuertechnisch korrekt aufzustellen, ist nicht einfach. Wem das zu aufwendig ist, kann den Lebensstil auch als Angestellter im Rahmen eines herkömmlichen Jobs testen. Mitarbeitende haben das Bedürfnis, auch ausserhalb des gewohnten Umfelds zu arbeiten. Unternehmen sind immer öfter bereit, auf dieses einzugehen. Im Rahmen von Workations können Mitarbeitende an einen schönen Ort reisen und dort Arbeit mit Ferien kombinieren. Im Ausland ist das Konzept bereits verbreitet. Tech-Konzerne wie Alphabet, Airbnb oder Linkedin bieten grosszügige Workation-Regelungen.

Aber auch traditionellere Grossunternehmen wie Allianz, Bosch oder Merck machen ihren Mitarbeitenden ähnliche Angebote. In der Schweiz haben unter anderem Hotelplan und Meier Tobler solche Konzepte umgesetzt. Immer mehr Personalabteilungen informieren sich, man spürt eine deutliche Professionalisierung, wie Lorenz Ramseyer sagt. Diese neuen Arbeitsformen haben viel Potenzial, auch die Schweiz als Destination für solche Aufenthalte.

«Bisher wurde viel zu stark auf dem Präsentismus abgestellt», sagt er. Doch eine breite Adoption von Workation-Programmen ist noch nicht festzustellen, auch wenn die Pandemie Schub in das Thema gebracht hat. Widerstand komme von Arbeitgeberseite, besonders aus dem mittleren Management, sagt Ramseyer. Dort herrschten noch tief verankerte Vorstellungen, wie Zusammenarbeit zu funktionieren habe.

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

10 March 2023

PinFlex: Flexibel arbeiten, Teamspirit fördern bei Pinterest

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PinFlex: Flexibel arbeiten, Teamspirit fördern bei Pinterest

Wie flexible Arbeit für Führungskräfte und Teams gelingen kann, schildert Martin Bardeleben, Country Manager DACH bei Pinterest, am Beispiel des Arbeitsmodells PinFlex. Hier kommen seine Empfehlungen.

Homeoffice und flexibles Arbeiten sind mittlerweile zum Standard avanciert und werden vielerorts auch nach der Wiedereröffnung der Büros von Unternehmen weiterhin beibehalten. Führungskräfte sehen sich dabei neuen Herausforderungen und Fragen gegenübergestellt, zum Beispiel, wie sie diese neue Flexibilität beibehalten können und dabei weiterhin Teamspirit und eine effektive Zusammenarbeit fördern. Bei Pinterest hat man auf die neuen Bedingungen mit der Einführung des neuen Arbeitsmodells PinFlex reagiert.

Unterschiedliche Erwartungshaltungen erkennen

Synchron-hybrid, Statisch-hybrid, voll flexibel bis Homeoffice first – von dem einstigen Office-First-Ansatz und dem klassischen “9 to 5” ist knapp drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie nicht mehr viel übrig. Unternehmen mussten sich in kurzer Zeit an neue, virtuelle Formen der Zusammenarbeit anpassen und haben mittlerweile die Vorteile von flexiblem Arbeiten zu schätzen gelernt. Das zeigen aktuelle Studien: 65 Prozent der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer in Deutschland honorieren die Flexibilität bei der Arbeitseinteilung und 78 Prozent wünschen sich, langfristig mehr aus dem Homeoffice zu arbeiten (PWC, 2021).

Diesen Erwartungshaltungen der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter gegenüber steht in vielen Fällen die Sicht einer Führungskraft, die für Stabilität, Kontinuität und Produktivität in den Teams verantwortlich ist. 66 Prozent empfinden, dass die Führung ihrer Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter durch Remote-Arbeit und Homeoffice deutlich schwerer geworden ist (Hays, 2021). Dazu zählen die Sorge vor Missverständnissen (zum Beispiel in Chats), unbemerkt aufkommende Konflikte und Spannungen im Team, negative Stimmung und nachlassender Teamgeist.

Wie flexible Arbeit gelingen kann

Ein Lösungsansatz, den wir bei Pinterest mit unserem Arbeitsmodell PinFlex verfolgen, ist es, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch flexibler ihre Arbeitsstrukturen selbst gestalten können, beispielsweise durch die Wahl des Arbeitsortes und die Einteilung ihrer Arbeitszeiten. Hier geht es im Kern darum, die Teams durch Flexibilität zu mehr Eigenverantwortung und ergebnisorientiertem Arbeiten zu befähigen.

Wir sind der Überzeugung, dass die Arbeit dabei die Art der Zusammenarbeit bestimmen sollte, anstatt Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern eine bestimmte Anzahl an Tagen zuzuweisen, die sie ins Büro kommen müssen. Bei Tätigkeiten, die von einem beliebigen Ort aus ausgeführt werden können, haben Pinterest-Mitarbeiterinnen / -Mitarbeiter die Möglichkeit, zu entscheiden, ob sie in einem Pinterest-Büro, bei sich zu Hause oder an einem anderen Standort arbeiten möchten.

Ein solcher Ansatz erfordert ein neues Mindset, konkrete Richtlinien zur Kommunikation und ein Angebot von Methoden zur Bearbeitung unterschiedlicher Aufgaben.

1. Von der Aktivitätsorientierung zur Ergebnisorientierung

Für viele Führungskräfte war die physische Anwesenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort lange Zeit ein zentrales Kriterium für die Zusammenarbeit. Führungskräfte konnten jederzeit mit ihren Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern in direkten Austausch gehen. Bei flexiblen Arbeitsmodellen müssen Vorgesetzte lernen, ihren Führungsstil stärker an Ergebnissen auszurichten und weniger auf die Aktivitäten ihrer Kolleginnen und Kollegen: Indem Sie mit Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern gemeinsam klare Ziele und realistische Fristen festlegen, stellen Sie nicht nur das Engagement der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter sicher, sondern vor allem die erwünschte Leistung.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich motivierter, definierte Meilensteine zu erreichen – nicht nur aus einer beruflichen, sondern auch aus einer emotionalen Motivation heraus. Sie identifizieren sich stärker mit dem Projekt und versuchen, ihr Bestes zu geben.

2. Anforderungen von Projekten immer wieder neu definieren

Nicht alle Aufgaben eignen sich für alle Arten von Flexibilität, und das kann ein Teil des Dialogs mit den Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern sein. Gemeinsam können im Team Projekte und Aufgaben besprochen und überlegt werden, welche davon sich für Einzelarbeit eignen und welche von der Anwesenheit vor Ort profitieren. Indem sie dies selbst diskutieren und erarbeiten, können Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter dafür sensibilisiert werden, dass es auch in einem Fully-Remote System wichtig ist, zu bestimmten Zeitpunkten persönlich zusammenzukommen.

Das Ergebnis können beispielsweise festgelegte Anwesenheitstage bei Planungs-Meetings sein, kollaboratives Arbeiten an abteilungsübergreifenden Projekten oder auch kulturfördernde Events. Bei Pinterest gibt es bereits seit acht Jahren die interne und branchenweit einzigartige Mitarbeiter /-innenveranstaltung Knit Con.

An zwei Tagen im Jahr kommen unsere Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter weltweit an verschiedenen Standorten zusammen, um sich inspirieren zu lassen, voneinander zu lernen und gemeinsam kreativ zu werden und so das Gemeinschaftsgefühl untereinander zu stärken.

3. Mit Kolleginnen / Kollegen über flexible Arbeit sprechen

Für Führungskräfte gilt es, zuzuhören und Feedback kontinuierlich aufzunehmen, aber auch Erwartungen zu managen und klar zu kommunizieren, was möglich ist und was nicht. Vielen Führungskräften ist es unangenehm, das Thema Flexibilität offen mit ihren Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern anzusprechen. Sie befürchten, dass sie Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen können, Konflikte zwischen den Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern verursachen oder dass die Produktivität ihres Teams beeinträchtigt wird.

Managerinnen / Manager, die sich auf nicht-traditionelle Arbeitsregelungen einlassen, bestätigen jedoch immer wieder, dass mehr Flexibilität zu mehr Kreativität, Produktivität und Loyalität führt. Dabei ist eine ehrliche und transparente Kommunikation die Voraussetzung. Die neuen Arbeitsstrukturen müssen sich in jedem Unternehmen neu ordnen und sehen überall etwas anders aus.

Zusammenfassend kann man sagen, dass moderne Arbeitsmodelle, wie wir sie durch die Pandemie kennengelernt haben, für alle Beteiligten zunächst Herausforderungen, aber vor allem viele Chancen und Potenziale mit sich bringen. Unternehmen, die einen passenden Rahmen vorgeben und ihre Führungskräfte dazu befähigen, neue Modelle anzunehmen, zu fördern und ihnen die Vorteile darlegen, können sich langfristig über mehr Eigenverantwortung und Motivation im Team freuen und profitieren langfristig von der Zufriedenheit ihrer Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter. Sie werden damit außerdem attraktiver für einen noch größeren, globalen Talentpool und werden im Wettbewerb um die besten Köpfe im Vorteil sein.

Über den Autor

Martin Bardeleben ist Country Manager DACH bei Pinterest. In dieser Funktion ist er unter anderem für die Leitung des Sales Teams und die enge Zusammenarbeit mit Werbetreibenden und Agenturen verantwortlich, um das Anzeigengeschäft von Pinterest in Deutschland weiter auszubauen. Vor seiner Tätigkeit bei Pinterest leitete er Googles Consumer Marketing für Devices & Services in DACH, mit Sitz in Hamburg. Davor war Bardeleben bei Philips Consumer Lifestyle als Country Director Austria tätig.

Quelle: hrjournal.de

 

03 December 2021

International Remote Working: So gelingt die Umsetzung

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International Remote Working: So gelingt die Umsetzung

Für die effiziente Einführung des virtuellen Zusammenarbeitens über Landesgrenzen hinweg sollten Arbeitgeber zentrale Faktoren berücksichtigen. Was sind die ersten Schritte?

Bedarfsanalyse

Anhand der im ersten Teil der Beitragsreihe dargestellten Überlegungen sollten Unternehmen zunächst eine Bedarfsanalyse anstellen. Was bezwecken wir mit dem Thema International Remote Working? Welche Rolle spielt International Remote Working für uns als Marke, auf dem Arbeitsmarkt, für unsere Mitarbeitende sowie die Bewerberinnen und Bewerber? Wie planen wir die Internationalisierung unserer Geschäftsentwicklung? Teil dieser Analyse kann eine Mitarbeiterbefragung sein. Häufig hat die Geschäftsführung (oder eine von dieser Eingesetzte Projektgruppe International Remote Working) keine genauen Vorstellungen davon, wie viel Flexibilisierung die Mitarbeitenden wollen. Auch eine Bestandaufnahme aktueller Anfragen der Mitarbeiter zu International Remote Working ist hilfreich.

Clustering

Weiter ist es wichtig, zwischen verschiedenen Formen von International Remote Working zu trennen, da administrativer Aufwand, Compliance-Risiken und Kosten unterschiedlich sind. Wie dabei geclustert wird, hängt vom Unternehmen ab. Eine sinnvolle Unterscheidung ist zum Beispiel die Einordnung in kurzfristige/temporäre und langfristige Konstellationen. Auf der einen Seite die tage-/wochenweise Verlängerung des Urlaubs zu Arbeitszwecken („workation“). Auf der anderen Seite das Einstellen von Mitarbeitenden im Ausland, die aus ihrem Heimatland für das deutsche Unternehmen arbeiten sollen. Zu den langfristigen Konstellationen zählt auch die Unternehmensorganisation mit globalen Rollen und länderübergreifenden Mehrfachfunktionen („globale Matrixorganisation“). Zum Clustering gehört auch, dass das Unternehmen sich darüber klar wird, welche Relevanz die einzelnen Gruppen für das Unternehmen haben. Viele Unternehmen starten bei der Umsetzung zunächst mit den Gruppen, die leichter umzusetzen sind und nehmen die komplexeren Gruppen in einem zweiten Schritt in Angriff.

Rechtliche Prüfung

International Remote Working berührt verschiedene Rechtsgebiete: Steuerrecht (Einkommen-/Lohnsteuer und Betriebsstätten/Verrechnungspreise), Sozialversicherung, Arbeits- und Aufenthaltsrecht sowie Datenschutz/Datensicherheit. Die Compliance-Risiken der einzelnen Fallgruppen unterscheiden sich erheblich. Ebenso macht es einen großen Unterschied, ob sich die Fälle innerhalb oder außerhalb Europas abspielen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei dar, dass es zu International Remote Working zum Teil noch keine klaren Regelungen beziehungsweise keine einheitliche Praxis der Behörden gibt. Der sensibelste Compliance-Bereich für viele Unternehmen ist in diesem Zusammenhang die steuerliche Frage der Begründung von Betriebsstätten, also die Frage ob ein Arbeitnehmer beziehungsweise eine Arbeitnehmerin, der oder die bei einem Unternehmen in Land A angestellt ist und in Land B arbeitet, in diesem Land B eine Steuerpflicht für das Unternehmen aus Land A auslöst. Zwar gibt es hierzu Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen, nationale Gesetze sowie Grundsätze der OECD. Ob diese aber auch auf Homeoffice-Situationen uneingeschränkt anwendbar sind, ist höchst strittig und von Land zu Land unterschiedlich.

Administrativer Aufwand

Neben der Prüfung der rechtlichen Risiken müssen Unternehmen prüfen, welchen administrativen Aufwand die verschiedenen Fallkonstellationen von International Remote Working für sie bedeuten. Auch hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen. Administrativer Aufwand kann zum Beispiel entstehen durch Lohnsteuerverpflichtungen und Registrierungspflichten im Ausland, rechtliche Prüfungen, das Tracking von Anwesenheitstagen in den betroffenen Ländern, und so weiter. Am Ende steht die Abwägung, ob das Unternehmen den administrativen Aufwand, insbesondere für die Vermeidung rechtlicher Risiken angesichts der Bedeutung bestimmter International Remote Working Konstellationen in Kauf nehmen will.

Umsetzung

Im Rahmen der Umsetzung sind verständliche Regelungen, ein gut strukturierter Genehmigungsprozess mit klaren Verantwortlichkeiten sowie die Kommunikation im Unternehmen entscheidend. Wichtig ist dabei, dass das Unternehmen zwei verschiedene Perspektiven im Blick behält. Zum einen muss es sicherstellen, dass einzelne Beschäftigte durch ihre International-Remote-Working-Tätigkeit keinen Risiken ausgesetzt ist. Dass zum Beispiel der Verbleib in der heimischen Sozialversicherung sichergestellt ist und das entsprechende Formular zum Nachweis bei den ausländischen Behörden beantragt ist. Oder dass die Mitarbeitenden durch ihre Tätigkeit im Ausland nicht steuerpflichtig werden.

Aus Sicht der Unternehmensführung ist wichtig, einen geeigneten Compliance-Management-Prozess aufzustellen, um den gesetzlichen Aufsichts- und Organisationspflichten gerecht zu werden. Bei Verstößen gegen diese Verpflichtung greift gemäß § 130 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine persönliche Haftung der geschäftsführenden Organe. Daher ist dieser Aspekt der Umsetzung für die Unternehmensleitung von entscheidender Bedeutung. Die Verantwortlichkeit für die Umsetzung liegt häufig bei einer von der Unternehmensleitung eingesetzten Projektgruppe aus HR und den Compliance-Funktionen Steuer und Legal. Stakeholder-Management in Richtung der Unternehmensleitung ist dabei eine der wichtigsten (und häufig auch schwierigsten) Aufgaben.

So gelingt die Umstellung auf International Remote Working

Die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass es sinnvoll ist, das Thema abzuschichten und sich zunächst auf die Umsetzung von weniger aufwendigen oder für das Unternehmen besonders relevanter Formen von International Remote Working zu konzentrieren. Für eine solche Abwägung müssen sich Unternehmen über ihre strategischen Prioritäten im Klaren sein und diese gegen Machbarkeit, Compliance-Risiken und administrativen Aufwand abwägen. Versuchen sich Unternehmen ohne einen solchen langfristigen Plan an einer Umsetzung, so besteht das Risiko, dass sie die Organisation überfordern.

Über den Autor

Dr. Tobias Preising ist Partner Global Mobility Services bei der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er berät Kunden bei Lösungen auf dem Gebiet der Global Mobility in Bereichen wie unter anderem Mobility Tax, Social Security, Mobility Process Improvement und Organizational Change. Preising verfügt über mehr als 15 Jahre Beratungserfahrung und hat Kunden aus unterschiedlichen Branchen betreut, darunter aus solche aus der Automobilindustrie, Transport und Logistik sowie Financial und Professional Services mit beruflichen Stationen in Deutschland, China und der Schweiz.

 

Quelle: Humanressourcemanager

26 November 2021

International Remote Working: Die Vorteile für Unternehmen

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International Remote Working: Die Vorteile für Unternehmen

Arbeitgeber sollten sich jetzt überlegen, wie sie die Möglichkeiten virtueller Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg strategisch für sich nutzen können.

Nach anderthalb Jahren pandemiebedingter Reisebeschränkungen haben viele Menschen dieses Jahr wieder die Möglichkeit wahrgenommen, in den Sommerurlaub zu reisen und im Ausland entspannte Tage zu genießen. Doch anders als in vorangegangenen Jahren haben dieses Mal viele Urlauber neben Badehose und Reiseführer auch den Firmenlaptop, Headset und die wichtigsten Unterlagen vom letzten Projekt im Gepäck. Der Trend zum virtuellen Zusammenarbeiten und damit verbunden die Vermischung von Arbeit und Privatleben, macht auch vor dem Urlaub nicht halt. Personalabteilungen werden überrannt von Anfragen ihrer Mitarbeitenden, die gerne Urlaub und Arbeit verbinden und vom Urlaubsort aus mobil arbeiten möchten. Die Tourismus- und Werbebranche hat hierfür den Begriff Workation geprägt und lockt mit dem Versprechen „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“ oder „Netzwerken mit Gleichgesinnten unter Palmen“. Das ist aber nur ein Teilaspekt von International Remote Working – dem mobilen, virtuellen Zusammenarbeiten über Landesgrenzen hinweg. Innovative Unternehmen sind bereits einen Schritt weiter gegangen und haben medienwirksam angekündigt, ihren Mitarbeitenden zukünftig volle Flexibilität bei der Wahl ihres Arbeitsortes zu gewähren. Alle Beschäftigten soll arbeiten können, von wo sie wollen. Was zählt, ist allein das Ergebnis.

Zwischen Workation, dem kurzfristigen Verlängern von Urlaub um ein paar Arbeitstage, und völliger Freiheit in der – auch dauerhaften – Wahl des Arbeitsortes liegen allerdings Welten. Mit den technischen Möglichkeiten des virtuellen Zusammenarbeitens durch Skype, Microsoft Teams und ähnlichen Programmen und der Erkenntnis, das Arbeiten im Homeoffice in vieler Hinsicht besser funktioniert als gedacht, hat sich die Büchse der Pandora geöffnet. Gleichzeitig hat sich in kürzester Zeit bei Beschäftigten der Anspruch entwickelt, dass ein guter Arbeitgeber ihnen eine gewisse Flexibilität bieten muss. Unternehmen müssen sich daher jetzt überlegen, wie sie diese Möglichkeiten strategisch für sich nutzen wollen und wieviel Flexibilität sie wollen und brauchen.

Welche Überlegungen stehen für Arbeitgeber am Anfang?

Am Anfang steht die strategische Überlegung, was das Unternehmen mit der Flexibilität erreichen will. Die Frage nach dem Warum. Hier spielen unterschiedliche Aspekte eine Rolle spielen:

Employer Attractiveness: Immer mehr fordern gerade jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Möglichkeiten zum flexiblen internationalen Arbeiten ein. International Remote Working gibt die Möglichkeit, das starre traditionelle Korsett von Entsendungen und Projekteinsätzen zu verlassen und die persönliche Lebensplanung mit internationalem Arbeiten zu verbinden. Bedürfnisse des Lebenspartners beziehungsweise der Lebenspartnerin lassen sich dabei ebenso berücksichtigen, wie familiäre Bindungen im Ausland. Von einem attraktiven Arbeitgeber erwarten viele Beschäftigten heute, dass er ihnen die Möglichkeit gibt, den Ort des Arbeitsplatzes diesen privaten Bedürfnissen anzupassen. Gerade in Branchen, in denen der Kampf um die besten Talente bereits entbrannt ist, sind Arbeitgeber hier im Zugzwang.

Fachkräftemangel, Kosten und Unternehmenskultur sind zentrale Faktoren

Fachkräftemangel

Für viele Unternehmen kann International Remote Working eine Antwort auf den Fachkräftemangel im heimischen Arbeitsmarkt sein. Interessant ist dies nicht nur für große international aufgestellte Unternehmen, sondern gerade auch für den Mittelstand oder Familienunternehmen. Viele hatten der Vergangenheit zunehmende Schwierigkeiten, auf dem lokalen Markt passende Talente zu finden. Talente aus anderen Ländern waren häufig nicht bereit, eine Stelle zum Beispiel im Ruhrgebiet, der Schwäbischen Alb oder in Niederbayern anzutreten. Selbst deutsche Großstädte wie Hamburg, Köln oder München haben es schwer im Vergleich zu Barcelona, London oder Paris. International Remote Working gibt Unternehmen die Möglichkeit, Talente an ihrem Wohnsitz im Ausland anzuwerben und sie dann von dort für sich arbeiten zu lassen. Ein IT-Experte aus London muss nicht vor Ort in Regensburg leben, um für den dort ansässigen Arbeitgeber zu arbeiten. Längst sind internationale Teams, die überwiegend virtuell zusammenarbeiten, in vielen Unternehmen weit verbreitet.

Kosten

Unternehmen haben erkannt, dass es deutlich günstiger ist, die Arbeit zu den Mitarbeitenden kommen zu lassen, als Mitarbeitende zu ihren Jobs zu bewegen. Durch den fast vollständigen Wegfall von Dienstreisen und neuen internationalen Entsendungen sind die damit verbundenen Kostenblöcke in der Bilanz vieler Unternehmen in den letzten anderthalb Jahren drastisch gesunken. Anstatt Mitarbeitende auf Dienstreisen oder Kurzeinsätze in andere Länder zu schicken, setzen Unternehmen darauf, diese Tätigkeiten soweit wie möglich virtuell zu gestalten. Dies ist branchenabhängig in unterschiedlichem Maße möglich. Das Einsparpotential ebenso wie der Effizienzgewinn sind jedoch enorm. Gleichzeitig spielt hier der Nachhaltigkeitsgedanke eine große Rolle. Für Beschäftigte ebenso wie für Kunden spielt die Ökobilanz von Unternehmen eine immer größere Rolle. Der Verzicht auf Dienstreisen, Projekteinsätze, selbst auf Entsendungen zugunsten von International Remote Working wirkt sich auf die Ökobilanz ebenso positiv aus, wie auf die Kosten.

Unternehmenskultur

Neben diesen Fragen spielt die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle. In Deutschland ist die Präsenz- und Officekultur noch stärker ausgeprägt als in anderen Ländern. Am Thema Homeoffice scheiden sich die Geister. Die Diskussionen hierzu wurden in deutschen Unternehmen vor der weltweiten Covid-19-Diskussion erbittert geführt, mit Argumenten, die häufig mehr ideologisch als sachlich geprägt waren. Zwar nutzen jetzt, wo die allgemeine Pflicht zum Homeoffice aufgehoben ist, viele Unternehmen die guten Erfahrungen der letzten 1,5 Jahre und planen für die Zukunft hybride Arbeitsmodelle mit einer Kombination aus Anwesenheit und Homeoffice. Andere Unternehmen jedoch kehren zum Anwesenheitsmodell zurück und wollen Homeoffice auch in Zukunft nur in Ausnahmesituationen oder für bestimmte Mitarbeitergruppen gewähren. Wenn aber im Unternehmen bereits virtuelles Arbeiten aus dem deutschen Homeoffice kritisch gesehen wird, dann wird es für das Unternehmen umso schwerer werden, eine Strategie und Regelungen für International Remote Working aufzustellen. Momentan versuchen hier viele Unternehmen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun.

Strategische Vorteile aus genauer Analyse ableiten

International Remote Working ist ein neues, vielschichtiges Thema mit enormer strategischer Bedeutung für Unternehmen. Wichtig ist, dass Unternehmen sich zunächst genau überlegen, in welcher Form sie International Remote Working nutzen wollen, wieviel Flexibilisierung die Organisation verträgt und das Business braucht, um sich international zu entwickeln, und was Beschäftige sowie Bewerberinnen und Bewerber von einem attraktiven Arbeitgeber erwarten. Hierzu gibt es innerhalb des Unternehmens häufig konträre Ansichten. HR legt den Fokus zum Beispiel auf Employer Attractiveness, für die Compliance-Funktionen steht die Vermeidung von Risiken und Minimierung des administrativen Aufwands im Mittelpunkt und für das Business ist oft der kurzfristige unternehmerische Erfolg ausschlaggebend. Hier ist es wichtig, alle Stakeholder von Anfang an in Planung und Umsetzung einzubeziehen und offen zu kommunizieren. So kann International Remote Working zu einem strategischen Vorteil für Unternehmen werden.

Im zweiten Teil der Beitragsserie erfahren Sie, wie die Umstellung auf International Remote Working gelingt und was dabei zu beachten ist.

Über den Autor

Dr. Tobias Preising ist Partner Global Mobility Services bei der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er berät Kunden bei Lösungen auf dem Gebiet der Global Mobility in Bereichen wie unter anderem Mobility Tax, Social Security, Mobility Process Improvement und Organizational Change. Preising verfügt über mehr als 15 Jahre Beratungserfahrung und hat Kunden aus unterschiedlichen Branchen betreut, darunter aus solche aus der Automobilindustrie, Transport und Logistik sowie Financial und Professional Services mit beruflichen Stationen in Deutschland, China und der Schweiz.

Quelle: Humanressourcemanager

22 October 2021

Wenn Firmen Veränderungen im Hauruckverfahren durchsetzen, verlieren sie die Belegschaft

Posted in Mind

Interview mit Heike Bruch, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Leadership an der Universität St. Gallen

Wenn Firmen Veränderungen im Hauruckverfahren durchsetzen, verlieren sie die Belegschaft

Braucht die Wirtschaft eine neue Führung und agilere Unternehmen? Ja, ist Heike Bruch, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Leadership an der Universität St. Gallen, überzeugt. Im Gespräch erklärt sie, weshalb Firmen aber oftmals scheitern, wenn sie Neues ausprobieren.

Frau Bruch, Sie forschen zu New-Work-Themen wie Selbstführung, flexibles Arbeiten und agile Organisationen. Warum braucht es neue Führungs- und Unternehmensformen?

Es gibt zwei Trends, die New Work unausweichlich machen. Erstens hat die Geschwindigkeit in allen Bereichen der Arbeit und der Geschäftswelt stark zugenommen, getrieben durch die digitale Transformation. Geschäftsmodelle sollten innovativer und schneller werden. Zweitens ist da auch der demografische Wandel, der Arbeitgeber zwingt, für jüngere Generationen attraktiver zu werden. Beide Trends führen dazu, dass Unternehmen den Mitarbeitenden viel mehr Flexibilität und Verantwortung einräumen sollten. Sie sind gefordert, Spielräume zu bieten, um innovativ zu sein. Gefragt sind netzwerkartige Strukturen. Teams werden für gewisse Aufgaben gebildet; wenn diese erfüllt sind, lösen sie sich wieder auf und formieren sich neu.

Aber in der Mehrheit der Fälle versagen die neuen Organisationsformen.

New Work funktioniert nur, wenn Unternehmen die richtige Führung und Kultur haben. Darunter verstehe ich Führung, die die Sinnhaftigkeit einer Arbeit oder einer Firma ins Zentrum stellt, die den Menschen inspiriert und die Richtung vorgibt, damit Angestellte eigenständig arbeiten können. Das braucht sehr viel Vertrauen, wie wir während der Pandemie erlebt haben. Wo Vertrauen da war, haben Home-Office und virtuelles Arbeiten sehr gut funktioniert. Einige Firmen haben hingegen versucht, Mitarbeitende zu kontrollieren. Das hat bei den Betroffenen zu Isolation und Erschöpfung geführt.

Worin liegt denn nun der konkrete Vorteil von New Work und agilen Organisationen?

Unternehmen können dadurch einen grossen Sprung nach vorne machen. Sie werden schneller und attraktiver. Wenn die Erfolgsvoraussetzungen wie New Culture aber nicht vorhanden sind, erleben wir genau das Gegenteil. Firmen geraten dann in die Beschleunigungsfalle und sind überfordert. Die Folgen sind Erschöpfung, Druck und Konflikte. Sind die Weichen falsch gestellt, werden Unternehmen langsamer und unattraktiver.

Gibt es dazu qualitative Messungen?

Wir untersuchen das empirisch seit 2016. Damals waren etwa 25% der Unternehmen in dieser neuen Arbeitswelt angekommen. Aber weniger als ein Viertel dieser Firmen waren auch erfolgreich damit. Die Pandemie und das Home-Office haben die Situation nochmals verschärft. Zwar praktizierten 2020 bereits 35% der Firmen New Work. Aber über 80% waren damit überfordert und erschöpft, weil die Kultur dazu fehlte.

Dann ist Kritik also gerechtfertigt? Jedes Unternehmen versteht unter Agilität etwas anderes, und Führungskräfte versuchen damit, ihre fehlende Strategie zu verbergen.

Ich warne sehr vor einer solch zukunftsfeindlichen Interpretation. Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, kommen wir nicht umhin, die Art, zu arbeiten, fundamental neu auszurichten und zu modernisieren. Agile Methoden und Strukturen sind hierbei nur eine Facette von New Work.

Wie setzt man eine agile Unternehmensorganisation richtig um?

Die Unternehmensführung sollte sich zunächst entscheiden, ob sie mit agilen Methoden wie durchmischten Projektteams arbeiten möchte oder die gesamte Organisation in agile Strukturen überführen will. Beim agilen Arbeiten kann man gut an bestehenden Hierarchien festhalten. Die Strukturen umzubauen in agile Systeme wie Holacracy, ist hingegen ein völlig anderer Prozess. Unternehmen sollten sich zuvor eingehend damit auseinandersetzen. Es braucht ausserdem ein starkes Commitment der obersten Führungsspitze und Geduld, damit agile Strukturen sich einspielen. Unternehmen sollten es als Experiment betrachten, das man auch wieder aufgeben kann, wenn dabei beispielsweise der Team-Zusammenhalt gefährdet oder die Organisation überfordert wird.

Manchmal hat man das Gefühl, dass New Work dogmatisch-religiöse Züge hat . . .

Das trifft teilweise zu. Doch es gibt ihn nicht, den einzigen richtigen Weg. Es handelt sich um eine Art Lernreise. Wenn man New Work sehr konsequent durchzieht, baut man Hierarchien ab. Führungskräfte verlieren dadurch ihren Status. Das ist zwar konsequent, weil Verantwortung neu verteilt wird, aber auch schmerzhaft und emotional schwierig.

Ist das das Haupthindernis?

Ja. Wenn Veränderungen im Hauruckverfahren durchgesetzt werden, verliert man die Belegschaft. Arbeitgeber sollten darauf achten, dass sie die Menschen mitziehen und Verletzungen vermeiden.

Und was ist Ihre Konklusion?

Es braucht viel Überzeugungsarbeit und Kommunikation. Agile Strukturen in Reinform bewähren sich nur in Ausnahmefällen. Bei kleineren Unternehmen, die eine stark integrierende, patriarchalische Führungsfigur haben, funktioniert das teilweise sehr gut. In grossen Unternehmen ist die Gefahr eines Schocks gross. Sehr vieles hängt davon ab, wie Führungskräfte den Prozess gestalten.

Interview: Nicole Rütti

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

Bei Holacracy sind alle ihr eigener Chef. NZZ Video mit Dr. Heike Bruch.

 

25 September 2020

Unser Weg ins Home Office

Posted in Führung, Leadership

Führen auf Distanz: Wie wir uns durch Corona neu erfanden, TEIL 1 einer Lernreise

Unser Weg ins Home Office

Führen auf Distanz eröffnet eine neue Welt. Wir haben als Teamworks selbst eine Lernreise hinter uns, die lange vor der Corona-Pandemie begann, durch diese jedoch erheblich beschleunigt wurde und weiter andauert. In diesem Beitrag stelle ich, Svenja Hofert dar, was wir als Team erlebt haben, angereichert durch Einblicke bei unseren Kundinnen. Daraus leiten wir Tipps ab, die wir über mehrere Beiträge verteilen. Wir starten damit, wie alles begonnen hat. Dieser Text, den wir über 9 Tage verteilen, ist auch als Hörbuch bei Spotify und iTunes erhältlich, produziert von unserem Partner-Verlag Co-Creare.

Krisen befeuern Entwicklungen, die sich schon länger gezeigt haben. Durch ein unerwartetes Ereignis beschleunigt sich, was vorher sehr langsam voranschritt. Auf einmal wird möglich, was manch einer für unmöglich hielt, für verfrüht oder auch für Branche und „Typ Mitarbeiter“ unpassend.
• „Meine Mitarbeiterinnen haben doch gar keinen Firmen-Laptop, wie soll das gehen.“
• „In meiner Belegschaft sind ja keine Wissensarbeiter, das sind normale Leute.“
• „Im Home Office funktioniert das mit meinen Leuten nicht. Die machen da Ferien.“

Yahoo als abschreckendes Beispiel

Gerne wurde von Home-Office-Gegnern die Firma Yahoo zitiert, die einst Mitarbeiter von zuhause zurückholte, nachdem sie zu träge geworden waren. Doch das ist viele Jahre her. Die technologischen Möglichkeiten sind heute andere. Teamentwicklung ist auch zu einem Führungsbegriff geworden.
Und kein Mensch hat sich damals gefragt, ob damals wirklich das Home Office schuld war – oder nicht doch vielleicht die Führung.

Die Führung, der es nicht gelungen war, Teams zu bilden und Verantwortung zu übertragen. Das ist meiner Erfahrung nach essentiell für das Führen auf Distanz. Anders als bei Telearbeit, bei der die Aufgaben einer Arbeitskraft nach Hause verlagert wird, wo diese dann abgearbeitet werden, baut ein Team im Home Office ein Unternehmen im Unternehmen.

Deshalb braucht es hier nicht die klassische Führungskraft, die Aufgaben verteilt und Fortschritt überwacht. Stattdessen gilt es für Sie als Führung, Selbstorganisation zu fördern und Hindernisse zu beseitigen.

Mit Selbstführung fängt es an

Im Home Office muss sich das Team selbst führen können. Es muss kollaborieren und sich abstimmen können. Genaugenommen ist das gefragt, was ich einst als „agiler führen“ bezeichnet habe: Eine teamorientiere Führung, deren Aufgabe vor allem darin liegt, einen Rahmen für Zusammenarbeit zu schaffen. Nur dass diese eben vor allem online stattfindet. Als ich mein Buch „Agiler Führen“ 2016 geschrieben habe, hatte ich die virtuelle Zusammenarbeit weniger im Fokus. Das lag einfach daran, dass ich bis dahin wenige Home Offices kennengelernt hatte. Auch die agilen Organisationen in meinem Umfeld legten bis dahin Wert auf Vor-Ort-Arbeit. Teilweise war es möglich, dass der eine oder andere auch virtuell teilnahm, aber Remote Work war wirklich eine Ausnahme.

Was Home Office wirklich bedeutet

Unterscheiden Sie zwischen Home Office und Telearbeit. Bei der Telearbeit handelt es sich um einen rechtlich anerkannten Begriff. Es ist die vertraglich vereinbarte Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz zu Hause, in § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) definiert. Home Office ist noch kein Recht, dieses zu etablieren, wird gerade diskutiert.
Mit Telearbeit gehen Arbeitgeber eine Verpflichtung ein, mit Home Office nicht. Telearbeitsplätze sind fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich. Alles muss also bereitgestellt und installiert sein. Im Gegensatz zum Homeoffice handelt es sich bei Telearbeit also um ein rechtlich abgegrenztes und regelmäßiges Arbeiten von Zuhause aus. Zwar steht es nirgendwo explizit, doch ist Telearbeit eher auf Einzelarbeit ausgerichtet. Es geht weniger um Selbstorganisation eines Teams von zuhause aus. Dieser jedoch gehört die Zukunft, denn lineare, abgegrenzte Aufgaben gibt es immer weniger. Nein, die Menschen müssen auch im Home Office vor allem eines: kooperieren.

Ich dachte, Home Office macht einsam

Auch ich war keine Freundin vom Home Office. Ich dachte, Home Office mache einsam. Ich glaubte, es müsste immer jemand vor Ort sein, der zum Beispiel Anrufe annimmt. Auch die Koordination von Tätigkeiten, die auf gegenseitiger Abhängigkeit beruhen, stellte ich mir schwierig vor. Aber das genau macht solche Arbeit ja aus: Jeder im Team kann einen Teil seiner Aufgaben alleine erledigen, aber alles hängt an einem gemeinsamen Ergebnis. Erfolg ist nicht der Erfolg einer Person, sondern von allen. Das ist wie beim Mannschaftssport. Es mag sein, dass es Stars gibt, aber auch die könnten allein keinen Sieg schaffen. Heutige Teams sind deshalb hochgradig interdependent. Die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, wenn sie darüber nachdenken mit Home Office zu arbeiten ist deshalb: Zu welchem Grad hängt das Ergebnis vom gemeinsamen Zusammenspiel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab?

Um genauer zu sein:
• Von ihrer Abstimmung untereinander,
• Ihrer Bereitschaft Informationen auszutauschen,
• Ihrem Willen und Vermögen im Team zu entscheiden und
• gemeinsam zu lernen und sich selbst und die Prozesse zu optimieren.

Wir glaubten an Papier

Wir bildeten uns ein, dass es jemand brauche, der Dinge ausdruckt. Wir hielten es für Kundenservice, auch unseren Teilnehmern weiterhin opulente Mappen und Ordner mit Unterlagen auszuhändigen. Das sahen wir irgendwie auch als Marketing an. Ebenso wie repräsentative Büroräume in bester Innenstadtlage. Ich, Svenja, gebe zu, dass ich bisweilen das Wort „Luxus“ dachte und mir zwei Dinge nie aus dem Kopf gingen:

die Vision oder Utopie das austroamerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann, der nicht nur davon spricht, dass Menschen durch die Technologie immer öfter tun können, was sie „wirklich wirklich“ wollen. Er spricht auch von einer Deregionalisierung. In seiner Vorstellung gehen die Menschen nur noch zu einem Teil der üblichen Erwerbsarbeit nach.
Studien, die davon sprachen, dass mit immer besserer Technik die Städte entvölkert würden, weil mehr und mehr Menschen aufs Land ziehen würden. Dort ließe sich die Arbeit eben auch erledigen. Es würde eine Art Landflucht geben… Home Office geht eben überall.
Ein neues Führungsverständnis

Es gab also eine gewisse Vorstellung von „anders arbeiten“ in mir, doch unsere Realität war wie die vieler anderer durch „Präsenz“ geprägt. Home Office in der beschrieben Form als sogar weltweite Kollaboration von Teams gab es, aber mehr oder weniger ausschließlich in der IT als „Remote work“ und dort vor allem der Softwareentwicklung.

Doch dann kam die Coronakrise und der Lockdown. Am 16.3.2020 verkündeten wir unseren sieben Mitarbeiterinnen, dass sie ab sofort und bis auf weiteres alle im Homeoffice verbleiben müssten. Wir würden uns täglich um 11 Uhr bei Zoom treffen. Und ansonsten erst einmal weiterarbeiten wie bisher. Die Art der Ansage ist aber vielleicht bemerkenswert: Wir verordneten diesen täglichen Termin: „Das ist keine Option. Das ist Pflicht.“ Dieses Meeting dauert bis heute an und hat viele Transformationen durchlaufen.

Klarer Rahmen nötig

Bis dahin waren wir wenig direktiv gewesen. Aber vielleicht ahnten wir intuitiv, was sich bald zeigen würde: Ein Team im Home Office braucht einen klaren Rahmen. Die Wegschilder müssen eindeutig beschriftet, Regeln sehr deutlich ausgesprochen sein. Dabei spielte eine Rolle, dass wir schon viel Selbstorganisation gesehen und versucht haben. Wir wussten, dass der wichtigste Puzzlestein in der Zusammenarbeit ein gutes Meeting war. Wir hatten bis dahin viel ausprobiert. Und auch bei unseren Kunden gesehen, dass „richtig meeten“ eine wirkliche Kunst ist. Gleichzeitig ist so ein Meeting das wichtigste Führungsinstrument bei dieser Art des Führens. Denn hier geht es nicht um das Übertragen von Aufgaben, sondern um das Übertragen von Verantwortung. Niemand übernimmt jedoch Verantwortung, wenn der Rahmen nicht fest genug ist, um den Handlungsspielraum zu begrenzen. Voraussetzung sind also klare Pole anhand derer Entscheidungen möglich sind.

In der agilen Szene wird so etwas leicht als „keine Augenhöhe“ und „hierarchisch“ verstanden. Dabei ist Hierarchie nichts anderes als eine sehr sinnvolle Rangordnung. Sie sagt aus, wer im Zweifel entscheidet. Das kann immer wieder jemand anderes sein, je nach Fachkompetenz. Rangordnung muss sein. Sie stellt Richtung her. Gleichzeitig gilt es jedoch , sie nicht als autoritäre Hierarchie zu deuten. Im Gegenteil: Es muss klar sein, dass jeder in unterschiedlichen Situationen Verantwortung übernimmt und auch Teams entscheiden können, wenn sie wissen, woran sie sich orientieren.

Wie das Unmögliche möglich wurde

Im Home Office war nichts mehr wie bisher. In jeder Hinsicht: Unser bis dato gesundes, wachsendes Unternehmen war in eine ernste Krise geraten. Wir leben davon, uns mit Menschen zu treffen. Der „Workshop“ ist unser Hauptprodukt. Hier arbeiten wir mit Unternehmensvertretern an Lösungen, beispielsweise für Fragen der Selbstorganisation. Zudem bilden wir Menschen aus, die Teams aufbauen und entwickeln. All das sind Tätigkeiten, die entweder in den Firmen oder in Veranstaltungsräumen stattfinden. In jedem Fall vor Ort und in Gruppen.

Unser Terminkalender war zu diesem Zeitpunkt bis zum Ende des Jahres voll. Doch wir durften unsere Dienstleistung nicht mehr umsetzen. Mehrere Veranstaltungen standen unmittelbar bevor. Wir hatten nur eine Möglichkeit: Entweder absagen und Geld zurückzahlen, was Kündigungen zur Folge haben müsste.

Digitalisierung, nicht ganz freiwillig

Oder digitalisieren. Wir entschieden uns für Letzteres. Dazu brauchten wir unser Team im Home Office. Ein Team, das sich bisher vor allem durch Schreibtischzurufe abgestimmt und organisiert hatte. Ein Team, das den direkten Kontakt untereinander sehr schätzte. Ja, für das der zwischenmenschliche Kontakt sogar einer der Hauptmotivatoren war. Keine „Nerds“, die mit Leidenschaft dreißig Tools parallel anwendeten.

Würden sich Mitarbeiterinnen selbst organisieren können und die technologischen Herausforderungen annehmen? Ich glaube zutiefst daran, dass Menschen Kontextwesen sind. Dass sie sich den Bedingungen anpassen, die da sind.

Veränderung braucht Krise

Die meisten Menschen verändern sich, wenn es nicht mehr anders geht. Die Welle muss sich direkt vor dem eigenen Haus aufbäumen, damit etwas geschieht. Andernfalls ist alles eben immer noch anderswo, die Zukunft weit weg. In meinen Kursen sage ich immer, dass wir erst die Gegenwart sehen und verstehen müssen, bevor wir uns mit der Zukunft beschäftigen können.

Psychologen wissen, dass es die unmittelbar empfundenen Krisen sind, die uns befähigen, große Entwicklungsschritte zu machen. Diese finden in der Gegenwart statt. Sie können Einstellungen fundamental ändern, Kehrtwenden ermöglichen. Aus Home-Office-Gegnern Befürworter machen. Oder aus Kolleginnen ohne besondere Neigung für die Technik-Tools und die Moderation von virtuellen Meetings begeisterte Internet-Aktivisten.
Es ist nicht der Wille, nicht die innere Überzeugung oder der Mut eines Einzelnen. Es sind die Alltagsregeln, die sich verändert haben. Deshalb hat der Klimawandel bisher viel weniger Menschen bewegt als ein stacheliges Virus namens Corona oder auch Sars Co-V2… Und mit bewegt meine ich nicht die innere Qualität, die etwas hat. Sondern das, was Handlungen auslöst. Nur darum geht es – was verändert Verhalten wirklich?

Neue Spielregeln der Zusammenarbeit

Das Coronavirus hat die Spielregeln der Zusammenarbeit verändert. „Gamechanging“ war vor der Krise ein beliebter Begriff. Viele Arbeitgeber suchten Gamechanger. Ich musste dann immer lächeln. Wenn Menschen Kontextwesen sind, dann fügen sie sich auch in den Kontext ein. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Person diesen verändert. Und wenn sie es versucht, wird sie schnell gebremst und in den gegebenen Rahmen eingefügt werden.

Gamechanger, die Spielregeln verändern, sind keine einzelnen Menschen. Es sind äußere Entwicklungen. Angstmacher wie das Virus offenbaren, dass jedes Sicherheitsgefühl eine Illusion ist. Deshalb bewegen sie mehr als alles andere.

Ich für mein Teil kann sagen, dass ein Teil der Vorsicht und Ablehnung von „Remote work“ auch auf eigene Bequemlichkeit zurückgehen und die Unlust sich mit neuen komplizierten Dingen zu beschäftigen. Wir waren gezwungen, binnen weniger Tage unsere Ausbildungsmodule und Workshops zu digitalisieren.
Wir mussten die technologische Basis schaffen und uns einarbeiten. Mit den Lockerungen kam das Thema Hybrid-Veranstaltungen auf uns zu. Auch da mussten technische Lösungen her. Es war jeweils keine Option, sich all dem zu verweigern. Sonst hätten wir zumachen müssen.

Home Office als neue Normalität

Home Office wurde binnen von sieben Wochen zu einer neuen Normalität. In einigen Branchen, etwa Banken, arbeiteten während des Lockdowns 90 Prozent aller Mitarbeiter im Home Office. Insgesamt waren im Mai 2020 ein Viertel aller Angestellten zuhause.
Knapp drei von vier Heimarbeitern (71 Prozent) arbeiten im Home-Office mit einem Notebook. Mehr als jeder Dritte (37 Prozent) nutzt einen stationären Desktop-PC mit Monitor. 75 Prozent derjenigen, die im verordneten Home Office waren, würden auch nach der Krise gern weiter von zuhause arbeiten. Diese Daten beruhen auf einer Online-Umfrage von YouGov Deutschland, an denen im April 2020 rund 2.000 Teilnehmer teilnahmen.

Auch als die Einschränkungen gelockert wurden, bleib das Home Office bestehen.
Wir rückten ab von unserem Wunsch nach Anwesenheit. Vielmehr sollte das Team sich nun selbst darauf einigen, wie es eine moderate Anwesenheit gestalten wollte. So wurde das Home Office die neue Normalität und die Anwesenheit eine Ausnahme.

Durch unsere schnelle Digitalisierung kamen bald viele neue Anfragen auf uns zu. Dadurch bekamen wir viele Entwicklungen in anderen Home Offices unmittelbar mit. Wir merkten, wo Hürden liegen und sahen uns in der Annahme bestätigt, dass virtuelle Führung erheblich mehr Kommunikation, deutlich mehr Struktur und Coachingkompetenz fordert.
Es gibt eine Art Best-Practice, eine gute Vorgehensweise, die ich Ihnen nun vorstellen möchte. Einiges davon war auch für uns eine überraschende Erkenntnis.

Was wir beispielsweise unterschätzt hatten war der Punkt, mit dem ich meine 9 Schritte beginnen möchte – die Technologie.

Damit geht es dann morgen weiter.

Das Hörbuch finden Sie zusammenhängend u.a. bei Bookbeat hier oder z.B. bei Spotify.

Über die Autorin

Svenja Hofert ist Managementberaterin sowie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH
Svenja Hofert (Jg. 1965) berät zu Management- und Karrierethemen, außerdem ist sie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH. Sie ist Autorin von mehr als 30 Büchern, unter anderem „Der agile Kulturwandel. 33 Lösungen für Veränderungen in Organisationen“ (2018, mit Claudia Thonet) und „Das agile Mindset. Mitarbeiter entwickeln, Zukunft der Arbeit gestalten“ (2018).

 

Quelle: Blog Teamworks GmbH

09 April 2020

So gelingt Onboarding im Homeoffice

Posted in Coaching

So können Arbeitgeber das Onboarding auf Distanz unterstützen

So gelingt Onboarding im Homeoffice

Zunächst einmal vorweg: Um Unsicherheiten erst gar nicht beim neuen Mitarbeiter aufkommen zu lassen, ist es wichtig vorzubeugen. Egal, ob der Onboardee schon aktiv arbeitet – und sich somit in der Probezeit befindet – oder ob er seinen ersten Arbeitstag noch vor sich hat: Nehmen Sie die jetzt bestehenden existentiellen Ängste (braucht die Firma mich überhaupt noch? Werde ich sowieso in der Probezeit gekündigt?) ernst und kümmern Sie sich engmaschig.

Onboarding: Ängsten und Unsicherheiten mit Augenmaß begegnen

Der Neue kann das Unternehmen noch nicht wirklich einschätzen – und die Auswirkungen auf das Geschäftsmodell erst recht nicht. Hier ist Transparenz und ehrliche, offene Kommunikation das A und O. Zeigen Sie auf, dass auch die Firma in das Recruiting investiert hat und den Onboardee braucht. Machen Sie klar, dass Sie bei Fragen oder Ängsten jederzeit ein offenes Ohr haben und verlässlich kommunizieren werden, sobald sich kritische Situationen ergeben. Das gibt Sicherheit und ein Gefühl von "wir haben das unter Kontrolle" – und das ist von unschätzbarem Wert in Zeiten einer Krise.

Onboarding in Krisenzeiten

Kurz und knapp ausgedrückt, geht es beim Onboarding aus dem Homeoffice darum, Inhalte und Strategien des Onboarding-Prozesses mittels technischer Hilfsmittel umzusetzen und fortzuführen – in den Bereichen, in denen dies möglich ist.

Technische Ausstattung im Homeoffice

Ohne die richtige technische Ausrüstung gestaltet sich Homeoffice schwierig. Darum stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter einen Laptop zur Verfügung haben, der nach Möglichkeit über einen VPN-Zugang verfügt, um von zuhause auf die Firmenlaufwerke zugreifen zu können. Achten Sie bzw. Ihre IT-Abteilung darauf, dass alle wichtigen Standardprogramme wie z. B. Mail-Client oder mitarbeiterspezifische Programme wie Bildbearbeitungssoftware installiert sind. Wichtige Tools zur Kommunikation sind außerdem:

  • Videokonferenz-Tools und Messenger (z.B. WebEx, Microsoft Teams, Skype),
  • Tools für die Aufgabenplanung (z.B. Microsoft Planner, Trello).

Soziale Integration in Krisen-Zeiten

Das Ankommen und Wohlfühlen in einem Unternehmen und im Team ist wichtig und wirkt sich auch auf die Arbeitsleistung des Onboardees aus. In Zeiten wie der Corona-Krise, die das Homeoffice und damit gleichzeitig das Vermeiden sozialer Kontakte erfordert, fallen Aktivitäten mit dem Team, wie z. B. das gemeinsame Mittagessen oder kurze Kaffeerunden, weg. Das erhöht die Schwierigkeit der Integration des neuen Mitarbeiters. Um den Onboardee dennoch bestmöglich ankommen zu lassen, können folgende Maßnahmen unterstützen:

  • Teamchat: Richten Sie einen Chat für das gesamte Team ein. Dieser muss nicht zwangsläufig zum Austausch arbeitsrelevanter Inhalte sein, sondern darf für Alltägliches verwendet werden. Das kann eine Anekdote sein, die man sich sonst beim Mittagessen erzählt, oder ein aufheiterndes GIF, das den Arbeitstag versüßt. Die Offline-Dynamik des Teams wird sich dabei automatisch online widerspiegeln und dem Onboardee ein Gefühl für das neue Team vermitteln. Gleichzeitig kann der Onboardee sich aktiv mit einbringen.
  • Onboarding-App: Nutzen Sie eine Onboarding-App, dann erweitern Sie diese um Inhalte aus geplanten Onboarding-Veranstaltungen. So holen Sie Ihren neuen Mitarbeiter virtuell ab und machen ihn mit der Firmenkultur vertraut.
  • Pate: Wichtig ist, dass dem Onboardee ein erfahrener Mitarbeiter als Pate zur Seite gestellt wird. An diesen kann er sich jederzeit bei Fragen wenden. Dabei ist es auch sinnvoll, bestimmte Rahmenbedingungen für einen regelmäßigen Austausch zu setzen wie festgelegte Termine und Häufigkeit, Agenda, Protokoll etc. Die Termine finden dann am besten per Videochat statt.

Neben diesen Maßnahmen ist ein tägliches Meeting der Führungskraft mit dem gesamten Team aus dem Homeoffice heraus sinnvoll, damit alle Teammitglieder auf dem gleichen Stand sind.

Fachliches Wissen auf- und ausbauen

Damit der neue Mitarbeiter sich nötiges Wissen aneignen oder vertiefen kann, sind E-Learning-Angebote in dieser Zeit eine sehr gute Möglichkeit, um Lücken zu schließen. Vielleicht verfügen Sie selbst über eine Weiterbildungsplattform und können (firmenspezifische) Inhalte leicht zugänglich machen und vermitteln. Oder Sie greifen auf externe Weiterbildungsangebote wie Webinare zurück.

Geht es konkret um bestimmte interne Workflows, stellen Sie für Ihre Mitarbeiter Tutorials im Videoformat oder als Skript (PDF, Word, PowerPoint) zur Verfügung.

Mitarbeitergespräche und Feedbackrunden auch im Homeoffice

Das Mitarbeitergespräch der Führungskraft mit dem neuen Mitarbeiter darf durch die Homeoffice-Situation nicht in Vergessenheit geraten. Gerade durch den fehlenden persönlichen Kontakt ist regelmäßige Kommunikation aus dem Homeoffice heraus noch wichtiger. Am besten geschieht dies auch per Videochat, denn es ist angenehmer für beide Seiten, wenn die Mimik des Gegenübers wahrgenommen wird.

Im Mitarbeitergespräch vereinbaren Sie Aufgaben und Ziele und besprechen bisherige Arbeitsergebnisse. Ganz wichtig ist dabei auch das Feedback – und zwar von beiden Parteien. Konstruktives Feedback fördert die Motivation des Onboardees. Andersherum ist Feedback des neuen Mitarbeiters ein unschätzbares Gut, denn dieser bringt einen neuen Blick auf eingefahrene Workflows mit und liefert Ihnen vielleicht die ein oder andere Möglichkeit zur Verbesserung der Prozesse.

Richtlinien im Homeoffice

Last but not least: Verbindliche Richtlinien sollten für das gesamte Team im Homeoffice gelten. Legen Sie fest, ob es Kernzeiten gibt, in denen alle anwesend sein müssen, und wie und ob Teamkollegen sich an- bzw. abmelden sollen. Das kann z. B. über eine einfache Nachricht im Teamchat geschehen. Erinnern Sie Ihr Team außerdem daran, dass auch im Homeoffice die Pausenregelungen und Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz gelten. Aber seine Sie auch offen für persönliche Härtefälle: sind z. B. kleine Kinder gezwungen zuhause zu sein, ist es für den Mitarbeiter schwierig, sich immer an alle Regeln zu halten. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Wichtig für Unternehmen und Führungskräfte in Ausnahmesituationen ist, Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter zu haben und auch Onboardees, trotz erschwerter Bedingungen, den Einstieg so leicht wie möglich zu machen. Vermitteln Sie Ihren neuen Mitarbeitern, dass sie keine zusätzliche Belastung, sondern eine Bereicherung in diesen schwierigen Zeiten darstellen.

Quelle: Haufe Online Redaktion

03 April 2020

Homeoffice - Führen aus der Distanz

Posted in Führung, Leadership

Homeoffice - Führen aus der Distanz

Wie können Führungskräfte Beschäftigte, die unversehens ins Homeoffice wechseln müssen, unterstützen? Nachfolgend werden dazu Anregungen gegeben, die zeigen, dass Besonderheiten zu beachten sind, aber Grundpositionen der Führung auch im Homeoffice und in Krisenzeiten nicht außer Kraft gesetzt werden.

Überraschend finden sich viele Beschäftigte im Homeoffice wieder. Damit ändert sich nicht nur der Arbeitsort, sondern auch die Führung aus der Distanz wird wichtiger. Leadership Insiders liefert Fakten, Einordnungen und Anregungen für eine Ausnahmesituation.

Was ist Telearbeit?

Unter Telearbeit werden Arbeitsformen zusammengefasst, die außerhalb des Arbeitsareals des Arbeitgebers zumindest teilweise über informations- und Kommunikationstechnologien verrichtet werden. Betrifft es Beschäftigte der Organisation, liegt eine reguläre Anbindung an die Arbeitsorganisation vor. Fürsorgepflichten, Arbeitsschutzbestimmungen etc. bleiben unberührt. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestag haben in einer Ausarbeitung zum Themenfeld folgende rechtsverbindliche Definition herangezogen (nach § 2 Abs. 7 ArbStättV).

„Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“

 

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter leadership-insiders.de

21 February 2020

Home-Office: Wann sich Flexibilität wirklich auszahlt

Posted in Trends

Home-Office: Wann sich Flexibilität wirklich auszahlt

Je größer ein Unternehmen wird, desto mehr sinkt die Bereitschaft, Mitarbeitern mit flexiblen Arbeitsmodellen entgegenzukommen.

Eine Frage der Unternehmenskultur

Vor allem in Familienunternehmen wird nach meiner Erfahrung die Bereitschaft großgeschrieben, Mitarbeiter in schwierigen Phasen, wenn beispielsweise ein Angehöriger akut Hilfe benötigt oder die geplante Kinderbetreuung ausfällt, zu unterstützen. Ob die Betroffenen dann zuhause arbeiten können oder anderweitig unterstützt werden - es wird eine Lösung gefunden. Der Begriff Familie bleibt hier keine Theorie, sondern ist gelebte Praxis – die Belegschaft ist Teil des Ganzen. Auch bei inhabergeführten mittelständischen Firmen ist dies oft der Fall.

Je größer jedoch ein Unternehmen wird und je anonymer die Führung agiert, desto mehr sinkt Flexibilität und damit die Bereitschaft, Mitarbeiter mit flexiblen Arbeitsmodellen entgegenzukommen. Dahinter muss nicht einmal böse Absicht stecken: Die privaten Umstände des Mitarbeiters sind einfach nicht bekannt. Darüber hinaus gelten klare Regeln, welche Mitarbeiter wie oft und mit innerhalb welchen Rahmens von zuhause aus arbeiten dürfen. In erster Linie sind das Mitarbeiter im Außendienst, hier hat sich das Modell Homeoffice längst etabliert. Anders stellt es sich beispielsweise im Bereich Marketing dar – Homeoffice ist hier nicht vorgesehen. Und das aus vielfältigen Gründen: Die Mitarbeiter müssen sich regelmäßig persönlich besprechen, sie können zuhause nicht so konzentriert arbeiten oder bekommen gar nicht mehr alles mit, was im Unternehmen geschieht – und können letztendlich nicht wirklich in puncto Arbeitszeit kontrolliert werden.

Startups präsentieren sich in dieser Frage sehr gemischt: Während ein Teil sehr fürsorglich und flexibel auf die Belegschaft eingeht, sehen andere nur die Arbeit am Schreibtisch vor Ort vor, ohne dass es Alternativen gäbe.

Ich jedenfalls bin zutiefst davon überzeugt, dass es auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, Mitarbeitern in besonderen Situationen Homeoffice möglich zu machen.*

Beruhigter zu arbeiten, steigert Leistungsfähigkeit

Stellen Sie sich vor, einer Ihrer Mitarbeiter muss übergangsweise eine pflegebedürftige Angehörige zuhause betreuen. Die alte Dame ist nicht sicher auf den Beinen und es kam schon zu einigen Zwischenfällen. Ihr Mitarbeiter wird also ständig in Sorge sein, dass sie in der Wohnung stürzen und sich verletzen könnte. Er wird automatisch nicht so konzentriert arbeiten können wie sonst. Sagen Sie ihm doch: „Komm, geh nach Hause und arbeite dort weiter“. So kann er sich dort immer wieder mal versichern, dass es seiner Verwandten gut geht oder schnell vor Ort sein, wenn sie Hilfe benötigt. Und in der Zeit, in der er arbeitet, ist kann er sich deutlich besser als im Unternehmen konzentrieren.

Und es gibt noch weitere positive Effekte.

Als Unternehmen attraktiver werden

Mitarbeiter bleiben nachweislich nicht nur länger in den Unternehmen, die ihnen mehr Flexibilität bieten, sondern sind auch engagierter und weniger krank. Und nicht nur das: Oftmals werden aus Mitarbeitern, die so zufrieden sind, auch Botschafter. Unterschätzen Sie nicht, wie wichtig das Image Ihres Unternehmens ist, das Ihre Mitarbeiter in den Freundes- und Bekanntenkreis tragen. An der Zahl der Bewerber können Sie ablesen, ob sich Ihre derzeitigen Mitarbeiter bei Ihnen wohl und verstanden fühlen - oder nicht.

Ich empfehle deshalb, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern mit Flexibilität entgegenkommen. Das muss nicht immer Homeoffice sein, es gibt durchaus andere Möglichkeiten – vom Tandem-Vertrag bis zum Sabbatical. Das kann sich in jedem Fall auszahlen.

Über die Autorin

Prof. Dr. Anabel Ternes von Hattburg, Managing Director, Institut für Nachhaltiges Management IISM, SRH Hochschule Berlin und TU Berlin

Mit Herz, Kopf & Engagement für Digitales & Nachhaltigkeit leitet sie ihr Unternehmen, dazu Forschungs-, Zukunfts- & Leitungsgremien zu Digitalisierung, darunter Arbeit 4.0, Künstliche Intelligenz, Leadership und Gesundheit. Die sozial engagierte Mutter gibt ihr Wissen weiter als Autorin & Speaker.

Quelle: Xing-Insider

13 December 2019

"Wework will das Firmenbüro ersetzen, wir nicht"

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Coworking als Ergänzung zur Unternehmenszentrale

Porträt. Über Upflex bekommen Firmen flexiblen Zugang zu Coworking. Das soll auch gut für die Umwelt sein. Seit Kurzem ist das New Yorker Startup auch in Deutschland aktiv.

Mehr als jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland braucht für den täglichen Arbeitsweg insgesamt mehr als eine Stunde. Das hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung im Jahr 2018 herausgefunden. Genau um diese Arbeitnehmer geht es dem New Yorker Remote-Work-Anbieter Upflex, der vor Kurzem seinen Dienst in Deutschland gestartet hat. Weitere europäische Länder sollen folgen.

CEO von Upflex ist Christophe Garnier. Der Franzose kommt selbst aus dem Coworking-Bereich, fünf Jahre betrieb er sein eigenes Space in New York. Viele der Mieter dort seien ständig unterwegs gewesen, erzählt er im Gespräch mit Gründerszene. Also gründete er ein Netzwerk mit anderen Coworking Spaces, die seine Mitglieder auf Reisen mitbenutzen konnten.

Daraus entwickelte sich die Idee zu Upflex, das Firmen flexiblen Zugang zu Coworking bietet. Mit dem Service können Unternehmen einerseits ihre Mitarbeiter auf Dienstreise mit Arbeitsplätzen versorgen. Andererseits richtet sich das Angebot auch an Mitarbeiter, die einen langen Anfahrtsweg haben. Für Upflex-CEO Garnier ein wichtiger Unterschied zu anderen globalen Coworking-Ketten wie etwa Wework, Rent24 oder Mindspace. „Wework will das normale Büro ersetzen, wir nicht. Wir wollen den Mitarbeitern eine Alternative bieten, damit sie nicht jeden Tag ins Büro kommen müssen.“ Stattdessen können sie von einem Coworking Space arbeiten, der nahe an ihrem Zuhause liegt. Das soll nicht nur Nerven, sondern auch CO2 sparen, sagt Garnier.

Aktuell konzentrieren sich Garnier und sein Team auf das B2B-Geschäft. Kleine Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern zahlen 299 Euro im Monat für das Basispaket. Darin sind 60 Stunden inbegriffen, für jede weitere Stunde zahlen die Unternehmen fünf Euro. Maximal jedoch zahlen sie den Preis, den ein Monatsabo im Coworking Space kosten würde, so Garnier. Geld verdiene Upflex nur über die Vermittlung der Tages- und Wochenpakete, nicht jedoch mit den monatlichen.

Vor 18 Monaten startete der Service in den USA, mittlerweile arbeitet Upflex nach eigenen Angaben mit mehr als 4.000 Coworking Spaces in 60 Ländern zusammen. Zu den deutschen Kunden zählen etwa Startups wie Infarm oder Kontist.

 

Über die Autorin

Sarah Heuberger ist Teil der Gründerszene-Redaktion. Über Startups und Tech-Themen schrieb sie bereits für verschiedene Medien wie etwa WIRED Germany und Berlin Valley. Vorher studierte sie Kulturwissenschaften in Lüneburg, Bilbao und Göttingen.

Quelle: gruenderszene.de

08 November 2019

New Work und gesundes Leben

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Wenn Arbeit und Gesundheit ein Team sind

New Work und gesundes Leben

Unsere Arbeitswelt ändert sich schleichend, aber fundamental. Unternehmen, wie auch die hier arbeitenden Kollegen, haben es mit disruptiven Prozessen zu tun, die die altvertrauten Bedingungen und Muster gründlich durcheinanderbringen und teils brachial nach neuen Strukturen, Regelungen und Methoden verlangen. Wir stehen gleichzeitig demographischen Entwicklungen gegenüber, die landesweit neue, passendere strukturelle Lösungen erfordern.

Denn: Die Generation der jüngeren – gebildeteren und selbstbewussteren – Arbeitnehmer, tritt mit gänzlich anderen Erwartungen und Ansprüchen an die Unternehmen heran, als bislang die Generation ihrer Eltern. Für sie sind ein sich positiv entwickelndes Einkommen und akzeptable äußere Arbeitsbedingungen (Lärm, Schmutz) weniger wichtig als beispielsweise Selbstverwirklichung, Eigenverantwortlichkeit und die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Arbeit dient für sie nicht mehr (nur)
der Sicherung der materiellen Existenz, sondern sie soll einen zusätzlichen ideellen Nutzen haben: ein durch Sinn erfülltes Berufsleben und darüber Glück und Zufriedenheit.

Work-Life-Balance auf Lebenszeit

Die heute 30-jährigen Kollegen wünschen sich die Work-Life-Balance auf Lebenszeit mindestens genauso sehr wie Anerkennung und Wertschätzung am Arbeitsplatz und sie hinterfragen außerdem das Ob und das Wie des gesellschaftlich verantwortungsvollen Handelns eines (ihres) Unternehmens.

Dieser Struktur- und Wertewandel führt in vielen Unternehmen zwangsläufig zu einer Anpassung des sozialen Gefüges und zu der Schaffung und Förderung von neuen Arbeitsformen und -bedingungen: weg von starrer Ordnung, Befehl und Gehorsam, hin zu kleinen, dezentralen Organisationsstrukturen, maximaler Flexibilität, Mitspracherechten und Selbstbestimmung.

Vor allem über die Schaffung flexibler Arbeitsmodelle versuchen Unternehmen zunehmend, dem Wunsch der Beschäftigten nach individuellen Gestaltungsspielräumen und Autonomie nachzukommen und sie sind bestens beraten, diesem Wunsch nachzukommen und künftig auf Augenhöhe mit ihren Beschäftigten zu agieren.

Arbeit, wann und wo man möchte

Im Bereich der Arbeitsorganisation sind bei den Beschäftigten vor allem die Freiräume gefragt: zeitliche und örtliche Flexibilität, die mobile, multilokale Arbeit, flexible, der jeweiligen Lebenssituation angepasste Arbeitszeitmodelle – also Arbeit, wann und wo man möchte, bei Bedarf auch in Urlaubszeiten. Teamübergreifendes, vernetztes Arbeiten und Interdisziplinarität begleiten uns dabei ohnehin. Dem Einsatz und Vorhandensein digitaler Kommunikationstools verdanken wir es, dass wir bei weitgehender Hierarchiefreiheit, präzise beschriebenen Prozessen und gelebtem Rundumfeedback kurze Entscheidungswege haben, Anpassungen schnell vornehmen und kurzfristig alle am Kreations-, Entwicklungs- oder Produktionsprozess Beteiligten mit den jeweils aktuellsten Informationen versorgen können und eine physische Anwesenheit im Büro dabei nicht mehr erforderlich ist.

Unabhängig von Ort und Zeit passen wir die Prozesse und -logiken dem sich stetig wandelnden Produkt an. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jeder jederzeit den vollständigen Produktionsprozess nachvollziehen kann bzw. können sollte und sich aktiv an dessen Gestaltung beteiligt. Erreichbarkeit, Kommunikationsbereitschaft und die Nutzung moderner Kommunikations- und Collaborationstools versetzen uns jederzeit in die Lage, reagieren und agieren zu können. Partizipation ist gewünscht und gefordert und jeder verantwortet seine Teilaufgaben selbst. Die nächste Arbeitnehmergeneration fordert Freiräume und bietet Verantwortung und Liefertreue.

Entgrenzte Formen des Arbeitens bleiben nicht wirkungslos

(Betriebs-)Ärzte sehen immer häufiger Fälle von Überlastung, Überreizung und Erschöpfung und sie müssen Beschäftigte dabei auch zunehmend öfter „vor sich selbst schützen“. Die Statistiken verschiedener Krankenkassen weisen psychische arbeitsbedingte Erkrankungen als die am schnellsten steigende (berufsbedingte) Krankheitsart aus.

Die neuen Möglichkeiten des flexiblen, mobilen Arbeitens sind chancenreich und verlockend: Außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit, also in der Freizeit – Wochentage spielen dabei häufig keine Rolle – können E-Mails und Texte geschrieben, Angebote berechnet, Kontaktaufnahmen beantwortet und Kollegen angechattet werden.

SocialMedia-Aktivitäten lassen sich abends auf der Couch mit mehr Ruhe erledigen und bei der Verabredung zum Frühstückspausenkaffee in der Cafeteria wird nicht pausiert, sondern – dank WLAN und Notebook – natürlich auch über die Arbeit gesprochen. Keine echte Erholungspause also. Wer den Skypestatus nicht auf „rot“ oder
besser auf „offline“ setzt, scheint ansprechbar zu sein – oder es sein zu wollen.

Wie wirkt die neue Arbeit auf uns Menschen?

Flexibilität, Selbstorganisation und Wandlungsfähigkeit werden zu wichtigen Kriterien in der aktuellen Personalentwicklungspraxis und in Bewerbungsprozessen, in denen immer häufiger der Bewerber den Arbeitgeber auswählt. Unternehmen müssen mit Anforderungen wie BYOD (Bring Your Own Device; Nutzung privater Geräte im beruflichen Kontext) umgehen, müssen Regelungen finden, wer überhaupt entgrenzt arbeiten darf bzw. soll und wenn ja, wie die konkrete Arbeitszeit der Beschäftigten bei mobilem Arbeiten nachgehalten werden kann. Sie müssen dem Bedürfnis nach mehr Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben nachkommen und möglichst flexible Regelungen für „alles Mögliche“ anbieten, ohne dabei zu kompliziert zu werden. – Das schreckt ab.

Leichtfüßig und vertrauensbasiert soll der Umgang miteinander sein und auf jeden Fall ohne zu viel störende Kontrolle und Einflussnahme. Mehr Freiraum, mehr Gestaltungsmöglichkeiten, mehr Partizipation bei weniger Steuerung, Führung und Kontrolle. Was für die einen völlig selbstverständlich ist, sorgt bei den anderen jedoch für Unbehagen.

Die Anforderung, jederzeit mit dem Tempo der Gesamtorganisation mithalten zu müssen, mehr Themenbereiche als nur den eigenen nachvollziehen und bedienen zu können und sich in ständigen Kommunikationsschleifen wiederzufinden, kann Fluch und Segen zugleich sein. Es gibt zunehmend mehr Menschen, die diesen schnelleren, anderen Gang nicht mitgehen können oder wollen und denen die Arbeit buchstäblich – vor allem auf die psychische Gesundheit schlägt. Insgesamt nimmt der Anteil der psychischen Belastungen im Arbeitskontext zu: Es sind das schnellere Arbeitstempo, die wachsende Komplexität der Aufgaben, die Frequenz der unterschiedlichen Kommunikationsanlässe und -arten, der eigene Anspruch an Qualität und Leistung, das Wissen um die eigene Verantwortlichkeit im Gesamtsystem und leider in manchen Fällen auch die fehlende Identifikation mit den mehr oder weniger klaren Unternehmenszielen, die die Menschen dazu bringt, ihre Grenzen nicht mehr definieren zu können.

  • Wie weit kann ich gehen?
  • Was bin ich bereit einzubringen?
  • Wofür stehe ich ein?
  • Nehme ich mir ausreichend Zeit zur Regeneration?
  • Kenne ich meine Alarmzeichen?
  • Ab wann wird Arbeit zur Belastung?

Es heißt, dass uns Menschen – gerade im Zeitalter der digitalen Transformation – die Möglichkeit verloren ginge, die Verschränkung von Job und Freizeit für uns selbst zu klären, und dass wir aus den oben genannten Gründen zugunsten der Arbeit auf ausreichend Erholungspausen, den teaminternen, helfenden kollegialen Austausch und die gegenseitige Unterstützung verzichten. Termin- und Leistungsdruck, geschlossene Zielvereinbarungen, Konkurrenzdruck und gerade auch die sich bietende Möglichkeit, jederzeit reagieren zu können oder zu müssen, lassen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und nicht selten gewinnt die Arbeit den Kampf um das knappe Gut Zeit. Das Bewusstsein um diese Knappheit der uns zur Verfügung stehenden Zeit und die sich uns bietenden Möglichkeiten zu arbeiten sind Stressoren, die uns unterschiedlich beeinflussen und lenken.

Ist es denn für viele von uns nicht gerade auch die Arbeit, die uns die Kraft und die Inspiration gibt…

…weiter-, weiter- und immer weiterzumachen und dabei nicht zu bemerken, dass man dabei längst schon die Schallgrenze der eigenen Belastbarkeit durchbrochen hat und eigentlich längst schon zurück zu sich selbst und einem ausgewogenen Zeitmanagement hätte kommen sollen?

Ausgehend davon, dass dieses ungesunde und ungünstige Verhältnis von Belastung und Entspannung gesundheitsgefährdend wirkt, wäre es an dieser Stelle unzureichend, wenn nicht auch auf die positiven Seiten von „Stress“ verwiesen würde. Denn: Für viele Menschen ist Stress nichts per se Schlechtes. Die Verhaltensforschung kennt zweierlei Arten von Stress: Eustress und Distress. Ersterer beflügelt, motiviert und pusht, Letzterer wirkt negativ auf den Menschen und ist nachweislich krankmachend. Für den überwiegenden Teil der – vor allem jüngeren – Menschen bergen die Möglichkeiten des zeit- und ortsunabhängigen Arbeitens mehr Vorals Nachteile, denn sie zahlen auf das Konto der besseren Vereinbarkeit von Job und Privatleben ein.

Und die neuen, vorher oft hart und umständlich erkämpften – oder unerreichbaren – Freiräume sind nunmehr ohne besondere Mühen in das eigene Leben integrierbar und die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben gelingt leichter. Das verschafft vielen die nötige Leichtigkeit, die es braucht, um nicht darüber nachzudenken, wann, wie lange oder wo wir eigentlich arbeiten. Die Bereitschaft, entgrenzt zu arbeiten, wird für viele Beschäftigte zur Normalität. Diese Arbeitsweise entlastet uns und wirkt dazu auch noch produktivitätsfördernd. Die besten Ideen entstehen in der Regel nicht, wenn Arbeitszeitrichtlinien oder örtliche Gegebenheiten bremsen, sondern vor allem dann, wenn wir uns in einer Arbeitsatmosphäre befinden, die für den jeweiligen Kontext passend ist und kreativitätsförderlich wirkt.

Pest oder Cholera?

Für diejenigen jedoch, die von den Stressoren des entgrenzten Arbeitens negativ beeinflusst werden und die sich nicht in der Lage sehen, mit diesen Umständen klarzukommen, bleibt es häufig bei der Wahl „zwischen Pest und Cholera“. Weiter, weiter, immer weiter. Entgrenzte Arbeit bietet Schlupflöcher: Wer merkt schon, dass ich eigentlich „ausgelaugt“, erschöpft oder schon krank bin, wo ich doch gar nicht wahrgenommen oder gehört werde, weil ich tagelang z.B. im Homeoffice abtauchen kann. Manche erkennen keinen Sinn in der neuen Art des Arbeitens und auch nicht die Mehrwerte, die sich ihnen zur Verbesserung der von ihnen als ungünstig empfundenen Situation bieten.

Sie arbeiten trotz Erschöpfung und Krankheit weiter und verzichten zugunsten der Arbeit auf die dringend notwenige Regeneration. Ihre Arbeitsergebnisse leiden darunter, ebenso ihre physische und psychische Gesundheit. Dem zunehmenden Online-Präsentismus kann
auf unterschiedliche Weisen begegnet werden: Zum einen sind Führungskräfte gefordert, ihre digitalen Kompetenzen auf- und ausbauen, um auch dann noch ein Gefühl für den körperlichen und seelischen Zustand ihrer Teammitglieder zu haben, wenn man sich nicht persönlich sieht, sich nicht die Hand reicht und sich nicht in die Augen schauen kann.

Sie müssen Warnsignale deuten lernen, zum Beispiel fehlende Interaktion mit dem Rest des Teams, schlechte Arbeitsergebnisse, hohe Zeitaufwände für die Erledigung der Aufgaben, vermehrter Konsum von stimulierenden oder entspannenden Substanzen, regelmäßiges Umgehen von Sicherheits- und Schutzstandards oder auch die auffällig häufige Bereitschaft, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen oder Projektstände zu beschönigen, um vom eigenen Befinden abzulenken. Hier sind Führungskräfte zunehmend in der Verantwortung, dem Phänomen des Online-Präsentismus entgegenzusteuern. Nicht zuletzt ist ihr Vorbildverhalten ein wesentlicher Faktor mit Signalwirkung für all jene, die sich selbst nicht immer sicher sind, ob sie gerade ihre Belastungsgrenzen überschreiten oder doch noch Reserven haben.

Mindestens genauso wichtig ist es aber, sich an die eigene Nase zu fassen

und an seiner persönlichen Einstellung zu arbeiten, zum Beispiel um zu erkennen, wann es Zeit ist, im eigenen Interesse rechtzeitig „die Reißleine zu ziehen“ und die virtuelle Nabelschnur zu kappen. Denn die Verantwortung für die eigene Gesundheit kann letztlich nur jeder selbst tragen. Und gerade in Zeiten entgrenzten Arbeitens ist es unmöglich, diese Verantwortung vollständig auf nicht anwesende Dritte abwälzen.

Arbeit 4.0 beruht im Wesentlichen auf der Maxime der Selbstverantwortung und es sind vor allem die Beschäftigten, die lernen müssen, sich selbst und ihre Grenzen zu kennen und zu wissen, wann der Kraftspeicher leer ist und wie er wieder befüllt werden kann.

Es ist ein vollkommen logischer und wichtiger Schritt, dass Unternehmen die Verantwortung für einen gesunden Umgang mit sich selbst und der eigenen Arbeitskraft und -fähigkeit zunehmend mehr in die Hände derer legen, die autonom und selbstverantwortlich arbeiten wollen. Wenn Unternehmen das nicht tun, laufen sie Gefahr, „den schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen“ und schuldig zu sein für jeden einzelnen Fall von Burnout und anderen erschöpfungsbedingten Erkrankungen. Was Unternehmen jedoch noch zu oft vergessen ist, dass vor allem die älteren Kollegen diesen gesunden Umgang mit der neu gewonnenen Freiheit genauso erst erlernen müssen wie sie selbst.

Ein paar Zahlen …

Die Häufigkeit der psychischen Erkrankungen und die damit verbundenen Zeiten von Arbeitsunfähigkeit wachsen stetig und zunehmend schneller. Trotz insgesamt rückläufiger Krankenstände in den letzten Jahren wuchs der relative Anteil psychischer Erkrankungen am Arbeitsunfähigkeitsgeschehen bislang stetig. Er stieg auf 15,1 Prozent und die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen liegt bei 264 Tagen je 100 Personen.

Während psychische Erkrankungen vor 15 Jahren noch nahezu bedeutungslos waren,sind sie heute die dritthäufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibung bzw. Arbeitsunfähigkeit (Knieps und Pfaff 2016: 59). Betroffen sind Berufsanfänger ebenso wie aufstrebende Mitarbeiter und Beschäftigte in Spitzenpositionen.

Besondere Bedeutung und Brisanz erhalten psychische Erkrankungen vor allem dadurch, dass die Krankheitsdauer stärker ins Gewicht fällt: Die durchschnittliche Dauer psychisch bedingter Krankheitsfälle ist mit 36 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen (z.B. des Bewegungsapparates oder des Immunsystems) mit zwölf Tagen.

Das dabei häufig auftretende Burnoutsyndrom beschreibt jenen Zustand, bei dem Menschen so erschöpft oder „ausgebrannt“ sind, dass sie zu einem normalen Leben kaum mehr fähig sind. Noch handelt es sich bei dem vergleichsweise jungen Phänomen um keine anerkannte Krankheit. Da Mediziner feststellten, dass die Symptome denen der Depression sehr ähnlich sind, tun sie sich schwer, Burnout als eigenständige Erkrankung zu definieren.

Psychische Erkrankungen sind außerdem die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Frühberentungen. Zwischen 1993 und 2015 stieg der Anteil von Personen, die aufgrund seelischer Leiden frühzeitig in Rente gingen, von 15,4 auf 42,9 Prozent (Deutsche Rentenversicherung Bund 2016: 111). Gegenüber dem Jahr 2000 entspricht dies einer Steigerung der Fallzahlen um mehr als 40 Prozent. Im Vergleich zu anderen Diagnosegruppen treten Berentungsfälle wegen „psychischer Störungen und Verhaltensstörungen“ zudem auch noch deutlich früher ein; das Durchschnittsalter liegt bei 48,1 Jahren (Deutsche Rentenversicherung 2014: 24).

Die volkswirtschaftlichen Folgen all dieser genannten Aspekte sind natürlich immens, Tendenz steigend.

Der klassische Arbeitsschutz stellte bislang zwar die den Körper gefährdenden Aspekte von Arbeit in den Vordergrund, aber im Jahr 2013 wurde § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) endlich dahingehend präzisiert, dass auch die auf die Psyche wirkenden Belastungen der Arbeit zu ermitteln und zu beheben sind. Die Verantwortung der Einhaltung und Umsetzung liegt dabei hier klar aufseiten der Arbeitgeber.

Natürlich gibt es aber auch diejenigen Fälle, wo es gerade die Möglichkeit des flexiblen, vernetzten Arbeitens ist, die die Ausübung des Jobs attraktiv oder auch überhaupt erst möglich macht. Wenn Vereinbarkeitsthemen mitschwingen, helfen diese Angebote und die Beschäftigten, denen dies ermöglicht wird, nutzen sie gern. Der aktuelle D21 Digital Index 2018/2019 (Initiative D21 2019) kommt zu dem Ergebnis, dass 37 Prozent (und sogar 71 Prozent der in Bürojobs tätigen Menschen) meinen, dass digitales Arbeiten die Chance bietet, Arbeitsund Privatleben besser miteinander in Einklang bringen zu können. Nach getaner Familienarbeit wird zu Ende gebracht, was auf dem Schreibtisch liegen blieb, oder nachgeholt, wozu man im hektischen Büro nicht kam. Ruhepausen oder Zeiten ohne direkte Zusammenarbeit verwaschen so zu weniger arbeitsintensiver Zeit und der Feierabend wird – nach einem Ortswechsel – nur verschoben.

Dennoch geben 49 Prozent der Befragten (und nicht nur diejenigen, die sagen, dass sie bereits mobil arbeiten) an, dass zeitlich und räumlich flexibles Arbeiten auch zur Steigerung ihrer Arbeitsqualität beiträgt.

Entgrenzte Arbeit = grenzenlose Arbeit?

Wer sollte die Verantwortung für die Gesundheit der Menschen tragen? Wem können wir – ganz´in vertrauter Manier – „die Schuld in die Schuhe schieben“? Den Führungskräften, die nicht bemerken, dass Arbeit heute komplexer, schneller und voraussetzungsvoller ist? Den (endlich) flexibel, selbstbestimmt und gefühlt ständig arbeitenden Beschäftigten, die wissen, dass sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit nicht mehr an den bis 17 Uhr zur Verfügung stehenden Rechner gebunden sind? Den schweigsamen und geduldigen Betriebsärzten? Oder womöglich den besonders Arbeitswütigen, die das Gesamtbild verzerren? Muss überhaupt irgendjemand die Verantwortung übernehmen?

Ich vertrete die Auffassung, dass wir ein gesundes Verhältnis von neuer Arbeit und Gesundheit genauso erlernen und verinnerlichen müssen, wie auch die Unternehmen lernen müssen, dass das Angebot, orts- und zeitunabhängig zu arbeiten, eine Möglichkeit darstellt, aber keine Verpflichtung. Wir selbst müssen in der Lage und willens sein, den Ausknopf zu drücken und die Arbeit zu beenden und uns die Pausen zu nehmen, die wir zuvor auch zur Regeneration benötigt haben. Diese werden in Zeiten ständiger Erreichbarkeit sowie steigender Geschwindigkeit und Komplexität nämlich nicht kürzer.

Faktisch fallen die tatsächlich arbeitsfreien Zeiten bei den meisten digital Arbeitenden kürzer aus. Sie schauen außerhalb ihrer eigentlichen Arbeitszeit in die E-Mails, sie verfassen auch abends noch Tweets und Posts, sie bearbeiten gerade noch die eine Sache zu Ende, die sie im Büro nicht geschafft haben. Dazu hat man doch das Notebook schließlich dabei …

Wir lassen uns treiben und werden zu Getriebenen.

Einen bewussten, gesunden Umgang mit unserer neuen Freiheit zu pflegen, ist Aufgabe eines jeden Einzelnen und alle Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements und der Gesetzgebung sind wertlos, wenn wir uns nicht selbst regulieren wollen, bewusst das Arbeitsende festlegen und uns auch daran halten.

Führungskräfte und Chefs bemerken das Ausmaß der digitalen Erschöpfung oft erst dann, wenn Mitarbeiter sich mit längeren Ausfallzeiten krankmelden und bei ihrer Mitarbeitervertretung oder dem Betriebsarzt nach BGMMaßnahmen wie Resilienz und Stressbewältigung fragen. Oder wenn der Bedarf an Maßnahmen der betrieblichen Wiedereingliederung steigt und es dabei nicht mit der Neuanschaffung eines ergonomischen Schreibtischstuhls oder eines höhenverstellbaren Schreibtisches getan ist. Maßnahmen der modernen betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung sollten auf den Abbau übermäßiger psychosozialer Belastungen fokussiert sein und beispielsweise dabei unterstützen, chronischen Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen und Überforderung abzubauen.

In einer Arbeitswelt, in der die Berufswahl vor allem durch Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Leidenschaft bestimmt ist, liegt ein enormes positives Potenzial für unsere Gesundheit: Wer in eigener Verantwortung selbstbestimmt und achtsam Energie und Ressourcen einteilt, der reduziert das Risiko des eigenen Ausbrennens erheblich. Wenn es gelingt, die persönlichen Grenzen richtig zu setzen, wird nicht nur die Möglichkeit des „Ausbrennens“ reduziert, sondern dann können erst recht alle Vorteile und Potenziale mobiler, flexibler, selbstbestimmter Arbeit voll ausgeschöpft werden, ohne dass Nachteile entstehen.

Denn es bleibt dabei: Arbeit bestimmt unser Leben und unseren psychischen Zustand wesentlich. Und nach wie vor sind – trotz aller Kritik an den Belastungen der Arbeitswelt – arbeitende Menschen in der Regel zufriedener und gesünder als Menschen ohne Arbeit. Arbeit wird immer Teil des Lebens bleiben, nicht das Gegenteil davon, denn sie stiftet Selbstbestätigung und Anerkennung.

Fazit

Es kommt also nicht von ungefähr, dass sowohl die psychische als auch die physische Gesundheit der Beschäftigten in der modernen Arbeitswelt zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt und dass eine gesundheitsorientierte Betriebsführung Einzug in die Denkweisen der Unternehmen hält: Gesundheit wird zu einer der wichtigsten Unternehmensressourcen und die Erhaltung von Arbeitsfähigkeit zu einer der Hauptaufgaben von Human Resources, Führung und Beschäftigten.

Die alternde Belegschaft und der sich abzeichnende Fach- und Führungskräftemangel wird dazu führen, dass Unternehmen die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit von Beschäftigten gezielt fördern und den respektvollen und achtsamen Umgang mit ihrer Gesundheit erlernen und sicherstellen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass damit jegliche Verantwortung abgegeben ist, im Gegenteil. Das Gesundheitsinteresse ist (vor allem) aufseiten der (jüngeren) Beschäftigten mindestens genauso angesiedelt wie auch erwünscht und die Gesundheitsfürsorge ist nicht mehr nur primär eine unternehmerische Aufgabe, sondern ein individuelles Anliegen, für das jeder eigenverantwortlich Sorge zu tragen hat.

Wir stehen auf der Schwelle zur Industriegesellschaft 4.0. und alle Beteiligten sind aufgefordert, mit vereinten Kräften diesen Wandel zu gestalten. Es braucht Gesundheit, Wissen, Qualifikation Kompetenz und Motivation und vieles hängt davon ab, kreative Potenziale freizusetzen, Innovationen zu ermöglichen und so mehr Effizienz und Exzellenz zu erreichen. Wenn uns das gelingt, kann Arbeit wieder die Aufgabe übernehmen, die ihr aus gesellschaftlicher Perspektive zukommt: Sinn stiften, Anerkennung geben, Zugehörigkeit vermitteln,
Existenz sichern.

Quellen und Links:
➥ Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2016).
Rentenversicherung in Zeitreihen. Ausgabe 2016. Berlin.
➥ Deutsche Rentenversicherung (2014). „Positionspapier der Deutschen Rentenversicherung zur Bedeutung
psychischer Erkrankungen bei der Rehabilitation und bei Erwerbsminderung“. (Download 1.3.2019).
➥ Initiative D21 (Hrsg.) (2019). D21 Digital Index 2018/2019. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft.
➥ Knieps, Franz, und Holger Pfaff (Hrsg.) (2016). Gesundheit und Arbeit. Zahlen, Daten, Fakten. BKKGesundheitsreport 2016. Berlin.

Über die Autorin

Anke Hoffmann ist für die Bertelsmann Stiftung im Programm Unternehmen in der Gesellschaft als Project Managerin im Team „Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung“ tätig. Im Anschluss an das Projekt „INQA-Audit Zukunftsfähige Unternehmenskultur“ liegt ihr Schwerpunkt nun auf der #ZukunftderArbeit und der digitalen Transformation, sowie deren Auswirkungen auf betriebliche Arbeitskontexte. Sie vertritt ebenfalls den Bereich der Vereinbarkeit eines gesunden Lebens mit den neuen Formen der Arbeit 4.0. Sie studierte in Rostock und Bielefeld Soziologie und Sozialpsychologie sowie jüngst Angewandte Gesundheitswissenschaften.

Quelle: ZukunftderArbeit

19 July 2019

Arbeiten im Home-Office bleibt die Ausnahme

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Flexibles Arbeiten

Arbeiten im Home-Office bleibt die Ausnahme

Der Anteil der Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, steigt nur langsam. Viele arbeiten nur stundenweise im Homeoffice – und oft nach Feierabend, zeigt eine Studie.

Von Tina Groll

Mehr Menschen arbeiten von zu Hause oder unterwegs, ihr Anteil steigt aber nur sehr langsam. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Demnach ist bei jedem vierten Arbeitgeber in Deutschland die Arbeit aus dem Homeoffice oder von unterwegs zumindest zeitweise möglich, aber nur jeder zehnte oder jede zehnte Beschäftigte macht davon auch Gebrauch. Schaut man sich nur die Anspruchnahme von Homeoffice-Arbeit an, ist es jede oder jeder Fünfte.

Für die Analyse wurden Daten aus dem IAB-Betriebspanels 2018 ausgewertet. Für diese Untersuchung werden bundesweit 16.000 Unternehmen aller Größen und Branchen jährlich befragt. Die Studie gilt als repräsentativ, gibt aber wenig detaillierten Aufschluss über den spezifischen Einsatz von Homeoffice-Arbeit. Daher haben die Autorinnen und Autoren diese Daten mit jenen aus weiteren Studien wie das Linked Personnel Panel (LPP) ergänzt. Für diese Analyse werden nur Unternehmen aus der Privatwirtschaft mit mehr als 50 Beschäftigten befragt.

Die Daten zeigen, dass 26 Prozent der Unternehmen mobiles Arbeiten anbieten. Das heißt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht zwingend an einen Arbeitsort gebunden. Bei 15 Prozent dieser Arbeitgeber können die Beschäftigten sowohl mal von unterwegs – etwa auf Dienstreisen – als auch tageweise von zu Hause aus arbeiten. Acht Prozent der Firmen erlauben nur das Arbeiten aus dem Homeoffice, vier Prozent hingegen nur das Arbeiten von unterwegs, aber nicht von zu Hause. Das bedeutet, dass letztlich etwas mehr als jeder zehnte Arbeitgeber zeitweilig auf Homeoffice oder mobiles Arbeiten setzt.

Die Autorinnen und Autoren machen insgesamt einen Unterschied zwischen großen und kleinen Firmen aus: Während 57 Prozent der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten Homeoffice anbieten, ist es nur jeder fünfte Betrieb mit weniger als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Heimarbeit nur stundenweise

Aber was heißt das konkret? Für die allermeisten Arbeitgeber ist Homeoffice-Arbeit nur etwas, das unregelmäßig und in Ausnahmefällen stattfindet – 19 Prozent der Betriebe bieten es ausschließlich unregelmäßig an. Zwei Prozent erlauben den Beschäftigten wenige Male im Monat diese Option, betonen aber, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger als einmal pro Woche von zu Hause aus arbeiten sollten. Und nur ein Sechstel der Firmen, die Homeoffice anbietet, erlaubt den Beschäftigten mindestens einen Tag in der Woche. Tatsächlich ist das Arbeiten von daheim sogar ein Phänomen, das eher stunden- als tageweise verbreitet ist. Die allermeisten Beschäftigten arbeiten nur wenige Stunden im Homeoffice, zeigen die Daten: 22 Prozent arbeiten ausschließlich ganze Arbeitstage im heimischen Büro, 16 Prozent haben mal einen ganzen Tag, öfter aber nur einige Stunden – 52 Prozent aber machen ohnehin nur stundenweise davon Gebrauch. Viele davon am Wochenende, am Abend oder im Urlaub, also dann, wenn sie eigentlich frei hätten. Unklar ist, ob mit dem Homeoffice auch Überstunden geleistet werden.

Erst kürzlich hatte eine Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergeben, dass Heimarbeit generell häufiger zu Überstunden insbesondere bei Eltern führt. Auch zeigt das IAB-Betriebspanel aus dem Jahr 2017, dass 44 Prozent derjenigen, die Homeoffice nutzen, außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten.

 

Anstieg von 19 auf 22 Prozent

Insgesamt steigt der Anteil der Menschen, die flexibler arbeiten können, nur auf kleinem Niveau. Machten 2013 19 Prozent der Beschäftigten davon Gebrauch, waren es 2017 22 Prozent. Neuere Daten liegen nicht vor. Dabei zeigt sich: Führungskräfte können häufiger flexibel arbeiten als normale Fachkräfte ohne Leitungsaufgaben. Aber es hängt vom Bereich ab: Während fast jede vierte Führungskraft in der Produktion zeitweilig von zu Hause arbeiten kann, sind es nur fünf Prozent der normalen Beschäftigten in diesem Bereich. Im Service und in der Verwaltung sind es 43 bzw. 23 Prozent und in Vertrieb und Marketing nutzen 59 Prozent der Führungskräfte sowie 36 Prozent der normalen Beschäftigten Homeoffice. Die Autorinnen und Autoren der Studie machen dabei aber einen interessanten Trend aus: Zugenommen hat das flexible Arbeiten von daheim vor allem auf den Positionen ohne Leitungsfunktion, bei den Führungskräften ist die Zahl der Menschen, die flexibler arbeiten, hingegen nahezu gleich geblieben.

Dennoch betonen sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte, dass das flexible Arbeiten von zu Hause aus viele Vorteile habe. Beide schätzen die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier unterscheiden sich Arbeitgeber und Mitarbeitende kaum: Während 55 Prozent der Arbeitgeber die bessere Vereinbarkeit als Vorteil nennen, sind es 52 Prozent der Beschäftigten. Aber es gibt auch Unterschiede: Während 55 Prozent der Beschäftigten sagen, durch die Heimarbeit würden sie viel Zeit sparen, weil lange Arbeitswege wegfallen, sieht nur jeder dritte Arbeitgeber dies als Vorteil. 62 Prozent von ihnen wiederum betonen, der größte Vorteil sei der flexible Einsatz der Mitarbeiter, 45 Prozent geben auch an, die Beschäftigten seien produktiver, wenn sie von zu Hause aus arbeiteten. Für jede dritte Firma spielt auch die Arbeitgeberattraktivität im Kampf um Fachkräfte eine Rolle. Und immerhin jeder zehnte Arbeitgeber gibt zu, dass man auf diese Weise Bürofläche und somit Betriebsausgaben sparen könne.

Oft liegt es am Job

Das größte Hemmnis, warum sich flexibles Arbeiten nicht stärker durchsetzt, ist aber sowohl für Arbeitgeber als auch Beschäftigte die Art der Tätigkeit, die es gar nicht zulässt. Jedes zehnte Unternehmen gibt aber auch an, dass Homeoffice deshalb nicht erlaubt werde, weil eine Kontrolle sonst nicht möglich sei. 66 Prozent der Beschäftigten, die keine Telearbeit machen können, geben als Grund dafür an, dass die Vorgesetzten auf Anwesenheit bestünden.

Für jede fünfte Firma spielt außerdem eine Rolle, dass die Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten unter der Distanz im Homeoffice leide. Das Argument nennen auch die Beschäftigten, für die es wesentlich zentraler ist. 59 Prozent sagen, die schlechtere Möglichkeit für Absprache halte sie selbst davon ab, Heimarbeit nachzufragen. Und immerhin 56 Prozent der Beschäftigten sagen, sie wollten gar kein Homeoffice machen, weil sie Beruf und Privates lieber trennen möchten.

Die Autorinnen und Autoren der Untersuchung schlussfolgern daher, dass die Anwesenheitskultur in vielen Unternehmen noch fest verankert sei. Sie stellen aber auch heraus, dass sich da, wo diese einmal aufgebrochen werde, die Vorbehalte gegenüber Homeoffice änderten. Angesichts der Digitalisierung und des Breitbandausbaus, steigender Mieten in den Städten und langen Pendelwegen für Beschäftigte, fehlender Kinderbetreuungsplätzen und einer zunehmenden Flexibilisierung von Arbeitszeiten kann Telearbeit ein Faktor sein, der Beschäftigte entlastet und sich auch für Unternehmen rechnet. Die Studie liefert aber auch Antworten auf die Frage, warum Vorstöße wie ein von der SPD vorgeschlagenes Recht auf Homeoffice nicht weiter verfolgt werden.

Quelle: Xing-News

22 March 2019

Arbeitsrecht: Die 8 wichtigsten Home-Office-Facts

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Arbeitsrecht: Die 8 wichtigsten Home-Office-Facts

Etwa 40 % der Arbeitnehmer wünschen sich zumindest die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. 8 Fakten zur derzeitigen Rechtslage.

In Zeiten zunehmender Digitalisierung der Arbeitswelt und des weiter wachsenden Bedürfnisses nach flexibler Arbeitsgestaltung arbeiten bereits heute etwa 12 % der Erwerbstätigen gewöhnlich oder gelegentlich im Homeoffice.

Sogar knapp 40 % der Arbeitnehmer in Deutschland wünschen sich zumindest die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Insbesondere für Erwerbstätige mit Kindern kann die Arbeit von zu Hause aus besonders attraktiv sein. Es verwundert daher keineswegs, dass das Bundesarbeitsministerium derzeit an einem gesetzlichen „Recht auf Homeoffice“ arbeitet. Doch wie sieht die derzeitige Rechtslage aus?

1. Derzeit kein Recht auf Homeoffice

Ein im Gesetz verankertes Recht auf Arbeit im Homeoffice existiert derzeit in Deutschland nicht, da der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts den Ort der Arbeit unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers bestimmt. Ein solcher Anspruch kann sich allerdings aus einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung oder aus Kollektivvereinbarungen (Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) ergeben.

2. Einführung von Homeoffice

Zur Vermeidung von Unklarheiten sollten im bestehenden Arbeitsverhältnis Regelungen zur Arbeit im Homeoffice vereinbart werden. Konkrete Regelungen zu den Voraussetzungen, der Beendigung und der Ausgestaltung der Homeoffice Tätigkeit können Bestandteil von Individualverträgen oder etwa einer Betriebsvereinbarung sein. Der Arbeitgeber sollte dabei unbedingt auf die Vereinbarung eines regelmäßigen Zutrittsrechts zum Homeoffice hinwirken.

3. Mitbestimmung des Betriebsrats

Der Betriebsrat kann die Einführung von Arbeit im Homeoffice nicht erzwingen. Dennoch stehen ihm bei der Ausgestaltung der Heimarbeit unterschiedliche Beteiligungsrechte zu, die zu beachten sind. Daher ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung sinnvoll.

4. Kosten

Der Arbeitgeber hat grundsätzlich die Arbeitsmittel, die der Arbeitnehmer zur Erledigung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleitung benötigt (z.B. IT-Equipment, Schreibmaterial, Möbel) zur Verfügung zu stellen. Kommt es im Homeoffice zu einem Schaden an den zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln durch den Mitarbeiter, gelten die Grundsätze zur privilegierten Arbeitnehmerhaftung. Ggf. sollte auch der Vermieter informiert werden, wenn die angemietete Wohnung dauerhaft als Homeoffice genutzt werden soll.

5. Arbeitszeiten

Für die Arbeitszeit gelten im Homeoffice grundsätzlich dieselben Regeln wie am betrieblichen Arbeitsplatz. Zur Vermeidung von Unklarheiten kann eine Differenzierung von betriebsbedingter Arbeitszeit und selbstbestimmter Arbeitszeit sinnvoll sein. Jedenfalls sollte der Arbeitnehmer seine Einsatzzeiten dokumentieren und dem Arbeitgeber zugänglich machen. Auch im Homeoffice sind Pausen und die Ruhezeit von mindestens elf Stunden nach Beendigung der Arbeitszeit einzuhalten.

6. Datenschutz

Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass auch im Homeoffice die datenschutzrechtlichen Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten eingehalten werden. Von der Verarbeitung besonders sensibler Daten im Homeoffice ist abzuraten.

7. Arbeitsschutz

Die Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes an Arbeitsplätze gelten auch im Homeoffice. Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass ein geeigneter Arbeitsplatz im Homeoffice eingerichtet ist. Ein regelmäßiges Zutrittsrecht des Arbeitgebers verschafft ihm die Möglichkeit, seinen Kontrollpflichten nachzukommen.

8. Unfallversicherung

Erleidet der Mitarbeiter im Homeoffice einen Arbeitsunfall, werden die Behandlungskosten grundsätzlich von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen. Voraussetzung ist, dass im Moment des Unfalls ein sachlicher Zusammenhang zur Tätigkeit besteht. Das Bundessozialgericht hat demnach einen Sturz einer Arbeitnehmerin auf der Kellertreppe ihres Wohnhauses auf dem Weg zum Homeoffice-Raum in ihrem Keller als Arbeitsunfall anerkannt (Urteil vom 27.11.2018, Az.: B 2 U 28/17).

Über den Autor

Sebastian Schröder ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Seit 2013 berät er nationale und internationale Unternehmen sowie Organe und Führungskräfte in sämtlichen Fragen des Arbeitsrechts. Durch seine ehemalige Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt in einem DAX Konzern verfügt er über vertiefte Kenntnisse interner Abläufe im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Angelegenheiten aus Unternehmenssicht.

Quelle: Human Ressource Manager

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