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09 June 2023

Post-Mortem-Kultur: Fehlermanagement ohne Schuldvorwürfe

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Post-Mortem-Kultur: Fehlermanagement ohne Schuldvorwürfe

Der proaktive Umgang mit Fehlern verhindert, sie zu maskieren. Eine gute Post-Mortem-Kultur verhilft deshalb zu Wachstum und Erfolg im Team.

Der Fehlerkulturreport 2023 des Unternehmens Ernst & Young (EY) zeigt: Unternehmen profitieren von New Work hinsichtlich ihrer Fehlerkultur. EY-Partner Nelson Taapken (People Advisory Services), der unter anderem zu transformativen Prozessen im HR-Bereich berät, betont, dass ein proaktives Fehlermanagement erst zu einer positiven Fehlerkultur führen kann.

Was macht gutes Fehlermanagement so schwierig?

Fehler sind zwar ein natürlicher Teil der Arbeit, aber ihr Ruf vermiest den Umgang mit ihnen. Weil sie als „schlecht“ abgestempelt werden, werden sie systematisch verschleiert und es fällt schwer, Verantwortung für sie zu übernehmen. Fehler wertungsfrei als Lernmöglichkeit zu betrachten, ist deshalb eine Schwierigkeit, vor der viele Unternehmen stehen. Oft steht prompt die Schuldfrage im Raum, nicht aber der Versuch, einen Vorgang so sachlich wie möglich zu rekonstruieren, um Prozesse nachhaltig optimieren zu verbessern.

Die Folge: Es wird weiterhin versucht, Sündenböcke auszumachen. Wachstum im Team und Konstruktivität sowie Verantwortung sehen jedoch anders aus. Einen Ausweg bieten regelmäßige Post-Mortem-Analysen, die ohne Schuldzuweisungen stattfinden. Doch die Arbeit mit Post Mortems ist heute mehr als nur die Arbeit mit einem systematischen Analyseinstrument, um Störungen zu identifizieren.

Was steckt hinter Post-Mortem-Analysen?

Vor allem Projektteams sind heute auf Strategien angewiesen, um einen guten Umgang mit Fehlern zu finden und schnell zu handeln. Im Projektmanagement dient eine Post-Mortem-Analyse (post mortem: lateinisch „nach dem Tod“) der Prozessverbesserung, indem nach Projektende systematisch analysiert wird, was zu Fehlern geführt und was funktioniert hat, um Schlüsse für zukünftige Projekte zu ziehen. In der Regel finden entsprechende Analysen nach Projektabschluss, größenabhängig aber auch beispielsweise quartalsweise oder jährlich statt.

Wichtig: Eine reguläre Post-Mortem-Besprechung unterscheidet sich von einem Post-Mortem-Vorfall, sagen wir, nach einem „Akutfall“. Letzterer beschreibt die Besprechung direkt nach einem Vorfall, sobald der Fehler behoben werden konnte.

Ob Google oder Unternehmen wie Etsy: Sie alle setzen auf eine „Blameless Culture“ im Rahmen ihrer Post-Mortem-Analysen. Dass Fehler nicht verschleiert werden sollen, zeigt die offene Kommunikation jener Unternehmen, die ihre Post Mortems veröffentlichen, damit User und Kunden Einblick gewinnen.

Warum sind Post-Mortem-Gespräche wichtig?

Wenn Misserfolge auf Fehler zurückzuführen sind, die während des Projektprozesses stattfanden, diese aber bewusst verschleiert werden, nehmen gleich mehrere Beteiligte Schaden: Verantwortliche, Mitarbeiter, Interessengruppen, Kunden. Die Fehleranalyse kann sich hinziehen, sich auf die Qualität der Arbeit und auf das Endergebnis künftiger Projekte auswirken.

Aus Ressourcen- oder Zeitgründen regelmäßig Post-Mortem-Besprechungen auszulassen, wirkt sich kontraproduktiv aus. Auch der Gedanke, dass sie nicht zum Unternehmenserfolg beitragen würden und deshalb überflüssig sind, ist ein Irrglaube. Eine präzise Reflexion und Analyse ist unabdingbar für agiles Arbeiten in Unternehmen, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, gemeinsam zu wachsen und Fehler zu benennen, um sich zu verbessern.

Worauf kommt es an?

Die präzise Projektaufarbeitung hilft Projektmanagern dabei, nicht unbedacht von einem zum nächsten Projekt zu stürzen, den Prozess zu reflektieren und im besten Fall Best Practices zu haben, die in Zukunft als Vorlage dienen. Es geht aber nicht nur um die Analyse, sondern um die Etablierung einer Kultur, einer Post-Mortem-Kultur, frei von Schuldvorwürfen, die für Verantwortung und Wachstum steht.

Kollaboration spielt hierbei eine Rolle: Sowohl Manager und Interessengruppen als auch Mitglieder des Teams sollten keine Scheu haben, sich zum Prozess zu äußern und die Möglichkeit bekommen, ihre Sicht der Dinge umsetzbar und klar darzustellen und auch die Perspektiven des Gegenübers einzunehmen. Das Zusammenspiel unterschiedlichen Expertenwissens und Stärken dient dem Wachstum des Teams und des Unternehmens.

Kultur ohne Schuldzuweisungen – statt Null-Fehler-Kultur

Die Rechnung ist im Grunde simpel: Es wiederholt sich ein Fehler im Prozess, bis er gezielt aufgearbeitet wird.

Diese systematische Aufarbeitung gelingt mit der Hilfe einer Post-Mortem-Kultur, die ohne Schuldvorwürfe stattfindet, nicht aber mit einer Null-Fehler-Kultur, die einen Ansatz der falschen Perfektion verfolgt. Ohne Schuldvorwürfe soll jedoch nicht heißen, Verantwortliche nicht benennen zu dürfen. Vielmehr zählt die Art, wie mit Teammitgliedern umgegangen wird:

  • Ist ein wertschätzender Umgang ohne Herabwürdigung und verbaler Bestrafung möglich?
  • Wird Wert darauf gelegt, nicht die Schuldfrage in den Mittelpunkt zu stellen, sondern richtet sich der Fokus auf die Rekonstruktion der Ursache des Problems?

Wie werden Post-Mortem-Meetings nach Projektende in der Praxis durchgeführt?

Eine starke Post-Mortem-Kultur zeichnet sich vor allem durch Aktualität und eine gute Organisation aus. Damit das Sammeln wertvoller Erkenntnisse gelingen kann und Probleme nachhaltig behoben werden, haben zeitnahe Besprechungen und die Kommunikation klarer Verantwortlichkeiten deshalb Priorität. Dies hat auch den Hintergrund, dass Informationen noch präsent sind und nicht verblassen, nachdem ein Projekt abgeschlossen ist. Nur so kann es gelingen, einen offenen Umgang mit Fehlern zu finden, die nicht um jeden Preis zu verschleiern versucht werden.

Die Umsetzung einer Post-Mortem-Analyse beinhaltet vor allem folgende Schritte, die je nach Projekt oder Vorfall variieren, ist im Grundsatz jedoch frei gestaltbar:

  • Rahmenbedingungen gestalten (Moderatoren bestimmen, Regeln aufstellen)
  • Projektdaten sammeln (Qualität, Zeitaufwand, Ressourcen)
  • das Gespräch/Meeting durchführen
  • Erkenntnisse zusammentragen
  • Abschlussbericht/Report anfertigen und veröffentlichen

Inspiration für die Umsetzung einer Post-Mortem-Analyse:

1. Rückfragen an das Team für die Retrospektive und Agenda aufstellen

Welche zentralen Themen gehören in die Diskussion? Was lief gut – und was nicht so gut? Die Eindrücke und Erfahrungen des Teams sind wichtig, um eine Agenda für die Besprechung aufstellen zu können. Hilfreich ist beispielsweise ein Fragebogen, welcher vorab verschickt wird, um die Antworten vor der Besprechung auszuwerten.

Steht die Agenda, wird diese vor dem Meeting verschickt – und Rückmeldungen aus dem Team rechtzeitig ergänzt.

2. Moderatoren bestimmen und Protokollführer auswählen

Während Projekthauptleiter im Normalfall das Ruder für die Projektbesprechung übernehmen und das Meeting moderieren, sorgt ein Protokollant für die Dokumentation aller Details. Vor allem bei virtuellen Meetings ergibt es Sinn, diese ebenfalls aufzunehmen.

3. Regeln festlegen

Post-Mortem-Besprechungen sind idealerweise sachlich, auf den Punkt und erkenntnisreich – und sie denen vor allem dem Zweck, Prozesse zukünftig zu verbessern. Umso wichtiger ist es, klare Regeln für die Besprechung festzulegen, um alle Tagesordnungspunkte abarbeiten zu können und keine langen, zähen Meeting-Events aus ihnen zu machen, die vom eigentlichen Thema abschweifen.

4. Durchführung und Erkenntnisse

Während des eigentlichen Meetings kommt es auf die Atmosphäre an: Es gilt, Vorgänge möglichst sachlich zu bewerten, Abstand von Schuldzuweisungen zu nehmen und den Hergang von Störungen und Misserfolgen gemeinsam zu rekonstruieren. Eine rege, offene Diskussion kann zu konkreten Maßnahmen für die Zukunft führen. Wichtige Punkte, die – je nach Unternehmen und Projekt – abgearbeitet werden können, sind beispielsweise:

  • Störungen im Workflow
  • Effizienz der Kommunikation (Meetings während des Projekts – zu viele, zu wenige?)
  • Probleme bei der Ressourcenzuteilung (Personal oder Budget)
  • Probleme mit dem Endergebnis in Bezug auf Ziele, Kundenzufriedenheit etc.

Last but not least

Ein möglichst sachliches Fehlermanagement mit der Hilfe einer strukturierten Vorgehensweise, wie es eine Post-Mortem-Analyse ermöglicht, verhindert, eine Kultur der Schuldzuweisung zu leben und sich stattdessen auf den Lernprozess zu konzentrieren.

Was in diesem ganzen Rahmen nicht vergessen werden darf: Es geht nicht nur um Fehler. Ein Post-Mortem-Meeting nach Projektabschluss kann und sollte auch dazu dienen, Erfolge konkret zu benennen – und sie als Team gebührend zu feiern.

Quelle: arbeitsABC

26 February 2021

Scheitern als Chance für Entwicklung und Wachstum

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Scheitern als Chance für Entwicklung und Wachstum

Über erlebte Niederlagen im Coaching zu sprechen, fällt vielen Führungskräften schwer. Warum ist das so? In unserer Gesellschaft hat Scheitern, das potentiell vermeidbare Fehlschläge bis zu tiefgreifenden, mitunter Existenz bedrohende Niederlagen umfasst, ein schlechtes Image. Über Scheitern wird nicht gesprochen – obwohl es genauso zum Leben gehört, wie der Erfolg. Scheitern ist peinlich, schambesetzt und die Angst vor Häme ist groß.

Folglich ist jedes Tun verbissen auf Erfolg ausgerichtet, und die Wenigsten können den Weg und die damit verbundenen Hürden zum Ziel spielerisch nehmen und Rückschläge als einen Erkenntnisgewinn und wertvollen Entwicklungsschritt sehen. Es entspricht unserer deutschen Mentalität, dass Scheitern unter allen Umständen vermieden wird; somit ist es auch keine Option. Hoffnung geben allerdings die vielen neu gegründeten Start-ups: Diese Generation hat begriffen, dass Fehler machen, scheitern dürfen und wieder aufstehen, wichtige Lernerfahrungen sein können.

"Scheitern gehört zum Leben dazu, und der Umgang damit will gelernt sein."

Mut zum Scheitern haben

Der Controller Michael Reiners (Name von der Redaktion geändert) ist vor einem Jahr zum Finanzleiter befördert worden. Im Zuge der Transformation soll er mit seinem neu formierten Team die Controlling-Prozesse digitalisieren. Anspruchsvolle Aufgaben warten auf ihn: Er muss neue MitarbeiterInnen einarbeiten und entscheiden, wer welche Projekte übernehmen kann. Konnte er früher schnell Entscheidungen treffen, schiebt er die anstehenden Themen nun vor sich her. Die Angst als Führungskraft zu scheitern und so den Erwartungen der Geschäftsleitung nicht gerecht zu werden, lähmt und macht ihn entscheidungsunfähig.

Wie dem Finanzleiter geht es vielen Führungskräften: Um ein Scheitern und eine Stigmatisierung durch das Umfeld zu umgehen, werden Risiken ausgewichen und anstehende Entscheidungen in der Abteilung bis zum Exzess geprüft und bewertet. Der stetige Versuch, Niederlagen zu vermeiden, ist aber Sisyphusarbeit und leugnet die Tatsache, dass wirklicher Erfolg erst durch Scheitern möglich wird.

Scheitern: Niederlagen als Lernchance

Beim persönlichen Umgang mit Niederlagen zeigen sich Führungsqualitäten – nämlich die Akzeptanz von Fehlern und einem möglichen Scheitern. Eine große Rolle spielt hierbei die Unternehmenskultur, die anerkennt, dass Fortschritt nur möglich ist, wenn man auch dem Scheitern Raum gibt und Misserfolge erlaubt. Oft machen Führungskräfte die Erfahrung, dass sie gebrandmarkt werden, wenn sie einen Misserfolg zum Beispiel in einem Meeting vor versammelter Mannschaft zugeben.

Mit der scheiterfähigen Kultur, die Niederlagen als Lernchance ansieht, steht und fällt, ob eine Führungskraft risiko- bzw. entscheidungsfreudig sein kann, ob anstehende Veränderungen durchgesetzt oder selbstwertschonend schleppend oder gar nicht umgesetzt werden. Diese Entscheidungsohnmacht hat eine negative Wirkung auf die MitarbeiterInnen, die sich aus ihren Ängsten heraus wegducken und keine Verantwortung übernehmen wollen oder dürfen.

Damit MitarbeiterInnen frei und kreativ agieren können, braucht es zunächst eine gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Geschehenen: Was ist warum schief gelaufen? Was haben wir nicht bedacht? Diese Fragen tragen zum Erkenntnisgewinn bei und richten den Blick auf den notwendigen Kurswechsel. Wichtig dabei: Das Scheitern bewusst zu akzeptieren, die MitarbeiterInnen in die Aufarbeitung einzubeziehen und ihre Ideen wertzuschätzen.

Gescheiterte verdienen Anerkennung

Machen Führungskräfte eine Scheiter-Erfahrung sind sie meist emotional sehr betroffen; oft stellen sie sich als Person infrage und es können Versagensängste entstehen, weil sie befürchten, den Erwartungen und Ansprüchen anderer nicht zu genügen, sie zu enttäuschen und Beziehungen zu wichtigen Menschen zu verlieren. Für die Betroffenen ist es daher wichtig, zunächst ein Selbstmitgefühl zu entwickeln und sich ihren Selbstwert bewusst zu machen.

Dass Scheitern im Leben vorkommt und Fehler menschlich sind, wissen auf der intellektuellen Ebene die meisten Menschen. Die Herausforderung ist jedoch, mit sich selbst in Berührung zu kommen und sich auch emotional von seinen Ängsten und Schuldgefühlen zu lösen. Dennoch kann man nicht immer gleich Gutes im Scheitern sehen, wenn man drinsteckt. Es muss gut verarbeitet werden – und das braucht Zeit und auch die Neugier und den Mut, sich auf sich selbst einzulassen. Die Kunst ist, sich eine aufrechte Haltung zu bewahren und sich trotz der Niederlage nicht als Versager zu fühlen.

"Wer scheitert, verdient Anerkennung, weil er gehandelt hat!"

Für gutes Scheitern: Selbstwertgefühl und Resilienz

Ein Coach als Sparringspartner kann bestärkende Impulse setzen und dabei unterstützen, den Selbstwert zu stärken. Mittels reflexiver Fragen wird im Coaching ergründet, was den Betroffenen jenseits von „idealisierten“ Leistungen und Erfolgen ausmacht. So kann er sich seinen Wert bewusst machen, und die Fixierung auf möglicherweise überzogene Ideale können nach und nach los gelassen werden. Wer ein gutes Selbstwertgefühl hat, kann sich auch eher erlauben, einen Kurs zu korrigieren, Umwege in Kauf zu nehmen oder sich von einem zu hoch gesteckten Ziel zu verabschieden. Dadurch gelingt es eher, sich von Äußerlichkeiten und Erwartungen oder vom Verhalten anderer unabhängiger zu machen.

Um mit Fehlern und Scheitern produktiv umzugehen und damit Krisen besser abfangen zu können, braucht es resiliente Führungskräfte. Außerdem einen wertschätzenden Umgang im Führungskreis mit Gescheiterten – nicht nur mit anderen, auch vor allem mit sich selbst und dass kann zu einem bedeutenden Meilenstein führen, wenn es rational und emotional verarbeitet wird.

Gescheitert zum Erfolg

 Wie Scheitererfahrungen Menschen reifer und reicher machen:

  • Bei jeder Entscheidung - sowohl beruflich als auch privat - von Anfang an anzuerkennen, dass Scheitern auch immer eine Option sein kann
  • Selbstverantwortung übernehmen! Nicht die Schuld woanders suchen und so Umfeld und Umstände für sein Scheitern verantwortlich machen. Das verhindert, dass man aus dem Misserfolg lernt
  • Nicht im blinden Aktionismus alles dafür tun, um das Scheitern ganz schnell zu überwinden. Innhalten ist angesagt! Innehalten trägt dazu bei, sich bewusst wahrzunehmen, seine Handlungsweise geduldig zu hinterfragen, um so einen nachhaltigen Kurswechsel einzuleiten
  • Sich den persönlichen Ängsten und Befürchtungen in einem Scheiter-Prozess zu stellen und um Unterstützung zu bitten, ist eine Kompetenz
  • Die Kunst liegt nicht einzig und allein in einer erfolgreichen Überwindung des Scheiterns, sondern vor allem in der Fähigkeit, dass Unfassbare und Ungewisse aushalten zu können
  • Ein wertschätzender Umgang mit sich selbst! Wer nicht achtsam mit sich nach einem Scheitern umgeht und immer nur "macht", scheitert erst recht an sich selbst

 

Über die Autorin

Als Coach, Konfliktberaterin und Persönlichkeitsentwicklerin ist Gerda Bornschier in München und überregional tätig. Ihre Schwerpunkte sind Coachings für Privatpersonen in Umbruchsituationen und in Phasen der Neuorientierung sowie Coachings für Fach- und Führungskräfte und Executives auf dem Weg in die neue Arbeitswelt.

Quelle: unternehmer.de

 

13 September 2019

Scheiter heiter! Teamhöchstleistungen durch Fehler-Kultur

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Scheiter heiter! Teamhöchstleistungen durch Fehler-Kultur

Wir lernen früh, dass Fehler schlecht sind. Dabei ist Scheitern menschlich und kann einen Wettbewerbsvorteil schaffen.

„Bin ich inspiriert, geht alles gut, doch versuche ich es richtig zu machen, gibt es ein Desaster.” (Keith Johnstone)

Dieser Satz vom Begründer des modernen Improvisationstheaters bringt ein typisches Dilemma zum Ausdruck. Durch das Bestreben, alles richtig zu machen und keinen Fehler zu begehen, erreichen wir oft das genaue Gegenteil. Das Problem: Die meisten von uns haben seit der Grundschule verinnerlicht, dass jeder Fehler bestraft wird und zu viele Fehler zu einem negativen Feedback führen. Mögliche Folgen sind Sitzenbleiben oder Durchfallen, später dann schlechte Karriereperspektiven. Dabei gibt es spannende Beispiele, wie gerade Scheitern zum Erfolg führte:

Thomas Edison brauchte, so die Legende, 9.500 erfolglose Versuche, bis er schließlich eine Glühbirne in Händen hielt, die funktionierte. Der schottische Bakteriologe Alexander Fleming vergaß 1928 eine Probe im Labor. Es bildete sich ein Schimmelpilz, der die Bakterien in der Probe vernichtete. Dies war der Anfang von Penicillin. Charles Nelson Goodyear ließ 1839 versehentlich ein Stück Gummi-Schwefel-Gemisch auf eine heiße Herdplatte fallen und entdeckte, dass es nicht schmolz: Die Grundlage für die Erfindung des Gummireifens. Ursprünglich sollte ein neuer Super-Klebstoff erfunden werden. Leider war der neue Klebstoff viel zu schwach. Dann hatte jemand die Idee, diesen Klebstoff auf Zettelchen aufzutragen. Der Vorteil: Man konnte sie leicht wieder ablösen. Ihr Name: Post-Its.

Jäger des verlorenen Kundennutzens

Jedes Unternehmen ist auf einer Mission, die Bedürfnisse der eigenen Kunden zu erfüllen. Nur wenn das Unternehmen Ideen hat, wie es diesen Kundennutzen besser als alle anderen herstellt, hat es ein einzigartiges Verkaufsversprechen, eine USP. Unternehmen, die sich darauf verlassen, dass das was heute funktioniert auch noch morgen klappen wird, werden Schwierigkeiten bekommen.

Es gibt nur einen Weg, Kunden auch in Zukunft stets das anzubieten, was sie brauchen und wollen: Man muss mehr Ideen haben, als die Mitbewerber. Ob sich diese Ideen auf das Produkt bzw. die Dienstleistung, auf die Vertriebswege, die Marketingstrategie, auf Kostenvorteile oder auf eine bessere Personalpolitik auswirken, ist zunächst mal zweitrangig. Entscheidend ist zuerst, die MitarbeiterInnen in die Lage zu versetzen, überhaupt diese Ideen zu haben.

Die erste Idee ist nie perfekt

Nun wird sich so mancher denken: Na, ich habe doch nichts dagegen, dass meine MitarbeiterInnen Ideen haben! Wenn sie gut sind, kann man gerne mal drüber reden …

Doch hier lauert die Falle der Kreativität: Sie liefert nur selten und nur zufällig auf Anhieb punktgenaue Lösungen. Eine erste Idee muss formuliert, hin- und hergeschoben, verändert, variiert und bearbeitet werden. Das bedeutet zunächst die Freiheit, ins Unreine zu denken. Erst im zweiten Schritt dann erfolgt die Zuspitzung, Bewertung und Ausformulierung. Nicht umsonst gehen Kreativitätstechniken genau nach diesem Muster vor. Aber nicht immer ist Raum für die Anwendung solcher Techniken.

Zum Glück hilft es aber schon, an der Team- oder Unternehmenskultur zu arbeiten und den MitarbeiterInnen das Gefühl zu geben: Ihre Ideen sind willkommen – egal, ob sie sich dann als tauglich erweisen oder eben nicht. Sie werden auch gehört und wertgeschätzt, wenn sie abwegig oder verrückt sind. Wichtig ist nur, dass die MitarbeiterInnen sich trauen und dem eigenen Gefühl vertrauen können, worüber es sich lohnt, im nächsten Meeting zu reden.

Wie stellt man diese Scheiter-Heiter-Mentalität her? Das Zauberwort heißt Psychological Safety.

Psychological Safety: Ihre MitarbeiterInnen werden Sie lieben

“Ohne Vertrauen gibt es kein Team”, so eines der zentralen Erkenntnisse einer zweijährigen Studie von Google. Die Teams mit der besten Performance haben demnach eines gemeinsam: Psychological Safety. Die Harvard-Professorin Amy Edmondson hat in einer eigenen Studie mit 51 Teams dasselbe Ergebnis erreicht. Ihre Definition:

“Psychological Safety ist der Glaube daran, nicht bestraft oder gedemütigt zu werden, wenn man sich traut, eigene Ideen, Fragen, Bedenken oder Fehler anzusprechen.“

Das entscheidende Ergebnis beider Studien: Diejenigen Teams, in denen die MitarbeiterInnen mehr Fehler machten und dazu stehen konnten, waren die erfolgreicheren. Nur wenn es gelang, eine Teamkultur zu kreieren, in der man sich wohl fühlte, den Anderen vertraute und der Umgang mit Fehlern wohlwollend war, konnte man das volle Potenzial des Teams erreichen. Die Harvard-Professorin Amy Edmondson hat einen sehr sehenswerten TEDTalk dazu gehalten.

Scheiter Heiter: Auf dem Weg zu leistungsfähigen Teams

In bestehenden Teams ist Psychological Safety und eine wertschätzende Fehlerkultur von großem Wert, gerade dann, wenn Ideen, Innovationen und neue Lösungen zum Wettbewerbsvorteil werden. Der Weg dorthin fängt, ja wo sonst, bei Ihnen als Führungskraft an:

  • Werden Sie zum Vorbild: Stehen Sie zu Ihren Fehlern. Erbitten Sie Feedback. Öffnen Sie sich für ungewöhnliche Vorschläge. Arbeiten Sie an Ihrem inneren Fehlerdialog.
  • Ermutigen Sie aktives Zuhören: Verzichten Sie auf Smartphones bei Meetings, fragen Sie nach Meinungen und fragen Sie auch mal die stilleren Team-Mitglieder.
  • Schaffen Sie ein sicheres Umfeld: Achten Sie darauf, dass man sich ausreden lässt. Vermeiden Sie Schuldzuweisungen. Bestärken Sie gerade die Ideen, die sich ungewöhnlich anhören.
  • Sehen Sie Konflikte als Chance: Gehen Sie den Interessen Ihrer MitarbeiterInnen auf den Grund. Suchen Sie nach der Win-Win-Situation, nicht nach dem schnellen Kompromiss.
  • Entwickeln Sie mit ihrem Team ein offenes Mindset: Erarbeiten Sie sich eine nachhaltige Feedback- und Kritikkultur. Finden Sie die Kommunikationsweisen, die den Bedürfnissen Ihres Teams entsprechen. Versuchen Sie gemeinsam, Kritik als Chance zum Lernen zu sehen, nicht als Kränkung. Seien Sie neugierig auf Ideen.

Wenn Sie Ihr Team als eine Gruppe aus Menschen mit eigenen Bedürfnissen und Ängsten verstehen, sind Sie auf dem richtigen Weg. Ihre MitarbeiterInnen sind diejenigen, die sich mit ihrer jeweiligen Aufgaben am allermeisten beschäftigen. Scheitern Sie gemeinsam heiter und vermeiden Sie die Gefahr, dass ein/e MitarbeiterIn eine entscheidende Ressource zurückhält: Seine/Ihre Ideen.


TIPP

Scheiter heiter – fangen Sie mit sich selbst an. Das ist ein Schritt hinaus aus der Komfortzone – aber einer, der sich lohnt. Wenn Sie klein anfangen wollen, achten Sie mal darauf, wer im nächsten Team-Meeting die meisten Redeanteile hat – Sie, oder die MitarbeiterInnen? Versuchen Sie mal, von allen Anwesenden am wenigsten zu sprechen.

Viel Erfolg dabei!

Autor: Florian Sußner, der Bühnenprofi im EinfachStimmig-Team

Quelle: Unser Geschäftspartner einfachstimmig

21 June 2019

Zu guter Führung gehört Selbstkritik

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Der konstruktive Umgang mit Misserfolgen

Zu guter Führung gehört Selbstkritik

Irren ist menschlich – es passiert aber am besten immer den anderen. Der Wirtschaftspsychologe Heinrich Wottawa hält genau diese Haltung von Führungskräften für einen Fehler. „Reifen Sie am Scheitern“, rät er Chefinnen und Chefs. Leichter gesagt als getan?

Faktor A: „Hat nicht geklappt – meine Schuld!“ Warum geht der Satz Führungskräften so schwer von den Lippen?

Heinrich Wottawa: Welche Führungskraft reduziert schon gern ihr Selbstwertgefühl? Je mehr Verantwortung sie trägt, umso mehr Mechanismen baut sie auf, um sich vor zu großen Sorgen zu schützen. Wenn sie erfolgreich ist, sieht sie sich selbst als Ursache dafür – wenn etwas schiefgeht, haben die anderen die Schuld. Das nennt man hedonistische Verzerrung. Das ist ein durchaus menschliches Verhalten und keineswegs pathologisch. Würde die Person sich bei jedem Fehler für einen Versager halten, hielte sie den Job nicht lange durch. Trotzdem ist es unheimlich wichtig zu erkennen, wenn man seinen Teil zu Misserfolgen beigetragen hat.


Warum ist das gut?

Am Scheitern kann man reifen, gerade weil vertraute, überkommene Muster aufgebrochen werden und man sich neu orientieren muss. Wenn man ganz ohne „Abstürze“ vom kleinen zum mittleren, zum größeren Erfolg schreiten will, ist es außerordentlich schwer, eine markante Persönlichkeit zu werden. Den meisten, die das anstreben, fehlt es an Substanz und innerer Sicherheit. Viele Gescheiterte sagen ein bis zwei Jahre später, dass sie ihre jetzige zufriedenstellende Situation ohne das Tief in der Vergangenheit nie erreicht hätten.


Gehen Frauen anders mit Misserfolgen um?

Frauen neigen im Durchschnitt weniger zu hedonistischer Verzerrung. Sie trauern eher bei einem Misserfolg, aber lernen mehr daraus. Männer führen Probleme nicht so deutlich auf die eigene Person zurück, das wiederum kann aber zu Wiederholungen führen, weil man dann ja keinen Grund hat, an sich selbst zu arbeiten.


Ich bin an einem neuen Konzept gescheitert, durch das einige Mitarbeiter ihren Job verloren haben. Schwamm drüber?

Nein, wenn ein Führungsfehler sich zum Beispiel mehrfach wiederholt und auf Inkompetenz fußt, wäre es schlauer, seine Fähigkeiten zu steigern oder sich einen anderen Job zu suchen. Selbstreflexion und Selbstkritik gehören zu guter Führung.

Ist es in Unternehmen salonfähiger geworden, etwas gegen die Wand zu fahren?

Ich denke ja, aber noch längst nicht in ausreichendem Maße. Das Reden über das Scheitern hat sich geändert, etwa das Bekenntnis zur Suche nach Lösungen und nicht vor allem nach Schuldigen.


Was sind die größten Hürden?

Leider liegen die größten Hürden in der Unternehmenskultur, wenn das Credo lautet: „Wir sind immer ganz toll!“ Dann werden Schuldige gesucht, wenn etwas schiefläuft, und das sind gleichzeitig die Versager. In meiner Zeit als Berater habe ich viele Menschen in unterer Führungsebene kennengelernt, die in ihrer Aufstiegsphase gute Konzepte für eine bessere Kultur des Scheiterns hatten. Irgendwann haben viele davon sich aber auch an die informellen Spielregeln angepasst. Sie wurden mürbe gemacht.


In den USA heißt es „learn to fail“ – warum tut man sich hierzulande so schwer damit?

Hier geht es um Fehlerkultur – das ist etwas anderes, aber nicht weniger wichtig. Ich glaube, dass eine mangelnde Fehlerkultur historisch bedingt ist. Preußen war ein hierarchisches Staatsgebilde, das von einer rechtsstaatlichen Verwaltung und einem straff organisierten Heer „top-down“ geprägt war. In solchen Systemen bedeutet „Fehler“, dass man Vorschriften oder Befehle nicht oder falsch anwendet bzw. befolgt. Ein „learn to fail“ würde in einem solchen System heißen, dass man lernt, ohne persönliche Nachteile oder sogar mit Vorteilen davonzukommen, wenn man z. B. ein Gesetz bewusst missachtet. Das darf keine Verwaltung dulden, wenn wir einen Rechtsstaat haben wollen. In der Wirtschaft meint man mit „Fehlerfreundlichkeit“ ja auch nicht, dass man akzeptiert, dass Mitarbeiter bewusst oder aus Inkompetenz etwas falsch machen, sondern dass man kalkulierte Risiken eingeht, um Erfolge zu erzielen, etwa bei Personal- oder Investitionsentscheidungen. War die Chance für Erfolg vorher 80:20, sind nachträglich 20 Prozent der Entscheidungen „falsch“ gewesen, aber das muss man riskieren, wenn man Erfolge haben will. Und natürlich ist es notwendig, als Organisation und als Einzelner mit solchen „Fehlern“ vernünftig umzugehen.


Wie sieht also ein gesunder Umgang mit dem Scheitern aus?

Dafür gibt es keine Patentrezepte. Nur so viel: Wer an etwas scheitert, kann sehr unter Stress geraten. Starke emotionale Anspannung macht einen bei Routineaufgaben vielleicht schneller, bei komplexen Aufgaben finden wir aber schlechter Lösungen. Jetzt also bloß nicht hektisch Entscheidungen treffen! Regeln Sie den Stresspegel erst mal herunter. Dafür braucht jeder unterschiedlich lange. Nehmen Sie sich eine kurze Auszeit, wenn es geht. Fahren Sie auf eine Berghütte. Wichtig ist es, sich mit der Frage zu beschäftigen: Was will ich eigentlich?

Zur Person

Prof. Dr. Heinrich Wottawa, 70, hat lange als Wirtschaftspsychologe an der Ruhr-Universität Bochum gelehrt. Bis vor Kurzem war er geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens ELIGO, bei dem er unter anderem Führungskräfte beraten und Changeprozesse begleitet hat.

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

05 October 2018

Wie wir aus Fehlern lernen?

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Fehlerkultur bei Seibert Media

Wie wir aus Fehlern lernen?

Aus Fehlern lernt man. Das gilt besonders beim Internet-Dienstleister Seibert Media. Warum Fehler dort kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Mut sind, erklärt Paul Herwarth von Bittenfeld.

Der Internet-Dienstleister Seibert Media entwickelt mit rund 160 Mitarbeitern in Wiesbaden und San Diego Software- und Web-Projekte. Die Firma wurde 1996 von Martin Seibert als klassisches Unternehmen gegründet – mit Chef und Hierarchien. Vor neun Jahren leitete ein Software-Entwicklungsteam mit Unterstützung der Geschäftsführer eine agile Transformation ein. Nach erfolgreichen ersten Erfahrungen wurde die gesamte Organisation „agilisiert“. Seitdem gibt es keinen Chef und keine Hierarchien mehr. Wenn beispielsweise ein Problem gelöst, ein Mitarbeiter eingestellt oder Gehälter bestimmt werden sollen, erfolgt die Entscheidung gemeinsam.

Für jeden solcher „Veränderungsprozesse“ muss sich ein Change-Team finden, man muss also andere von der Dringlichkeit und Wichtigkeit überzeugen und dann gemeinsam eine Lösung finden. Damit lässt man auf der einen Seite zu, dass eine Idee scheitert, weil sie keinen Zuspruch oder Konsens findet. Auf der anderen Seite wird Verantwortung geteilt und damit wiederum das Risiko einer falschen Entscheidung beziehungsweise eines Scheiterns vermindert. Paul Herwarth von Bittenfeld, von Anfang an im Unternehmen dabei, erfindet sich öfter neu: Er war schon Projektmanager, Leiter Unternehmensbeteiligungen, Geschäftsführer und Mentor. Derzeit sieht er seinen Schwerpunkt im Bereich Geschäftsmodell- und Produktentwicklung. Er berichtet, wie man bei Seibert Media mit Fehlern umgeht.

Ohne Vertrauen keine Fehlerkultur

„Große Veränderungen passieren, wenn man große Schmerzen hat oder große Visionen. Bei uns war es Letzteres. Wir waren damals 35 Leute und hatten in unserem agilen Pilotprojekt ein echtes Aha-Erlebnis. Seitdem wollen wir eine Arbeitswelt schaffen, in der verstanden wird, dass echte Zusammenarbeit in Teams zu optimalen Ergebnissen führt. Um das zu verwirklichen, kommunizieren wir nicht nur intern ganz offen, sondern auch mit unseren Kunden.

Jeden Morgen kommen alle Teams zu Daily Stand-ups zusammen. Jeder beantwortet die drei Fragen: Was habe ich gestern getan, um unsere Ziele zu erreichen? Was werde ich bis morgen tun, um unsere Ziele zu erreichen? Was hindert mich/uns aktuell daran, unsere Ziele zu erreichen? In dieser Viertelstunde synchronisieren sich alle Teammitglieder. Man kann offen sagen: Ich hänge hier und komme nicht weiter, dann springen die Kollegen mit ein und unterstützen. Unsere Grundmaxime lautet: Jeder innerhalb des Teams hat sein Bestes gegeben. Auch wenn etwas nicht gut gelaufen ist, ist jeder mit der Intention herangegangen, optimale Ergebnisse zu erzielen.

„DIE GESCHÄFTSFÜHRUNG TRAUT IHREN LEUTEN ZU, GUTE ARBEIT ZU LEISTEN.“

Das zentrale Element und die Grundvoraussetzung einer Fehlerkultur heißt Vertrauen. Das beginnt in der Geschäftsführung, die ihren Leuten zutraut, motiviert zu sein und gute Arbeit zu leisten. Im Grunde scheitert es oft schon an der Einstellung, dass jeder Beteiligte sein Bestes gibt. Vielen Führungskräften, mit denen wir zusammenarbeiten, fällt es schwer, diese Haltung in Bezug auf ihre Mitarbeiter anzunehmen. In vielen klassischen Organisationen traut man sich oft nicht zu äußern, wenn was schiefläuft. Dahinter steckt die Befürchtung: Die anderen denken, ich bin inkompetent.

Konstante Rückschau macht Fehler sichtbar

Wir arbeiten mit Kunden ausschließlich mit dem agilen Ansatz zusammen: Alle zwei Wochen sehen wir uns mit dem Kunden den Projektfortschritt an. Wenn wir nicht innerhalb von zwei Wochen liefern können, wie es besprochen war, ist das direkt sichtbar. Die Teams machen nach der Kundenpräsentation eine Retrospektive, in der sie über die Zusammenarbeit reflektieren. Da führen wir intensive Diskussionen darüber, was gut und was nicht gut funktioniert hat. Und es werden direkt umsetzbare Verbesserungsmaßnahmen besprochen. Wenn jemand genau wissen will, was er von uns in zwölf Monaten geliefert bekommt und sich dann erst wieder zur Ergebnispräsentation ein Jahr später blicken lassen will, funktioniert das nicht.

Durch die Rückschauen und eine überwiegend konstante Teambesetzung auch in länger laufenden Projekten fällt schon sehr früh vieles auf, was schiefzulaufen droht. Dadurch vermeiden wir große Fehler, beispielsweise, dass ein Budget aus dem Ruder läuft. Man braucht ein gewisses Maß an Akzeptanz, dass sich Dinge nicht immer vorhersehen lassen. Deshalb versuchen wir nicht, die perfekte Planung zu machen, sondern experimentell schnell zu lernen. Früh im Kleinen analysieren birgt ein Riesenpotenzial.

„WENN MAN FEHLER OFFEN ANSPRICHT, ENTSTEHT VERTRAUEN.“

Wir dokumentieren jeden Fehler in unseren Kollaborationssystemen, auf die Mitarbeiter und Kunden zugreifen können. Neue Kollegen reagieren häufig erst einmal geschockt. Manche stellen sich schnell um, andere kommen nie in diesen Modus, dort fehlt der Cultural Fit. Für uns hat sich sowohl in der internen Zusammenarbeit als auch in der Arbeit mit Kunden herausgestellt, dass es hilft, wenn man Fehler selbst offen anspricht. Denn so entsteht Vertrauen.

Es gibt Fehler, die passieren, weil man Infos zurückhält oder weil man schusselig war. Diese Fehler wollen wir natürlich vermeiden. Dann gibt es aber auch welche, aus denen man lernen kann, die auf mutigen Hypothesen basieren und die einen weiterbringen. Wenn sich diese als falsch herausstellen, dann tut das weh, das kann auch mal richtig viel Geld kosten. Dennoch feiern wir sie, denn bei diesen mutigen Fehlern haben wir als Organisation bisher am meisten gelernt. Wenn wir es schaffen, in acht von zehn Fällen so vorzugehen, sind wir schon gut aufgestellt. Generell würde ich aber sagen, wir können uns noch mehr trauen, das Risiko mutiger Fehler einzugehen.“

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

14 September 2018

Ich war's! Wie Betriebe mit Fehlern umgehen

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Fehlerkultur im Mittelstand

Ich war's! Wie Betriebe mit Fehlern umgehen

Sie haben einen Fehler gemacht? Ups! Zwar ist nicht der gesamte Betrieb in Gefahr, aber ein Kunde droht abzuspringen. Wie müsste das Unternehmen sein, in dem Sie sich trauen zu sagen: „Ich habe Mist gebaut!“? Es bräuchte ein vertrauensvolles Betriebsklima, in dem eine Fehlerkultur gedeiht. Doch was ist das eigentlich?

Der Begriff Fehlerkultur wirft Fragen auf: Ist es ein Freibrief, künftig mehr Fehler machen zu dürfen? Soll der Umgang mit Missgeschicken menschlicher werden – nach dem Motto „Ist doch halb so schlimm …“ statt „Mensch, Meier, wie konnte Ihnen das durchgehen? Ihre Prämie ist gestrichen!“? Fehler sind das, was eigentlich nicht passieren dürfte, aber täglich passiert. „Jeder Mensch macht Fehler, so zwischen zwei und vier pro Stunde, wobei Fehler nicht gleich Fehler ist“, erklärt Michael Frese. Der Professor für Psychologie, Innovationsforschung und Entrepreneurship an der Leuphana Universität Lüneburg und der National University of Singapore forscht seit mehr als 30 Jahren zum Thema Fehlermanagement. Er konstatiert: „Fehler sind das unerwünschte Ergebnis eines Prozesses. Sie weichen von der vorgegebenen Norm ab.“

Und sie sind teuer. Je später ein Mangel erkannt und korrigiert wird, desto kostspieliger wird es. Gar nicht zu sprechen von Imageschäden, Kundenverlusten und Vertrauenseinbußen. Am teuersten sind vertuschte Fehler. Prof. Frese schildert das Ausmaß: „Nehmen wir ein Fließband, an dem ein Patzer passiert. Korrigiere ich den sofort, kostet das einen Euro, nach dem ersten Abschnitt zehn, am Ende des Bandes 100 und wenn das Produkt auf dem Markt ist und zurückgenommen werden muss weit über 1.000 Euro.“ Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei es daher entscheidend, Fehler sofort offenzulegen. „Sie sind eine Ressource, sie zeigen uns Spielräume für Verbesserungen. Deshalb ist es wichtig, ein Fehlermanagement einzuführen“, sagt Michael Frese.


„JEDER MENSCH MACHT FEHLER, SO ZWISCHEN ZWEI UND VIER PRO STUNDE.“ (MICHAEL FRESE)

In Unternehmen zwischen 100 und 500 Mitarbeitern hat der Wissenschaftler untersucht, was Fehlermanagement bewirkt. Das Ergebnis: Betriebe mit einer hoch entwickelten Fehlerkultur arbeiten profitabler und deutlich innovativer als solche, in denen die Angst vor Patzern lähmt. Kosten sinken, weil aufgrund geringer Fehlerquoten kaum Material verschwendet wird, potenzielle Fehlerquellen sind bekannt, wodurch Schäden verhindert werden können. Weniger Reklamationen bedeuten schließlich höhere Kundenzufriedenheit, und alles zusammen steigert die Wettbewerbsfähigkeit.

Andere Länder, andere Fehlerkultur

Diese Vorteile erkennen immer mehr kleine und mittlere Unternehmen. Prof. Frese erklärt: „Zum einen hängt das mit dem digitalen Wandel zusammen. Firmen nutzen automatisch mehr Softwarelösungen. Da es aber keine fehlerfreie Software auf dem Markt gibt, bleibt den Firmen gar nichts anderes übrig, als sich darauf einzulassen, Entwicklung und Korrekturen zuzulassen und auf Perfektion zu verzichten. Zum anderen haben die Unternehmen im Zuge der Globalisierung gemerkt, dass andere Länder mit Irrtümern kulanter umgehen, und sie schneiden sich davon eine Scheibe ab.“

Die Zeiten, in denen allein Vorschriften und Standards Schnitzer vermeiden halfen, sind längst vorbei. Im digitalen Wandel, zwischen Verunsicherung und Aufbruchstimmung, sind frische Konzepte für Geschäftsmodelle, Strategien, Unternehmenskultur, Mitarbeiterführung und vieles mehr gefragt. Ohne Fehler kann Neues nicht entstehen. „Wer keine Pannen erlaubt, erstickt Innovation“, sagt der Experte. Das wiederum erfordert Umdenken und Veränderung, was zunächst unbequem und anstrengend ist. Es braucht etwas, das der bislang vorherrschenden Fehlerkultur fremd ist: Vertrauen und eine neue Sichtweise, nämlich die Freude, Probleme zu lösen, anstatt nachzubeten: „Das haben wir schon immer so gemacht!“


„OHNE FEHLER KANN NEUES NICHT ENTSTEHEN.“


Zentrales Element eines Fehlermanagements muss es sein, Versäumnisse erstens offenzulegen und dies zweitens frühzeitig zu tun. Statt sich aufzuregen, mit Beschimpfungen, Tobsuchtsanfällen, Sündenbocksuche oder Sozialstrafen zu reagieren, begibt man sich auf Fehlersuche, analysiert Mankos, arbeitet die Ursachen heraus und leitet Maßnahmen ein, um künftigen Missgeschicken vorzubeugen. Doch ganz gleich, ob im Gesundheitswesen, in der Baubranche oder der IT-Firma: Wer Fehlermanagement betreibt, muss zunächst den Boden dafür bereiten.

So führt man Fehlermanagement ein

In der Regel beginnt es ganz oben. Die höchste Führungsebene verdeutlicht allen Beteiligten, dass Fehler ab sofort weder verschleiert noch sanktioniert werden. „Am besten geht die Geschäftsführung mit gutem Beispiel voran und fängt an, selbstkritisch über eigenes Scheitern zu berichten“, sagt Michael Frese. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: vom gemeinsamen „Fehler-Frühstück“, bei dem berufliche Fehltritte nicht aufs Brot geschmiert, sondern lösungsorientiert diskutiert werden, über ein „goldenes Fehlerbuch“, das Lernerfolge durch Schwachstellen für alle Beschäftigen einsehbar macht, bis hin zur regelmäßigen Rückschau, die sowohl klärt, was gut gelaufen, aber auch was verbesserungswürdig ist. Michael Frese: „Dass es funktioniert, zeigen Hunderte von Beispielen, unter anderem in der Flugbranche oder in der medizinischen Industrie.“ Nicht allein Erfahrung, sondern vor allem Reflexion macht klug.
Gute Aussichten hat das Kommando „Fehler frei!“, wenn allen Beteiligten der Handlungsbedarf klar ist, sie möglichst frühzeitig eingebunden sind und beharrlich nachgesteuert wird. Ist dies der Fall, ergibt sich daraus unweigerlich eine Diskussion über Lösungsmöglichkeiten für Fehlerquellen. Entscheidend ist hierbei Konsequenz: „Weder das Vertuschen noch das Sanktionieren der Meldung von Fehlern darf hingenommen werden“, sagt Michael Frese.
Mit Rückschlägen und Widerständen ist zu rechnen. Ausrutscher zuzugeben ist nicht jedermanns Sache. Fehler sind peinlich. In unserem Kulturkreis gelten sie als Folge mangelnder Sorgfalt oder geringer Intelligenz. Fehlerkultur bedeutet, ein Klima zu schaffen, in dem Fehler, Risiken und Folgen offen thematisiert werden. Die richtige Frage lautet demnach also künftig nicht mehr: „Wie konnte das passieren?“, sondern: „Seit wann wissen Sie das?“

Zur Autorin - Annette Vorpahl

Annette Vorpahl ist Autorin, Coach und Organisationsberaterin. Sie begleitet Unternehmen im kulturellen Wandel: bei der Einführung eines Fehlermanagements, einer Streitkultur, altersgerechter Führung, generationenübergreifender Teamarbeit, Entwicklung von Werten, Visionen und Leitbildern sowie beim Auf- und Ausbau von Kompetenzen im digitalen Wandel.

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

13 April 2018

Sieben Thesen für die neue Arbeitswelt

Posted in Coaching, Führung, Leadership

Erfahrungen des New-Work-Experten Andreas Vollmann

Sieben Thesen für die neue Arbeitswelt

Wenn Andreas Ollmann über neue Arbeits- und Organisationsformen spricht, dann tut er das aus Erfahrung. Mit seiner Agentur Ministry Group probiert er seit fast fünf Jahren aus, wie die Zukunft der Arbeit funktioniert – und wie nicht. Seine New-Work-Erfahrungen hat er für Faktor A in sieben Leitsätzen zusammengefasst.


Ich starte mal gleich mit einer Binsenweisheit: Digitalisierung verändert alles, jede Branche, jeden Job. Das heißt, jeder im Management muss sich und sein Unternehmen darauf einstellen. Niemand kann sagen: „Mit uns hat das alles nichts zu tun.“
Wobei: Natürlich kann man das sagen. Es könnte aber sehr gut sein, dass es Ihr Unternehmen dann schon sehr bald nicht mehr gibt. Denn wir leben in exponentiellen Zeiten. Durch die Digitalisierung wird jede Veränderung prinzipiell einer exponentiellen Entwicklungskurve folgen, die also zuerst unscheinbar und dann sehr extrem ansteigt. Dieser „Hockey Stick“ gilt dabei nicht nur für Businesspläne von Start-ups, sondern eben für uns alle, für jede Veränderung, die durch die Digitalisierung beeinflusst wird.
Das Problem: Die Veränderung bewegt sich lange fast parallel zur x-Achse. Und ist damit deutlich unter dem Radar der etablierten Unternehmen. Aber sobald sie sich erst einmal so weit davon entfernt hat, dass sie die Radarflughöhe überschreitet, verdoppelt sich der Effekt mit jeder zusätzlichen Zeiteinheit. Das heißt: Wenn es wehtut, kann es schon zu spät sein, um noch zu reagieren. Diese Dynamik sind viele unserer Unternehmen aus ihren Märkten nicht gewohnt.


Hierarchiefreie Teams bei der Ministry Group

Bei der Ministry Group haben wir vor mehreren Jahren einen Restrukturierungsprozess gestartet, der uns erlauben soll, uns auf diese Zeit einzustellen. Konkret: Wir haben zum Beispiel 2013 eine Struktur geschaffen, die aus crossfunktionalen, eigenverantwortlichen und hierarchiefreien Teams besteht. Wir haben diese Teams „X-Teams“ genannt. Diesen Teams haben wir möglichst viel Entscheidungsspielraum gegeben. Und sie aus dem Management als „Serviceteam“ unterstützt.

Wir sind mit einem sehr freien Ansatz gestartet, haben den Teams viel Freiraum gegeben. Zu viel, wie wir bald lernten: Wir haben unterschätzt, wie sehr wir Menschen durch unser heutiges Bildungssystem geprägt sind, das nicht unbedingt Eigenverantwortung, Mut oder Experimentierbereitschaft fördert. Wir waren auch zu radikal, was die Themen Hierarchiefreiheit und Eigenverantwortung angeht. Wir haben den Begriff Hierarchie bewusst verneint. Um zu erreichen, dass sich die Menschen bei uns mit Alternativen zur klassischen Hierarchie beschäftigen.
Aber wir haben einige damit überfordert. Wir haben dann im Lauf der Zeit unsere Konzepte überprüft und angepasst. Und sind heute auf einem guten Weg. Die Erfahrungen der letzten drei Jahre haben uns als Organisation weitergebracht. Wir haben in dieser Zeit eine Menge Erfahrungen gesammelt. Und viel gelernt.

Sieben Thesen zu „New Work“

Unsere wichtigsten Erkenntnisse habe ich in den folgenden sieben Thesen zusammengefasst. Sie alle drehen sich um neue Arbeits- und Organisationsformen, also das, was Frithjof Bergmann „New Work“ nennt. Über jede einzelne These kann man stundenlang diskutieren – hinterlassen Sie daher gerne Ihre Meinung bei den Kommentaren am Ende des Textes.

1. Warum gibt es Ihr Unternehmen eigentlich?

Alle Unternehmen können sagen, was sie tun. Die meisten Unternehmen werden auch kein Problem damit haben, zu sagen, wie sie es tun. Aber der Kommunikationsexperte Simon Sinek hat absolut recht, wenn er fordert: „Start with why“ – fangen Sie mit dem Warum an. Definieren Sie, warum es Ihr Unternehmen gibt – und warum es auch im 21. Jahrhundert existieren sollte. Warum Sie und Ihre Mitarbeiter morgens in die Firma kommen sollten. Das ist der Kern Ihrer unternehmerischen Existenz. Ohne sich dieses Kerns bewusst zu werden, kommen Sie vom Weg ab.

2. Gehen Sie in die Bibliothek, aber suchen Sie kein Handbuch

Für „New Work“ gibt es kein Handbuch. Es gibt Ansätze, gemeinsame Prinzipien und Werte, aber jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Vergessen Sie vermeintliche Heilsbringer wie Holocracy, den Spotify-Weg oder die Methode Semco. Studieren Sie diese – und fragen Sie sich, was Sie daraus mitnehmen können. Aber sehen Sie sie als das, was sie sind: Lösungen, die für ein Unternehmen passen. Solange Sie nicht Spotify sind, hilft Ihnen der Spotify-Weg in Reinform wahrscheinlich nicht. Sie brauchen Ihren eigenen Weg, der zu Ihnen und Ihrem Unternehmen passt.

3. Die Hierarchie ist tot. Lang lebe die Hierarchie!

Bei Ministry haben wir für unsere Teamstruktur den Begriff „hierarchiefrei“ benutzt. Ganz bewusst, um zu provozieren. Machtpyramiden zementieren Strukturen, befördern die falschen Menschen (nämlich Machtmenschen), unterbinden das Mitdenken der „Untergebenen“, machen Unternehmen starr. Und das ist in einer hochagilen Umwelt tödlich. Was wir brauchen: wahre Führung. Menschen, die mit Begeisterung anderen Menschen helfen wollen, besser zu werden.
Führung heißt dienen. Und diese Führung wechselt in einer Gruppe – je nach Thema. Bei dem einen Thema führe ich. Weil ich es gut kann, mich auskenne, mich stark involvieren möchte. Bei einem anderen Thema folge ich. Dafür brauchen wir Strukturen, Systeme und letztlich auch andere Entlohnungsstrukturen. Und wir brauchen ein klares Bekenntnis, wie „Führung“ und wie „Folgen“ genau aussieht.

4. Voller Durchblick: radikale Transparenz

Alle im Unternehmen tätigen Personen haben das Recht, zu wissen, wie es dem Unternehmen geht. Und zwar möglichst umfassend. Natürlich gibt es Dinge, die erst einmal nur kleine Gruppen kennen und diskutieren sollten. Aber das meiste in einem Unternehmen sollte möglichst allen bekannt sein. Urlaubstage, betriebswirtschaftliche Kennzahlen, Gehälter, auch Pläne und Vorhaben. Dann können alle damit arbeiten.

5. Eigenverantwortung und Vertrauen

„Angestellte wie erwachsene Menschen zu behandeln, sollte zum gelebten gesunden Menschenverstand gehören. Gleichwohl ist es nicht gelebte Praxis.“ (Jurgen Appelo) Warum eigentlich nicht? Warum verzichten so viele Unternehmen auf so viel wertvolle Köpfe? Ich glaube, weil Führungskräfte nicht vertrauen. Und da sind wir beim Kern dessen, was das sogenannte neue Arbeiten ausmacht: Es geht um Vertrauen. Menschen, die Vertrauen bekommen und sich mit ihrer Firma identifizieren, werden dieses Vertrauen nicht ausnutzen. Mehr noch: Menschen haben ein sehr feines Gespür dafür, was sie sich zutrauen können und wo sie Hilfe brauchen.
Schaffen Sie darum ein System, das dafür sorgt, dass Ihr Unternehmen sich kontinuierlich entwickeln und an Marktveränderungen anpassen kann. Dazu müssen alle Teile Ihres Unternehmens in der Lage sein, in ihrem direkten Umfeld Veränderungen anzustoßen und durchzuführen. Das ist nicht einfach. Und man muss dafür eine Menge neuer Entscheidungswege üben. Und als Führungskraft muss man loslassen und vertrauen.

6. Wir brauchen (k)eine Fehlerkultur

Fehlerkultur ist ein furchtbares Wort. Ich hasse es. Sprache ist da übrigens auch entlarvend: Wir sprechen davon, dass jemand „Fehler macht“. Aber: Niemand „macht“ Fehler aktiv. Fehler passieren. Und der, dem sie passieren, ärgert sich darum meist mehr als jeder andere. Außerdem ist das Wort Fehlerkultur zu sehr auf Negatives fokussiert. Es geht nicht um Spaß an Fehlern, sondern um Spaß am Lernen. Lernen ist wichtig. Damit meine ich nicht Erwachsenenbildung, Klassenzimmer und Vorträge. Es geht darum, Spaß an Experimenten zu entwickeln, regelmäßig anzuhalten und zurückzublicken und aus dem zu lernen, was man getan hat. Ich glaube also: Wir brauchen eine Lernkultur!

7. Wir brauchen Zeit – und Geduld

Alle angesprochenen Veränderungen brauchen Zeit. Zeit, damit das System „Unternehmen“ lernt. Veränderungen, wie sie hier nötig sind, lassen sich eben nicht von heute auf morgen per Befehl von oben einführen. Hier muss überzeugt werden, und alle Teile des Systems müssen lernen. Und Lernen braucht eben Zeit. Also fangen Sie besser heute als morgen damit an.
Sie begeben sich übrigens auf einen Weg mit einem beweglichen Ziel. Facebook sagt von sich: „This journey 1% finished.“ Und zwar schon seit Jahren. Das meint: Es geht darum, auf den Weg zu gehen, nicht um die Erwartung des Ankommens. Sie werden nie „ankommen“ im Sinne eines faustischen „Verweile doch! Du bist so schön!“. Und das ist die gute Nachricht: Als Faust das sagte, war er tot.

Über den Autor

Andreas Ollmann ist geschäftsführender Gesellschafter der digitalen Kommunikationsagentur Ministry Group in Hamburg. Er beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie wir künftig arbeiten werden. Jährlich veranstaltet er mit Gleichgesinnten die Konferenz New Work Future.

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin