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02 Juli 2021

Homeoffice und Mobiles Arbeiten: Worauf sich Arbeitgeber langfristig einstellen sollten

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Die Konstanzer Homeoffice Studie von Professor Dr. Florian Kunze

Homeoffice und Mobiles Arbeiten: Worauf sich Arbeitgeber langfristig einstellen sollten

Die Coranakrise führt aktuell zu einer massiven Transformation der Arbeitssituation von Millionen Beschäftigten in Deutschland, die Büro- oder Wissenstätigkeiten nachgehen. Zu Beginn des ersten Lockdowns im März und April 2020 wurden plötzlich Millionen von Beschäftigten angewiesen mobil von zu Hause zu arbeiten. Repräsentative Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen, dass durch die Krise die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland im Homeoffice von 12 Prozent auf 33 Prozent gestiegen ist.

Generell besteht laut dem IFO Institut sogar ein Potenzial von fast 56 Prozent der Jobs in Deutschland, die im Homeoffice ausgeführt werden können.

Die Frage für Unternehmen und Beschäftigte ist über die aktuelle Pandemielage hinaus ist, wie nachhaltig diese Transformation der Arbeitswelt durch die Coronapandemie sein wird.

Wird es eine Veränderung der Arbeitssituation hin zu mehr Flexibilität und Mobilität geben die längerfristig anhält oder werden die meisten Beschäftigten nach dem Ende der Corona Lage wieder ins Büro zurückkehren? Erleben wir durch die Coronapandemie eine Veränderung hin zu mehr „New Work“, d.h. zu flexibleren Arbeitsarrangements, mit der Präsenzpflicht im Büro, nicht mehr als alleinigen Standard, wie bisher?

Die Konstanzer Homeoffice Studie

Aktuell führe ich mit meinem Forschungsteam an der Universität Konstanz die Konstanzer Homeoffice Studie durch, in der wir 700 Erwerbstätige befragen, die aktuell im Homeoffice arbeiten und die repräsentativ für die deutsche Erwerbsbevölkerung sind, um diese Fragen zu beantworten. Seit Beginn der Corona Pandemie im März 2020 haben wir die Studienteilnehmer an inzwischen 12 Befragungszeitpunkten befragt; zum letzten Mal zu Ende Januar 2021.

Basierend auf den ersten Studienergebnissen würde ich die These aufstellen, dass die coranabedingten Veränderungen der Arbeitswelt sehr nachhaltig sein werden. Was wir in der Studie sehen, ist, dass eine große Mehrheit der Befragten sehr zufrieden mit der neuen Arbeitssituation ist und ein hohes Engagement und Produktivität berichtet. Zusätzlich wird insbesondere auch die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, als besonders positiv während der Homeoffice Tätigkeit eingeschätzt.

Auch wenn das Arbeiten von zu Hause, durchaus auch Schattenseiten hat, wie eine soziale Isolierung und eine mögliche emotionale Erschöpfung, wenn man es nicht schafft seinen Arbeitstag gut zu strukturieren, dürfte es vielen Unternehmen schwerfallen nach Corona das Rad wieder komplett hin zu einer vollständigen Präsenzpflicht zurückzudrehen. Die Kultur in vielen Unternehmen, die Präsenz im Büro mit Leistung gleichsetzt, dürfte durchaus beträchtlich ins Wanken kommen und auch die Argumentation von Führungskräften, dass spezifische Bürotätigkeiten grundsätzlich nicht im Homeoffice möglich sind, dürfte schwer zu halten sein.

Beschäftige wünschen sich Hybride Arbeitsformen

Allerdings sehen wir in den Daten interessanterweise über die Zeit einen Rückgang der zeitlichen Präferenzen für das Arbeiten im Homeoffice (siehe Abbildung 1). Während zu dem Befragungszeitpunkt im Mai 2020, direkt nach dem ersten Lockdown, die höchste Zustimmung bei der persönlichen Präferenz noch bei drei Tagen Homeoffice pro Woche war, ist diese im Oktober 2020 auf zwei Tage zurück gegangen. Auch wollen deutlich weniger Befragte (-5 Prozent) komplett im Homeoffice arbeiten. Diese Daten machen deutlich, dass viele Arbeitnehmende sich eine hybride Form des Arbeitens mit einer Kombination von Präsenzarbeit und mobilen Arbeiten wünschen. In anderen Fragen der Studie sehen wir, dass die Studienteilnehmenden sowohl die Vorzüge der Präsenzarbeit für den sozialen Austausch und das kreative Zusammenarbeiten mit Kollegen und Kolleginnen schätzen, als auch die Vorteile des mobilen Arbeitens, wie mehr Ruhe und fokussiertes Arbeiten sowie den Wegfall des Pendelweges wahrnehmen.

Volle Rückkehr in Präsenzarbeit reduziert Engagement und erhöht die Erschöpfung

Zusätzlich machen unsere Daten auch deutlich, dass es der absolute falsche Weg für Unternehmen ist, bei einem Abflachen der pandemischen Situation wieder alle Mitarbeitenden in die volle Präsenzarbeit zurückzuholen. In unserer Studie konnten wir in den letzte beiden Erhebungswellen im Oktober 2020 und im Januar 2021 beobachten, dass es bei denjenigen Beschäftigten, die wieder in vollständiger Präsenzarbeit sind, einen Rückgang der Produktivität um fast 12 Prozent, im Vergleich zu denjenigen gab, die weiter mobil arbeiten können (Vgl. Abbildung 2). Gleichzeitig steigt bei dieser Gruppe, die wieder in voller Präsenz arbeitet, die gefühlte psychische Belastung auch deutlich an und liegt 5 Prozentpunkte, über der Mitarbeitendengruppe, die weiterhin mobil arbeiten darf.

Diese Zahlen zeigen eindrücklich, dass durch eine Rückkehr zur Präsenzarbeit, die Gefahr besteht, dass die Leistungsfähigkeit einzelner Mitarbeiter und der ganzen Organisation leidet, und auch Stress und Belastung gesteigert werden.

Ausblick – Warum mobiles Arbeiten auch nach Corona bleiben wird

Auf Basis unserer Studienergebnissen lässt sich klar prognostizieren, dass sich mobiles Arbeiten auch nach der Corona Krise mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer deutlich erhöhten Quote fortgesetzt werden, wird, als zuvor. Zentrale Gründe hierfür wurden auch gerade nochmals in einer Studie aus Stanford beschrieben wurden. Erstens wurden Trägheit und langjährige Widerstände in Organisationen gegen mobiles Arbeiten, durch die dynamische Veränderung durch Corona mit einem Schlag überwunden. Zweitens haben sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer:innen Investitionen in das mobile Arbeiten getätigt, zu, Beispiel in Form von IT-Infrastruktur getätigt, die Anreize für eine Fortsetzung geben. Drittens wurde das mobile Arbeiten von dem Stigma befreit, dass dies nur Teilzeitbeschäftigte oder weniger leistungsfähig Arbeitnehmer:innen machen können. Zusätzlich ist es möglich, dass Mitarbeitende auch Maßnahmen der sozialen Distanz beim Arbeiten, zum Beispiel zum Infektionsschutz während der Grippesaison weiter aufrechterhalten werden. Fünftens werden technologische Innovationen für ein effektives mobiles Arbeiten weiter zunehmen. So hat sich bis zum Juni 2020 schon die Zahl der Patente, die explizit das Wort Homeoffice erwähnen in den USA im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Schließlich dürfte mobiles Arbeiten auch ein zentraler Faktor für die Arbeitgeberattraktivität werden, der besonders von jungen auf dem Arbeitsmarkt begehrten Beweber:innen stark nachgefragt werden wird.

Über den Autor

Professor Florian Kunze leitet den Lehrstuhl für Organisational Studies und das Future of Work Lab Konstanz an der Universität Konstanz. Er ist einer der führenden wissenschaftlichen Experten zu den Themen Generationenmanagement, erfolgreiche Führung, Personalmanagement, Digitalisierung in der Arbeitswelt und erfolgreiches Arbeiten im Homeoffice sowie mobiles Arbeiten. Zuvor hat er an renommierten internationalen Universitäten wie der Universität St. Gallen und der University of California Los Angeles (UCLA) geforscht und gelehrt. Er hat mehr als 70 Publikationen veröffentlicht. Diese wurden wiederholt in renommierten Medien wie der Wirtschaftswoche, dem Economist, der Financial Times, Forbes und dem Wall Street Journal aufgegriffen. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit berät Professor Florian Kunze regelmäßig Firmen (von KMUs bis zu Dax Konzernen) zu effektiven Ansätzen für zukunftsorientiertes Führungsverhalten und Personalmanagement.

Quelle: ZukunftderArbeit

 

25 Juni 2021

Drei Zukunftsszenarien, wie sich der Arbeitsort auf Stadtbild, Mobilität und Nachhaltigkeit auswirken könnte

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Drei Zukunftsszenarien, wie sich der Arbeitsort auf Stadtbild, Mobilität und Nachhaltigkeit auswirken könnte

Die Anzahl an Unternehmen, die Telearbeit, mobiles Arbeiten, Home Office etc. anbieten und die Zahl an Mitarbeitenden, die dieses Angebot wahrnehmen, steigen seit Jahren kontinuierlich an. Durch die Coronavirus-Pandemie wird dieser Trend weiter beschleunigt. Doch wie wird die Arbeitswelt nach der Pandemie aussehen? Um diese Frage im Bezug auf den Arbeitsort zu beantworten, entwickelte ich im Rahmen meiner Masterarbeit drei Szenarien zu unterschiedlichen Ausprägungen des Home Office-Trends. Darin werden dessen langfristige Auswirkungen auf die Flächenplanung von Unternehmen, das zukünftige Bild von deutschen Städten, sowie die Nachhaltigkeit und Mobilität dargestellt.

Die Szenarien stützen sich auf Befragungen von Experten aus Wirtschaft und Forschung und werden im Folgenden vorgestellt.

Szenario 1: Least Change Szenario

Das erste Zukunftsszenario beschreibt eine Entwicklung, in der wenig Veränderung zum derzeitigen Stand beziehungsweise zum Stand vor der Pandemie eintreten wird.

Unternehmen fokussieren sich auf das Arbeiten vor Ort im Büro und setzen kaum auf Telearbeit oder Home Office. Diese Entwicklung geht darauf zurück, dass während der Pandemie die Nachteile des Home Office zu starken Einbußen in Produktivität, Innovation und Effizienz geführt haben. Es wird kein Recht-auf-Home-Office-Gesetz erlassen, der digitale Ausbau geht nur schleppend voran. Die Wirtschaftslage ist aufgrund der Pandemie stark geschwächt und Unternehmen investieren nur zaghaft. Daher nehmen die Unternehmen kaum Umstrukturierungen vor und bauen keine Büroflächen um.

Aufgrund der Wirtschaftskrise tritt nach der Coronavirus-Pandemie ein Büroleerstand auf, da Unternehmen Insolvenz anmelden. Trotzdem stehen attraktive Immobilien nicht leer. Deswegen tritt kein überproportionaler Leerstand ein, sondern die vorherrschende Platzenge in den Innenstädten Deutschlands geht zurück. Das Stadtbild verändert sich nur unwesentlich. Unattraktive Standorte scheiden aus dem Markt aus.

Insgesamt entwickelt sich die Leerstandsquote hin zu einem gesundem, natürlichem Niveau.

Die Infrastruktur in der Innenstadt und rund um Büroparks wird nicht zurückgebaut, da Kosten und Nutzen in keinem angemessenem Verhältnis zu einander stehen. Außerdem fahren die Mitarbeitenden wieder verstärkt zur Arbeit und der Pendlerverkehr wird nicht entlastet. Andererseits findet keine zusätzliche Belastung des Pendlerverkehrs statt. Dies wird darauf zurück geschlossen, dass sich die Zahl der Arbeitnehmer reduziert ausgelöst durch Arbeitslosigkeit und Vergreisung. Umweltschutzgesetze zum Pendlerverkehr werden aufgrund der angespannten Wirtschaftslage nicht erlassen. Zudem verfallen die Menschen in alte Mobilitätsmuster und nutzen vermehrt eigene Fahrzeuge und weniger ÖPNV.

Szenario 2: Trend-Szenario

Das zweite Szenario beschreibt eine Entwicklung, bei der Home Office und Telearbeit nach der Pandemie umfassend in den Unternehmensalltag in Form von hybridem Arbeiten etabliert werden. Hybrides Arbeiten wird auch alternierende Telearbeit genannt und ist die Mischung aus Arbeiten im Büro, unterwegs oder zuhause, je nach Anforderung (Frodl, 1998).

Während der Coronavirus-Pandemie erkannten Unternehmen, welche Vorteile und welche Nachteile das Arbeiten im Home Office birgt. Sie erwarten beim Einführen eines hybriden Modells Synergieeffekte aus Präsenz- und Remote-Arbeit. Die Unternehmen führen Regelungen ein, die 40% bis 60% Home Office bzw. Telearbeit bei Büroarbeitern pro Woche ermöglichen und setzen auf eine hohe Flexibilität und Eigenverantwortung bei den Arbeitnehmern. Die Wirtschaftslage ist stabil und hat sich nach der pandemiebedingten Wirtschaftskrise erholt. Unternehmen sind daher dazu bereit, Investitionen zu tätigen. Die Digitalisierung führt zu neuen Technologien und Innovationen, sodass das (Zusammen-)Arbeiten überall und problemlos funktioniert. Ein Recht-auf-Home-Office-Gesetz wurde eingeführt, welches die beschriebene Entwicklung zusätzlich beschleunigt.

Aufgrund dieser Trends verändern Unternehmen ihre Flächenplanung. Desk-Sharing wird aufgrund von Effizienzsteigerung vermehrt eingesetzt und daher fallen Einzelarbeitsplätze und -büros weg. Auf der anderen Seite wird mehr Fläche für Kollaboration, Begegnung und Kreativität genutzt. Dadurch wird ein Teil der Flächenreduzierung ausgeglichen beziehungsweise anderweitig verwendet. Bei der Standortwahl werden kleinere Standorte gewählt, die für die Mitarbeiter attraktiver sind (z.B. durch die Lage oder Ausstattung). Zudem setzen Unternehmen vermehrt auf Satellite-Offices in Vororten, bei denen kleine Büros in Außenstädten angemietet werden (Rohrig, 2020). So werden Metropolen entlastet und die Strukturen der Unternehmen dezentraler.

Ein Büroleerstand wird nur in geringem Maße eintreten. Dabei sind vor allem veraltete und unattraktive Immobilien betroffen. Das Stadtbild verändert sich, da Büroimmobilien qualitativ aufgewertet werden, um sie für die Mitarbeiter attraktiver zu gestalten. Es tritt eine Stadtflucht auf das Land ein, da Mitarbeitende seltener zur Arbeit fahren und das Leben auf dem Land Vorteile wie beispielsweise die Nähe zu Natur bietet.

Durch den Fortschritt der Digitalisierung gibt es keine Schwierigkeiten in ländlichen Regionen beim Arbeiten von zuhause. Durch diese Entwicklung entspannt sich der Wohnungsmarkt in der Stadt und die Steigerung der Mietpreise wird ausgebremst.

Durch das Etablieren des hybriden Arbeitens fällt ein Teil der sekundären Infrastruktur (z.B. Restaurants) rund um Büroparks weg, da diese nicht mehr in großem Ausmaß benötigt wird. Dienstleister verschwinden fast komplett aus den Büroparks und lassen sich stattdessen in anderen Stadtteilen nieder. Aufgrund der stärkeren Ausrichtung auf Kollaboration und Zusammenarbeit im Büro gibt es mehr Infrastruktur, die sich der Betreuung der Teams widmet wie zum Beispiel Catering, Events oder Team Activities.

Der Pendlerverkehr wird in mittleren Ausmaße durch den Wegfall von Arbeitswegen, entzerrte Ballungsgebiete und dem Ausbau des ÖPNVs entlastet. Trotzdem kommt es zu einem Rebound-Effekt, da Mitarbeitende längere Strecken in Kauf nehmen, die nicht so häufig gefahren werden müssen und so in Summe die zurückgelegten Wege höher sind als vor der Pandemie. Zudem lässt sich eine Verschiebung der Mobilitäts- und Verkehrsströme erkennen. So nimmt der Nahstadtverkehr zu, der Zwischenstadtverkehr nimmt jedoch ab.

Durch das hybride und flexible Arbeiten gibt es keine Stoßzeiten mit starkem Verkehr, sondern der Verkehr ist gleichmäßig dicht.

Szenario 3: Most Change-Szenario

Das dritte Szenario beschreibt eine Entwicklung, bei der Telearbeit und Home Office in den Büroberufen in Unternehmen weitverbreitet ist.

Unternehmen entscheiden sich für diese Art der Arbeit aufgrund von positiven Erfahrungen während der Pandemie wie zum Beispiel Kosteneinsparungen. Zudem wird ein Home Office-Gesetz eingeführt, welches diese Entwicklung beschleunigt. Die Wirtschaft erholt sich langsam von der Krise, die durch die Pandemie ausgelöst wurde. Jedoch müssen weiterhin Kosten eingespart werden und Investitionen werden nur scheu getätigt. Der digitale Wandel wird stark beschleunigt, sodass es keine technischen Schranken für das Home Office gibt.

Aufgrund dieser Entwicklungen passen die Unternehmen ihre Langzeitstrategien für die Flächenplanung an und bauen Büroflächen teilweise komplett ab. Die übrigen Flächen werden zu Desk-Sharing-Flächen umgebaut. Aufgrund der Zunahme an Telearbeit tritt ein überproportionaler Leerstand ein, der vor allem unattraktive Lagen wie beispielsweise strukturschwache Regionen betrifft, jedoch auch in attraktiven Lagen spürbar ist.

Dies hat Auswirkungen auf das Stadtbild. Durch den überproportionalen Leerstand werden Büroimmobilien umgenutzt. Leere Immobilien werden je nach Lage, Grundriss und Spezifizierung zu Wohnungen, Studenten – und Alterswohnheimen, Lagerräumen, Freizeit-, Bildungs- oder Kultureinrichtungen umgebaut. Immobilien, die nicht umgenutzt werden können, werden abgerissen. Diese freien Flächen werden beispielsweise zu Parks umgestaltet. Aufgrund von Mietkostenvorteilen und der Nähe zur Natur ziehen Mitarbeitende von der Stadt auf das Land.

Zudem setzen Unternehmen vereinzelt auf Satellite-Offices in Außen- und Kleinstädten. Es findet eine Entlastung der Metropolen statt.

Ebenso lässt sich erkennen, dass die Wohnungen größer werden, da ein zusätzliches Zimmer als Arbeitszimmer eingerichtet wird. Die Infrastruktur rund um Büroparks wird stark reduziert, da es nur noch einen Bruchteil von Konsumenten dort gibt. Dazu gehört, dass sekundäre (z.B. Imbiss) und tertiäre (z.B. Friseur) Wirtschaftsstrukturen komplett aus Büroparks verschwinden und stattdessen vermehrt in Wohngebiete ziehen.

Aufgrund des Wegfalls vom Großteil der Büroarbeiter aus dem täglichen Pendlerverkehr und aufgrund des Ausbaus von ÖPNV wird der Pendlerverkehr entlastet. Jedoch kommt es teilweise zu einem Rebound-Effekt, da Geschäftsreisen aufgrund von z.B. Team-Events und Kundenbesuchen zunehmen. Der überregionale Verkehr nimmt mittel- bis langfristig aufgrund der Bevölkerungsvergreisung und der Zunahme der Telearbeit ab. Die Mobilitätsströme verschieben sich hin zu einer Mischung zwischen komplett leeren Straßen und überfüllten Stoßzeiten, in denen Arbeitnehmer, bei denen Telearbeit nicht möglich ist, pendeln.

Zudem nimmt der Nahstadtverkehr insgesamt zu, der Zwischenstadtverkehr nimmt jedoch ab.

Fazit zu den Szenarien

Eine Einschätzung zur Wahrscheinlichkeit des Eintretens der unterschiedlichen Szenarien kann nicht quantifiziert werden. Aus den Interviews mit Experten geht jedoch hervor, dass eine Entwicklung zum hybriden Modell, wie es das Trend-Szenario beschreibt, als am plausibelsten einzuschätzen ist.

Autorin

Katharina Cox-Nowak ist Business Change Analyst bei FIS

Literatur

Frodl, Andreas (1998): Durch Telearbeit zum virtuellen Unternehmen, in: Personal, 50(9), S. 420
Rohrig, Daniel (2020): Das ist typisch für das Ende eines Zyklus, in: Immobilien Zeitung, Nr. 41, vom 08.10.2020, S. 5

Quelle: ZukunftderArbeit

18 Juni 2021

"Neue Führung bedeutet, Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten"

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Bodo Janssen im Interview

Von heute auf morgen mussten die Hotels der Upstalsboom-Kette in den Lockdown gehen. Dennoch zieht Hotelier Bodo Janssen in seinem neuen Buch eine positive Bilanz: Jetzt bewähre sich, worauf in seinem Unternehmen seit zehn Jahren hingearbeitet wurde. Im Interview spricht er über neue Aspekte der Führung.

Haufe Online Redaktion: Herr Janssen, in Ihrem Buch schreiben Sie: "Krisen sind genauso unbequem wie wertvoll. Denn wir sind beweglicher und selbstbewusster geworden und gestärkt daraus hervorgegangen." Welche Einsichten haben Sie während der Coronapandemie gewonnen?

Bodo Janssen: Die zentrale Erkenntnis war, dass mein persönlicher Entwicklungsstand in Wirklichkeit sehr weit entfernt davon ist wie ich glaubte. Ich habe mich vorher intensiv mit der menschlichen Entwicklung beschäftigt. In der Pandemie habe ich erfahren, dass Themen, von denen ich glaubte, ich hätte sie für mich schon geklärt, wieder hochkommen. Das zeigt, dass es in der persönlichen Entwicklung nicht nur darum geht, etwas zu erreichen, sondern auch darum, den Entwicklungsstand zu halten. Eine andere Erkenntnis war, dass das, worauf wir zehn Jahre lang im Unternehmen hingearbeitet haben, sich in dieser schwierigen Zeit positiv ausgewirkt hat. Wir alle standen vor einer völlig neuen Situation. Als ich dann erleben durfte, dass die Mitarbeitenden voller Vertrauen waren und bereit, Verantwortung zu übernehmen, war ich extrem dankbar dafür. Es gab durchaus einige Menschen, die uns als "Schönwetterpiloten" bezeichnet haben oder unsere Art der Unternehmensführung "Sozialromantik" genannt haben. Aber wir haben gesehen, dass wir Persönlichkeiten haben, die resilient sind und verstehen, mit schwierigen Situationen umzugehen.

Haufe Online Redaktion: Was können Sie daraus für Führungskräfte und Personalmanager ableiten?

Janssen: Ich glaube, der Führungsanspruch entwickelt sich weiter. Im Kontext von New Work sprechen viele Menschen über Methoden. Diese waren sicherlich richtig, um in normalen Zeiten miteinander zu arbeiten. Aber in einer solchen Herausforderung, wie wir sie in den vergangenen Monaten erlebt haben, interessiert es die Mitarbeitenden herzlich wenig, ob wir einen Tischkicker haben oder ob wir agil arbeiten, sondern sie brauchen Unterstützung, wie sie mit dieser Situation umgehen können. Das ist für mich ein neuer Teil der Führung: Menschen darauf vorzubereiten, schwierige Situationen meistern zu können. Denn ich glaube, dass die Anzahl der schwierigen Situationen in Zukunft eher zu- als abnimmt.

New Leadership: Führung in die Eigenverantwortung

Haufe Online Redaktion: Im Buch beschreiben Sie eine neue Führung, bei der es nicht nur um das Gestalten neuer Methoden oder eines attraktiven Arbeitsumfelds geht, sondern auch darum, Menschen aus der Abhängigkeit eines Unternehmens heraus in die Eigenverantwortung zu führen. Sehen Sie es als Aufgabe der Führungskraft an, den Mitarbeitenden zu helfen, eine Arbeit zu finden, in der sie ihre eigenen Wünsche, Hoffnungen und Begabungen ausleben können?

Janssen: Es ist die Frage, welchen Anspruch ich an die Wirksamkeit meines Unternehmens habe. Ich kann natürlich sagen: "Das ist nicht meine Aufgabe." Aber wenn ich dann in eine Situation komme, wie wir sie in den vergangenen Monaten hatten, und die Mitarbeitenden weglaufen oder umfallen, ist mir als Unternehmer nicht geholfen. Wenn ich jedoch diese Verantwortung übernehme und etwas dafür tue, dass die Menschen gut vorbereitet sind, brauche ich mich jetzt nicht in die Reihe derjenigen einzureihen, die jammern, weil es ihnen schlecht geht. Für mich ist es immer eine Frage: Was braucht es im Moment? Ich will ein anderes Beispiel dafür geben: Wenn ich gesunde Beschäftigte brauche, kann ich natürlich als Unternehmer sagen: "Es ist nicht meine Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Mitarbeitende nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und sozial gesund sind." Aber wenn ich dann darunter leide, dass sie ausfallen, tangiert es mich sehr wohl. Wir haben uns entschieden, uns sehr stark dafür einzusetzen und deshalb liegt unsere Krankheitsquote bei unter zwei Prozent.

Haufe Online Redaktion: Wie kann Führung in die Eigenverantwortung in der Praxis umgesetzt werden? Können sie Beispiele aus Ihrem Unternehmen nennen?

Janssen: Wenn ich über Eigenverantwortung spreche, spreche ich über zwei Dinge: Vertrauen und Verantwortung. Das ist nichts, was man einfach anschalten kann. Wenn ein Team in eine Krise kommt und die Führungskraft sagt: "Jetzt müsst ihr alle vertrauen", würden die Teammitglieder lachen. Nur weil die Führungskraft das will, vertrauen sie nicht oder sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Führungskraft muss Gründe dafür liefern, dass die Mitarbeitenden vertrauen können, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Das haben wir bei uns im Unternehmen im Alltag insofern kultiviert, dass Menschen Aufgaben übernehmen können und dass sie Fehler machen dürfen. Begehen sie einen Fehler, machen sie die Erfahrung, dass das nicht schlimm ist, sondern dass sie sich dadurch weiterentwickeln können.

Bedingungsloses Interesse als Voraussetzung für Vertrauen

Haufe Online Redaktion: Welche weiteren Faktoren führen zu Vertrauen und Engagement?

Janssen: Ein weiterer Faktor ist, dass wir bedingungsloses Interesse entgegenbringen – nicht nur für Leistung, sondern insbesondere auch für den Menschen selbst und dafür, was er in seiner Freizeit macht. Ich denke an unseren Spüler Frank, dem ich seinerzeit in der Küche beim Kartoffelschälen begegnet bin. Ich interessierte mich dafür, was er macht, wenn er nicht gerade spült oder Kartoffeln schält, und erfuhr, dass er gern fotografiert. An diesem Thema bin ich drangeblieben und er hat sich zu einem Fotografen für unser Unternehmen entwickelt. Er hat eine eigene Fotoausstellung bei uns und unterstützt uns auch mit Bildern für unser Unternehmen. Wenn ich klassisch vorgegangen wäre, hätte ich gefragt: "Wie viel Geld pro Teller brauchst du mehr, damit du schneller und sauberer spülst?" Das wäre die klassische Vorgehensweise per Karotte. Stattdessen habe ich ihn ganz anders angesprochen. Er spült immer noch für uns. Aber zusätzlich übernimmt er Aufgaben, die ihm persönlich wichtig sind. Das bringt ihn stark mit uns und unserem Unternehmen in Verbindung.

"Wichtig ist, zu erkennen, dass wir keinen Einfluss darauf haben, ob Menschen sich weiterentwickeln wollen oder nicht."

Haufe Online Redaktion: Ist es möglich, alle Beschäftigte dafür zu begeistern, dass sie sich persönlich weiterentwickeln wollen? Manche sind ganz glücklich damit, acht Stunden lang Kartoffeln zu schälen und den Kopf freizuhaben für die Dinge, die ihnen nach Feierabend wichtig sind.

Janssen: Wichtig ist, zu erkennen, dass wir keinen Einfluss darauf haben, ob Menschen sich weiterentwickeln wollen oder nicht. Das steht nicht in meiner Macht. Aber ich kann Menschen dazu einladen, ermutigen oder inspirieren, in ihre Entwicklung zu investieren. Wenn sie das nicht wollen, ist das nicht schlimm. Wir brauchen auch die Menschen, die gute Arbeit für gutes Geld leisten wollen und mehr nicht. Diese ist bei uns genauso anerkannt wie diejenigen, die unser Unternehmen dafür nutzen, sich in ihrer Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Ebenfalls wichtig ist – und das erfordert ein bisschen Demut – sich einzugestehen, dass man nicht alle mitnehmen kann. Der Versuch, alle Menschen mitzunehmen gleicht dem Versuch, das stürmische Meer zu beruhigen. Das ist nicht möglich. Ich bekomme von Unternehmern häufig die Frage gestellt: "Wie kann ich alle erreichen?" Das geht nicht. Es ist wichtig, das für sich anzunehmen.

Haufe Online Redaktion: Der Titel Ihres Buchs ist "Eine Frage der Haltung". Derzeit wird viel darüber diskutiert, dass es nicht genügt, eine Haltung zu haben, sondern dass es auch darauf ankommt, zu handeln. Kommen in Ihrem Buch das Handeln und die Handlungskompetenz nicht zu kurz?

Janssen: Im Buch erzähle ich die Geschichte, wie wir täglich mit der Pandemie umgegangen sind und welche Verhaltensweisen bei allen Beteiligten dazu geführt haben, dass sie stärker aus dieser Zeit herausgekommen sind als sie hineingeraten waren. Der Titel ist "Eine Frage der Haltung". Aber mit der Haltung allein ist noch nichts gewonnen. Die Haltung ist Grundvoraussetzung für das Verhalten, das sich daraus ergibt und erschließt. Ich würde sagen, letztendlich sind in meinem Buch 90 Prozent Verhalten aufgezeigt.

Die besondere Macht der Pause

Haufe Online Redaktion: Das Buch ist sehr persönlich. Sie schildern nicht nur Ihre eigenen Erfahrungen in der Krise, sondern auch Rituale aus dem Klosterleben, auf die Sie in dieser Zeit zurückgegriffen haben, zum Beispiel "Pausen bestimmen den Tag". Inwiefern haben Ihnen diese Rituale durch die Lockdown-Zeiten geholfen?

Janssen: Das Ritual, das ich besonders schätze, ist das der Stille – der Pause und Reflexion – weil die Entwicklung eines Menschen in der Pause entsteht. Bei Sportlern wächst der Muskel nicht in dem Moment, in dem sie trainieren, sondern in den Zeiten, in denen sie pausieren. In der Pandemie hat sich die Möglichkeit intensiviert, noch strukturierter und mit mehr Pausen durch den Tag zu gehen. Für mich persönlich sind zum Beispiel die Dienstreisen weggefallen und ich konnte eine Tagesstruktur gestalten, wie ich sie sonst im Kloster gelebt habe: "Ora et labora". Wir wissen aus der Psychologie, dass dieses Abwechseln von Tätigkeit und Ruhe uns hilft, mental im Gleichgewicht zu bleiben. Dieser Zeitgewinn innerhalb der Pandemie war – bei all dem damit verbundenen Leid – ein Geschenk, das zu einer starken Entwicklung geführt hat.

Haufe Online Redaktion: Entschleunigung und Meditieren hilft enorm, sich auf die persönlichen Belange zu fokussieren und bringt einen großen Nutzen für die Weiterentwicklung der eigenen Person. Aber besteht dabei nicht die Gefahr, zu stark egozentrisch zu denken oder zu agieren?

Janssen: Zu viel von einem ist immer schlecht. Die Benediktiner sprechen vom sogenannten "discretio" – dem Einhalten des rechten Maßes. Machen wir zu viel Sport, werden wir krank. Machen wir zu wenig Sport, werden wir krank. Es geht letztendlich um ein Gleichgewicht und nicht nur darum, Selbstoptimierung zu betreiben, damit es einem selbst gut geht. In der Meditation entsteht ein Bewusstsein für das, was mich umgibt. Ein Beispiel: Gestern habe ich während der Meditation über Mitgefühl nachgedacht. Dabei erkannte ich für mich, dass Mitgefühl bedeutet, dankbar zu sein für die Chance, anderen Menschen helfen zu können. Würde ich andere unterstützen, um mich selbst gut darzustellen, wäre das kein Mitgefühl. Es ist immer eine Frage der Haltung: Mit welchem Motiv mache ich etwas? Meditiere ich nur, um mich selbst zu optimieren und nur auf mich zu schauen, oder meditiere ich, um die Fähigkeit zu entwickeln, für andere da zu sein?

"Wenn eine Person rein aus Gründen der Karriere Führungskraft werden will, wird sie keine gute Führungskraft."

Haufe Online Redaktion: Gilt das auch für das Thema Führung?

Janssen: Ja, das zeigt sich auch in der Mitarbeiterführung: Liegt mein Motiv, Menschen zu führen, darin begründet, meinen eigenen Interessen näher zu kommen? Oder ist mein Motiv ein ehrliches Interesse an der Entwicklung anderer Menschen? Wenn eine Person rein aus Gründen der Karriere Führungskraft werden will, wird sie keine gute Führungskraft. Das Motiv ist Karriere und nicht Menschen zu führen. Deshalb haben wir bei uns im Unternehmen Karriere und Führung entkoppelt. Karriere hat bei uns nichts mit Führung zu tun.

 

Zum Interviewpartner:

Bodo Janssen, heute CEO der Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH, studierte einst BWL und Sinologie und stieg im Anschluss ins elterliche Hotelunternehmen ein. Viele Krisen prägten seinen Weg, unter anderem seine achttägige Entführung im Jahr 1998 und der Flugzeugabsturz seines Vaters. Als eine Mitarbeiterbefragung vernichtende Ergebnisse brachte, beschloss er, für eineinhalb Jahre ins Kloster zu gehen. Nach dieser inneren Einkehr leitete er einen Paradigmenwechsel ein. Zusammen mit Pater Anselm Grün schrieb er das Buch "Stark in stürmischen Zeiten". Soeben erschien sein neuestes Buch "Eine Frage der Haltung".

Quelle: haufe.de

11 Juni 2021

Home statt Office, Vertrauen statt Kontrolle

Posted in Mind

Serie New Work, Teil 1

Home statt Office, Vertrauen statt Kontrolle

In vielen Unternehmen hat New Work inzwischen Einzug gehalten. Zumindest ein bisschen, denn mobiles Arbeiten – in der Vergangenheit oft nur als Ausnahme gestattet – ist pandemiebedingt zur Pflicht geworden. Doch die neue Arbeitsweise ist wesentlich mehr als nur das Ergebnis digitaler Technologien und Prozesse. Und sie ist eine Chance, auch für den Mittelstand. Zum Auftakt unserer Serie klären wir, was New Work im Kern bedeutet.

Ist es schon New-Work-Kultur, wenn ein Arbeitgeber in Stellenanzeigen mit Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice sowie kostenlosen Getränken plus Obst und Gemüse für sich wirbt? Christiane Brandes-Visbeck lacht. „… und alle tragen Turnschuhe, duzen sich und halten dann Besprechungen in Lounge Chairs ab – nein, das ist kein New Work, das ist Marketing. Damit stellt man sich ins Schaufenster. Es ist das Gegenteil von einem gelebten Mindset“, sagt die Hamburger Unternehmerin, Beraterin und New-Work-Expertin.

Dass bei dem Thema oft mehr Schein statt Sein herrscht, hat auch Heike Bruch, BWL-Professorin und Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen, beobachtet. Zwar hätten bereits in der Vor-Corona-Zeit rund 90 Prozent der Unternehmen die Notwendigkeit erkannt, ihre bisherige Arbeitsweise zu ändern. Doch ein Großteil sei die Transformation nur oberflächlich angegangen und arbeite weiterhin eher traditionell.

Die Pandemie aber hat viele Firmen zu Innovationen gezwungen. So war Homeoffice, das bis dahin nur jeder vierte Arbeitgeber als gelegentliche Ausnahme gestattete, plötzlich nicht nur möglich, sondern dringend erwünscht. Und statt persönlich im Konferenzraum trifft man sich längst virtuell. Allerdings – auch das stellt Bruch fest – sei diese Entwicklung fast ausschließlich aus den Corona-Beschränkungen heraus erfolgt und nicht aus dem Wunsch nach Wandel. Trotzdem: „Für Unternehmen, die weniger weit in ihrer New-Work-Transformation waren, besteht jetzt eine einzigartige Chance, nach den – meist positiven – Erfahrungen der Coronakrise eine echte New-Work-Kultur zu schaffen“, ist Bruch überzeugt.

Josephine Hofmann, stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Unternehmensentwicklung und Arbeitsgestaltung beim Fraunhofer-Institut für Absatzwirtschaft und Organisation in Stuttgart, kurz IAO, geht sogar noch weiter. Aus ihrer Sicht kommen viele Firmen um Veränderungen kaum herum: „Klassische Organisationsformen funktionieren heute oft einfach nicht mehr.“ Und sie ist überzeugt: „New Work ist ein ernst zu nehmender Trend.“

Arbeit, die Energie gibt statt nimmt

Das Konzept geht auf den aus Deutschland stammenden US-Amerikaner Frithjof Bergmann zurück. Der Philosophieprofessor, der unter anderem in Princeton und Stanford lehrte, hatte sich Anfang der 1980er-Jahre angesichts drohender Massenentlassungen in Michigans Autoindustrie intensiv mit dem System der Lohnarbeit beschäftigt. Sein Fazit: „Arbeit [ist] oft eine den Menschen verkrüppelnde Krankheit.“ Bergmann befragte deshalb die Fabrikarbeiter vor Ort, „welche Arbeit sie wirklich, wirklich tun wollten“, und kam zu dem Schluss: „Nicht wir [Menschen] sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit uns.“ Folglich, so schrieb er 2004 in seinem Buch „Neue Arbeit, Neue Kultur“, sei es an der Zeit, die Arbeit von Grund auf neu zu organisieren – als New Work eben. Bergmann hatte beobachtet, dass eine Arbeit, die den tiefsten Wünschen der Menschen entspräche und von ihnen als Herausforderung und Berufung zugleich empfunden würde, sie nicht auszehre. Im Gegenteil. „Sie gibt den Menschen mehr Energie, stärkt sie und hebt sie auf eine höhere Ebene.“ Von Anfang an seien auch Manager von dem Konzept der Neuen Arbeit fasziniert gewesen, schreibt Bergmann weiter. Denn sie hätten erkannt, „dass das auch für die Produktivität und damit für ihre Gewinne das Beste sein würde“.

Doch erst als gut 20 Jahre später der Psychologe, Coach und Autor Markus Väth Bergmanns Theorie aufgriff und sie in seinem Buch „Arbeit – die schönste Nebensache der Welt. Wie New Work unsere Arbeitswelt revolutioniert“ weiterentwickelte, bekommt sie breitere Aufmerksamkeit. Vielleicht auch deshalb, weil 2016, bei Erscheinen des Titels, deutlich wird, dass „die Digitalisierung unsere Arbeitsrealität in einer Radikalität [verändert], dass vielen Beobachtern mitunter schwindelig wird“, wie Thomas Vollmoeller, Vorstandsvorsitzender der Xing AG, im Vorwort schreibt. „So erleben wir nicht nur einen Paradigmenwechsel, wie es ihn seit der industriellen Revolution nicht gegeben hat, sondern gerade bei dem immer größer werdenden Heer der Wissensarbeiter eine Veränderung ihrer Werte.“ Studien zufolge käme es jungen Talenten viel mehr auf Sinnstiftung, Arbeitsatmosphäre, Flexibilität und Selbstverwirklichung an als auf ein hohes Gehalt, ein großes Büro oder einen eindrucksvollen Titel. Und weil in vielen Branchen Fachkräftemangel herrsche, würden sich inzwischen viele Firmen bei den Nachwuchskräften bewerben – und nicht umgekehrt. „Wer innovative Köpfe will, muss innovative Arbeitsbedingungen bieten. Arbeitsbedingungen ohne starre Hierarchien, mit weitgehender Autonomie der Mitarbeiter, hoher Flexibilität, was Arbeitszeit und -ort betrifft.“

Zeitlich und örtlich flexibel arbeiten

Das hat auch Martin Görge erkannt. Als Geschäftsführer der Sprinkenhof GmbH, die unter anderem die Gewerbe- und Kulturimmobilien der Stadt Hamburg verwaltet, buhlt er mit anderen Unternehmen um technische Talente. „Der Arbeitsmarkt ist in diesem Bereich ziemlich eng. Also müssen wir etwas tun, um attraktiv zu sein“, bekennt der 54-Jährige im zweiten Teil dieser Faktor-A-Serie. Vor drei Jahren hat er deshalb mit seinem Team den Prozess der Transformation begonnen. Die ersten Schritte auf dem Weg von Old zu New Work sind gemacht: Die Kernarbeitszeit wurde abgeschafft und den Mitarbeitenden das Recht eingeräumt, die Hälfte ihrer Arbeitszeit außerhalb des Büros zu verbringen.

Die zeitliche und örtliche Flexibilisierung von Arbeit ist denn auch tatsächlich die häufigste Veränderung in Unternehmen, wie Josephine Hofmann und ihr Team vom Fraunhofer-Institut für die Studie „New Work – Best Practices und Zukunftsmodelle“ feststellten. Weitere zentrale Erkenntnisse: New Work findet nicht nur in jungen Unternehmen statt, sondern ebenso in Konzernen wie im Mittelstand (Teil 4 der Serie). Und: Es ist eine Riesenherausforderung für Unternehmen, die Transformation in größeren, gewachsenen Strukturen umzusetzen.

Wie riesig die ist, stellt auch Christiane Brandes-Visbeck immer wieder bei ihren Beratungen fest. „Der Übergang von einem zum anderen System ist nie reibungslos. Es geht ja darum, die Art der Zusammenarbeit neu zu denken, also von Arbeitszeiten über Organisationsstrukturen bis hin zu Führungsstilen.“ Viele Manager, so ihre Erfahrung, bekämen dann Angst: um ihre Position, um ihre Rolle, ihren Einfluss, ihre Macht. Dabei wollten die meisten selbst anders arbeiten. Und vermutlich würden die meisten von ihnen auch sofort ihre New-Work-Definition unterschreiben, die da lautet: „sinnorientiert und zielgerichtet zusammenzuarbeiten, um bei maximaler Menschenorientierung maximalen Output generieren, und gleichzeitig dazuzulernen, um mitgestalten zu können“.

New Work, das ist richtige Arbeit

Deshalb stellt Brandes-Visbeck auch zu Beginn jedes Transformationsprozesses klar, dass die gewohnten Hierarchien zunächst einmal bleiben dürfen – allerdings gerne etwas flexibler und durchlässiger gelebt. Beispielsweise, indem Mitarbeitende ihre Dienstpläne eigenständig untereinander absprechen oder Zuständigkeiten selbst festlegen könnten. „Gerade die Themen Entscheidungen und Arbeitsverteilung sind die großen Hebel bei New Work“, sagt Brandes-Visbeck. Denn das bedeute, Führungskräfte müssten lernen, loszulassen und ihrem Team zu vertrauen – und die Mitarbeitenden müssten lernen, Verantwortung zu übernehmen. Ungewohnte Rollen, die viele zunächst auch überfordern. Aber: „New Work ist keine Methode, sondern ein Mindset: Wenn ich nicht bereit bin, umzudenken, neue Regeln zu entwickeln und innovative Dinge umzusetzen, dann macht es auch keinen Sinn, dies von anderen zu fordern.“ New Work ist nämlich vor allem eines: Work. Die Neuausrichtung brauche viel Zeit, und anstrengend sei sie auch. „Aber es funktioniert. Zumindest dann, wenn wir als Team lernen, miteinander zu arbeiten statt nebeneinander; wenn wir lernen, uns in unserer Vielfalt von Persönlichkeiten, Wünschen, Fähigkeiten und Mentalitäten auszuhalten, und trotzdem gemeinsam in eine Richtung gehen. Und wenn die Unternehmenskultur geprägt ist von Vertrauen.“

Doch gerade daran scheint es in diesem Jahr des erzwungenen Homeoffice zu hapern. In einer aktuellen Studie des Personaldienstleisters Hays unter mehr als 1.000 hoch qualifizierten Wissensarbeitern zeigt sich, dass es mit der neuen Arbeitsweise längst nicht so gut klappt wie in vielen Firmen verkündet. Die Organisationsstrukturen sind mehrheitlich immer noch die alten, „und kontrolliert wird wie eh und je“, fasst das Magazin „Harvard Business manager“ zusammen. Zwar nehmen 41 Prozent der befragten Führungskräfte einen Ausbau der Eigenverantwortung wahr, doch gleichzeitig stellten 30 Prozent eine Stärkung der Hierarchien fest. Und während 38 Prozent der Führungskräfte angaben, dass sich eine Vertrauenskultur etabliert habe, erlebten 30 Prozent verstärkt Kontrolle. Und mehr als 80 Prozent der Befragten erklärten, dass sich ihre Arbeitgeber im Zuge der Digitalisierung hauptsächlich auf die Implementierung neuer Technologien konzentrieren. Ein Fehler, findet Hays-Vorstand Dirk Hahn. „Um die vielfältigen Potenziale von Wissensarbeitern auszuschöpfen, braucht es vor allem deutliche Veränderungen in den Unternehmenskulturen.“

Dann gelingt die Transformation übrigens sogar in einem traditionellen Handwerksbetrieb. Der Beweis: die Glasmanufaktur Heiler im baden-württembergischen Waghäusel. Ehemals traditionell hierarchisch organisiert, vertraut der Geschäftsführer des Familienunternehmens, Stephan Heiler, heute auf eine Belegschaft, die eigenverantwortlich ihre vielseitigen, wertvollen Kapazitäten im unternehmerischen Sinne einbringt. Und das gänzlich ohne Vorgesetzte, ohne Hierarchie und Weisungsbefugnis. „Auf Hierarchien vollständig zu verzichten, war der einzig richtige Schritt, der es möglich gemacht hat, Heiler wirklich zukunftsrobust zu machen.“ (Ein Porträt des Unternehmens lesen Sie in Teil 3 dieser Serie.)

Serie New Work

Längst wird das Konzept New Work in traditionellen Betrieben in Mittelstand und Handwerk umgesetzt. In unserer Serie zeigen wir, was das Konzept beinhaltet und wie es kleine und mittlere Betriebe unterschiedlicher Branchen umsetzen.

Teil 1 | Home statt Office, Vertrauen statt Kontrolle – was heißt New Work?
Teil 2 | Sprinkenhof GmbH: wie ein öffentliches Unternehmen zum attraktiven Arbeitgeber wird
Teil 3 | Glasmanufaktur Heiler: New Work im Handwerk

Quelle Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

 

07 Mai 2021

New Work: "Die Wende zum Besseren beginnt"

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New Work:

Kommandieren und kontrollieren ist Old Work. New Work ist die Zukunft, meint Carsten Schermuly, Professor für Wirtschaftspsychologie.

New Work ist ein Gewinner der Krise, meint Carsten Schermuly, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule SRH Berlin und dort als Vizepräsident für Forschung und Transfer tätig. Seine Aussage stützt er auf seine Studie, eine Online-Befragung unter rund 450 Unternehmen. "Die meinen, dass New Work durch die Corona-Pandemie und die disruptiven Veränderungen etwa in der Automobilindustrie mehr Bekanntheit und Zulauf erhalten hat." Unternehmen experimentieren mit neuen Arbeitsmodellen und Strukturen, um den Anforderungen der Beschäftigten gerecht zu werden.

Arbeitnehmer fordern zunehmend etwa Selbstbestimmung bei ihrer Arbeit und Einfluss auf ihre Arbeit, einen bedeutsamen und kompetenten Job. Diese vier Faktoren fasst Schermuly unter dem Begriff psychologisches Empowerment zusammen. Das führt zu höherer Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit und reduziert emotionale Erschöpfung und langfristig Depressionen. Unternehmen, die solche Jobs bieten, werden für Beschäftigte attraktiv. Darin liegt die Win-win-Situation von New Work.

Es ist ziemlich still geworden um New Work, der grundlegenden Veränderung unserer Arbeitswelt. Ist der Wandel ein Opfer der Pandemie geworden?

Prof. Dr. Carsten Schermuly: Es kommt darauf an, wie New Work definiert wird. Wir erstellen jährlich das New-Work-Barometer und haben bei der Befragung im vergangenen Jahr festgestellt, dass New Work ein Krisengewinner ist. 80 Prozent der befragten Unternehmen sehen die Krise als einen positiven Faktor für New Work.

Wie definieren Sie New Work?

Für unser Barometer befragen wir, was die Unternehmen unter dem Begriff verstehen. Das ursprüngliche Verständnis von Frithjof Bergmann wird als Sozialutopie abgetan, in dem langfristig die Lohnarbeit abgeschafft werden sollte. Das erscheint vielen unrealistisch. Am häufigsten gehen die Befragten davon aus, dass New Work Maßnahmen sind, mit denen das psychologische Empowerment von Mitarbeitenden stimuliert wird. Dies meint das Erleben eigener Bedeutsamkeit und Kompetenz sowie Selbstbestimmung und Einfluss bei und auf die Arbeit. Mit dieser Definition arbeiten wir.

Wie lassen sich die vier Faktoren des psychologischen Empowerments erreichen?

Laut dem Barometer sind das um die 30 Maßnahmen. Die am häufigsten eingesetzte ist agile Projektarbeit, dann folgen moderne Führungsstile und offene Bürostrukturen sowie Klassiker der Organisationsentwicklung wie mobiles Arbeiten und Abflachung von Hierarchien. Vieles von dem Genannten hat das Potenzial psychologisches Empowerment freizusetzen.

New Work regelt also die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Beschäftigten auf psychologischer Ebene neu.

Genau. Die Wahrnehmung der Arbeitsrolle wird durch New Work neu definiert und tatsächlich gibt es hier die vier genannten Kognitionen, die dabei stimuliert werden. New Work hat über psychologisches Empowerment die psychologischen Konsequenzen wie etwa, dass die Stressbelastung sinkt und die Menschen zufriedener am Arbeitsplatz sind. Die Innovationsleistung steigt und Menschen wollen sogar trotz Rentenalter in solchen positiven Arbeitsverhältnissen bleiben. Das ergab eine aktuelle Studie. Beeindruckend, wie ich finde.

Ist New Work eine Veränderung, die sich zwangsweise aufgrund unterschiedlicher Umstände ergibt?

Ja und am Anfang dieser Entwicklung steht die VUCA-Welt, die einen gewissen Druck ausübt. Die vier Buchstaben sind ein Akronym, das übersetzt die Begriffe Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit bedeutet. Weil sich unsere Welt dahin gehend verändert hat, beschäftigen sich viele Unternehmen damit, Arbeit in ihrer Organisation anders zu gestalten, mit dem Ziel, die äußere Komplexität mit einer inneren Komplexität spiegeln zu können. Dafür experimentieren sie mit verschiedenen Maßnahmen, die unter dem Label "New Work" assoziiert werden. Wenn das gelingt, gewinnen sie als Profit das psychologische Empowerment. Dass die Menschen über diese vier Forderungen der Arbeitswahrnehmung agiler und aktiver werden, das wird dann als New Work bezeichnet. Ein fruchtbarer Boden dafür besteht, wenn Kreativität für die Arbeit notwendig ist, Kollegen kooperieren müssen und bei komplexen Aufgaben. Wenn das alles nicht gegeben ist, dann ist die Notwendigkeit für New-Work-Maßnahmen geringer.

In der IT wohl schon, denn dort ist die Keimzelle von New Work mit agilen Arbeitsmethoden …

… ja und die IT leidet seit Langem unter einem Fachkräftemangel und deshalb hat sich die Branche schon früh Gedanken darüber gemacht, wie Arbeit so organisiert werden kann, dass Menschen Lust haben, in diesen Firmen zu arbeiten. Für die IT-Branche war schon früher als in anderen ein gewisser Handlungsdruck da. Aufgrund von Corona ändern aktuell große Industrieunternehmen ihr Verständnis der Arbeitswelt. Demokratisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung der Arbeitswelt, also die drei D, mit denen teilweise auch New Work bezeichnet wird, da funktioniert unsere Organisation nicht mehr und wir müssen etwas ändern. Diese Firmen spüren, dass sie ihre Arbeitsweisen nach Corona ändern müssen.

Sie sagten, dass IT-Unternehmen aufgrund des Arbeitskräftemangels gezwungen waren, ihre Organisation attraktiver zu gestalten. Laut dem Branchenverband Bitkom gibt es immer noch einen Mangel an IT-Fachkräften, der immer größer wird. Hat die Idee mit New Work nicht funktioniert?

Doch schon, nur jagen sich die Firmen gegenseitig Personal ab. Was nicht funktioniert hat, ist, so viel IT-Ausbildung zu betreiben, dass der Mangel gedeckt werden kann. Hinzu kommt, dass der Bedarf an IT-Experten eben ständig steigt. Es scheint ein Fass ohne Boden zu sein.

Was hat sich in deutschen Unternehmen hinsichtlich New Work schon verändert?

Lassen Sie mich zuerst aus unserer Studie zitieren. 90 Prozent der Befragten sagten, dass sie durch Digitalisierung, Homeoffice und die Erprobung von Kollaborationtools New Work mehr Aufmerksamkeit in den Unternehmen erfahren wird. Gut zwei Drittel gehen davon aus, dass sich die Arbeitswelt durch die aktuelle Krise radikal verändern und langfristig auf die Prinzipien von New Work einstellt. Ich sehe in vielen Firmen, dass sie die ersten Schritte wagen. In großen Unternehmen beginnen Führungskräfte über eine andere Art der Zusammenarbeit nachzudenken und werden darin trainiert. Sie schaffen Führungskräfte nicht ab, sie behalten sie bei, aber die agieren anders, etwa mit empowermentorientierter Führung. Dazu zählt, dass Führungskräfte sinnstiftend und partizipierend arbeiten und sie Kompetenzentwickler sind.

New Work bedarf eines völlig neuen Bewusstseins bei allen Beschäftigten. Kann das geschult werden oder muss so etwas wachsen mit neuen Generationen?

Neue Generationen werden von sich aus New Work einfordern. Wir an unserer Hochschule haben Vorlesungen im herkömmlichen Sinn abgeschafft, das ist nun eine Ausbildung auf Augenhöhe. New Work ist ein Wechselspiel zwischen organisationalen Strukturen, die sich verändern hin zu mehr Demokratisierung der Person und den Kulturen. In diesem Dreiklang bewegt sich das Spiel hin zu New Work.

Was bewirkt New Work in den Unternehmen und was in den Menschen?

Psychologisches Empowerment führt zu mehr Zufriedenheit und höherer Leistungsfähigkeit. Emotionale Erschöpfung wird reduziert und langfristig werden weniger Beschäftigte depressiv. Es sind zunächst Mikroveränderungen die auf lange Sicht die gesamte Gesellschaft ändern können. Wer glücklich von der Arbeit kommt, handelt anders als ein Mensch, der während der Arbeit psychisch fertig gemacht wird, wie es heute nicht selten vorkommt. Ich gehe davon aus, dass New Work sich positiv auf eine Vielzahl unserer Lebensbereiche auswirkt, nicht nur die Arbeit.

Quelle: heise online

23 April 2021

New Work im Reality Check

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#Future of Work

New Work im Reality Check

Steffen Behn hat in seinem Unternehmen schon einiges getestet, was man unter New Work versteht. Hier teilt er seine Erfahrungen.

Die Pandemie verändert unsere Arbeitswelt nachhaltig. Wie ein Katalysator beschleunigt sie die Digitalisierung, Sie zwingt nun auch große Konzerne und sehr traditionelle Branchen dazu, Arbeit neu zu denken. Wir haben schon sehr viel vertestet, was man unter New Work versteht. So manches ging richtig schief, vieles funktioniert besser als wir es selbst gedacht hätten. Drei wichtige Erfahrungen aus unserem Reality Check:

1. Freiheit funktioniert nur in Maßen

Als 2016 der Startschuss zu unserer selbstbestimmten Arbeitskultur fiel, waren wir voll freudiger Erwartung und überzeugt, dass der neue, freie Arbeitsmodus die Leidenschaft und Dynamik in unser Team zurückbringen würde. Wir haben unsere Organisation radikal umgekrempelt: Wir haben die Abteilungsstruktur aufgelöst, cross-funktionale Squads und fachliche Chapters geschaffen. Gleichzeitig haben wir sehr konsequent hierarchische Strukturen und Freigabeprozesse abgeschafft. Unser Team wollte Freiheit. Wir wollten nicht mehr die Bottlenecks sein, über deren Tisch jede einzelne Entscheidung läuft. Es sollte ein Befreiungsschlag werden!

Absolute Freiheit klingt toll. Vor allem als Gegenentwurf zur Nicht-Freiheit, die die meisten von uns durch Top-Down-Entscheidungen und steile Hierarchien negativ erfahren haben. Doch obwohl unser Team sich Selbstbestimmung gewünscht und die Transformation selbst mitinitiiert hatte, hat sich schnell gezeigt, dass viele nicht mit der neugewonnenen Freiheit umgehen konnten. Manche wollten plötzlich gar keine Entscheidungen treffen, anderen fehlte schlichtweg der Mut. Wieder andere trafen übereilte Entscheidungen und nur wenige konnten mit der Verantwortung umgehen, die sie ganz automatisch mit der Freiheit mitbekommen hatten. Statt schneller und dynamischer zu werden, wurden wir langsamer. Alles fühlte sich zäh an.

Unsere Erkenntnis: Obwohl wir selbst die Idee so gut fanden – in der Praxis funktionierte das Ideal von führungslosen Teams für uns leider nicht. Das bedeutet nicht, dass Top-Down-Entscheidungen und steile Hierarchien das richtige sind! Vielmehr haben wir gelernt, dass wir das richtige Maß an Selbstbestimmung finden müssen, also die richtige Balance zwischen Führung und Freiraum. Heute haben wir eine sehr freiheitliche Kultur, in der wir laterale Führungsrollen implementiert haben. Führung ist verteilt und wird situativ gelebt. Jeder im Team kann Führung übernehmen, und zwar durch Überzeugungskraft und nicht durch Anweisung. Damit sind wir sehr erfolgreich – und haben in der aktuellen Krise bewiesen, dass wir eine sehr resiliente Organisation entwickelt haben. Mit einem Team, das sich selbst organisieren kann.

2. Menschen bringen Leistung, (erst recht!) wenn man nicht hinschaut

Entsprechend unserer Kultur gibt es keine Freigaben – auch nicht für Remote Work, auch vor Corona. Tatsächlich macht fast jeder, der neu in unser Team kommt, erst einmal einen Lernprozess durch. Denn, dass man morgens einfach frei entscheiden kann, von wo man arbeitet, ist wohl immer noch die Ausnahme. Die Möglichkeit remote zu arbeiten mitsamt der dafür nötigen technischen Infrastruktur, gibt es schon lange bei uns. Wir haben frühzeitig in die richtige Hardware investiert und setzen auf webbasierte Kollaborationslösungen wie den Google Workspace, Jira, sowie Slack und Facebook Workplace. Alle Mitarbeiter können selbst entscheiden, ob und wann sie ins Büro kommen wollen.

Dass Remote Work oder Homeoffice in vielen Unternehmen an Genehmigungsprozesse geknüpft oder auf wenige Tage im Monat beschränkt wird, finde ich – auch wenn gerade keine Pandemie ist – falsch. Dahinter steckt Misstrauen und die Annahme, dass die Produktivität im Homeoffice automatisch geringer ist als im Büro. Die Überzeugung, dass Menschen nur Leistung bringen, wenn sie sich beobachtet – also kontrolliert – fühlen, teile ich überhaupt nicht. Und ich frage mich auch immer: Wenn ich überzeugt bin, dass mein Gegenüber mich hintergeht, sobald ich wegschaue, habe ich dann nicht ein ganz anderes Problem?

Ich kann aus eigener Erfahrung nur empfehlen, mehr Vertrauen zu geben! Und ich hoffe, dass die aktuelle Situation mehr Unternehmen zum Umdenken bringt. Als Corona zuschlug, war es für uns die einfachste Übung, die Mitarbeitenden in den vollen Remote Modus zu schicken. Seit Monaten war kaum jemand im Büro. Die Produktivität hat nicht gelitten – im Gegenteil. Das Engagement, das das Team in dieser Zeit an den Tag gelegt hat und weiterhin legt, ist einfach überwältigend!

3. Büros sind ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur

Remote Work liegt also in unserer DNA. Dennoch haben wir in der Vergangenheit viel in unsere Offices investiert. Unsere Büros spiegeln unsere aufgeschlossene Kultur und schaffen eine familiäre Atmosphäre. Alle Räumlichkeiten sind hochwertig ausgestattet und bewusst offen gestaltet – mit vielen Möglichkeiten zum informellen Austausch: Wir legen beispielsweise ganz besonderen Wert darauf, dass wir gemeinsam kochen und essen können.

Wie wichtig unsere Büros für unser Team tatsächlich sind, hat sich in den letzten Monaten in vollem Umfang gezeigt. Das Corona-bedingte dauerhafte Wegbleiben von Offices und den realen Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen stellt einige vor hohe emotionale Herausforderungen.

Obwohl virtuelle Zusammenarbeit für uns Alltag ist, käme es daher für uns nicht infrage, dauerhaft auf die Büros zu verzichten. Sie sind ein wichtiges Tool, das unsere Werte kommuniziert und prägt, wie wir arbeiten. Daher werden unsere Büros selbst nach unserem Wandel hin zur Remote First Company einen hohen Stellenwert für uns haben und im „New Normal“ eine neue, wichtige Rolle spielen. Wir haben bereits viele Ideen, wie wir ein hybrides Modell schaffen können, in dem jeder seine individuelle Balance zwischen Remote und Office Work finden kann. Diese zu erproben wird unsere nächste Aufgabe nach dem Lockdown sein.

Zur Person

Steffen Behn ist CEO von der Celebrate Company.

Quelle: Human Ressources Manager

19 Februar 2021

Coworking im ländlichen Raum: Eine Chance für strukturschwache Regionen

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Eine Studie der Bertelsmann Stiftung von Dr. Alexandra Schmied

Coworking im ländlichen Raum: Eine Chance für strukturschwache Regionen

Angebote für mobiles und flexibles Arbeiten an gemeinschaftlich genutzten Orten gibt es in Ballungsgebieten schon länger. Eine Trendstudie in unserem Auftrag hat nun erstmals die Situation von Coworking im ländlichen Raum betrachtet. Demnach kann die neue Arbeitsform wichtige Impulse für die wirtschaftliche Wiederbelebung strukturschwacher Regionen geben.

Der verlassene Bäckerladen wird zur digitalen Kreativwerkstatt, die Streuobstwiese zur Stellfläche für mobile Arbeitsräume aus Containern: In den vergangenen Jahren sind in Deutschland immer mehr Coworking-Angebote im ländlichen Raum entstanden. Diese neue Form einer flexiblen und mobilen Berufsausübung in gemeinschaftlich genutzten Räumen besitzt viel Potenzial für die nachhaltige Belebung strukturschwacher Regionen. Dies geht aus der heute vorgestellten Trendstudie "Coworking im ländlichen Raum" hervor, die erstmals ein genaueres Bild des Coworking-Phänomens jenseits der urbanen Ballungsräume zeichnet. Die CoWorkLand Genossenschaft sowie das Netzwerk Zukunftsorte haben in userem Auftrag über 200 Tiefeninterviews mit Nutzer:innen sowie Gründer:innen von Coworking-Orten bundesweit geführt. Die darin geschilderten Erfahrungen zeigen allerdings auch, dass Coworking auf dem Land stark von den technischen Gegebenheiten und der sozialen Vernetzung der Gründer:innen abhängt.

"Der ländliche Raum wird oft als rückständig und abgehängt bewertet. Die Fallbeispiele in unserer Studie zeigen jedoch: Die Zukunft der Arbeit hat auf dem Land schon begonnen." (Alexandra Schmied, Expertin für Corporate Social Responsibility bei der Bertelsmann Stiftung)

Schmied weiter: "Coworking gibt Menschen die Möglichkeit, wohnortnah gut ausgestattete Arbeitsplätze zu nutzen, ohne täglich weite Pendelstrecken auf sich zu nehmen. Ländliche Regionen, die unter Abwanderung und Überalterung leiden, lassen sich durch den Zuzug junger Familien und die Modernisierung der Infrastruktur neu beleben. Unternehmen profitieren von einem größeren Einzugsgebiet für Fachkräfte. Nicht zuletzt kann Coworking eine Triebkraft für den Wandel hin zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen und modernen Wirtschaftswelt sein."

Breite Zielgruppe und große Integrationskraft

Nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat das Landleben wieder an Attraktivität gewonnen: Umfragen zufolge würde eine Mehrheit der Deutschen lieber im Grünen als in der Großstadt wohnen. Wie aus den für diese Studie geführten Interviews hervorgeht, versprechen Coworking-Angebote eine bessere Vereinbarkeit von Berufsausübung und Wohnortwunsch. Ihr Potenzial für den ländlichen Raum zeigt sich in der vielfältigen Kundschaft. Unter den Nutzer:innen von Coworking auf dem Land finden sich viele Menschen im Angestelltenverhältnis, in unterschiedlichen Berufsbildern, ohne akademischen Schulabschluss und mit einer breiten Altersstruktur.

"Coworking auf dem Land hat eine sehr viel breitere Zielgruppe und größere Integrationskraft als in der Stadt. Es wird von all jenen nachgefragt, die ein Bedürfnis nach Gemeinschaft haben und sich ihren Arbeitsort frei auswählen können." (Ulrich Bähr, Geschäftsführer von CoWorkLand)

Zwar zieht es auch hier Angehörige der Kreativ-, Digital- und IT-Wirtschaft – und damit die ursprüngliche Kernzielgruppe des Coworking – verstärkt ins Grüne. Doch die Coworker:innen in ländlichen Gebieten bilden ein weit gefächertes gesellschaftliches Spektrum ab, das auch Handwerker:innen, Wissenschaftler:innen, Berater:innen und Lehrer:innen umfasst. Auch die Anbieterseite zeichnet sich durch Vielfalt aus. Das zeigt der Blick auf die unterschiedlichen Orte und damit Geschäftsmodelle. Coworking-Einrichtungen finden sich beispielsweise an beliebten Pendlerrouten, auf abgelegenen Landgütern, leerstehenden Ladenlokalen in einer Kleinstadt, inmitten beliebter Urlaubsregionen oder auf einem Bauernhof am Dorfrand. "Wir sind davon überzeugt, dass Coworking auf dem Land das Zeug zum Massenphänomen hat und für einen wirksamen Strukturwandel sorgen kann – vor allem, wenn sich auch festangestellte Pendler:innen zunehmend für Coworking gewinnen lassen. In dieser Zielgruppe liegt noch großes und fast unberührtes Potenzial", erläutert Bähr.

Lokale Netzwerke sind wichtiger Erfolgsfaktor

Allerdings zeigt die Studie, dass die Entwicklung eines tragfähigen Geschäftsmodells eine große Herausforderung bei der Errichtung eines Coworking-Spaces auf dem Land darstellt. Anders als in den Ballungsgebieten, ist daher das Agieren in lokalen Netzwerken aus Sicht vieler Befragter ein wichtiger Erfolgsfaktor – zumal es im ländlichen Raum noch keinen entwickelten Markt für die neuen Angebote gibt. "Damit sich die positiven Effekte des Coworking entfalten können, ist es notwendig, die besonderen Bedarfe dieser neuen 'Landarbeiterschaft' zu berücksichtigen. Zudem brauchen die netzwerkorientierten Gründer:innen die notwendige Unterstützung aber auch den Freiraum, um ihre andersartigen, jenseits der Metropolen funktionierenden Geschäftsmodelle umzusetzen", sagt Schmied. "Kommunalpolitik sowie die ortsansässige Wirtschaft oder Vereine können für die ländliche Coworking-Szene wichtige Netzwerkpartner sein und hier Starthilfe geben", schlägt Bähr vor.

Coworking-Schub durch Corona

Im Zuge der Bekämpfung des Coronavirus haben sich viele berufliche Tätigkeiten vom Büro an alternative Arbeitsorte verlagert. Dieser Trend dürfte dem Coworking im ländlichen Raum zusätzlichen Auftrieb verleihen, wie die im Frühjahr während des Ausbruchs der Pandemie geführten Interviews nahe legen. Demnach haben sich Abstandsregeln und Kontaktverbote kurzfristig zwar als Belastung für das auf Gemeinsamkeit ausgerichtete Arbeitsmodell erwiesen. Auf längere Sicht betrachtet, haben die Corona-Erfahrungen aus Sicht vieler Befragter allerdings unter Beweis gestellt, dass das Arbeiten an einem anderen Ort als dem Büro in vielen Berufsfeldern funktioniert und sich Präsenzzeiten und damit auch das Pendeln reduzieren lassen.

Die Befragungen der Coworking-Gründer:innen und -Nutzer:innen unterstreichen, dass Angebote zum mobilen Arbeiten im ländlichen Raum gegenüber dem Homeoffice große Vorteile mit sich bringen. So fehlen bei der Arbeit in den eigenen vier Wänden häufig die sozialen Kontakte und klare Abgrenzungen von beruflichen und privaten Aktivitäten. Auch Ablenkungen durch andere Haushalts- oder Familienmitglieder treten im Coworking-Space seltener auf. Nicht zuletzt ist dort in der Regel eine bessere technische Infrastruktur vorhanden. "Mobiles Arbeiten kommt den Bedürfnissen vieler Angestellter deutlich mehr entgegen als der bloße Umzug ins Homeoffice. Arbeitgeber:innen, Tarifpartner:innen sowie der Gesetzgeber sollten daher Rahmenbedingungen schaffen, die eine Verlagerung der Tätigkeiten an neue, alternative Arbeitsorte begünstigen", empfiehlt Bähr.

Über die Autorin

Frau Dr. Alexandra Schmied ist Senior Projekt Managerin bei der Bertelsmann Stiftung. 

Quelle: Bertelsmann Stiftung

29 Januar 2021

Genossenschaft und Agile Arbeit: Die Berliner Agentur Wigwam bringt beides zusammen

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Digitale Transformation - Interview von Inga Höltmann

Genossenschaft und Agile Arbeit: Die Berliner Agentur Wigwam bringt beides zusammen

Die Berliner Kommunikationsberatung Wigwam ist eine ganz besondere Agentur: Sie firmieren als Genossenschaft und sind noch dazu selbstorganisiert. Und der Weg dorthin war eine Reise – denn gegründet wurde Wigwam zuerst als GmbH. Doch durch den Weggang von zwei von drei Geschäftsführern auf einmal entstand vor fünf Jahren ein Vakuum. Die Arbeitskultur im Wigwam und das Modell der GmbH – das passte irgendwie nicht mehr so richtig zusammen.

Maximierung oder Genügsamkeit?

Denn eine GmbH verfolgt das Prinzip der Gewinnmaximierung, bei Wigwam geht es eher um eine Profitgenügsamkeit – Umsatz ja, aber vor allem so viel, dass es reicht, um sich die Gehälter auszuzahlen. Der Daseinszweck von Wigwam liegt woanders: „Wir glauben, dass man mit Kommunikation viel bewirken kann und dafür gibt es viele Themen, an denen wir mitwirken können, mit unseren Mitstreitern, mit unseren Kunden“, sagt Eugen Friesen. Er ist seit sechs Jahren bei Wigwam als ist Kampagnen- und Strategieberater und war außerdem auch drei Jahre lang Mitglied des Vorstands. Seine Kollegin Wera Stein ist ebenfalls seit sechs Jahren bei Wigwam und macht für die Kunden vor allem Webkonzeption, also die Strukturierung und Architektur von Webseiten. Im ersten Jahr der Genossenschaftsgründung hatte sie außerdem den Vorsitz im Aufsichtsrat inne.

In den vergangenen vier Jahren ist es dem Wigwam-Team in der Arbeit in und an der Genossenschaft gelungen, Personen von Rollen zu entkoppeln – nicht zuletzt dadurch, dass sie durchwechseln und die verschiedenen Positionen immer wieder neu durch Wahlen besetzen. „Für mich macht es einen sehr großen Unterschied, ob ich im Teamaufgaben übernehme als Aufsichtsrat oder ‚nur‘ als Team-Mitglied“, sagt Stein. Der Clou an ihrem Wechselmodel ist aber, dass man das Wissen aus der Rolle mitnehme, wenn man rotiert. „Das hat unglaublich viel Wertschätzung füreinander geschaffen!“, sagt sie.

Für sie steht die Erkenntnis:

"Eine Genossenschaft ist nicht per se gut oder schlecht, sondern es geht darum, warum man es so macht und wie man die Formate füllt – und welche Rolle der Mensch einnimmt."

Bei Wigwam haben sie ihn ganz bewusst in den Mittelpunkt gestellt.

Im Gespräch berichten beide, wie die genossenschaftlich organisierte Zusammenarbeit funktioniert und welche Formate sie sich gegeben haben: Von der montäglichen Projektrunde über den „Wertschätzungs-Wednesday“ bis hin zum wöchentlichen Projektlauf. Friesen und Stein machen auch die verschiedenen Ebenen auf und berichten, wie ihre Arbeit im Alltag funktioniert und wie sie die genossenschaftliche Ebene mit Projektarbeit und mit Elementen aus dem Scrum und der Agilen Arbeit verweben.

Das Gespräch führte ​Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und Neues Lernen, um Unternehmen in ihrer Transformation zu unterstützen.

Quelle: ZukunftderArbeit

23 Oktober 2020

Wie die Generation Z die Arbeitswelt von morgen verändert

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Digitale Transformation

Wie die Generation Z die Arbeitswelt von morgen verändert

Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird oft als Technologisierung in Form von neuen Arbeitsmitteln wie hochentwickelte Computer oder Hardware verstanden. Diese enge Auffassung von Digitalisierung reicht allerdings nicht aus, um die Zukunft der Arbeit zu beschreiben. Zusätzlich zur Umwandlung von analogen Prozessen kommt es nicht nur zu neuen Arbeitsweisen und Organisationsformen, sondern auch zu neuen Beschäftigungsverhältnissen und Ansprüchen an die Arbeitswelt.

Ansprüche der Generation Z

Mit dem technologischen Fortschritt verändert sich auch unsere Gesellschaft. Schon zwischen den Generationen der Millennials (nach 1981 geboren) und der Generation Z (nach 1995 geboren) gibt es große Unterschiede. Jede Generation hat ihre eigenen Ansprüche an Arbeit. Für die jüngere Generation Z sind zum Beispiel Arbeitsplatzsicherheit und finanzielle Sicherheit weniger wichtige Faktoren bei der Suche nach einem Job. Dafür stehen vor allem Unternehmenswerte wie soziales Handeln, Nachhaltigkeit und Diversität des potenziellen Arbeitgebers im Vordergrund. (vgl. Springer Professional Studie)

Generation Z gestaltet mit ihren Wertvorstellungen den Arbeitsmarkt der Zukunft. Statt lebenslanger, beruflicher Sicherheit werden zunehmend flexible Arrangements, Selbstbestimmtheit und sozial verantwortliches Handeln wertgeschätzt.

"Die größten Ansprüche stellt die Generation Z dabei im Bereich der Flexibilisierung der Arbeitswelt."

Flexibilisierung meint in diesem Kontext nicht nur ungebunden von einem Ort zu arbeiten, sondern auch zeitlich ungebunden zu sein. Die klassische „Tyrannei der Stechuhr“ mit 9-5-Anstellungen, welche sich in Zeiten der Industrialisierung etabliert hat, gehört schon heute in einigen Bereichen der Vergangenheit an. Trotzdem fehlen weiterhin oft die Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung des Arbeitsalltags. Die Generation Z wünscht sich einen selbstbestimmten Arbeitsalltag mit der höchstmöglichen Vereinbarkeit ihrer beruflichen und privaten Ziele. Vereinbarkeit bedeutet in diesem Sinne die Möglichkeit selbst zu entscheiden, an welcher Stelle die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem gezogen wird und wie scharf diese Grenze verläuft. Durch die technologischen Instrumente auf der einen Seite (beispielsweise Kommunikationstools wie Slack, ein Programm zum Chatten und „Connecten”) und das technische Verständnis der jüngeren Generation auf der anderen Seite, kann das sogar funktionieren.

Die Herausforderung sind die politischen Rahmenbedingungen

Generation Z bringt nicht nur neue Ansprüche an die Arbeitswelt mit sich, sondern auch das Potenzial, diese einzufordern. Wie diese Generation Wertvorstellungen umsetzt und versucht, das bestehende System zu beeinflussen, kann man an verschiedensten Demonstrationen und Bewegungen in jüngster Vergangenheit gut beobachten (z.B. Black Lives Matter).

"Auch wenn es so scheint, als stünde einer Gestaltung der Zukunft der Arbeit im Sinne der Ansprüche der Generation Z nichts im Wege, bleibt eine große Herausforderung bestehen: das Schaffen der notwendigen politischen Rahmenbedingungen."

Auch wenn flexible Anstellungsverhältnisse den Einzug in den Arbeitsmarkt bereits erlebt haben, fehlen die politischen Regulierungen, um diese ausreichend abzusichern und fair zu gestalten. Die steigende Nachfrage nach neuen alternativen Beschäftigungsformen verlangt nach einer politischen Diskussion und einer strukturellen Umgestaltung des Arbeitsrechts.

Dabei geht es vor allem um die Klärung der Frage der sozialen Absicherung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Absicherung in Kombination mit der Gewährleistung der Flexibilität ist eine der größten Herausforderungen. Viele politische Maßnahmen, die diese Herausforderung angehen wollen, beschränken sich hauptsächlich auf die bessere Absicherung der Selbstständigkeit. Eine andere Variante wäre allerdings den klassischen Arbeitnehmerbegriff zu flexibilisieren und anpassbare sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen für diverse Anstellungsverhältnisse zu schaffen.

Weitere Herausforderung: „War of Talents”

Eine weitere Herausforderung für den traditionellen Arbeitsmarkt stellt der „War of Talents” dar – ein Fachkräftemangel, der in Zukunft immer stärker ausgeprägt sein wird. Denn bis 2030 werden viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die der Babyboomer-Generation (in den Jahren 1944-1964 geboren) angehören, den Arbeitsmarkt verlassen. Jedoch gibt es zu wenige junge Arbeitskräfte, die diese Lücke füllen. Dies ist nicht nur ein deutschlandweites, sondern ein globales Problem, das die Zukunft der Arbeit prägen wird.

Der Arbeitsmarkt der Generation Z

Zusammen mit der zunehmenden Digitalisierung und den Ansprüchen der Generation Z werden sich Beschäftigungsverhältnisse weiter flexibilisieren und ausdifferenzieren. Einen großen Faktor wird dabei auch die sogenannte Plattformökonomie spielen, die dafür sorgt, dass Angebot und Nachfrage effizient und digital vermittelt werden. Dieser Megatrend bringt große Potenziale für die Befriedigung der Bedürfnisse von Flexibilität und Vereinbarkeit – und das nicht nur für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, sondern auch für Unternehmen.

"Eine beidseitige Flexibilität durch die algorithmische Vermittlung von Jobs und Arbeitssuchenden, von Angebot und Nachfrage, ist nur ein Beispiel für eine positive Entwicklung durch die Digitalisierung."

Allerdings kann der Arbeitsmarkt der Zukunft die Bedürfnisse der Generation Z nur stemmen, wenn die oben genannten Herausforderungen bewältigt werden.

Nur bei angemessener politischer Regulierung und der Durchsetzung von fairen Arbeitsbedingungen wird auch der Lebensbereich Arbeit plattformisiert werden. Die Akzeptanz dieser Form von Organisation des Alltags bei der Generation Z zeigt sich bereits in der Popularität von Netflix, Tinder und Co. Die Generation Z wird somit den Arbeitsmarkt durch ihre Wertvorstellungen nachhaltig verändern und die Zukunft der Arbeit aktiv mitgestalten.

Über die Autoren

Sandra Maria Hanisch hat Soziologie in Innsbruck und Berlin studiert. Durch Nebenjobs hat sie nicht nur gelernt Cocktails zu mixen, sondern auch Marktanalysen durchzuführen und statistisch zu arbeiten. Ihr Interesse an der Arbeitswelt von Morgen hat sie zu Zenjob geführt, wo sie jetzt im Public Affairs Bereich tätig ist und ihre Masterarbeit über die Zukunft der Plattformarbeit geschrieben hat. Beim Thema Zukunft der Arbeit interessieren sie vor allem der Wandel der Ansprüche der Generationen an die Arbeitswelt und New Work. Ihre Freizeit verbringt sie gerne draußen oder beim Volleyball.

Frederik Fahning ist Mitgründer und Geschäftsführer von Zenjob. Vor der Gründung von Zenjob war er im Business Development tätig und hat Rechtswissenschaften studiert. Mit seinem juristischen Background ist er hauptsächlich für die rechtliche und politische Ausgestaltung des Geschäftsmodells zuständig. Er hat den Public Affairs Bereich bei Zenjob aufgebaut und sich verstärkt mit dem Thema Zukunft der Arbeit auseinandergesetzt. Seine Vision ist es die geforderte beidseitige Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, aber dabei eine sichere und faire Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse nicht aus den Augen zu verlieren. Vom Gründerleben erholt er sich am liebsten beim Kitesurfen.

Quelle: zukunftderarbeit

02 Oktober 2020

Virtuell oder persönlich? Noch ist das Homeoffice ein Experimentierraum für die neue Arbeitswelt.

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Culture beats Home-office - Studienüberblick

Virtuell oder persönlich? Noch ist das Homeoffice ein Experimentierraum für die neue Arbeitswelt.

Der aktuelle Schub an Homeoffice-Tätigkeiten bewirkt noch keinen Paradigmenwechsel. Eine Auswertung der wichtigsten Studien zeigt, welche Hindernisse in den betrieblichen wie gesellschaftlichen Gegebenheiten einer echten Transformation zu neuen Arbeitsformen noch entgegenstehen.

Die Corona-Pandemie mit den verfügten Kontaktbeschränkungen zwingt seit Mitte März 2020 eine große Zahl der Beschäftigten ins Homeoffice. Waren es vor der Pandemie rund 12 Prozent der Beschäftigten, die ganz oder teilweise im Homeoffice gearbeitet haben, sind es neueren Studien zufolge derzeit deutlich über 35 Prozent. Geht man davon aus, dass grundsätzlich etwa die Hälfte der Arbeitsaufgaben eines Unternehmens im Homeoffice erledigt werden können, ist die Aussage des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, dass derzeit 70 Prozent der Bürotätigkeiten im Homeoffice erledigt werden, nachvollziehbar. (Hinweis: Angaben zu allen im Text zitierten Studien finden Sie unten).

Homeoffice als Experimentierrraum

Die Pandemie hat somit einen "Experimentierraum" geschaffen, der bei Vielen zu ganz neuen Erfahrungen geführt hat, deren Folgewirkungen aber längst noch nicht absehbar sind. Kommt es zu einem echten Paradigmenwechsel in der Arbeitsgestaltung, zu einer nachhaltigen Transformation des Arbeitslebens, zu einem Digitalisierungsschub oder vielleicht doch nur zu einem Anstieg der Beschäftigten im Homeoffice ohne nachhaltige Wirkung auf das Arbeiten in der Zukunft? Die Antworten hierauf sind vielfältig und reichen von euphorischen Prognosen über vorsichtige bis hin zu sehr kritischen Einschätzungen der Auswirkungen.

Überblick: Erfahrungen der Beschäftigten im Experimentierraum Homeoffice

Ganz überwiegend beziehen sich die Studien auf die Befragung der Beschäftigten und ihre Situation im Homeoffice. Gezeigt wird eine generelle hohe Zufriedenheit der Beschäftigten mit der unmittelbaren Erledigung ihrer Aufgaben im Homeoffice. Nach einer Umfrage des bidt, Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation, im Juni 2020 sind 39 Prozent sehr zufrieden, 42 Prozent eher zufrieden und nur 19 Prozent eher oder ganz unzufrieden. Zu ähnlichen Werten kommt auch die Ad-Hoc-Studie der TH Köln: 27 Prozent sind sehr zufrieden, 47 Prozent zufrieden, 21 Prozent eher zufrieden und nur fünf Prozent sind unzufrieden oder ganz unzufrieden. Eine Auswertung von über 2.000 Fragebögen durch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT im Juli 2020 zeigt gar, dass die Zufriedenheit bei den Befragten bei 90 Prozent liegt.

Studienüberblick Homeoffice: Kurzer Arbeitsweg, aber wenig Austausch

Komponenten dieser generellen Zufriedenheit sind die positive Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, die Möglichkeit zum ungestörten Arbeiten, der Zeitgewinn aufgrund des Wegfalls der Arbeitsweges oder der besseren Verteilung der Arbeitszeit über den Tag mit der Folge einer erlebten besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf (DAK, Uni Konstanz).

Sehr kritisch wird dagegen die mittelbare Wirkung der Arbeit im Homeoffice gesehen: Deutlich über 70 Prozent der Befragten fehlt der persönliche Austausch mit den Kollegen (DAK, TH Köln), 20 Prozent der Befragten fühlen sich im Homeoffice gar einsam (Universität Konstanz). Die wahrgenommene soziale Isolation wird als belastend empfunden (Universität Düsseldorf) und führt, wie eine Studie der Universität Krems in Österreich aufzeigt, zu einer Vervielfachung depressiver Symptome bei den Befragten (Universität Krems).

Studienüberblick zur Arbeit im #Homeoffice zeigt: Mitarbeiter profitieren vom Wegfall des Arbeitswegs, leiden aber unter sozialer Isolation. @gerhardruebling

Die wahrgenommene weitgehende Freiheit bei der Gestaltung des Arbeitstags führt zum Problem der Entgrenzung der Arbeitszeit. 47 Prozent der befragten Beschäftigten fehlt eine klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit (DAK). Bei 66 Prozent der befragten Unternehmen ist diese Wirkung vor dem Hintergrund der praktizierten unüblichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten gleichfalls zu erkennen (Fraunhofer IAO).

Insgesamt, und darauf weisen die Studien übereinstimmend hin, möchte der ganz überwiegende Teil der Befragten trotz der negativ erlebten Wirkungen auch nach der Krise die Arbeit im Homeoffice in begrenztem Rahmen fortsetzen (DAK, Uni Konstanz, bidt). "Eine als erfolgreich empfundene Leistungserbringung ist für die Zufriedenheit im Homeoffice ausschlaggebender als die soziale Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen." (FIT Mai)

Homeoffice: Überblick zu den Erfahrungen der Unternehmen

Auffallend ist, dass lediglich eine der vorliegenden Studien gezielt die Erfahrungen der Unternehmen untersucht und diese mit konkreten Handlungsempfehlungen versieht. "Die umfänglichen Erfahrungen der letzten Wochen haben bei knapp der Hälfte der Befragten bereits jetzt schon zum Entschluss geführt, das Angebot an Homeoffice auszuweiten (42 Prozent)", erklärt das Fraunhofer IAO in seiner Studie. Hintergrund sind die positiven Erfahrungen mit der zum Teil unerwarteten inhaltlichen und organisatorischen Machbarkeit der Verlagerung von Aufgaben ins Homeoffice, ohne dass hieraus Nachteile für das Unternehmen resultieren.

Ebenso positiv wurde sowohl das Vorhandensein der technischen Voraussetzungen als auch des entsprechenden Angebots virtueller Arbeits- und Kommunikationsmittel bewertet. Dazu die Studienautoren: "Es bestätigt sich die Erkenntnis, dass virtuelles Arbeiten zuerst einmal bestimmte technologische Grundvoraussetzungen hat, damit das alles funktionieren kann - und diese Voraussetzungen zu einem überraschend hohen Maß gegeben waren".

So haben nach der Studie des Fraunhofer IAO fast alle befragten Unternehmen vermehrt Web- oder Videokonferenzen genutzt und fast 75 Prozent haben Workshops über Web- oder Videokonferenzen durchgeführt. Während die Hard- und Software-Umgebung als eine technische Grundvoraussetzung für das Gelingen von Arbeit im Homeoffice herausgearbeitet wurde, fand die Aussage, dass eine gute Zusammenarbeit und eine starke Kultur gut durch krisenhafte Phasen hindurch tragen, gleichfalls eine erstaunlich hohe Zustimmung von über 90 Prozent. In diesem kulturbezogenen Feld sehen die Autoren den größten Handlungsbedarf.

Wenn also die technischen Voraussetzungen gegeben sind, vorhandene Softwarelösungen breitflächig angenommen wurden, die Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice auch nach der Pandemie in bestimmtem Umfang fortsetzten wollen und die Unternehmen zu einer Öffnung bereit sind, dann sollte doch eigentlich eine nachhaltige Transformation in eine digitale Homeoffice-Zukunft gelingen. Woran also könnte es scheitern?

Zukunft im Homeoffice: Vier Thesen zu den Hindernissen

Werfen wir einen Blick zurück in die Zeit vor der Corona-Pandemie: Auch damals waren die technischen Voraussetzungen schon gegeben, die Softwareumgebung vorhanden, große Unternehmen hatten die betrieblichen Rahmenbedingungen rechtlicher und organisatorischer Art geschaffen und erste Erfahrungen waren sowohl auf Seiten der Beschäftigten als auch der Unternehmen im Lauf der Jahre gemacht. Dennoch blieb der Anteil der im Homeoffice Arbeitenden bei zehn bis 15 Prozent und die im Homeoffice geleisteten Stunden in Summe damit stets deutlich unter zehn Prozent der wöchentlichen Sollarbeitszeit.

Das Argument, dass die Unternehmen vielfach keine entsprechenden Regelungen geschaffen haben und die Führungskräfte in ihren alten Rollenbildern geblieben sind, ist sicherlich relevant. Aber warum gab es von Seiten der Beschäftigten und ihren Interessenvertreter keinen Druck? Und warum wurde auch dort, wo entsprechende Reglungen vorhanden waren, kein exzessiver oder wenigstens zunehmender Gebrauch von den bestehenden Möglichkeiten gemacht?

#Homeoffice: Unsere Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit steht einem Paradigmenenwechsel zur Zukunft im Homeoffice entgegen. @gerhardruebling

 

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit

These eins: Wir leben nach wie vor in einer Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit. Der Wunsch nach individueller Orts- und Zeitsouveränität trifft auf ein über Jahrhunderte eingeübtes kulturelles Verständnis von Arbeit und Freizeit. "90 Prozent der Befragten geben an, dass die Mitarbeitenden im Unternehmen ihren eigenen festen Arbeitsplatz haben" (Fraunhofer IOA). Es ist ein Ritual, morgens zur Arbeit zu gehen und am Abend nach Hause zu kommen. Dann ist Feierabend und Zeit für private Aktivitäten. Während der Arbeitszeit hat man am Arbeitsplatz oder in Besprechungen zu sein. Private Telefonate und Surfen im Internet sind eher nicht erlaubt. Erwartet wird nicht nur körperliche, sondern auch geistige Präsenz zur Leistungserbringung an einem definierten Ort. Das Arbeitsrecht hat diese Kultur mit vielfältigen Regeln normiert und sanktioniert streng unerlaubte Abwesenheit oder private Aktivitäten während der Arbeitszeit.

Das gesellschaftliche Leben hat sich daran orientiert, dass zu gewissen Zeiten die Menschen mehrheitlich am Arbeitsplatz sind und zu gewissen Zeiten nicht, eben frei sind. Ein Blick in die Veranstaltungskalender der Konzert- und Schauspielhäuser genügt, um sich darüber klar zu werden, dass Aktivitäten, die nichts mit Arbeit zu tun haben, ganz überwiegend am Abend und am Wochenende stattfinden. Vielleicht ist dies während der Pandemie wenig auffällig, da das gesellschaftliche Leben stark eingeschränkt ist. Aber dies wird sich irgendwann wieder ändern. Schwer vorstellbar, dass man während des Tages zwischendurch ein Konzert oder ein Fußballstadion besucht. Viele Freizeitaktivitäten brauchen Masse. Ist diese durch unterschiedliche Arbeits- und Freizeitmodelle aufgelöst, sind sie nicht mehr vorstellbar. Und genau das erleben wir während der Pandemie. Weil Massenveranstaltungen verboten sind, finden sie nicht statt. Nicht zur Hälfte oder einem Viertel, sondern gar nicht. Es lohnt sich einfach nicht.

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Entgrenzung trifft auf eingeübte individuelle Verhaltensmuster

These zwei: Die Entgrenzung der Arbeitszeit trifft auf jahrelang eingeübte individuelle Verhaltensmuster. Die Trennung von Arbeit und Freizeit hilft nicht nur kollektiv zur Strukturierung und Organisation des gesellschaftlichen Lebens, sondern auch zur Gestaltung des individuellen Tages-, Wochen- und Monatsablaufs. Arbeit schafft durch ihre Verpflichtungen, ihre Regeln und Rituale Struktur und Berechenbarkeit. Insbesondere dort, wo die Fähigkeit zum Selbstmanagement fehlt oder die häusliche Umgebung ein durchgängiges, konzentriertes Arbeiten behindert, entstehen Chaos und in der Folge Leistungsmängel, die entweder zu erhöhter Arbeitszeit oder Produktivitätseinbussen führen.

Folgt man den Ergebnissen der DAK-Studie, vermissen fast 50 Prozent der Befragten eine klare Trennung von Beruf und Privatleben. 74 Prozent der befragten Unternehmen sehen gleichfalls und unabhängig davon einen wesentlichen Bedarf in der Entwicklung einer unternehmensweiten Strategie zur Vermeidung von Entgrenzungserscheinungen (Fraunhofer IAO).

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Führungskultur

These drei: Homeoffice erfordert eine neue Führungskultur. Führung, in welcher Form und Ausprägung sie auch immer im Unternehmen praktiziert wird, erfordert eine ständige Interaktion des Managements zur Definition und Erreichung der Unternehmensziele. In einer Situation der geringen und zum Teil beliebigen sozialen Präsenz zeigt sich, dass sowohl die klassische transaktionale als auch die eher moderne transformationale Führungslehre keine geeigneten Methoden und Instrumente zur Führung auf Distanz zur Verfügung stellt.

Den Klassikern fehlt es ganz überwiegend an entsprechenden Instrumenten für das Performance- und Sanktionsmanagement. Orts- und zeitsouveränes Arbeiten legt den Schwerpunkt weniger auf Verhaltenskomponenten und die Art des Zustandekommens der Arbeitsergebnisse als vielmehr auf das Arbeitsergebnis als solches. Diese eindeutige Ergebnisorientierung lässt sich mit den vorhandenen Leistungs-Beurteilungssystemen nur schwerlich abbilden, weder was die Fähigkeit des Vorgesetzten zur Definition der erwarteten Leistung, noch was die vorhandenen Bewertungsmaßstäbe angeht, die oft das im betrieblichen Kontext gezeigte Verhalten mit in die Beurteilung einbeziehen. Deshalb leuchtet auch sofort ein, warum man beim Anruf in einem Callcenter gefragt wird, ob das Gespräch aufgezeichnet werden darf. Die als Argument angeführte Qualitätskontrolle ist nichts anderes als eine auswertbare Leistungskontrolle des Beschäftigten, weil sein Verhalten nicht mehr in einem sozialen Umfeld stattfindet und dort beurteilt werden kann.

Die transformationale Führung setzt in der Interaktion auf direkte Kommunikation und auf agiles, gruppenorientiertes Verhalten mit einem hohen Visualisierungsgrad. "Individuals and interactions over process and tools" lautet der erste Leitsatz des Agilen Manifestes und stellt das persönliche Gespräch über jeden noch so ausgefeilten und gut dokumentierten Prozess. "The most efficient and effective method of conveying information to and within a development team is face-to-face conversation". Insbesondere im agilen Projektmanagement mit der Scrum-Methode, den "Daily Sprints" und einem physischen zentralen Informations- und Entscheidungsort ist Präsenz unabdingbar.

Homeoffice ist mit den derzeitigen praktizierten Führungsleitbildern nur schwer vereinbar. Es erstaunt deshalb nicht, dass 54 Prozent der vom Fraunhofer IAO befragten Unternehmen die Wichtigkeit der Überprüfung des Führungskräfteverhaltens und einen definitiven Schulungs- und Kulturentwicklungsbedarf sehen.

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: kulturelle und individuelle Bedeutung des Unternehmens

These vier: Das Unternehmen als soziale Veranstaltung hat eine hohe kulturelle und individuelle Bedeutung. Im Unternehmen treffen sich Individuen mit einer hohen Übereinstimmung der gemeinsamen Grundüberzeugungen, Werte und Verhaltensweisen. Die so entwickelte und gelebte Unternehmenskultur bietet Raum zur immateriellen persönlichen Bedürfnisbefriedigung außerhalb des eigentlichen funktionalen Leistungserstellungsprozesses, aber auch außerhalb des familiären Umfelds. Der persönliche Austausch unter Kollegen, die kurze Begegnung auf dem Flur oder das Gespräch in der Kantine sind bei geringer Präsenz eingeschränkt. Das Feiern von Erfolgen und der Frustrationsabbau bei Niederlagen findet vielfach ganz bewusst und unmittelbar am Ort des Entstehens statt und soll nicht in die häusliche, familiäre Sphäre hineingetragen werden. Durch Homeoffice findet in diesem Sinne nicht nur eine Entgrenzung der Arbeitszeit statt, sondern auch eine Entgrenzung des beruflichen Rollenbildes: spezifisches berufliches Rollenverhalten taucht unerwartet im familiären Umfeld auf. Die ganz überwiegende Zahl der Befragten hat diesen Mangel bereits in kurzer Zeit erlebt.

75 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass ihnen der direkte Kontakt zu den Kollegen fehlt (DAK) und 42 Prozent Zustimmung erhielt die Aussage, dass es in virtuellen Arbeitssituationen Bedarf an einer unkomplizierten Plattform gibt für den informellen Austausch der Beschäftigten (Fraunhofer IAO). Aber auch hier gelten die Aussagen aus dem Agilen Manifest, dass das persönliche Gespräch und der direkte Kontakt die besten Möglichkeiten des persönlichen Austauschs sind.

Zukunft Homeoffice: Sind wir reif für die Transformation der Arbeitswelt?

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Ist die derzeitige Homeoffice-Situation geeignet, die Arbeitswelt nachhaltig zu verändern? Zeigen sich im "Experimentierraum Deutschland" (IAO) Ansätze für eine tiefgreifende Veränderung? Aktuell wohl eher noch nicht. Was sich aber zeigt, ist der Wille zur Veränderung und ihre technische Machbarkeit. Was fehlt, ist eine intensive Auseinandersetzung mit den kulturellen betrieblichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, die durchaus als "show-stopper" wirken können. Viel Ungeklärtes steht der Verbreitung der Arbeit im Homeoffice noch im Weg:

  • Wie wirkt sich die Aufhebung einigermaßen geregelter Arbeits- und Freizeitblöcke auf das gesellschaftliche Leben aus?
  • Wie erreichen wir eine vernünftige Trennung von Arbeit und Freizeit für den Einzelnen im Laufe des Tages? Und wie verteilen sich die Aufgaben neu in den Familien?
  • Wie führt man virtuelle Teams und beurteilt die Leistung des Einzelnen?
  • Und was ersetzt das Unternehmen als soziale Veranstaltung?
  • Wie reagieren die Belegschaft und ihre Interessenvertretung auf eine Situation, in der die Hälfte der Belegschaft im Homeoffice arbeiten "darf" und die andere Hälfte nicht?
  • Welche Lösungen gibt es für die vielen teilzeitarbeitenden Frauen?

Unternehmen können sich angesichts dieses Fragen- und Aufgabenkatalogs zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden: Wer Aufwand und Auseinandersetzung mit den oben angesprochenen Themen scheut, hakt die aktuelle Entwicklung als kurzfristige Reaktion auf staatliche Vorgaben ab und versucht, zum "business as usual" zurückzukehren.

Oder, und das scheint die weitaus vielversprechendere Option, Sie nutzen die aktuelle Aufbruchsstimmung, um den neu entstehenden Formen des Arbeitens eine gesellschaftlich tragfähige und mit der Unternehmenskultur zu vereinbarende Basis zu geben. Das benötigt Zeit und Aufwand, denn es ist nicht zu erwarten, dass diese Fragen auch bei intensiver Auseinandersetzung in Kürze zu beantworten sein werden. Doch es könnte sich lohnen: Die Veränderung der Arbeitswelt lässt sich nicht mehr aufhalten – schauen wir, dass wir das Beste daraus machen.

Literaturhinweise:

bidt, Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation, Umfrage "Homeoffice" Juni 2020 

DAK, "Digitalisierung und Homeoffice in der Corona Krise, Hamburg", Juli 2020

DIW Wochenbericht, November 2019

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, "Arbeiten in der Corona-Pandemie – Auf dem Weg zum New Normal"

Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Umfrage "Homeoffice", 7.Mai 2020

Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Umfrage " Homeoffice: Ist digitales Arbeiten unsere Zukunft?", Juli 2020

Universität Düsseldorf, S. Süß, "Homeoffice beeinflusst Produktivität und Konflikte", Düsseldorf 2020

TH Köln, C. Ernst, "Homeoffice im Kontext der Corona- Pandemie", Köln, April 2020

Universität Konstanz, F. Kunze, K. Hampel, S. Zimmermann, "Homeoffice in der Krise - eine nachhaltige Transformation der Arbeitswelt?", Konstanz, Juli 2020

Universität Krems, "Mental Health during Covid-19 Lockdown: A Comparison of Austria and the UK", Mai 2020

Über den Autor

Dr. Gerhard Rübling war Arbeitsdirektor bei Trumpf und langjähriger Vorstandsvorsitzender der DGFP

Quelle: haufe.de

14 August 2020

Ethischer Kompass für den Einsatz von KI in der Personalarbeit

Posted in Mind

Digitale Transformation - Interview von Inga Höltmann

Ethischer Kompass für den Einsatz von KI in der Personalarbeit

"Was wir brauchen, ist ein reflektierter Umgang mit Technologie und dem technologisch Machbaren“,

fordert Michael Kramarsch. Er ist Mit-Initiator des Ethikbeirat HR Tech, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von digitaler Technologie – wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz – in der Personalarbeit zu erarbeiten. Denn es fehlen heute handlungsleitende Richtlinien, meint er. Zwar gäbe es schon es eine ganze Reihe Anwendungen, die in der Personalarbeit zum Einsatz kämen: Interaktionen mit Chatbots, Sprach- oder Videoanalysen oder auch statistische Vorhersagen, wie wahrscheinlich es zum Beispiel ist, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Unternehmen verlässt. Doch auch hier gilt – wie in so vielen Bereichen: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch wünschenswert.

Michael Kramarsch ist Gründer der HKP Group, einer Unternehmensberatung für Themen an der Schnittstelle von HR, Strategie und Finanzen. Den Ethikbeirat HR Tech hat er 2019 gemeinsam mit dem Bundesverband für Personalmanager (BPM) ins Leben rufen lassen. Das Gremium ist mit Menschen aus Wissenschaft, Start-ups und etablierten Unternehmen besetzt. „Im Privaten ist jeder seines Glückes Schmied was den Umgang und die Anwendung mit Technologie betrifft, doch im Kontext von Organisationen ist das ein schützenswerter Bereich, wo man viel sorgfältiger hinschauen muss“, meint er. Denn gerade im Personalbereich gäbe es viele normative Vorgaben, wie Geschlechter- oder Gehaltsgerechtigkeit, die wir im Blick behalten sollten. Es gehe immer darum, was Menschen wollten – aber auch darum, was Entscheidungen, die getroffen würden, mit Menschen machten.

Die Richtlinien seien „maximal unverbindlich und gleichzeitig höchst relevant“, sagt Kramarsch. Es ist jedoch überzeugt, dass es zukünftig ein Vorteil im „War for Talents“ sein wird, wie Unternehmen mit den Daten der Menschen umgehen und wie transparent sie damit sind. Im Interview spricht er mit Inga Höltmann darüber, wie die Richtlinien in den Unternehmen umgesetzt werden könnten und warum es eine europäische Debatte ist, die wir führen sollten.

Das Gespräch führte ​Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und neues Lernen, um Unternehmen bundesweit in ihrer Transformation zu unterstützen. Sie twittert aktiv zu diesen Themen unter https://7905d1c4e12c54933a44d19fcd5f9356-gdprlock/ihoelt und freut sich über Anfragen auf LinkedIn oder per Mail auf Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

Quelle: ZukunftderArbeit

31 Juli 2020

Enterpreneure und Transformationen

Posted in Führung, Leadership

"Du musst springen"

Enterpreneure und Transformationen

Aus einer eigenen Analyse von 13 HSG Alumni Entrepreneur Podcasts (Universität St. Gallen) der Jahre 2019 und 2020 vermittelt Prof. Dr. Jürgen Weibler nachfolgend Einsichten, die für Transformationsvorhaben in etablierten Unternehmen wertvoll sind. Anders herum gelesen verdeutlichen sie aber auch, warum Transformationen dort, wo die Vitalität im Denken und Handeln nebst Handwerkszeug nicht ausreicht, gerade scheitern oder noch scheitern werden.

Transformationen sind für viele, auch große Unternehmen essentiell, um weiter erfolgreich mitzuspielen. Nicht wenige scheitern und werden noch scheitern, weil sie ihre Geschäftsmodelle strategisch falsch aufgesetzt haben oder ihre Strukturen und Prozesse handwerklich nicht in den Griff bekommen. Andere – und das interessiert hier im Besonderen – driften in eine Sackgasse, weil sie allein schon kulturell nicht verstehen, dass sie hinreichend viele Führungskräfte und Mitarbeitende mit einem der Transformation kongenial verbundenen Mindset benötigen. Was liegt näher, bei denen genauer hinzuschauen, die diese Passung leben? Leadership Insiders hat dafür 13 HSG Alumni Entrepreneur Podcasts (Universität St. Gallen) der Jahre 2019 und 2020 analysiert und wertvolle Einsichten gewinnen können.

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter Leadership insiders

24 Juli 2020

Digitale Nomaden – Was Unternehmen von ihnen lernen können

Posted in Trends

Neue Orte des Arbeitens

Digitale Nomaden – Was Unternehmen von ihnen lernen können

In den sozialen Netzwerken sind sie als Gurus des passiven Einkommens, als innovative Masterminds und Instagram-Influencer*innen schon längst überall sichtbar: die digitalen Nomad*innen. Arbeiten, wo andere Urlaub machen, ist das große Versprechen. Doch bisher bevölkern die selbstständigen Freelancer*innen, Lifestyle-Coaches und Start-up-Gründer*innen nur die Coworking-Spaces in Bali, Thailand und Co. Als Produktmanagerin und Werkstudentin beim Berliner Start-up Housy, ist mir aber klar geworden, wie viel man aus diesem Lebensstil mit in deutsche Unternehmen bringen kann – wenn diese denn offen dafür sind.

Vom Berliner Büro des Start-ups Housy an den Strand

Selbstständigkeit und Freelance-Arbeit sind keine Grundvoraus-setzungen mehr geografisch flexibel arbeiten zu können, denn einige Arbeitgeber*innen ziehen bereits mit – wenn in Deutschland auch recht zögerlich. Nicht so zögerlich das Start-up Housy, für das ich Ende 2018 die Rolle der Produktmanagerin übernahm. Das Produktteam erstreckte sich ohnehin schon über deutsche Grenzen hinweg. Online-Projektmanagement-Tools kamen bereits zu meinen Berliner Zeiten zum Einsatz, Kollaboration lief ganz natürlich von Beginn an international, kommuniziert wird im Produktteam natürlich auf Englisch. Längst sind internationale Teams als Instrument zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf einem globalisierten Markt geworden.

Aus diesem Grunde kam es nicht allzu überraschend, dass die Gründer Raymond Naseem und Sebastian Melchert kein Problem darin sahen, als ich meinen Plan verkündete, anstatt in Berlin zu verweilen, auf der ganzen Welt zu arbeiten. Die Housy-Gründer erkannten, dass meine Motivation und Kenntnis des Produktes höher zu priorisieren waren als die Risiken der geografischen Abwesenheit.

Meine temporären Arbeitsstätten sind meist zentrierte Nomaden-Communities, deren Standorte durch eine exzellente Internetverbindung, dem Vorhandensein von Coworking-Spaces, arbeitsfreundlichen Cafés und günstigen Lebenshaltungskosten geprägt sind.

Darunter zählen viele Orte in Südostasien wie Bali und Thailand, aber auch Marokko oder Kolumbien. Internetgeschwindigkeiten können auf einer Insel wie Bali um Längen besser sein, als es die meisten Haushalte in Deutschland kennen.

Die digitalen Nomad*innen haben diese Orte regelrecht in westliche, digitale Oasen transformiert, in denen Querdenker aus aller Welt zusammenkommen und sich austauschen. Hier bündeln sich Ideen und die Disruptoren der Zukunft.

"Problematisch ist nur, dass vielen Unternehmen all diese Schlagkraft verloren geht, wenn sie diesem Lebensstil nicht offen gegenüberstehen."
 

Life-Work-Balance anstatt Work-Life-Balance

Denn bloße Anwesenheit ist also schon lange kein Garant mehr für effektive Kollaboration und optimale Leistung. Das wissen die Nomad*innen, wenn sie sich erfolgreich selbstständig machen, anstatt die Gestaltung ihres Alltags von Restriktionen einer Human Resources Abteilung abhängig zu machen. Die Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten, betrifft nämlich nicht nur frisch gebackene Mütter, sondern wird von der Generation Internet schon beinahe vorausgesetzt – unabhängig des Geschlechts.

"Die Unternehmen der Zukunft müssen der Tatsache ins Auge blicken, dass meine Generation, die jungen Köpfe von morgen, ihr Leben nicht mehr um die Arbeit herum plant, sondern die Arbeit um das Leben, das sie sich wünschen."

Meiner Meinung nach haben viele deutsche Unternehmen es schlichtweg versäumt, die richtigen Anreize zu setzen. Während diese Unternehmen externe Beratungsfirmen beauftragen, um die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter*innen zu verbessern, haben die Leistungsträger*innen von morgen schon längst eine umgekehrte Life-Work-Balance als Standard gesetzt. Life-Work-Balance beinhaltet nicht unbedingt weniger Arbeit. Flexible Arbeitsmodelle sind mit der richtigen Technologie wie Cloud-Computing und Organisation in kaum einer Branche noch ein Ding der Unmöglichkeit.

Doch wie organisiert sich ein Arbeitsalltag, wenn Firmensitz und Arbeitsstätte tausende Kilometer voneinander entfernt sind?

Mehr Eigenverantwortlichkeit, Zeitzonendiskrepanz und die Rolle von progressiven Führungskräften

Wenn sechs bis acht Stunden Zeitzonenunterschiede zwischen internationalen Teams liegen, kann dies zu Konflikten führen. Eine intensive Planung aller Aktivitäten kann dies vermeiden, aber auch eine flexible Interpretation der Arbeitszeiten kann hier Abhilfe schaffen.

"Das Frauenhofer IAO identifizierte 2018, nicht eine gelegentliche Erreichbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeiten als Stressfaktor einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung, sondern die Erhöhung der Arbeitsbelastung in der regulären Arbeitszeit."

Remote Work, auch über Zeitzonen hinweg, muss deshalb trotz Verschmelzung nicht direkt das Burn-out bedeuten. Eine proaktive Abgrenzung von Beruflichem und privatem seitens der Mitarbeiter*innen und die Akzeptanz dieser Grenzen seitens der Arbeitgeber*innen sind vonnöten. Deshalb muss sich die bekannte Arbeits- und Kontroll-Beziehung zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen verändern. Nur mit einer beidseitigen Feedbackkultur und flacheren Hierarchien kann genug Vertrauen aufgebaut werden. Durch diese Offenheit wird bei Housy deshalb erfolgreich das Konzept der Vertrauensarbeit umgesetzt.

Führungskräfte agieren in flexibleren Unternehmen als Coaches und Begleiter*innen einer Entwicklung, Angestellten wird mehr Verantwortung übertragen und Fehler werden als Lernerfahrung zelebriert. Eine beinahe utopische Veränderung der Unternehmenskultur, wenn alte Arbeitsphilosophien tiefe Gräben zwischen Angestellten und Führungsebenen gegraben haben.

"Denn Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter*innen ist essenziell für Remote Work."

In den Coworking Spaces kontrolliert niemand meine Anwesenheit, genauso wenig wie jemand wahrnimmt, dass ich abends im Restaurant noch einmal meinen Laptop aufklappe. Eigenverantwortlichkeit kann aber erst bewiesen werden, wenn Führungskräfte lernen loszulassen, weshalb flexiblere Arbeitsmodelle wahrscheinlich besser in Start-ups wie Housy funktionieren. Mit jungen Gründer*innen, die bereits in einer anderen Welt aufwuchsen, müssen diese grundlegenden, misstrauischen Glaubenssätze gar nicht erst wieder verlernt werden.

Die Büroarchitektur der Coworking Spaces

Doch nicht nur aus der Arbeitsorganisation, die mit der Remote Work einhergeht, können Unternehmen Rückschlüsse für die Zukunft ziehen. Coworking-Spaces haben durch die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitglieder eine Büroarchitektur entwickelt, die Kollaboration und intensive Arbeit gleichermaßen unterstützt.

So bieten Coworking-Spaces Konzepte wie „Hot- und Cold-Desks“ an, bei dem hot nicht weiter als flexibel und cold zugewiesen bedeutet. Mitglieder mit einer „Hot Desk“-Mitgliedschaft können sich überall hinsetzen, wo Platz ist, und wohin sie ihre mobilen Endgeräte tragen möchten. Sie sind für ihre Arbeitsatmosphäre selbst verantwortlich und können diese jeden Tag an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen. Gleichzeitig ist der Coworking-Space in Zonen der ruhigen Arbeit, Zonen zum informellen Austausch, wie Cafés und Stehtische, sowie formelle Meetingräume eingeteilt. Für intensive Arbeitstage mit hohem Konzentrationsaufwand wird von einer Ruhezone Gebrauch gemacht. Zur Pause machen etliche Nomaden in Sitzsäcken oder Hängematten mit Schlafmaske einen Powernap. Nur eine Glasscheibe trennt sie von einem Meetingraum, in dem sich ein internationales Team für einen Workshop in Chiang Mai, Thailand, zusammengefunden hat. Im Nebenraum bekommen Gründer aus aller Welt Inspiration und teilen ihr Wissen mit Menschen aus den verschiedensten Branchen.

"Coworking-Spaces sind zu Informel-formellen Orten der Kollaboration geworden, deren Architektur verstärkt auch in die Privatbürolandschaften Deutschlands übertragen werden könnte."

Das Schlagwort ist bei dieser flexibleren Sitzordnung die Selbstbestimmung. Meist wissen Mitarbeiter selbst am besten, wie sie innerhalb eines Teams am produktivsten arbeiten können. Denn für mich sind dies die Coworking-Spaces der Nomadencommunities Südostasiens mit einer Internetverbindung über 50Mbit/s, in denen ich mich von Gleichgesinnten, aber doch ganz anderen Menschen, inspirieren lassen kann.

Zukünftig könnten mehr Unternehmen Remote Work als neue Chance für Innovation und Personalmanagement betrachten – nicht als Ersatzlösung, sondern als flexible Zusatzmöglichkeit.

Über die Autorin

Larissa Blümel, Produktmanagerin und Werksstudentin Housy GmbH, macht derzeit  ihren Master online in Digital Management & Transformation. Vorher hat sie Ihren Bachelor an der FU Berlin in Kommunikationswissenschaften absolviert.

Quelle: Zukunft der Arbeit

05 Juni 2020

Crowdwork - die Arbeitsform der Zukunft?

Posted in Trends

Neue Orte des Arbeitens - Forschungsergebnisse

Crowdwork - die Arbeitsform der Zukunft?

Fast unmerklich entwickelt sich im Internet ein neuer Arbeitsmarkt, der bald zu einer relevanten Größe werden könnte. Diese neue Form der Arbeit wird als Crowdwork oder bezahltes Crowdsourcing bezeichnet. Crowdwork bietet das hohe Maß an Flexibilität in der Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort, die auch für die Anpassungen an die Veränderungen in Zeiten der Corona-Pandemie gefordert sind. Für Crowdworkerinnen und Crowdworker und Unternehmen bedeutet sie aber auch Risiken.

Crowd was? Ausprägungen einer neuer Arbeitsform

Crowdwork bezeichnet eine neue Art von online vermittelter Arbeit, die durch die Entwicklungen der Arbeit 4.0 möglich wurde. Auftraggeber (meist Unternehmen) bieten über Crowdworking-Plattformen inhaltlich und zeitlich abgegrenzte Aufgaben an Personen im Internet an, die diese Aufgaben gegen Bezahlung bearbeiten (die Crowd oder Crowdworker). Die Crowdworkerinnen und Crowdworker bleiben gegenüber den Unternehmen anonym, das Arbeitsverhältnis ist auf die Bearbeitung der einzelnen Aufgaben begrenzt. Die Aufgaben können in ihrer Art von einfachsten Tätigkeiten, sogenannten Microtasks wie z.B. die Annotation von Bildern oder Recherchen, bis zu anspruchsvolleren Texterstellungs-, Design- oder Programmierungsaufgaben reichen. Ebenso kann die Bearbeitungsdauer der Aufgaben von wenigen Sekunden bis zu Tagen variieren. Die Entlohnung erfolgt entweder pro erfolgreich bearbeiteter Aufgabe (v.a. im Microtask-, Texterstellungs- und Programmierungsbereich) oder nach einem Wettbewerbsprinzip (v.a. in Bereichen mit kreativer Wertschöpfung wie Werbung). Die Plattformen binden ihre Crowdworkerinnen und Crowdworker, indem bei guter Leistung und längerfristiger Treue höherwertigere Aufgaben mit höherer Entlohnung angeboten werden. Das Verständnis des Begriffs Crowdwork ist jedoch nicht einheitlich, insbesondere dazu welche Art von Aufgaben durch Plattformen vermittelt werden und ob diese online oder offline bearbeitet werden.

Chancen und Risiken von Crowdwork

Crowdwork bietet den Crowdworkerinnen und Crowdworkern sowie Unternehmen viele Chancen: Als online organisierte Arbeitsform, die auf der Vermittlung einzelner Aufgaben beruht, bietet es maximale Flexibilität. Crowdworkerinnen und Crowdworker können selbst entscheiden, wann, wie viel und wo sie arbeiten und welche Aufgabe sie auswählen. Somit bietet Crowdwork ein sehr hohes Maß an Selbstorganisation bei der Gestaltung von Zuverdiensten, aber auch für Selbstständige oder für die Vereinbarung mit Betreuungsaufgaben in der Familie. Unternehmen geben nur dann Aufträge heraus, wenn Bedarf nach zusätzlichen Personalressourcen oder bestimmten Kompetenzen besteht.

Das hohe Maß an Flexibilität stellt für die Crowdworkerinnen und Crowdworker sowie Unternehmen aber auch ein hohes Risiko dar: Crowdworkerinnen und Crowdworker genießen nicht die gleiche arbeitsrechtliche und soziale Absicherung wie regulär Beschäftigte. Zudem sind die Vergütungen insbesondere im Microtask-Bereich gering. Es stehen zudem nicht immer genügend Aufgaben zur Verfügung, um ein regelmäßiges Einkommen zu generieren. Unternehmen wiederum können nicht verlässlich auf die geeignetsten Crowdworker für die Erledigung der jeweiligen Aufgabe zugreifen.

Relevanz von Crowdwork für den Arbeitsmarkt

Wie groß der Crowdworking-Markt in Deutschland ist, damit beschäftigten sich verschiedene Forschergruppen. Hochrechnungen ergeben Werte von bis zu 4% der Bevölkerung ab 15 Jahre in Deutschland, die Crowdwork betreiben. Bis zu 9,2% können sich dies vorstellen (Serfling, 2019). In Deutschland gibt es Crowdworking-Plattformen für die unterschiedlichsten Aufgabentypen, auf denen Unternehmen Aufgaben insbesondere an deutsche Crowdworkerinnen und Crowdworker stellen können.

"Dabei ist Crowdwork ein globales Phänomen: Unternehmen können Aufgaben nicht nur an eine heimische Gruppe Crowdworkerinnen und Crowdworker richten, sondern weltweit Aufträge platzieren."

So kann z.B. ein Unternehmen aus Deutschland Aufträge an Crowdworkerinnen und Crowdworker in Indien vergeben. Dieses Vorgehen erlaubt den Zugang zu vielfältigem Know-How von Arbeitskräften, eine unmittelbare Bearbeitung von eingestellten Aufgaben und neue Jobchancen in vielen Ländern.

Crowdwork in Deutschland

– Ergebnisse der interdisziplinären Befragung von Crowdworkerinnen und Crowdworkern durch den Forschungsschwerpunkt Digitale Zukunft der Universitäten Bielefeld und Paderborn

Die Ergebnisse zeigen, dass Crowdwork zu gleichen Teilen von Frauen und Männer ausgeführt werden, die zumeist gut ausgebildet und mehrheitlich zwischen 25 und 45 Jahre alt sind. Zwischen den einzelnen Plattformen gibt es jedoch deutliche Unterschiede. Die Crowdworkerinnen und Crowdworker geben an, dass sie dieser Art der Tätigkeit vor allem nachgehen, um etwas dazuzuverdienen und sich die Zeit zu vertreiben. Für sie stellt Crowdwork eine Nebenbeschäftigung neben einer regulären Anstellung oder Selbstständigkeit dar. Es gibt aber auch Personen, für die die Beschäftigung als Crowdworkerin oder Crowdworker den Hauptverdienst darstellt.

Eine ausführliche Darstellung der gemeinsamen Befragung ist hier verfügbar.

Gestaltungsoptionen von Crowdwork aus dem Forschungsschwerpunkt Digitale Zukunft

Viele Fragen zur Gestaltung von Crowdwork in Deutschland sind noch offen, die in verschiedenen aktuellen, interdisziplinären Projekten des Forschungsschwerpunkts Digitale Zukunft adressiert werden.
Hier geht es zur Übersicht.

  • Die hohe Flexibilität von Crowdworkerinnen und Crowdworkern in der Wahl von Arbeitsort und Arbeitszeit scheint dazu zu führen, dass sie Arbeit und Privatleben erfolgreich vereinbaren können. Allerdings sind mit der Tätigkeit auch Belastungen wie lange Arbeitszeiten, Zeitdruck und Schwierigkeiten im Finden geeigneter Aufgaben verbunden, die den Vereinbarkeitschancen entgegenwirken.
  • Crowdwork scheint die Gleichstellung von Mann und Frau zu fördern, da keine Unterschiede in der Aufnahme und Bezahlung von Aufgaben zwischen den Geschlechtern zu finden sind.
  • Crowdworkerinnen und Crowdworker berichten von Unzufriedenheit insbesondere im Zusammenhang mit ungenügender Kommunikation mit dem Auftraggeber oder der Plattform (z.B. Nichtbeantwortung von Anfragen, als unfair empfundene Ablehnung von Arbeitsergebnissen), schlecht bezahlten Aufgaben, technischen Problemen sowie der Unterschätzung des notwendigen Zeitaufwands für die Aufgabenbearbeitung auf Seiten der Auftraggeber. Diese Ergebnisse können zur Verbesserung der Gestaltung von Crowdwork-Aufgaben und Plattform-Umgebungen herangezogen werden.
  • Als Risiko stellt sich die Gesundheit der Crowdworkerinnen und Crowdworker dar. Crowdworkerinnen und Crowdworker weisen ersten Ergebnissen zufolge schlechtere Gesundheitswerte auf als eine regulär beschäftigte Vergleichsgruppe. Weitere Forschung ist notwendig um zu bestimmen, ob tendenziell eher Personen mit Gesundheitseinschränkungen Crowdwork betreiben, weil sie auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden, oder Crowdwork an sich gesundheitsbeeinträchtigende Wirkungen ausübt.
  • Ein Review über die bereits veröffentlichte Forschung zu Crowdwork zeigt Wirkmechanismen und Forschungsbedarf auf, die wiederum für die Gestaltung von Crowdwork herangezogen werden können.


Trends von Crowdwork

Crowdwork hat das Potenzial, eine noch größere Rolle auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu spielen. Nicht zuletzt die durch die Corona-Pandemie verursachten Veränderungen haben gezeigt, wie wichtig es ist, flexibel auf Marktgegebenheiten zu reagieren und mobil arbeiten zu können.

"Crowdwork kann nicht nur von einer anonymen Crowd im Internet betrieben werden, sondern auch als internes Crowdworking im Unternehmen."

Dabei stellt das Unternehmen eine unternehmensinterne Plattform zur Verfügung, auf der Abteilungen z.B. Projekte, Zusatzarbeiten oder Unterstützungsbedarfe anmelden können. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich dann zu diesen Aufgaben melden und ihre Kompetenzen einbringen. Unternehmen bietet dies die Möglichkeit, auftragsschwächere Zeiten sinnvoll zu nutzen oder bisher verborgenes Innovationspotential zu heben. Zudem können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Teilnahme an Projekten den eigenen Job um neue Aufgaben anreichern oder sich auf höherqualifizierte Stellen im Unternehmen bewerben. Vor einem reibungslosen Funktionieren derartiger Plattformen gilt es allerdings, noch einige Herausforderungen zu klären: welche betrieblichen Rahmenbedingungen gilt es zu bedenken (z.B. hinsichtlich der vereinbarten Zeit zur Arbeit auf der Plattform)? Wie nehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Plattformen wahr (z.B. Anreize, Hemmnisse)?

Bisher ist Crowdwork noch ein Testfeld dafür, welche Aufgaben Unternehmen an die anonyme Crowd im Internet oder die eigene Belegschaft auf einer internen Plattform vergeben können und wollen. Daher werden bisher eher Aufgaben vermittelt, bei denen keine Gefahr für den Verlust von Unternehmensinterna besteht. Denkbar ist, dass ähnlich zum Outsourcing auch administrative oder Datenanalyse-Aufgaben an die Crowd vergeben werden. Dadurch würde Crowdwork wiederum aufgewertet und einen gesteigerten Marktwert erhalten.

Weiterhin stellt sich die Frage, inwiefern der Crowdwork-Markt eine staatliche Regulierung erfordert. Dies betrifft insbesondere die Vergütung von Aufgaben, die Regulierung von Arbeitszeiten sowie die Sozialversicherung von Crowdworkern. Als anonyme Gruppe im Internet sind Crowdworkerinnen und Crowdworker vielfach in einer schwächeren Verhandlungsposition als die Auftraggeber und Plattformen, was potenziell ausgenutzt werden kann.

Für die Crowdworkerinnen und Crowdworker bietet die diese Arbeitsform, neben dem finanziellen Aspekt und der flexiblen Arbeitsgestaltung auch den Anreiz einer Weiterqualifizierung. Insbesondere die Bearbeitung von anspruchsvolleren Aufgaben wie Texterstellung, Design und Programmierung bietet die Möglichkeit, in verschiedensten Projekten Fertigkeiten zu testen und weiterzuentwickeln. Würde diese Art der Weiterqualifizierung auf dem regulären Arbeitsmarkt anerkannt, gewännen sowohl die Crowdworkerinnen und Crowdworker als auch die Arbeitsform Crowdwork.

Weiterführende Literatur zum Thema Crowdwork:

  • Ergebnisse der gemeinsamen Befragung des Forschungsschwerpunkts Digitale Zukunft: Technical Report
  • Homepage des Forschungsschwerpunkts Digitale Zukunft, inkl. Publikationsübersicht
  • Darstellung und Abgrenzung der Arbeitsform Crowdwork: Schulte, J., Schlicher, K. D., and Maier, G. W. (2020). Working Everywhere and Every Time? – Chances and Risks in Crowdworking and Crowdsourcing Work Design. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 51(1), pp. 59-69.
  • Aktuelle Informationen zum Crowdwork-Arbeitsmarkt in Deutschland: Serfling, Oliver (2019): Crowdworking monitor no. 2. v. Discussion Papers in Behavioural Sciences and Economics (5).
  • Weitere Information zur Gestaltung des digitalen Wandels: Maier G. W., Engels G., & Steffen E. (Eds.) (2020). Handbuch Gestaltung digitaler und vernetzter Arbeitswelten. Berlin: Springer. doi:10.1007/978-3-662-52903-4
    Im Forschungsschwerpunkt Digitale Zukunft, das vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wird, arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Informatik, Betriebswirtschaft, Soziologie, Psychologie und Ingenieurswesen zusammen, um verschiedene interdisziplinäre Forschungsfragen im Zusammenhang mit der Gestaltung von Crowdwork in Deutschland zu beantworten.

Über die Autorin

Katharina D. Schlicher, Dipl. Psych., ist seit 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Bielefeld bei Prof. Dr. Maier. Dort arbeitet sie in verschiedenen Forschungsprojekten zu den Themen Crowdwork, Einführung von digitalisierten Technologien in Unternehmen und Gestaltung von Industrie 4.0 für die Beschäftigten. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Durchführung von Arbeits- und Anforderungsanalysen sowie in der Gestaltung von Change Management bei der Einführung von digitalisierten Technologien.

Quelle: ZukunfderArbeit

22 Mai 2020

Megatrend 2020 - Employee Experience

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Megatrend 2020 - Employee Experience

Nachdem Frithjof Bergmann New Work einmal so definiert hat, dass man das tun soll, was man wirklich wirklich will, definiere ich glückliches neues Arbeiten, als so zu arbeiten, wie man wirklich wirklich will. Dies schließt meiner Meinung auch das Wo ein. Es geht in der heutigen Arbeitswelt immer mehr darum, Räume zu schaffen, innere wie äußere Räume, die für glückliche Mitarbeiter und effiziente Unternehmen sorgen.

New Rooms

Wie entwickelt sich der Arbeitsplatz in Zukunft hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Räume? Dieser Frage gehe ich ständig nach, weil ich das Thema mega spannend finde. Trendbeobachtung sind dazu ganz wichtig, denn wir wollen alle wissen, was die Zukunft uns bringt. Aber es ist genauso empfehlenswert, dass, was wir finden, auch mit der Realität abzugleichen. Wir leben im Hier und Jetzt und das sollten wir uns so perfekt wie möglich gestalten. An diesem Ziel arbeiten mein Team und ich täglich, um ihm in kleinen Schritten immer näher zu kommen. Das heißt vorallem die Trends zu identifizieren, die jetzt schon umsetzbar sind. In kleinen Schritten diese dann umzusetzten, aber auch so zu agieren, dass wir unsere Räume in Zukunft wandeln können und immer auf Veränderungen eingestellt sind.

Unsere Arbeitsplätze und deren Möglichkeiten verändern sich jeden Tag. Mit neuen Materialien, neuen Technologien und letztendlich vor allem mit den Menschen, die an Bord kommen oder das Schiff verlassen. Ich arbeite mit vielen Abteilungen, die sich für große Konzerne um Räume kümmern, mit Architekturfirmen, mit Unternehmen, in welchen Innenarchitekten und Planer zusammenarbeiten. Und mit ganz vielen anderen Menschen, die mit Räumen zu tun haben. Hier sehe ich, was heute möglich ist und auch was nicht geht. Ich besuche viele spannende Veranstaltungen und tausche mich mit den Trendscouts dieser Republik zur Weiterentwicklung von Räumen weltweit aus. Und ich mache mir viele Gedanken zu spannenden Weiterentwicklungen für meine Kunden und Partner.

Generell kann man sagen, dass sich viele Dinge verändern, manche Trends der letzten Monate sich auch einfach nur weiterentwickeln. Gleichzeitig aber ganz ganz wichtig bleiben. Es lässt sich auch beim Thema Raum erkennen, dass man versucht, Komplexität in unserer immer schnelllebigeren Welt zu reduzieren. Es ist heutzutage sehr schwierig, allen Anforderungen und Prozessen gerecht zu werden.

Buzzwords Agilität und Flexibilität

Eines der wichtigsten Zauberwörter heißt daraus resultierend: Flexibilität. Es lässt sich deutlich erkennen, dass Menschen weitaus glücklicher und produktiver in flexiblen Raumkonstrukten arbeiten. Aber es gibt noch andere ausschlaggebende Themen in dieser Gemengelage: Vor allem Wohlfühlen und Glücklich sein steht auf der Wunschliste vieler Menschen ganz weit oben. Das erhöht nebenbei noch die Effizienz ihrer Arbeit. Und genau das wollen wir in unseren Firmen doch erreichen, oder?

Vielleicht sollte man vorweg schicken, dass sich durch die Individualisierung der Gesellschaft immer mehr rund um den Menschen im Mittelpunkt dreht. Alles muss mitarbeiterzentriert funktionieren und dynamisch sein. Kollaboration, als einer der wichtigsten Future Skills unserer Zeit, muss dabei Berücksichtigung finden. Auch immer aktiver zu sein, ist für die Mitarbeiter ein Wunsch an ihren Arbeitsplatz. Aktivitätsbasiertes Arbeiten bleibt daher so modern wie eh und je. Vernachlässigt werden darf nicht, dass es darüber hinaus Raum für Weiterentwicklung geben muss, dass Technologie immer mehr als Basis gilt und Innovation weiterhin als Treiber unserer Businesswelt zu sehen ist. Ein weiterer Aspekt: Vor dem Hintergrund der verschiedenen Generationen, wird Gehalt immer unwichtiger und Selbstverwirklichung ein ganz großer Faktor für den Einzelnen. Das alles schlägt sich auf Räume nieder.

Lebenslanges Lernen wird zum Erfolgsfaktor. In einer Welt, in der durch künstliche Intelligenz neue Bereiche innerhalb von Jobs entstehen, und in einer Welt die sich immer schneller verändert, sind Upskilling und Retraining als Strömungen auch für den Arbeitsplatz interessant. Sie kommen aus dem Bereiche New Work und halten nun massiv Einzug in unser Büroarbeitswelten.

Transparenz als Strömung der Zukunft?

Es klingt so, als ob Firmen immer besser verstehen, wie unverzichtbar Kommunikation ist. Transparenz wird zum Erfolgsfaktor und immer mehr die Basis in unseren Unternehmen. Daraus resultierend gibt es kaum noch Wände. Die killen nämlich Kommunikation. Geheimnisse von gestern sind heute keine Geheimnisse mehr. Mehr Offenheit zu Zahlen generell, laufen mir überall innerhalb der Unternehmen über den Weg. Man sieht dies auch reflektiert in Methoden, wie zum Beispiel OKR (Objectives and Key Results), bei welchen die Transparenz ein wichtiges Basiskriterium ist.

Die Adjektive, die unsere Arbeitswelt 2020 und die Zukunft prägen werden, heißen: gastlich, dynamisch, authentisch und nachhaltig.

Das übergeordnete Thema über alle Trends heißt EMPLOYEE EXPERIENCE. Es geht darum, dass der Mitarbeiter zufrieden, gar glücklich ist. Und das an möglichst vielen Touchpoints im Unternehmen. Erst damit wird eine Firma effizient sein. Gut also für beide Seiten, wenn die Räume stimmen.

Über die Autorin

Susanne Busshart ist Geschäftsführerin der SBCdigital GmbH und Expertin für Culture Change und Digitale Transformation. Sie begleitet Unternehmen zu Change Management und New Work mit dem Ziel, diese in die nächste Evolutionsstufe zu heben. Sie ist Speakerin, Ideengeberin und Autorin. Ihr Herzensthema: "Räume nach innen und außen".

Quelle: Xing-insiders

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