Articles tagged with: Führungskultur

06 Mai 2022

Die neue Herausforderung: Hybrid im Quadrat

Posted in Mind

Die neue Herausforderung: Hybrid im Quadrat

Wo und wie künftig gearbeitet wird, müssen Führungskräfte und Teams jetzt herausfinden. Doch wer der Herausforderung mit alten Gewissheiten begegnet, wird bald allein dastehen.

Homeoffice-Pflicht entfallen ist, werden gute Antworten auf diese Fragen dringend gesucht. Wir befinden uns an einem entscheidenden Moment, in dem Arbeit neu definiert wird. Wir stehen in der Verantwortung, jetzt die Weichen zu stellen für den Weg hin zum hybriden Arbeiten, das Produktivität und Zusammenarbeit fördert und Sinn bietet. Wer diese Chance verschläft, wird schon bald Probleme haben, neue Talente zu finden und Leistungstragende zu halten.

„Wir sollten uns nicht der Tyrannei des ‚oder‘ beugen, sondern das Genie des ‚und‘ umarmen.“
Jim Collins, US-Managementexperte

Zu viele deutsche Führungskräfte haben den Schuss noch nicht gehört. Besser gesagt: Sie haben noch nicht gelernt, ihren Mitarbeitenden zuzuhören. Deutlich mehr als ein Drittel aller deutschen Führungskräfte befürchten negative Folgen für ihr Unternehmen, wenn sie ihren Mitarbeitenden flexibles Arbeiten von zu Hause ermöglichen.
Eine Yougov-Umfrage im Auftrag von Linkedin unter 2.000 Führungskräften in elf Ländern zeigt, dass deutsche Chefinnen und Manager bei New Work am konservativsten sind, wenn man von den noch skeptischeren Führungskräften in Irland absieht. Sie glauben tatsächlich, dass zuhause zu viel gefaulenzt wird. Kann sich Europas größte Volkswirtschaft diese Art (Miss-)Management leisten? Ich glaube nicht.

Warum? Weil die Mitarbeitenden das nicht mehr wollen. Und die potenziellen neuen Bewerber und Kandidatinnen übrigens auch nicht, besonders die jüngeren nicht. Wenn sie (wieder) jeden Tag ins Büro müssten, würden laut Studien sagenhafte 40 Prozent der Wissensarbeitenden lieber gleich ihren Job wechseln. Das zeigt der Digital Work Index, den Slack im Oktober 2021 unter 2.000 Befragten in Deutschland erstellen ließ. Über die gesamten Belegschaften verteilt liegt der Wert immer noch bei 15 Prozent, wie der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom anhand einer groß angelegten Untersuchung in 25 Ländern zeigt. Aktuelle Verkehrsdaten des ADAC zeigen zudem, was wirklich Sache ist: Der Wegfall der Homeoffice-Pflicht hat den morgendlichen Pendelverkehr in keiner Weise erhöht. Die Auslastung deutscher Büros lag laut einer Erhebung des Schweizer Statistikanbieters Locatee Anfang März fast genauso niedrig wie Ende 2020. In den USA zeigt eine Umfrage des Pew Research Centers den gleichen Trend: Wer die Möglichkeit hat, zuhause zu arbeiten, bevorzugt das in fast zwei Dritteln aller Fälle. Viele Menschen haben inzwischen herausgefunden, dass bestimmte Tätigkeiten zuhause besser oder mindestens genauso gut funktionieren – zumal man eine Menge tote Pendelzeit und teuren Sprit einspart.

Mich wundert das nicht, denn der Great Reshuffle ist in vollem Gange. Viele Menschen haben sich in der langen Corona-Zeit neu entdeckt und neu erfunden. Die Prioritäten verschieben sich und auf die Personalerverantwortlichen kommt eine große Moderationsaufgabe zu, um den Widerspruch zwischen den Wünschen der Führungskräfte und Mitarbeitenden elegant aufzulösen. Viele Unternehmen – wie auch die Atruvia – haben sich deshalb bereits für hybride Modelle als „das neue Normal“ nach Corona entschieden, zum Beispiel mit zwei Tagen remote und drei Tagen office. Das entspricht ziemlich genau den durchschnittlichen Wünschen der weltweiten Belegschaften, wie die groß angelegte Stanford-Studie zeigt. Auch hier tut sich allerdings noch die bekannte Erwartungslücke auf: global gesehen wollen Manager bislang eigentlich nur einen Tag Work from home zulassen.

Die alten Rituale haben ausgedient

Weltweit hinterfragen Beschäftigte den Sinn alteingespielter Arbeitsplatzrituale. Natürlich vermissen viele den persönlichen Austausch im Büro, gerade den informellen. Sie ahnen vielleicht auch, dass ohne diese „echten“ Kontakte langfristig die Gefahr besteht, bei einigen Dingen außen vor gelassen zu werden. Präsenz zu zeigen, ist also nicht nur Pflicht, sondern mindestens auch Kür – oder gar ein Anrecht darauf, „dabei“ zu sein. Zumal sich Beschäftigte auch für Tätigkeiten wie Kollaboration oder gemeinsame Kreativitäts- und Entwicklungsarbeit am liebsten physisch treffen.
Reine Informationsvermittlung hingegen wird immer weniger akzeptiert. Dafür muss niemand ins Büro fahren. Laut Digital Work Index gilt das allerdings auch immer mehr für Zoom und Teams.
Jedes zweite Meeting wird als unnötig wahrgenommen. Statt „Büro vor dem Computer“ zu spielen, wünschen sich knapp 60 Prozent der Befragten mehr Tools für das nicht gleichzeitige Zusammenarbeiten über Text-, Sprach- oder Video-Nachrichten. Flexibilität und Eigenverantwortung sind auch hier die Schlüssel.

Es fehlt an Übung und geeigneter Infrastruktur

Wir sind in einer neuen Experimentier- und Lernphase. Die richtige neue Mischung hat wohl noch keiner genau gefunden. Bis Ende 2019 waren wir alle gut im Arbeiten in Präsenz; die letzten 2 Jahre haben wir gemeinsam remote Arbeiten professionalisiert. Und jetzt? Die Mischung macht’s: Wir brauchen ein enormes Umdenken, was Führungsverhalten, Vertrauen und Ziel-/Ergebnisorientierung anbelangt. Es ist die Chance für Unternehmen, die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeitenden und Teams zur Organisation ihrer Arbeit nachhaltig zu stärken. Das führt zu ganz praktischen Herausforderungen, denen wir uns jetzt gemeinsam stellen müssen. So ist zum Beispiel ein fester Arbeitsplatz für Menschen im office, die auch remote arbeiten, grundsätzlich nicht mehr sinnvoll. Dafür brauchen wir neue, flexible und kreative Spaces in unseren Gebäuden, um das aufzufangen.

Activity based working kann hier die Lösung sein. Räume, die speziell für hybride Meetings und Kollaborationen angelegt sind, bekommen eine wesentlich höhere Bedeutung, ebenso informelle Arbeitsplätze. Hier brauchen wir neue technologische Lösungen für hybrides Zusammenarbeiten bis hin zu ersten Metaverse-Lösungen. Kreativ und digital gestaltete Räume, die radikal anders sein können als die Infrastruktur vor 2020, spielen aber eine weitere, wichtige Rolle: Für die Bindung ans Unternehmen, für das Erleben als Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen und Unternehmenswerten und zur Auslebung der Kreativität. Sie bieten auch die beste Basis, um neu gewonnene Kräfte auf die eigene Unternehmenskultur einzustimmen und sie schnell zu integrieren. Rein remote – das haben wir die letzten zwei Jahre gelernt – wird dies nicht gelingen. Das neu gestaltete Büro als Flaggschiff von hybrider Arbeit? So sieht es jedenfalls der Leitfaden Mobiles und hybrides Arbeiten des Bitkom und so sehen wir das auch bei Atruvia. Zurzeit gestalten wir unsere Büroflächen zu smarten, flexiblen Arbeitsflächen um, die sich nach den Aufgaben der Mitarbeitenden orientieren.

Meetings nicht mehr im Büro spielen, sondern vom Sinn her denken

Managerinnen und Chefs dürfen sich nicht wegducken, wenn es um das Redesign der Arbeit geht. Die Entscheidungen, welche Meetings in Präsenz, welche remote, welche hybrid und welche überhaupt durchgeführt werden, müssen sie gemeinsam mit ihren Teams treffen. Nur so wird sich im Unternehmen ein gleiches Verständnis dafür entwickeln, was wann wo sinnvoll ist. Dazu brauchen Führungskräfte heute andere Skillsets als vor der Pandemie. Die Psychologin Katrin Winkler, die an der Hochschule Kempten das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft leitet, hat das klar herausgearbeitet. Mit Hilfe einer LinkedIn-Umfrage fand sie heraus, dass 71 Prozent der Befragten glauben, dass Vorgesetzte hybrider Teams vor allem gut kommunizieren müssen. Ähnlich wichtig ist es, dass sie klare Ziele setzen und Empathie beweisen. So müssen sie ein intuitives Gefühl dafür entwickeln, was Sinn und Zweck von Treffen und Tätigkeiten sind. Soft Skills im Management und digitale Fähigkeiten sind also ein Schlüssel für die hybride Zukunft der Arbeit.

Mitarbeitende spüren, wenn Führungskräfte ihnen Vertrauen schenken und Hybrid authentisch selbst vorleben. Wenn die Belegschaft dadurch engagierter und kreativer wird, gewinnen alle. Wir müssen nur die Angst verlieren, dadurch weniger effizient zu werden. Blooms große Studie zeigt, dass WFH unsere Produktivität und Effizienz sogar leicht steigert, und zwar im Bereich um +5 Prozent. Zeit also, uns für eine neue Mischung zu entscheiden und „Hybrid im Quadrat“ wirklich zu wagen.

Über den Autor

Jörg Staff ist Mitglied des Vorstands und Chief People Officer bei Atruvia (früher Fiducia & GAD) sowie Aufsichtsrat, Beirat und Investor von (Tech-)Start-ups. Er arbeitete vor dieser Position über 20 Jahre als Mitglied von Global Executive Leadership Teams direkt für CEOs und Vorstände führender globaler Unternehmen in der IT- Industrie (SAP, Debis Systemhaus), Logistik (Deutsche Post/DHL) und der Automobilindustrie (Daimler). In seinen globalen Positionen verantwortete er unternehmensweite Strategie-/Transformationsprogramme, Restrukturierungs- und Effizienzprogramme und unterstützte diverse Wachstumsinitiativen. Darüber hinaus sind Schwerpunkte seiner Arbeit People-Themen, wie die Ausrichtung der Unternehmensorganisation auf Human Experience, die Einführung agiler Zusammenarbeitsmodelle und die Stärkung der Innovationkraft. Staff absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaft und einen Master of Business Administration (MBA). Über 30.000 Leserinnen und Leser haben bisher seine Kolumne Logbuch einer Transformation gelesen, die 2019/2020 monatlich auf humanresourcesmanager.de erschienen ist. 2021 ist er zum CHRO of the Year gewählt worden.

Quelle: Human Ressources Manager

15 Oktober 2021

Muss eine Führungskraft viel Fachwissen haben? Nein, meint Hans Wüthrich. Der Management-Forscher sagt: «Wer fachfremd ist, muss zuhören»

Posted in Führung, Leadership

Muss eine Führungskraft viel Fachwissen haben? Nein, meint Hans Wüthrich. Der Management-Forscher sagt: «Wer fachfremd ist, muss zuhören»

Hans Wüthrich coacht und berät Führungskräfte. Der emeritierte Professor gilt in der Management-Forschung als Querdenker. Er betont das Kontraintuitive, etwa den Mehrwert von fachlicher Inkompetenz.

Herr Wüthrich, Sie machen sich stark für Rollentausch auf oberster Führungsebene. Was bringt es, wenn etwa die Produktionsleiterin temporär das Marketing leitet oder der Finanzchef den Einkauf?

Der Mehrwert ist grundsätzlicher Natur. Ergebnisoffene Experimente schaffen neue Erfahrungswelten für Führungskräfte und Geführte. Wer als Fachfremder einen neuen Bereich führen muss, erkennt plötzlich, wie stark er – oder sie – zuvor über reine Fachkompetenz geführt hat.

Fachkompetenz ist ja nichts Schlimmes, oder?

Nein. Aber eine zu ausgeprägte Fachkompetenz hat auch ihre Nebenwirkungen: Man tendiert – oft unbewusst – zu Mikromanagement, übersteuert die Unterstellten oder tut sich schwer mit Delegieren. Wer hingegen einen Bereich leitet, zu dem er keinen fachlichen Bezug hat, erfährt, wie wertvoll es sein kann, über Fragen statt Antworten zu führen. Man stellt auch dumme Fragen, und aus diesen können alternative Lösungen entstehen. Das ist nur mit fachlicher Distanz möglich.

Sie sprechen – leicht provokativ – von einem «Mehrwert fachlicher Inkompetenz».

Ja, denn wer fachfremd ist, muss zuhören. Und er muss der zweiten Führungsebene und deren Fachlichkeit vertrauen. Damit findet ein Empowerment, eine Ermächtigung dieser Mitarbeitenden statt, sie werden in ihrem Selbstverständnis aufgewertet. Eine fachfremde Führungskraft hat zudem mehr Zeit zum Nachdenken. An Sitzungen ist sie inhaltlich nicht im Lead, sondern kann sich auf die Prozesse, das Dialogische konzentrieren. Zwischenmenschliches und Spontanes rücken ins Zentrum.

Dann bedeutet mehr Wissen also nicht mehr Kompetenz?

Das hängt davon ab, wie man Kompetenz definiert. Oft wird darunter nur fachliche Kompetenz verstanden. Und dann heisst es: ohne Fachkompetenz keine Führungskompetenz. Ausgeblendet bleibt dabei das Dysfunktionale einer ausgeprägten Fachkompetenz. Es geht mir nicht darum, diese Kompetenz schlechtzureden. Doch es lohnt sich, kontraintuitive Experimente zu machen, weil diese zu Innovationen und zu einer intelligenten Organisationsentwicklung beitragen.

Werden Führungskräfte ohne Fachwissen von den Unterstellten überhaupt ernst genommen?

Heute wird Akzeptanz stark fachlich definiert. Das ändert sich aber, wenn man erfährt, wie der Dialog mit einer Führungskraft, die ihre Unterstellten mit Fragen herausfordert, zu besseren Lösungen führt. Auf diese Weise wird auch verhindert, dass Untergebene ihre Probleme stets an die Führungskraft zurückdelegieren – in der Erwartung, dass diese schon eine Lösung haben wird. Plötzlich erkennen Teams, dass sie viel mehr Potenzial haben. Das gibt der Führungskraft eine neue Qualität von Kompetenz.

Wie lässt sich verhindern, dass man nach dem Rollentausch wieder in alte Fahrwasser gerät?

Die durch das Experiment gesammelten Erfahrungen lassen sich nur schwer ausblenden. Führungskräfte erkennen, wie befreiend es ist, wenn man nicht immer Antworten geben muss und mehr Zeit zur Reflexion hat. Und die Unterstellten wollen die neu gewonnene Verantwortung nicht wieder abgeben. Das führt oft dazu, dass die zweite Ebene die zurückkehrende Führungskraft diszipliniert und ihr sagt: «Stopp, darum musst du dich jetzt nicht mehr kümmern, das haben wir gemacht, und es funktioniert. Nutze deine Zeit für etwas Besseres.»

Über den Interviewer

Thomas Fuster Wirtschaftsredaktor bei Neue Zürcher Zeitung AG

Über den Interviewten

Prof. Dr. Hans A. Wütherich ist Managementforscher | Musterbrecher | Coach für Führungskräfte und Führungsgremien

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

08 Oktober 2021

Besser führen dank weniger Wissen: Wenn Führungskräfte untereinander die Jobs tauschen, tritt oft Wunderliches zutage

Posted in Führung, Leadership

Besser führen dank weniger Wissen: Wenn Führungskräfte untereinander die Jobs tauschen, tritt oft Wunderliches zutage

Wissen ist Macht, heisst es. Oft wird zudem postuliert, dass fundiertes Fachwissen unabdingbar sei für gute Führung. Wenn Führungskräfte untereinander die Jobs austauschen, zeigt sich aber das Gegenteil: Die Führung wird besser, weil man wenig Wissen über den neuen Job hat.

Einmal in eine andere Haut schlüpfen, etwas ganz anderes tun. Der Wunsch ist weit verbreitet. Und der Arbeitsmarkt hat längst reagiert auf das Bedürfnis. So ist es gang und gäbe, dass Mitarbeiter kurzzeitig die Abteilung wechseln, um neue Eindrücke zu gewinnen oder einer drohenden Monotonie vorzubeugen. Das nennt sich Job-Rotation und dient Unternehmen nicht zuletzt dazu, für mehr Verständnis zwischen den Firmenbereichen zu sorgen.

In voller Verantwortung

Selten erfolgt eine solche Job-Rotation aber auf oberster Führungsebene, also in der Geschäftsleitung. Die obersten Chefs von ihren Posten abzuziehen, erscheint als zu riskant. Eine Ausnahme ist die Eidgenössische Zollverwaltung. Dort häufte sich vor einigen Jahren die Kritik der Aussenstellen: Die Berner Zentrale stemme sich gegen Veränderungen und sei in Silodenken gefangen, hiess es etwa. Auch über Doppelspurigkeiten und allzu komplexe Prozesse wurde geklagt.

Martin Weissleder war damals Ausbildungschef der Zollverwaltung. Und er wollte auf den Unmut der Front reagieren. Weissleder – heute als Personalchef bei Publica, der Pensionskasse des Bundes, tätig – überraschte die Oberzolldirektion mit der Idee eines Führungsrollentauschs. Der Plan: Jedes Mitglied der Geschäftsleitung tauscht seinen Posten für eine begrenzte Zeit mit einem Kollegen. «Bien vu» nannte sich das Projekt; man wollte genau hinschauen.

Die Geschäftsleitung war zunächst wenig begeistert. Einwände gab es zahlreiche. Befürchtet wurde etwa ein organisatorisches Durcheinander oder fehlendes Verständnis externer Partner. Doch der Direktor sah dies anders. Er stand hinter der Idee. Mit Zwang wollte er den geplanten Perspektivenwechsel jedoch nicht durchsetzen, sondern setzte auf Freiwilligkeit. Sanften Druck gab es dennoch. Schliesslich waren acht von elf Geschäftsleitungsmitgliedern bereit, beim Versuch mitzumachen.

Anders als bei gewöhnlichen Job-Rotationen, bei denen die Hospitanten oft nur mitlaufen und zuschauen, übernahmen die Führungskräfte in der neuen Funktion von Anfang an die volle Führungsverantwortung. Ein Beispiel: Der Zolldirektor von Basel, der seinen Posten mit dem Chef des Rechtsdienstes tauschte, war plötzlich verantwortlich für die Korrektheit juristischer Weisungen. Und der bisherige Rechtsschef merkte an seinem Arbeitsplatz in Basel, dass es etwas völlig anderes ist, eine Weisung zu erlassen, als diese konkret an der Front umsetzen.

Chefs werden durchsichtig

«Ein solcher Rollentausch setzt ein grosses Vertrauensverhältnis voraus», sagt Weissleder. Man übergibt sein Pult mit allen Schlüsseln, Schubladen und Dossiers an den Kollegen oder die Kollegin. «Dadurch wird man durchsichtig.» Der Kollege erfährt, mit welchen Dingen man den ganzen Tag beschäftigt ist. Und er merkt auch, ob diese Aufgaben tatsächlich so zeitintensiv und anstrengend sind, wie dies jeweils in den Geschäftsleitungssitzungen dargelegt wird.

«Bien vu» dauerte rund sechs Wochen. Kam es in dieser Zeit zum befürchteten Chaos? Nein, sagt Weissleder. «Wenn der Chef einige Wochen in den Ferien ist, geht die Welt ja auch nicht unter.» Eine wichtige Veränderung gab es dennoch: Die Stellvertreter wurden aufgewertet. Sie mussten das Fachwissen sicherstellen und übernahmen eine zentrale Rolle. Der ursprüngliche Plan, dass sich die obersten Chefs mit ihren Tauschpartnern etwa zwei Mal pro Woche austauschen, wurde hingegen nur selten in Anspruch genommen.

In der Zollverwaltung dürften die wenigsten der über 4000 Mitarbeiter den Rollentausch in ihrer täglichen Arbeit unmittelbar gespürt haben. Etwas anders war die Sache in den führungsnahen Positionen, etwa in den Stäben. «Die Sitzungen liefen anders ab», erinnert sich Weissleder. «Die Chefs, die wenig Fachwissen zum neuen Zuständigkeitsgebiet mitbrachten, waren auf das Feedback der Kaderangestellten angewiesen. Es ent­stand eine ganz neue Form von Kommunikation, die als sehr positiv wahrgenommen wurde.»

Wirksam gegen Mikromanagement

Die Einschätzung deckt sich mit der Erfahrung von Hans Wüthrich. Der emeritierte Professor für Internationales Management (Universität der Bundeswehr München) hat diverse Führungsrollentausche untersucht. Er erkennt gerade im fehlenden Fachwissen der temporären Stelleninhaber einen zentralen Mehrwert solcher Experimente. Denn die fehlende Fachlichkeit führe dazu, dass nicht länger eine Führung durch Wissensvorsprung möglich sei. «Die rotierenden Manager sind gezwungen, über Fragen statt Antworten zu führen.»

Eine solche Führung verhindert laut Wüthrich ein gefährliches Abdriften ins Mikromanagement, zumal den betroffenen Stelleninhabern das dafür nötige Detailwissen fehlt. «Die Führungskräfte können sich auf andere Aufgaben konzentrieren. Statt der Arbeit im System rückt die Arbeit am System in den Fokus.» Gemeint ist die Gestaltung eines inspirierenden Umfeldes, in dem Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten und kollektive Intelligenz nutzbar gemacht wird. «Das geht auch ohne Fachlichkeit.»

Eine Frage stellt sich indes: Wird die Inkompetenz der Chefs nicht ausgenutzt von den Mitarbeitern? Wüthrich verneint. «Mit ihrem Nichtwissen machen sich die rotierenden Führungskräfte maximal verletzlich. Und Verletzlichkeit provoziert Vertrauen.» Denn die Führungskräfte müssten ihren Direktunterstellten vollkommen vertrauen, da sie deren Tun fachlich kaum beurteilen könnten. «Die Unterstellten werden also ermächtigt, sie übernehmen zusätzliche Aufgaben und zeigen ein höheres Engagement.»

Ständiges Nachfragen

Monika Huber von der Caritas München pflichtet bei. Die langjährige Kommunikationschefin übernahm unlängst im Rahmen eines sechswöchigen Führungsrollentauschs die Verantwortung für die Abteilung «Entgelte und Zuschüsse». In ihrer neuen Funktion, die mit komplexen Regularien, Kontrollen und Terminen verbunden war, sei sie nie in Versuchung geraten, auf fachliche Details zu achten. «Ich musste voll darauf vertrauen, dass die neuen Kolleginnen und Kollegen ihre Aufgaben ordentlich erledigen.»

Auch bei der Caritas stiess das Experiment anfänglich nicht nur auf Sympathien. Von 25 möglichen Teilnehmern waren nur 6 bereit, am Rollentausch mitzumachen, was unter dem Zielwert lag. Ein Workshop bereitete auf die neue Aufgabe vor, es wurden Regeln definiert, und im Unterschied zur Eidgenössischen Zollverwaltung, wo der administrative Projektaufwand minim gehalten wurde, unterzeichneten die Teilnehmer spezielle Verträge, welche die neuen Verantwortlichkeiten festhielten.

Ziel des Austausches bei Caritas war in erster Linie, mehr Verständnis für die Aufgaben und Herausforderungen anderer Bereiche zu entwickeln. «Nach dem Projekt verstand ich weit besser, wie unsere Organisation finanziert wird und wie viel Bürokratie und Aufwand damit verbunden sind», sagt Huber. Das Lernen erfolgte durch ständiges Nachfragen: Was sind die wichtigsten Knackpunkte, wo liegen die grössten Probleme? «Ein kleinteiliges Agieren war in dieser kurzen Zeit gar nicht möglich.»

Hat der Rollentausch nach Projektende zu Veränderungen geführt? Organisatorisch habe sich bei der Caritas nichts verändert, sagt Huber – «obschon ich durchaus Ideen hatte, was man in der anderen Abteilung hätte anpassen können». Nach Projektende fortgesetzt wurde aber die enge Kooperation zwischen den ehemaligen Tandempartnern. «Und als ich in meinen alten Job zurückkehrte, nahm ich mich fachlich stärker zurück als zuvor. Immerhin hatte das Team in den sechs Wochen ohne mich ja alles bestens gemeistert.»

Drohender Gummibandeffekt

Anders lagen die Dinge bei der Zollverwaltung. Dort führte das Experiment zu einer tiefgreifenden Reorganisation. Die Arbeitsprozesse wurden neu definiert, Verantwortlichkeiten in andere Bereiche verschoben. Und eine Betriebsabteilung, die zuvor viel Macht konzentrierte und bei Projekten als Nadelöhr wahrgenommen wurde, wurde völlig neu organisiert. «Der Umbau zielte auf flachere Hierarchien. Der Rollentausch agierte dabei als Türöffner», sagt Weissleder.

Grundlage der Reorganisation waren die Journale, welche die Teilnehmer während des Rollentauschs zu führen hatten. Darin konzentrierten sie sich auf die Prozesse, Schnittstellen und Strukturen. Zwar war anfänglich offen, ob das Experiment zu einer Reorganisation führen würde, sagt Weissleder. Doch der Perspektivenwechsel zeigte die Notwendigkeit einer Reform. «Und weil das jeder hautnah erlebte, wurde der Umbau von der Geschäftsleitung auch nicht als aufgedrückt wahrgenommen.»

Die Nachbereitung eines solchen Projekts sei mindestens so wichtig wie das eigentliche Experiment, sagt Weissleder. «Sonst kommt es zum Gummibandeffekt.» Gemeint ist: Das Band wird während des Experiments stark in die Länge gezogen, zieht sich aber sogleich auf das alte Mass zurück, sobald die Übung beendet worden ist. Das gelte es zu verhindern. Ziel sei ja nicht, für kurze Zeit ein lustiges Führungsspiel zu veranstalten, sondern die Organisation nachhaltig weiterzuentwickeln.

Die Organisation als Resonanzkörper

Doch eignen sich Führungsrollentausche für alle Organisationen? Wüthrich, der Managementforscher, relativiert. Notwendig sei das Vorhandensein einer zweiten Führungsebene, die das Fachwissen bereitstelle. Was es zudem brauche, sei Vertrauen in ergebnisoffene Experimente. Doch leider, so seine Erfahrung, seien Experimente im betrieblichen Alltag oft negativ belegt. Der Einwand: Wer experimentiere, kenne die Antworten nicht, gehe Risiken ein, handle unprofessionell.

Wüthrich widerspricht: «Das Experiment stellt Fragen an die Organisation und nutzt diese als Resonanzkörper.» Auch beim Führungsrollentausch, der oft kontraintuitive Zufallsentdeckungen provoziere. Zu diesen Entdeckungen kann gehören, dass Fachwissen auf dem Weg zu wirksamer Führung eher ein Malus statt Bonus ist. Wüthrich spricht vom «Mehrwert fachlicher Inkompetenz». Dass diese Idee in Chefetagen bisweilen irritiert, überrascht kaum. Wer lobt sich schon gern in seiner Eigenschaft, besonders inkompetent zu sein?

Über den Autor

Thomas Fusster ist Wirtschaftsredaktor bei Neue Zürcher Zeitung AG

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

30 Juli 2021

Die „sieben Wertewelten“ – oder warum Purpose und New Work für den Führungsnachwuchs zählen

Posted in Führung, Leadership, Mind

Artikel von Univ.-Prof. Dr. Jürgen Weibler

Die „sieben Wertewelten“ – oder warum Purpose und New Work für den Führungsnachwuchs zählen

Werte beeinflussen Verhalten (mit). Über Generationen mit neuen Wertemustern wird deshalb auch im Management diskutiert (Stichwort: Generation Z). Wir warnen hier vor unbedachten Verkürzungen und zeigen anschaulich, mit welchen (sieben) „Wertewelten“ Führungskräfte konfrontiert werden und worin die erstaunliche Gemeinsamkeit dieser divergenten Welten liegt.

Die Arbeitswelten des 21. Jahrhundert sind im Umbruch. Technologische Neuerungen revolutionieren die Art und Weise, wie Organisationen wirtschaften und wie wir in ihnen arbeiten. Der Transformationsdruck durch die Digitalisierung ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Daneben sehen wir allerdings auch wertebezogene Veränderungsdynamiken, die arbeitsbezogene Werte und Einstellungen einbeziehen. Leadership Insiders erläutert studiengestützt, dass es sich bei dem, was wir beispielsweise unter der Generation Y oder Z verstehen, zwar um Vereinfachungen handelt, die den tatsächlichen Wertpluralismus in der Arbeitswelt verdecken, aber dennoch von großer Relevanz für das Management und die handelnden Führungskräfte sind.

Umbruch durch Wertedynamiken

Arbeitsbezogene Werte und Einstellungen sind einerseits Ausfluss gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, andererseits Treiber von Führung und Zusammenarbeit in zukünftigen Arbeitswelten. Nicht alles verändert sich im Laufe der Zeit, einiges aber durchaus und davon wiederum einiges mit disruptiver Kraft.

 

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter Leadership-Insider.de

09 Juli 2021

Was ist eine agile Organisation?

Posted in Führung, Leadership

Unternehmenskultur

Was ist eine agile Organisation?

Agile Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine offene Unternehmenskultur pflegen und viel Wert auf Selbstverantwortung, Kommunikation und Austausch legen. Was sind die besonderen Merkmale und Methoden dieser neuen Form der Zusammenarbeit?

Ein Unternehmen ist agil, wenn es agile Ansätze verfolgt und gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umsetzt.

Selbstorganisation statt Anweisung

Aus klassischer Führungssicht ist Selbstorganisation zunächst einmal ein Maximum an Delegation. Die Delegation wird über bestimmte Tools, wie zum Beispiel „Delegation Poker“, laufend neu ausgehandelt. Die Führung wird temporär von unterschiedlichen Teammitgliedern übernommen. Das Konzept, das dem zugrunde liegt, lautet gewissermaßen „Führung on demand“.

In der Unternehmenspraxis heißt das für die Führungskräfte: Aus Kontrolle wird Dienen. Aufgabe der Führungskräfte ist also die Unterstützung der operativ Arbeitenden, die ja am Ende die Leistung erbringen. Gerade das mittlere Management tut sich damit schwer.

Bei einer ausgeprägten Selbstorganisation hat die Hierarchie als bestimmende Organisationsform, die sich im Organigramm als Pyramide zeigt, ausgedient. Gefragt ist eine von unten gestützte breite Plattform, auf der die Mitarbeitenden für das Unternehmen und auch im Sinne der Unternehmensziele erfolgreich sein können. Vorgesetzte sind nicht mehr für die Einteilung der Arbeit zuständig. In einer agilen Organisation regelt das jeder selbst in Abstimmung mit dem Team, und zwar nach inhaltlichen und motivationalen Gesichtspunkten. Viele Dinge werden transparenter und Herrschaftswissen nimmt ab.

Agile Werte

Agile Werte sind zum Beispiel Commitment, Fokus, Offenheit und Mut. Diese Werte müssen in der Praxis von jedem Team gelebt werden. Gemeinsame agile Werte sind oft der Startpunkt agiler Transitionsprozesse. Ihre Bedeutung für den Erfolg eines solchen Prozesses wird in der Praxis oft unterschätzt.

Für die Unternehmenspraxis bedeutet etwa Commitment: Jeder, der eine Aufgabe übernimmt, soll alles daran setzen, sie in der vorgegebenen Zeit auch zu bewältigen. Er sollte die Offenheit und den Mut haben, jederzeit darauf hinzuweisen, dass Hilfe nötig ist oder dass es eine neue Herangehensweise braucht, um das Ziel zu erreichen. Aber nicht jeder kann mit solch einem Druck umgehen. Insbesondere introvertierte oder wenig leistungsmotivierte Mitarbeiter sind schnell überfordert, wenn es darum geht, hartnäckig an der gemeinsamen Zielerreichung zu arbeiten.

Agile Unternehmen leben eine zum Teil schonungslose Offenheit. Wer sich nicht für seine Ziele einsetzt, wird es schwer haben, mit dem Team zu wachsen. Da braucht es dann wieder Mut und viel Feedback – ebenfalls agile Werte –, um solche Dysfunktionalitäten im Team offen anzusprechen und gemeinsam für Abhilfe zu sorgen.

Agile und flexible Arbeitsmethoden

Agile Arbeitsmethoden, agile Frameworks oder Methodenwelten sorgen für Beschleunigung. Sie dienen dazu, Prozesse und Zusammenhänge schneller abzubilden, schneller in die Rückkopplung mit den internen oder externen Kunden zu gehen, schneller Prototypen zu erstellen, um in kurzer Zeit das beste und nützlichste Produkt zu bekommen. Scrum, Kanban, Design Thinking und Lean-Startup sind dabei nur Stichworte, hinter denen sich eine ganze Reihe von weiteren methodischen Ansätzen und Denkhaltungen verbirgt.

Für die Unternehmenspraxis bedeutet das, es gibt keine langjährigen Planungszyklen nach der Wasserfallmethode, bei der immer erst eine Phase abgeschlossen werden muss, um den nächsten Schritt zu machen. Merkmal für agile Methoden sind schnelle Entwürfe mit vielen Feedbackschleifen, die sich nicht abstrakt auf einer Konzeptebene abspielen, sondern auch gleich zum Ausprobieren animieren. Dies gilt auch schon für das Frühstadium einer Idee.

Bei agilen Arbeitsmethoden geht Effektivität vor Perfektionismus. Entwürfe werden früher zur Diskussion gestellt. Alle dürfen sich daran beteiligen. Dinge werden so seltener vergessen und krasse Denkfehler vermieden. Zudem gewinnen Visualisierungstechniken an Bedeutung. Sie sind nicht mehr nur „nice to have“, sondern essenziell für gute Ergebnisse im Team.

Agile Meeting-Formate

Das Daily-Stand-up-Meeting ist ein wesentliches Format agiler Organisationen. Das Meeting wird im Stehen abgehalten und sollte höchstens 15 Minuten dauern. Im Kontext von Scrum wird es auch „Daily Scrum“ genannt. Das Daily-Stand-up-Meeting ist keine Attitüde agiler Projekte, sondern eine wichtige Keimzelle zur Selbststeuerung des Teams. Jeder spricht vom Stand der eigenen Arbeit und über das, was hinderlich ist.

Für die Unternehmenspraxis heißt das: In einer agilen Organisation werden täglich Stand-up-Meetings durchgeführt. Niemand kann sich mehr hinter seinem Schreibtisch verkriechen. Arbeitspakete werden fertiggestellt, neu gefasst und verschiedene Absprachen und Unterstützungsangebote „fliegen“ in nur 15 Minuten durch den Raum. Darüber hinaus werden die Teammitglieder über agile Meeting-Formate, wie etwa Instant Open Space oder Lean Coffee auch bei Fragen eingebunden, die das Selbstverständnis und die künftige Ausrichtung betreffen.

In der Praxis gibt es viele Freiräume für die Gestaltung von Meetings. Zwar sind bestimmte Rituale wie das Daily-Stand-up oder regelmäßig nach einzelnen Sprints terminierte Retrospektiven obligatorisch. Darüber hinaus gibt es aber einen hohen Freiheitsgrad für Experimente. Zum Beispiel die Bereitschaft, sich radikal auf die Kundenperspektive einzulassen und diese mithilfe von Prototypen real zu testen (Design Thinking). Auch das Überprüfen von Hypothesen mit realen Kunden (Lean Start-up) ist jederzeit möglich.

Unternehmenskultur für agiles Denken und Handeln

Eine agile Organisation setzt eine passende Unternehmenskultur voraus, sonst gerät die Nutzung agiler Ansätze zur Farce. Für die Unternehmenspraxis bedeutet das: Die Kontroll- und Politikinstrumente treten in den Hintergrund. Transparenz und eine offene Diskussionskultur prägen die Organisation. Formate wie Retrospektiven werden regelmäßig eingesetzt, um die Prämissen der Zusammenarbeit im Team immer wieder neu zu hinterfragen und bei Bedarf zu überarbeiten.

Vornehme Zurückhaltung ist kontraproduktiv, da essenzielle Punkte so nicht auf den Tisch kommen. Auch der für agile Unternehmen wichtige Austausch von informellem Wissen wird sehr stark durch die Unternehmenskultur vorgegeben. Die Teamkultur, die Zusammenarbeit im Team und der Prozess der Teamentwicklung selbst stehen ganz vorne im Rampenlicht und werden immer wieder gezielt verbessert.

Eine Unternehmenskultur, die agiles Denken und Handeln erlaubt, stellt den Raum zur Selbstorganisation bereit. Die Teams werden in ihrem Wachstum unterstützt. Führung orientiert sich beispielsweise an den Begriffen „Enable“ und „Empowerment“. Eine agile Unternehmenskultur versteht unterschiedliche Auffassungen als Bereicherung.

Teams mit einer wenig ausgeprägten Diskussionskultur oder mit offenen Konfliktlinien erhalten zusätzliche Unterstützung, etwa durch eine Moderation. In einer agilen Organisation werden unterschiedliche Sichtweisen offen diskutiert, vorgestanzte Meinungsschablonen und taktisch veranlasste Winkelzüge sind seltener.

Geringe interpersonale Distanz mit intensiver Kommunikation

Mitglieder in agilen Teams kommunizieren idealerweise direkt miteinander in entsprechend flexibel nutzbaren Räumen. Ein fixes, tägliches Daily-Stand-up-Meeting ist unumgänglich, um die Kommunikation untereinander zu verbessern. Jeder muss jederzeit wissen, was auf der Agenda steht, um dies dann wiederum bei den eigenen Arbeitspaketen berücksichtigen zu können.

Für die Unternehmenspraxis bedeutet das: Unternehmen, die stark auf Homeoffice oder virtuelle Teams setzen, tun sich bei agilen Methoden erst einmal schwer. Trotzdem kann auch in agilen Teams eine virtuelle Kommunikation recht gut funktionieren, wie etwa das Zuschalten von Teammitgliedern beim Daily-Stand-up-Meeting. In agilen Organisationen wird auch die Kultur, sich zu duzen, nicht verordnet, sondern im Sinne einer direkten Kommunikation auf Augenhöhe gelebt.

Agile Organisationen verfügen über Rollen- und Aufgabenklarheit, klare Prioritäten sowie passende Meeting-Formate und Kommunikationsstrukturen. Meetings sind klar fokussierte Veranstaltungen, in denen die Teilnehmenden sich passgenau einbringen können. Die Teammitglieder kommen mit einer klaren Vorstellung aus den Meetings. Sie wissen danach, was ihre Aufgabe ist und wie sich ihre Arbeit in das nächste große Ziel und die nächste Etappe einfügt. Sie sind motiviert, da sie verstehen, worin ihr Beitrag für die Zielerreichung liegt.

Über den Autor

Valentin Nowotny ist Geschäftsführer von NowConcept Perfect Training Results Worldwide, einem international ausgerichteten Trainings- und Beratungsunternehmen. Er ist spezialisiert auf das Coaching von agilen Teams, Trainings und Workshops zu den Themen Leadership, Verhandlung und Kommunikation im Team sowie auf die Einführung neuer agiler Methoden in Unternehmen. Nowotny arbeitet für namhafte deutsche DAX- und M-Dax-Unternehmen.

Quelle: business-wissen.de

18 Juni 2021

"Neue Führung bedeutet, Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten"

Posted in Führung, Leadership

Bodo Janssen im Interview

Von heute auf morgen mussten die Hotels der Upstalsboom-Kette in den Lockdown gehen. Dennoch zieht Hotelier Bodo Janssen in seinem neuen Buch eine positive Bilanz: Jetzt bewähre sich, worauf in seinem Unternehmen seit zehn Jahren hingearbeitet wurde. Im Interview spricht er über neue Aspekte der Führung.

Haufe Online Redaktion: Herr Janssen, in Ihrem Buch schreiben Sie: "Krisen sind genauso unbequem wie wertvoll. Denn wir sind beweglicher und selbstbewusster geworden und gestärkt daraus hervorgegangen." Welche Einsichten haben Sie während der Coronapandemie gewonnen?

Bodo Janssen: Die zentrale Erkenntnis war, dass mein persönlicher Entwicklungsstand in Wirklichkeit sehr weit entfernt davon ist wie ich glaubte. Ich habe mich vorher intensiv mit der menschlichen Entwicklung beschäftigt. In der Pandemie habe ich erfahren, dass Themen, von denen ich glaubte, ich hätte sie für mich schon geklärt, wieder hochkommen. Das zeigt, dass es in der persönlichen Entwicklung nicht nur darum geht, etwas zu erreichen, sondern auch darum, den Entwicklungsstand zu halten. Eine andere Erkenntnis war, dass das, worauf wir zehn Jahre lang im Unternehmen hingearbeitet haben, sich in dieser schwierigen Zeit positiv ausgewirkt hat. Wir alle standen vor einer völlig neuen Situation. Als ich dann erleben durfte, dass die Mitarbeitenden voller Vertrauen waren und bereit, Verantwortung zu übernehmen, war ich extrem dankbar dafür. Es gab durchaus einige Menschen, die uns als "Schönwetterpiloten" bezeichnet haben oder unsere Art der Unternehmensführung "Sozialromantik" genannt haben. Aber wir haben gesehen, dass wir Persönlichkeiten haben, die resilient sind und verstehen, mit schwierigen Situationen umzugehen.

Haufe Online Redaktion: Was können Sie daraus für Führungskräfte und Personalmanager ableiten?

Janssen: Ich glaube, der Führungsanspruch entwickelt sich weiter. Im Kontext von New Work sprechen viele Menschen über Methoden. Diese waren sicherlich richtig, um in normalen Zeiten miteinander zu arbeiten. Aber in einer solchen Herausforderung, wie wir sie in den vergangenen Monaten erlebt haben, interessiert es die Mitarbeitenden herzlich wenig, ob wir einen Tischkicker haben oder ob wir agil arbeiten, sondern sie brauchen Unterstützung, wie sie mit dieser Situation umgehen können. Das ist für mich ein neuer Teil der Führung: Menschen darauf vorzubereiten, schwierige Situationen meistern zu können. Denn ich glaube, dass die Anzahl der schwierigen Situationen in Zukunft eher zu- als abnimmt.

New Leadership: Führung in die Eigenverantwortung

Haufe Online Redaktion: Im Buch beschreiben Sie eine neue Führung, bei der es nicht nur um das Gestalten neuer Methoden oder eines attraktiven Arbeitsumfelds geht, sondern auch darum, Menschen aus der Abhängigkeit eines Unternehmens heraus in die Eigenverantwortung zu führen. Sehen Sie es als Aufgabe der Führungskraft an, den Mitarbeitenden zu helfen, eine Arbeit zu finden, in der sie ihre eigenen Wünsche, Hoffnungen und Begabungen ausleben können?

Janssen: Es ist die Frage, welchen Anspruch ich an die Wirksamkeit meines Unternehmens habe. Ich kann natürlich sagen: "Das ist nicht meine Aufgabe." Aber wenn ich dann in eine Situation komme, wie wir sie in den vergangenen Monaten hatten, und die Mitarbeitenden weglaufen oder umfallen, ist mir als Unternehmer nicht geholfen. Wenn ich jedoch diese Verantwortung übernehme und etwas dafür tue, dass die Menschen gut vorbereitet sind, brauche ich mich jetzt nicht in die Reihe derjenigen einzureihen, die jammern, weil es ihnen schlecht geht. Für mich ist es immer eine Frage: Was braucht es im Moment? Ich will ein anderes Beispiel dafür geben: Wenn ich gesunde Beschäftigte brauche, kann ich natürlich als Unternehmer sagen: "Es ist nicht meine Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Mitarbeitende nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und sozial gesund sind." Aber wenn ich dann darunter leide, dass sie ausfallen, tangiert es mich sehr wohl. Wir haben uns entschieden, uns sehr stark dafür einzusetzen und deshalb liegt unsere Krankheitsquote bei unter zwei Prozent.

Haufe Online Redaktion: Wie kann Führung in die Eigenverantwortung in der Praxis umgesetzt werden? Können sie Beispiele aus Ihrem Unternehmen nennen?

Janssen: Wenn ich über Eigenverantwortung spreche, spreche ich über zwei Dinge: Vertrauen und Verantwortung. Das ist nichts, was man einfach anschalten kann. Wenn ein Team in eine Krise kommt und die Führungskraft sagt: "Jetzt müsst ihr alle vertrauen", würden die Teammitglieder lachen. Nur weil die Führungskraft das will, vertrauen sie nicht oder sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Führungskraft muss Gründe dafür liefern, dass die Mitarbeitenden vertrauen können, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Das haben wir bei uns im Unternehmen im Alltag insofern kultiviert, dass Menschen Aufgaben übernehmen können und dass sie Fehler machen dürfen. Begehen sie einen Fehler, machen sie die Erfahrung, dass das nicht schlimm ist, sondern dass sie sich dadurch weiterentwickeln können.

Bedingungsloses Interesse als Voraussetzung für Vertrauen

Haufe Online Redaktion: Welche weiteren Faktoren führen zu Vertrauen und Engagement?

Janssen: Ein weiterer Faktor ist, dass wir bedingungsloses Interesse entgegenbringen – nicht nur für Leistung, sondern insbesondere auch für den Menschen selbst und dafür, was er in seiner Freizeit macht. Ich denke an unseren Spüler Frank, dem ich seinerzeit in der Küche beim Kartoffelschälen begegnet bin. Ich interessierte mich dafür, was er macht, wenn er nicht gerade spült oder Kartoffeln schält, und erfuhr, dass er gern fotografiert. An diesem Thema bin ich drangeblieben und er hat sich zu einem Fotografen für unser Unternehmen entwickelt. Er hat eine eigene Fotoausstellung bei uns und unterstützt uns auch mit Bildern für unser Unternehmen. Wenn ich klassisch vorgegangen wäre, hätte ich gefragt: "Wie viel Geld pro Teller brauchst du mehr, damit du schneller und sauberer spülst?" Das wäre die klassische Vorgehensweise per Karotte. Stattdessen habe ich ihn ganz anders angesprochen. Er spült immer noch für uns. Aber zusätzlich übernimmt er Aufgaben, die ihm persönlich wichtig sind. Das bringt ihn stark mit uns und unserem Unternehmen in Verbindung.

"Wichtig ist, zu erkennen, dass wir keinen Einfluss darauf haben, ob Menschen sich weiterentwickeln wollen oder nicht."

Haufe Online Redaktion: Ist es möglich, alle Beschäftigte dafür zu begeistern, dass sie sich persönlich weiterentwickeln wollen? Manche sind ganz glücklich damit, acht Stunden lang Kartoffeln zu schälen und den Kopf freizuhaben für die Dinge, die ihnen nach Feierabend wichtig sind.

Janssen: Wichtig ist, zu erkennen, dass wir keinen Einfluss darauf haben, ob Menschen sich weiterentwickeln wollen oder nicht. Das steht nicht in meiner Macht. Aber ich kann Menschen dazu einladen, ermutigen oder inspirieren, in ihre Entwicklung zu investieren. Wenn sie das nicht wollen, ist das nicht schlimm. Wir brauchen auch die Menschen, die gute Arbeit für gutes Geld leisten wollen und mehr nicht. Diese ist bei uns genauso anerkannt wie diejenigen, die unser Unternehmen dafür nutzen, sich in ihrer Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Ebenfalls wichtig ist – und das erfordert ein bisschen Demut – sich einzugestehen, dass man nicht alle mitnehmen kann. Der Versuch, alle Menschen mitzunehmen gleicht dem Versuch, das stürmische Meer zu beruhigen. Das ist nicht möglich. Ich bekomme von Unternehmern häufig die Frage gestellt: "Wie kann ich alle erreichen?" Das geht nicht. Es ist wichtig, das für sich anzunehmen.

Haufe Online Redaktion: Der Titel Ihres Buchs ist "Eine Frage der Haltung". Derzeit wird viel darüber diskutiert, dass es nicht genügt, eine Haltung zu haben, sondern dass es auch darauf ankommt, zu handeln. Kommen in Ihrem Buch das Handeln und die Handlungskompetenz nicht zu kurz?

Janssen: Im Buch erzähle ich die Geschichte, wie wir täglich mit der Pandemie umgegangen sind und welche Verhaltensweisen bei allen Beteiligten dazu geführt haben, dass sie stärker aus dieser Zeit herausgekommen sind als sie hineingeraten waren. Der Titel ist "Eine Frage der Haltung". Aber mit der Haltung allein ist noch nichts gewonnen. Die Haltung ist Grundvoraussetzung für das Verhalten, das sich daraus ergibt und erschließt. Ich würde sagen, letztendlich sind in meinem Buch 90 Prozent Verhalten aufgezeigt.

Die besondere Macht der Pause

Haufe Online Redaktion: Das Buch ist sehr persönlich. Sie schildern nicht nur Ihre eigenen Erfahrungen in der Krise, sondern auch Rituale aus dem Klosterleben, auf die Sie in dieser Zeit zurückgegriffen haben, zum Beispiel "Pausen bestimmen den Tag". Inwiefern haben Ihnen diese Rituale durch die Lockdown-Zeiten geholfen?

Janssen: Das Ritual, das ich besonders schätze, ist das der Stille – der Pause und Reflexion – weil die Entwicklung eines Menschen in der Pause entsteht. Bei Sportlern wächst der Muskel nicht in dem Moment, in dem sie trainieren, sondern in den Zeiten, in denen sie pausieren. In der Pandemie hat sich die Möglichkeit intensiviert, noch strukturierter und mit mehr Pausen durch den Tag zu gehen. Für mich persönlich sind zum Beispiel die Dienstreisen weggefallen und ich konnte eine Tagesstruktur gestalten, wie ich sie sonst im Kloster gelebt habe: "Ora et labora". Wir wissen aus der Psychologie, dass dieses Abwechseln von Tätigkeit und Ruhe uns hilft, mental im Gleichgewicht zu bleiben. Dieser Zeitgewinn innerhalb der Pandemie war – bei all dem damit verbundenen Leid – ein Geschenk, das zu einer starken Entwicklung geführt hat.

Haufe Online Redaktion: Entschleunigung und Meditieren hilft enorm, sich auf die persönlichen Belange zu fokussieren und bringt einen großen Nutzen für die Weiterentwicklung der eigenen Person. Aber besteht dabei nicht die Gefahr, zu stark egozentrisch zu denken oder zu agieren?

Janssen: Zu viel von einem ist immer schlecht. Die Benediktiner sprechen vom sogenannten "discretio" – dem Einhalten des rechten Maßes. Machen wir zu viel Sport, werden wir krank. Machen wir zu wenig Sport, werden wir krank. Es geht letztendlich um ein Gleichgewicht und nicht nur darum, Selbstoptimierung zu betreiben, damit es einem selbst gut geht. In der Meditation entsteht ein Bewusstsein für das, was mich umgibt. Ein Beispiel: Gestern habe ich während der Meditation über Mitgefühl nachgedacht. Dabei erkannte ich für mich, dass Mitgefühl bedeutet, dankbar zu sein für die Chance, anderen Menschen helfen zu können. Würde ich andere unterstützen, um mich selbst gut darzustellen, wäre das kein Mitgefühl. Es ist immer eine Frage der Haltung: Mit welchem Motiv mache ich etwas? Meditiere ich nur, um mich selbst zu optimieren und nur auf mich zu schauen, oder meditiere ich, um die Fähigkeit zu entwickeln, für andere da zu sein?

"Wenn eine Person rein aus Gründen der Karriere Führungskraft werden will, wird sie keine gute Führungskraft."

Haufe Online Redaktion: Gilt das auch für das Thema Führung?

Janssen: Ja, das zeigt sich auch in der Mitarbeiterführung: Liegt mein Motiv, Menschen zu führen, darin begründet, meinen eigenen Interessen näher zu kommen? Oder ist mein Motiv ein ehrliches Interesse an der Entwicklung anderer Menschen? Wenn eine Person rein aus Gründen der Karriere Führungskraft werden will, wird sie keine gute Führungskraft. Das Motiv ist Karriere und nicht Menschen zu führen. Deshalb haben wir bei uns im Unternehmen Karriere und Führung entkoppelt. Karriere hat bei uns nichts mit Führung zu tun.

 

Zum Interviewpartner:

Bodo Janssen, heute CEO der Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH, studierte einst BWL und Sinologie und stieg im Anschluss ins elterliche Hotelunternehmen ein. Viele Krisen prägten seinen Weg, unter anderem seine achttägige Entführung im Jahr 1998 und der Flugzeugabsturz seines Vaters. Als eine Mitarbeiterbefragung vernichtende Ergebnisse brachte, beschloss er, für eineinhalb Jahre ins Kloster zu gehen. Nach dieser inneren Einkehr leitete er einen Paradigmenwechsel ein. Zusammen mit Pater Anselm Grün schrieb er das Buch "Stark in stürmischen Zeiten". Soeben erschien sein neuestes Buch "Eine Frage der Haltung".

Quelle: haufe.de

16 Oktober 2020

Erfolgsfaktor resiliente Führung: Was macht sie aus?

Posted in Führung, Leadership

Erfolgsfaktor resiliente Führung: Was macht sie aus?

Resiliente Führung hilft Unternehmen und ihren Beschäftigten durch die Krise. Statt auf Härte kommt es dabei auf emotionale und geistige Flexibilität an.

Resiliente Führung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, um jeder Krise zu trotzen – wie sich aktuell sehr gut beobachten lässt. Doch was beinhaltet das Konzept resilienter Führung eigentlich? Und wieso trägt es nicht nur in Krisenzeiten dazu bei, den Erfolg von Unternehmen zu sichern?

Resilienz

Die aktuellen Umstände zeigen: Der Corona-bedingte Lockdown stellt Führungskräfte vor eine echte Bewährungsprobe. Immerhin mussten diese von jetzt auf gleich lernen, aus dem Homeoffice Mitarbeiter zu koordinieren und zu motivieren, Aufgaben und Kompetenzbereiche zu verteilen, Erfolgskontrolle zu managen und dabei gleichzeitig zu vertrauen. Kaum etwas blieb wie gehabt – außer der Arbeitslast. Und die wurde, das können wir wohl alle bestätigen, sogar eher größer.

Und hier kommt der Begriff Resilienz in Spiel: Er stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde und beschreibt die Fähigkeit eines Stoffes, nach einer Verformung wieder in seine Form zurückzukehren. Auf den Kontext von Unternehmen angewendet bedeutet das, Krisen unbeschadet zu bewältigen – und sogar gestärkt aus ihnen hervor zu gehen. Man kann resiliente Unternehmen daher auch als „krisenfest” oder „widerstandsfähig” bezeichnen.

Bei solchen „Verformungen” – sei es durch eine Pandemie, eine Technologie oder verändertes Kundenverhalten – braucht jeder Orientierung. Für die Mitarbeiter kommt es also auf eine beständige und kraftvolle Führung an; für die Führungskräfte darauf, diese darstellen zu können und das unter der Prämisse gegebenenfalls selbst wenig Orientierung zu bekommen.

Was ist nun resiliente Führung?

Zunächst wird aus der oben genannten Begriffsherkunft schon klar, dass Resilienz etwas anderes ist als Härte. Harte Materialien oder Führungskräfte sind nämlich gerade nicht widerstandsfähig bei Verformungen, sondern sie zerbrechen.

Im Gegenteil, statt auf Härte kommt es auf emotionale und geistige Flexibilität an: Menschen, die gelernt haben, Erschütterungen von außen aufzunehmen und die entstehenden inneren Schwingungen zwar zuzulassen, sie aber auch aktiv zu dämpfen und gerade nicht noch zu verstärken, können besser mit Krisen umgehen als diejenigen, die starr versuchen, allen Widrigkeiten zu trotzen. Und so, wie der Werkstoff nach der Verformung nicht mehr unbedingt genau in seine ursprüngliche Form zurückkehrt, sondern in diejenige Form, die der vorherigen am nächsten kommt und durch die Umfeldbedingungen zugelassen wird, muss auch die Führungskraft flexibel sein. Daher wird nach der Covid-19-Krise die resiliente Führungskraft auch nicht genau wieder in den alten Modus Operandi zurückfallen, sondern die neuen Erkenntnisse, Lehren und auch die neuen Anforderungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter aufnehmen und einen leicht veränderten Modus Operandi finden.

Dennoch ist es seine Form, in die der Werkstoff zurücktritt. Analog für die Führungskraft: Sie muss ihre Form kennen, ihre ursprüngliche Bestimmung und den Sinn ihrer Tätigkeit kennen. Daher hat die „Purpose“-Bewegung auch in der Krise ihre Berechtigung!

Resiliente Führungskräfte sind per Definition jedoch keinesfalls diejenigen, die sich besser schonen und Herausforderungen aus dem Weg gehen. Stattdessen zeigen Forschungsergebnisse, dass resiliente Menschen solche Situationen „einfach“ als weniger belastend empfinden. Auf Basis dieser Einstellung gestalten sie diese Situationen so, dass sie sie unbeschadet überstehen. Sie sind also auch keine blinden Optimisten, sondern viel mehr Gestalter.

Teamresilienz

Denkt man das oben Gesagte weiter, ergibt sich auch: Resiliente Führungskräfte, die ihren Teams Orientierung auch in Unsicherheit geben können, schaffen schon einmal gute Voraussetzungen für die Resilienz aller Teammitglieder. Denn damit fühlen sich die Mitarbeiter als Teil eines größeren Ganzen, kennen ihren Purpose und haben ein Vorbild für ihre eigene Haltung. Darüber hinaus zeigen ja viele Studien, dass die Deutlichkeit, mit der sich Führungskräfte Herausforderungen und Lerngelegenheiten stellen, direkt auf ihre Teams abfärbt. In der Folge sind die Teams lernbereiter, engagierter und bleiben länger im Unternehmen!

Resilienz und Unternehmenserfolg

Betrachtet man noch mal die Gleichsetzung zwischen Resilienz und Krisenfestigkeit, ist offensichtlich Resilienz als Erfolgsfaktor für Unternehmen anzusehen. Aber auch durch quantitative Forschungen ist dies inzwischen belegt worden: In einer Studie der Harvard Business School aus dem Jahr 1998 wurde erstmals gezeigt, dass die US-amerikanischen Unternehmen mit der besten Aktien Performance bestimmte Führungsprinzipien beachten, die zentral sind für „resiliente Führung“: langfristiges Personalmanagement, Verteilung von Lasten, Orientierung und Transparenz, Investitionen in Lernen und Weiterbildung. Und um noch mal auf die ganz harten Kennzahlen zukommen: Bei einer Untersuchung der verschiedenen Tochterfirmen von Bertelsmann aus dem Jahr 2007 stellte sich heraus, dass die Tochtergesellschaft mit einer stark ausgeprägten partnerschaftlichen Führung und einer hohen Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen die beste Umsatzrendite aufwiesen.

Damit ist das Konzept der Resilienz nicht nur im Ausnahmezustand nützlich, sondern schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen hilfreich – zu jeder Zeit. Darüber hinaus entstehen Krisen in einer Vuca-Welt, wie oben angedeutet, nicht nur durch Pandemien, sondern auch durch Wandel in Technologie, Wettbewerb und Kundenvorlieben. Daher lohnt es gleich doppelt, auch „nach“ Corona in resiliente Führung zu investieren.

Fazit

Krisenfest und resilient wird man keinesfalls über Nacht. Aber die gute Nachricht ist: Resilienz ist nicht angeboren, sondern lässt sich erlernen. Dazu gibt es Tricks, die wir ihnen in den nächsten Teilen dieser Serie zeigen werden.

Das Schöne ist also: Mit ein bisschen Investment kann man auf einen Schlag selbst resilienter werden, dem Team dabei helfen resilienter zu werden und damit gleichzeitig den Unternehmenserfolg maximieren.

Über die Autorin

Prof. Dr. Katja Nettesheim ist Expertin für Management und Führung im Digitalen Zeitalter. Als Gründerin und Geschäftsführerin der Transformations-Boutique Mediate, als Initiatorin des Preises “Digital Transformer of the Year”, sowie als Professorin und Aufsichtsrätin befasst sie sich schon seit 2008 mit den Erfolgsfaktoren der Digitalen Wirtschaft. Mit ihrem Team begleitet sie die Strategien von etablierten Unternehmen, um sich optimal auf diese Erfolgsfaktoren einzustellen. Als Gründerin und Geschäftsführerin von Culcha verbindet sie diese langjährige Expertise mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und innovativer Technologie.

Quelle: Human Ressources Manager

02 Oktober 2020

Virtuell oder persönlich? Noch ist das Homeoffice ein Experimentierraum für die neue Arbeitswelt.

Posted in Trends

Culture beats Home-office - Studienüberblick

Virtuell oder persönlich? Noch ist das Homeoffice ein Experimentierraum für die neue Arbeitswelt.

Der aktuelle Schub an Homeoffice-Tätigkeiten bewirkt noch keinen Paradigmenwechsel. Eine Auswertung der wichtigsten Studien zeigt, welche Hindernisse in den betrieblichen wie gesellschaftlichen Gegebenheiten einer echten Transformation zu neuen Arbeitsformen noch entgegenstehen.

Die Corona-Pandemie mit den verfügten Kontaktbeschränkungen zwingt seit Mitte März 2020 eine große Zahl der Beschäftigten ins Homeoffice. Waren es vor der Pandemie rund 12 Prozent der Beschäftigten, die ganz oder teilweise im Homeoffice gearbeitet haben, sind es neueren Studien zufolge derzeit deutlich über 35 Prozent. Geht man davon aus, dass grundsätzlich etwa die Hälfte der Arbeitsaufgaben eines Unternehmens im Homeoffice erledigt werden können, ist die Aussage des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, dass derzeit 70 Prozent der Bürotätigkeiten im Homeoffice erledigt werden, nachvollziehbar. (Hinweis: Angaben zu allen im Text zitierten Studien finden Sie unten).

Homeoffice als Experimentierrraum

Die Pandemie hat somit einen "Experimentierraum" geschaffen, der bei Vielen zu ganz neuen Erfahrungen geführt hat, deren Folgewirkungen aber längst noch nicht absehbar sind. Kommt es zu einem echten Paradigmenwechsel in der Arbeitsgestaltung, zu einer nachhaltigen Transformation des Arbeitslebens, zu einem Digitalisierungsschub oder vielleicht doch nur zu einem Anstieg der Beschäftigten im Homeoffice ohne nachhaltige Wirkung auf das Arbeiten in der Zukunft? Die Antworten hierauf sind vielfältig und reichen von euphorischen Prognosen über vorsichtige bis hin zu sehr kritischen Einschätzungen der Auswirkungen.

Überblick: Erfahrungen der Beschäftigten im Experimentierraum Homeoffice

Ganz überwiegend beziehen sich die Studien auf die Befragung der Beschäftigten und ihre Situation im Homeoffice. Gezeigt wird eine generelle hohe Zufriedenheit der Beschäftigten mit der unmittelbaren Erledigung ihrer Aufgaben im Homeoffice. Nach einer Umfrage des bidt, Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation, im Juni 2020 sind 39 Prozent sehr zufrieden, 42 Prozent eher zufrieden und nur 19 Prozent eher oder ganz unzufrieden. Zu ähnlichen Werten kommt auch die Ad-Hoc-Studie der TH Köln: 27 Prozent sind sehr zufrieden, 47 Prozent zufrieden, 21 Prozent eher zufrieden und nur fünf Prozent sind unzufrieden oder ganz unzufrieden. Eine Auswertung von über 2.000 Fragebögen durch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT im Juli 2020 zeigt gar, dass die Zufriedenheit bei den Befragten bei 90 Prozent liegt.

Studienüberblick Homeoffice: Kurzer Arbeitsweg, aber wenig Austausch

Komponenten dieser generellen Zufriedenheit sind die positive Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, die Möglichkeit zum ungestörten Arbeiten, der Zeitgewinn aufgrund des Wegfalls der Arbeitsweges oder der besseren Verteilung der Arbeitszeit über den Tag mit der Folge einer erlebten besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf (DAK, Uni Konstanz).

Sehr kritisch wird dagegen die mittelbare Wirkung der Arbeit im Homeoffice gesehen: Deutlich über 70 Prozent der Befragten fehlt der persönliche Austausch mit den Kollegen (DAK, TH Köln), 20 Prozent der Befragten fühlen sich im Homeoffice gar einsam (Universität Konstanz). Die wahrgenommene soziale Isolation wird als belastend empfunden (Universität Düsseldorf) und führt, wie eine Studie der Universität Krems in Österreich aufzeigt, zu einer Vervielfachung depressiver Symptome bei den Befragten (Universität Krems).

Studienüberblick zur Arbeit im #Homeoffice zeigt: Mitarbeiter profitieren vom Wegfall des Arbeitswegs, leiden aber unter sozialer Isolation. @gerhardruebling

Die wahrgenommene weitgehende Freiheit bei der Gestaltung des Arbeitstags führt zum Problem der Entgrenzung der Arbeitszeit. 47 Prozent der befragten Beschäftigten fehlt eine klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit (DAK). Bei 66 Prozent der befragten Unternehmen ist diese Wirkung vor dem Hintergrund der praktizierten unüblichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten gleichfalls zu erkennen (Fraunhofer IAO).

Insgesamt, und darauf weisen die Studien übereinstimmend hin, möchte der ganz überwiegende Teil der Befragten trotz der negativ erlebten Wirkungen auch nach der Krise die Arbeit im Homeoffice in begrenztem Rahmen fortsetzen (DAK, Uni Konstanz, bidt). "Eine als erfolgreich empfundene Leistungserbringung ist für die Zufriedenheit im Homeoffice ausschlaggebender als die soziale Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen." (FIT Mai)

Homeoffice: Überblick zu den Erfahrungen der Unternehmen

Auffallend ist, dass lediglich eine der vorliegenden Studien gezielt die Erfahrungen der Unternehmen untersucht und diese mit konkreten Handlungsempfehlungen versieht. "Die umfänglichen Erfahrungen der letzten Wochen haben bei knapp der Hälfte der Befragten bereits jetzt schon zum Entschluss geführt, das Angebot an Homeoffice auszuweiten (42 Prozent)", erklärt das Fraunhofer IAO in seiner Studie. Hintergrund sind die positiven Erfahrungen mit der zum Teil unerwarteten inhaltlichen und organisatorischen Machbarkeit der Verlagerung von Aufgaben ins Homeoffice, ohne dass hieraus Nachteile für das Unternehmen resultieren.

Ebenso positiv wurde sowohl das Vorhandensein der technischen Voraussetzungen als auch des entsprechenden Angebots virtueller Arbeits- und Kommunikationsmittel bewertet. Dazu die Studienautoren: "Es bestätigt sich die Erkenntnis, dass virtuelles Arbeiten zuerst einmal bestimmte technologische Grundvoraussetzungen hat, damit das alles funktionieren kann - und diese Voraussetzungen zu einem überraschend hohen Maß gegeben waren".

So haben nach der Studie des Fraunhofer IAO fast alle befragten Unternehmen vermehrt Web- oder Videokonferenzen genutzt und fast 75 Prozent haben Workshops über Web- oder Videokonferenzen durchgeführt. Während die Hard- und Software-Umgebung als eine technische Grundvoraussetzung für das Gelingen von Arbeit im Homeoffice herausgearbeitet wurde, fand die Aussage, dass eine gute Zusammenarbeit und eine starke Kultur gut durch krisenhafte Phasen hindurch tragen, gleichfalls eine erstaunlich hohe Zustimmung von über 90 Prozent. In diesem kulturbezogenen Feld sehen die Autoren den größten Handlungsbedarf.

Wenn also die technischen Voraussetzungen gegeben sind, vorhandene Softwarelösungen breitflächig angenommen wurden, die Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice auch nach der Pandemie in bestimmtem Umfang fortsetzten wollen und die Unternehmen zu einer Öffnung bereit sind, dann sollte doch eigentlich eine nachhaltige Transformation in eine digitale Homeoffice-Zukunft gelingen. Woran also könnte es scheitern?

Zukunft im Homeoffice: Vier Thesen zu den Hindernissen

Werfen wir einen Blick zurück in die Zeit vor der Corona-Pandemie: Auch damals waren die technischen Voraussetzungen schon gegeben, die Softwareumgebung vorhanden, große Unternehmen hatten die betrieblichen Rahmenbedingungen rechtlicher und organisatorischer Art geschaffen und erste Erfahrungen waren sowohl auf Seiten der Beschäftigten als auch der Unternehmen im Lauf der Jahre gemacht. Dennoch blieb der Anteil der im Homeoffice Arbeitenden bei zehn bis 15 Prozent und die im Homeoffice geleisteten Stunden in Summe damit stets deutlich unter zehn Prozent der wöchentlichen Sollarbeitszeit.

Das Argument, dass die Unternehmen vielfach keine entsprechenden Regelungen geschaffen haben und die Führungskräfte in ihren alten Rollenbildern geblieben sind, ist sicherlich relevant. Aber warum gab es von Seiten der Beschäftigten und ihren Interessenvertreter keinen Druck? Und warum wurde auch dort, wo entsprechende Reglungen vorhanden waren, kein exzessiver oder wenigstens zunehmender Gebrauch von den bestehenden Möglichkeiten gemacht?

#Homeoffice: Unsere Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit steht einem Paradigmenenwechsel zur Zukunft im Homeoffice entgegen. @gerhardruebling

 

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit

These eins: Wir leben nach wie vor in einer Kultur der strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit. Der Wunsch nach individueller Orts- und Zeitsouveränität trifft auf ein über Jahrhunderte eingeübtes kulturelles Verständnis von Arbeit und Freizeit. "90 Prozent der Befragten geben an, dass die Mitarbeitenden im Unternehmen ihren eigenen festen Arbeitsplatz haben" (Fraunhofer IOA). Es ist ein Ritual, morgens zur Arbeit zu gehen und am Abend nach Hause zu kommen. Dann ist Feierabend und Zeit für private Aktivitäten. Während der Arbeitszeit hat man am Arbeitsplatz oder in Besprechungen zu sein. Private Telefonate und Surfen im Internet sind eher nicht erlaubt. Erwartet wird nicht nur körperliche, sondern auch geistige Präsenz zur Leistungserbringung an einem definierten Ort. Das Arbeitsrecht hat diese Kultur mit vielfältigen Regeln normiert und sanktioniert streng unerlaubte Abwesenheit oder private Aktivitäten während der Arbeitszeit.

Das gesellschaftliche Leben hat sich daran orientiert, dass zu gewissen Zeiten die Menschen mehrheitlich am Arbeitsplatz sind und zu gewissen Zeiten nicht, eben frei sind. Ein Blick in die Veranstaltungskalender der Konzert- und Schauspielhäuser genügt, um sich darüber klar zu werden, dass Aktivitäten, die nichts mit Arbeit zu tun haben, ganz überwiegend am Abend und am Wochenende stattfinden. Vielleicht ist dies während der Pandemie wenig auffällig, da das gesellschaftliche Leben stark eingeschränkt ist. Aber dies wird sich irgendwann wieder ändern. Schwer vorstellbar, dass man während des Tages zwischendurch ein Konzert oder ein Fußballstadion besucht. Viele Freizeitaktivitäten brauchen Masse. Ist diese durch unterschiedliche Arbeits- und Freizeitmodelle aufgelöst, sind sie nicht mehr vorstellbar. Und genau das erleben wir während der Pandemie. Weil Massenveranstaltungen verboten sind, finden sie nicht statt. Nicht zur Hälfte oder einem Viertel, sondern gar nicht. Es lohnt sich einfach nicht.

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Entgrenzung trifft auf eingeübte individuelle Verhaltensmuster

These zwei: Die Entgrenzung der Arbeitszeit trifft auf jahrelang eingeübte individuelle Verhaltensmuster. Die Trennung von Arbeit und Freizeit hilft nicht nur kollektiv zur Strukturierung und Organisation des gesellschaftlichen Lebens, sondern auch zur Gestaltung des individuellen Tages-, Wochen- und Monatsablaufs. Arbeit schafft durch ihre Verpflichtungen, ihre Regeln und Rituale Struktur und Berechenbarkeit. Insbesondere dort, wo die Fähigkeit zum Selbstmanagement fehlt oder die häusliche Umgebung ein durchgängiges, konzentriertes Arbeiten behindert, entstehen Chaos und in der Folge Leistungsmängel, die entweder zu erhöhter Arbeitszeit oder Produktivitätseinbussen führen.

Folgt man den Ergebnissen der DAK-Studie, vermissen fast 50 Prozent der Befragten eine klare Trennung von Beruf und Privatleben. 74 Prozent der befragten Unternehmen sehen gleichfalls und unabhängig davon einen wesentlichen Bedarf in der Entwicklung einer unternehmensweiten Strategie zur Vermeidung von Entgrenzungserscheinungen (Fraunhofer IAO).

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: Führungskultur

These drei: Homeoffice erfordert eine neue Führungskultur. Führung, in welcher Form und Ausprägung sie auch immer im Unternehmen praktiziert wird, erfordert eine ständige Interaktion des Managements zur Definition und Erreichung der Unternehmensziele. In einer Situation der geringen und zum Teil beliebigen sozialen Präsenz zeigt sich, dass sowohl die klassische transaktionale als auch die eher moderne transformationale Führungslehre keine geeigneten Methoden und Instrumente zur Führung auf Distanz zur Verfügung stellt.

Den Klassikern fehlt es ganz überwiegend an entsprechenden Instrumenten für das Performance- und Sanktionsmanagement. Orts- und zeitsouveränes Arbeiten legt den Schwerpunkt weniger auf Verhaltenskomponenten und die Art des Zustandekommens der Arbeitsergebnisse als vielmehr auf das Arbeitsergebnis als solches. Diese eindeutige Ergebnisorientierung lässt sich mit den vorhandenen Leistungs-Beurteilungssystemen nur schwerlich abbilden, weder was die Fähigkeit des Vorgesetzten zur Definition der erwarteten Leistung, noch was die vorhandenen Bewertungsmaßstäbe angeht, die oft das im betrieblichen Kontext gezeigte Verhalten mit in die Beurteilung einbeziehen. Deshalb leuchtet auch sofort ein, warum man beim Anruf in einem Callcenter gefragt wird, ob das Gespräch aufgezeichnet werden darf. Die als Argument angeführte Qualitätskontrolle ist nichts anderes als eine auswertbare Leistungskontrolle des Beschäftigten, weil sein Verhalten nicht mehr in einem sozialen Umfeld stattfindet und dort beurteilt werden kann.

Die transformationale Führung setzt in der Interaktion auf direkte Kommunikation und auf agiles, gruppenorientiertes Verhalten mit einem hohen Visualisierungsgrad. "Individuals and interactions over process and tools" lautet der erste Leitsatz des Agilen Manifestes und stellt das persönliche Gespräch über jeden noch so ausgefeilten und gut dokumentierten Prozess. "The most efficient and effective method of conveying information to and within a development team is face-to-face conversation". Insbesondere im agilen Projektmanagement mit der Scrum-Methode, den "Daily Sprints" und einem physischen zentralen Informations- und Entscheidungsort ist Präsenz unabdingbar.

Homeoffice ist mit den derzeitigen praktizierten Führungsleitbildern nur schwer vereinbar. Es erstaunt deshalb nicht, dass 54 Prozent der vom Fraunhofer IAO befragten Unternehmen die Wichtigkeit der Überprüfung des Führungskräfteverhaltens und einen definitiven Schulungs- und Kulturentwicklungsbedarf sehen.

Hindernisse der Zukunft im Homeoffice: kulturelle und individuelle Bedeutung des Unternehmens

These vier: Das Unternehmen als soziale Veranstaltung hat eine hohe kulturelle und individuelle Bedeutung. Im Unternehmen treffen sich Individuen mit einer hohen Übereinstimmung der gemeinsamen Grundüberzeugungen, Werte und Verhaltensweisen. Die so entwickelte und gelebte Unternehmenskultur bietet Raum zur immateriellen persönlichen Bedürfnisbefriedigung außerhalb des eigentlichen funktionalen Leistungserstellungsprozesses, aber auch außerhalb des familiären Umfelds. Der persönliche Austausch unter Kollegen, die kurze Begegnung auf dem Flur oder das Gespräch in der Kantine sind bei geringer Präsenz eingeschränkt. Das Feiern von Erfolgen und der Frustrationsabbau bei Niederlagen findet vielfach ganz bewusst und unmittelbar am Ort des Entstehens statt und soll nicht in die häusliche, familiäre Sphäre hineingetragen werden. Durch Homeoffice findet in diesem Sinne nicht nur eine Entgrenzung der Arbeitszeit statt, sondern auch eine Entgrenzung des beruflichen Rollenbildes: spezifisches berufliches Rollenverhalten taucht unerwartet im familiären Umfeld auf. Die ganz überwiegende Zahl der Befragten hat diesen Mangel bereits in kurzer Zeit erlebt.

75 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass ihnen der direkte Kontakt zu den Kollegen fehlt (DAK) und 42 Prozent Zustimmung erhielt die Aussage, dass es in virtuellen Arbeitssituationen Bedarf an einer unkomplizierten Plattform gibt für den informellen Austausch der Beschäftigten (Fraunhofer IAO). Aber auch hier gelten die Aussagen aus dem Agilen Manifest, dass das persönliche Gespräch und der direkte Kontakt die besten Möglichkeiten des persönlichen Austauschs sind.

Zukunft Homeoffice: Sind wir reif für die Transformation der Arbeitswelt?

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Ist die derzeitige Homeoffice-Situation geeignet, die Arbeitswelt nachhaltig zu verändern? Zeigen sich im "Experimentierraum Deutschland" (IAO) Ansätze für eine tiefgreifende Veränderung? Aktuell wohl eher noch nicht. Was sich aber zeigt, ist der Wille zur Veränderung und ihre technische Machbarkeit. Was fehlt, ist eine intensive Auseinandersetzung mit den kulturellen betrieblichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, die durchaus als "show-stopper" wirken können. Viel Ungeklärtes steht der Verbreitung der Arbeit im Homeoffice noch im Weg:

  • Wie wirkt sich die Aufhebung einigermaßen geregelter Arbeits- und Freizeitblöcke auf das gesellschaftliche Leben aus?
  • Wie erreichen wir eine vernünftige Trennung von Arbeit und Freizeit für den Einzelnen im Laufe des Tages? Und wie verteilen sich die Aufgaben neu in den Familien?
  • Wie führt man virtuelle Teams und beurteilt die Leistung des Einzelnen?
  • Und was ersetzt das Unternehmen als soziale Veranstaltung?
  • Wie reagieren die Belegschaft und ihre Interessenvertretung auf eine Situation, in der die Hälfte der Belegschaft im Homeoffice arbeiten "darf" und die andere Hälfte nicht?
  • Welche Lösungen gibt es für die vielen teilzeitarbeitenden Frauen?

Unternehmen können sich angesichts dieses Fragen- und Aufgabenkatalogs zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden: Wer Aufwand und Auseinandersetzung mit den oben angesprochenen Themen scheut, hakt die aktuelle Entwicklung als kurzfristige Reaktion auf staatliche Vorgaben ab und versucht, zum "business as usual" zurückzukehren.

Oder, und das scheint die weitaus vielversprechendere Option, Sie nutzen die aktuelle Aufbruchsstimmung, um den neu entstehenden Formen des Arbeitens eine gesellschaftlich tragfähige und mit der Unternehmenskultur zu vereinbarende Basis zu geben. Das benötigt Zeit und Aufwand, denn es ist nicht zu erwarten, dass diese Fragen auch bei intensiver Auseinandersetzung in Kürze zu beantworten sein werden. Doch es könnte sich lohnen: Die Veränderung der Arbeitswelt lässt sich nicht mehr aufhalten – schauen wir, dass wir das Beste daraus machen.

Literaturhinweise:

bidt, Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation, Umfrage "Homeoffice" Juni 2020 

DAK, "Digitalisierung und Homeoffice in der Corona Krise, Hamburg", Juli 2020

DIW Wochenbericht, November 2019

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, "Arbeiten in der Corona-Pandemie – Auf dem Weg zum New Normal"

Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Umfrage "Homeoffice", 7.Mai 2020

Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Umfrage " Homeoffice: Ist digitales Arbeiten unsere Zukunft?", Juli 2020

Universität Düsseldorf, S. Süß, "Homeoffice beeinflusst Produktivität und Konflikte", Düsseldorf 2020

TH Köln, C. Ernst, "Homeoffice im Kontext der Corona- Pandemie", Köln, April 2020

Universität Konstanz, F. Kunze, K. Hampel, S. Zimmermann, "Homeoffice in der Krise - eine nachhaltige Transformation der Arbeitswelt?", Konstanz, Juli 2020

Universität Krems, "Mental Health during Covid-19 Lockdown: A Comparison of Austria and the UK", Mai 2020

Über den Autor

Dr. Gerhard Rübling war Arbeitsdirektor bei Trumpf und langjähriger Vorstandsvorsitzender der DGFP

Quelle: haufe.de

25 September 2020

Unser Weg ins Home Office

Posted in Führung, Leadership

Führen auf Distanz: Wie wir uns durch Corona neu erfanden, TEIL 1 einer Lernreise

Unser Weg ins Home Office

Führen auf Distanz eröffnet eine neue Welt. Wir haben als Teamworks selbst eine Lernreise hinter uns, die lange vor der Corona-Pandemie begann, durch diese jedoch erheblich beschleunigt wurde und weiter andauert. In diesem Beitrag stelle ich, Svenja Hofert dar, was wir als Team erlebt haben, angereichert durch Einblicke bei unseren Kundinnen. Daraus leiten wir Tipps ab, die wir über mehrere Beiträge verteilen. Wir starten damit, wie alles begonnen hat. Dieser Text, den wir über 9 Tage verteilen, ist auch als Hörbuch bei Spotify und iTunes erhältlich, produziert von unserem Partner-Verlag Co-Creare.

Krisen befeuern Entwicklungen, die sich schon länger gezeigt haben. Durch ein unerwartetes Ereignis beschleunigt sich, was vorher sehr langsam voranschritt. Auf einmal wird möglich, was manch einer für unmöglich hielt, für verfrüht oder auch für Branche und „Typ Mitarbeiter“ unpassend.
• „Meine Mitarbeiterinnen haben doch gar keinen Firmen-Laptop, wie soll das gehen.“
• „In meiner Belegschaft sind ja keine Wissensarbeiter, das sind normale Leute.“
• „Im Home Office funktioniert das mit meinen Leuten nicht. Die machen da Ferien.“

Yahoo als abschreckendes Beispiel

Gerne wurde von Home-Office-Gegnern die Firma Yahoo zitiert, die einst Mitarbeiter von zuhause zurückholte, nachdem sie zu träge geworden waren. Doch das ist viele Jahre her. Die technologischen Möglichkeiten sind heute andere. Teamentwicklung ist auch zu einem Führungsbegriff geworden.
Und kein Mensch hat sich damals gefragt, ob damals wirklich das Home Office schuld war – oder nicht doch vielleicht die Führung.

Die Führung, der es nicht gelungen war, Teams zu bilden und Verantwortung zu übertragen. Das ist meiner Erfahrung nach essentiell für das Führen auf Distanz. Anders als bei Telearbeit, bei der die Aufgaben einer Arbeitskraft nach Hause verlagert wird, wo diese dann abgearbeitet werden, baut ein Team im Home Office ein Unternehmen im Unternehmen.

Deshalb braucht es hier nicht die klassische Führungskraft, die Aufgaben verteilt und Fortschritt überwacht. Stattdessen gilt es für Sie als Führung, Selbstorganisation zu fördern und Hindernisse zu beseitigen.

Mit Selbstführung fängt es an

Im Home Office muss sich das Team selbst führen können. Es muss kollaborieren und sich abstimmen können. Genaugenommen ist das gefragt, was ich einst als „agiler führen“ bezeichnet habe: Eine teamorientiere Führung, deren Aufgabe vor allem darin liegt, einen Rahmen für Zusammenarbeit zu schaffen. Nur dass diese eben vor allem online stattfindet. Als ich mein Buch „Agiler Führen“ 2016 geschrieben habe, hatte ich die virtuelle Zusammenarbeit weniger im Fokus. Das lag einfach daran, dass ich bis dahin wenige Home Offices kennengelernt hatte. Auch die agilen Organisationen in meinem Umfeld legten bis dahin Wert auf Vor-Ort-Arbeit. Teilweise war es möglich, dass der eine oder andere auch virtuell teilnahm, aber Remote Work war wirklich eine Ausnahme.

Was Home Office wirklich bedeutet

Unterscheiden Sie zwischen Home Office und Telearbeit. Bei der Telearbeit handelt es sich um einen rechtlich anerkannten Begriff. Es ist die vertraglich vereinbarte Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz zu Hause, in § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) definiert. Home Office ist noch kein Recht, dieses zu etablieren, wird gerade diskutiert.
Mit Telearbeit gehen Arbeitgeber eine Verpflichtung ein, mit Home Office nicht. Telearbeitsplätze sind fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich. Alles muss also bereitgestellt und installiert sein. Im Gegensatz zum Homeoffice handelt es sich bei Telearbeit also um ein rechtlich abgegrenztes und regelmäßiges Arbeiten von Zuhause aus. Zwar steht es nirgendwo explizit, doch ist Telearbeit eher auf Einzelarbeit ausgerichtet. Es geht weniger um Selbstorganisation eines Teams von zuhause aus. Dieser jedoch gehört die Zukunft, denn lineare, abgegrenzte Aufgaben gibt es immer weniger. Nein, die Menschen müssen auch im Home Office vor allem eines: kooperieren.

Ich dachte, Home Office macht einsam

Auch ich war keine Freundin vom Home Office. Ich dachte, Home Office mache einsam. Ich glaubte, es müsste immer jemand vor Ort sein, der zum Beispiel Anrufe annimmt. Auch die Koordination von Tätigkeiten, die auf gegenseitiger Abhängigkeit beruhen, stellte ich mir schwierig vor. Aber das genau macht solche Arbeit ja aus: Jeder im Team kann einen Teil seiner Aufgaben alleine erledigen, aber alles hängt an einem gemeinsamen Ergebnis. Erfolg ist nicht der Erfolg einer Person, sondern von allen. Das ist wie beim Mannschaftssport. Es mag sein, dass es Stars gibt, aber auch die könnten allein keinen Sieg schaffen. Heutige Teams sind deshalb hochgradig interdependent. Die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, wenn sie darüber nachdenken mit Home Office zu arbeiten ist deshalb: Zu welchem Grad hängt das Ergebnis vom gemeinsamen Zusammenspiel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab?

Um genauer zu sein:
• Von ihrer Abstimmung untereinander,
• Ihrer Bereitschaft Informationen auszutauschen,
• Ihrem Willen und Vermögen im Team zu entscheiden und
• gemeinsam zu lernen und sich selbst und die Prozesse zu optimieren.

Wir glaubten an Papier

Wir bildeten uns ein, dass es jemand brauche, der Dinge ausdruckt. Wir hielten es für Kundenservice, auch unseren Teilnehmern weiterhin opulente Mappen und Ordner mit Unterlagen auszuhändigen. Das sahen wir irgendwie auch als Marketing an. Ebenso wie repräsentative Büroräume in bester Innenstadtlage. Ich, Svenja, gebe zu, dass ich bisweilen das Wort „Luxus“ dachte und mir zwei Dinge nie aus dem Kopf gingen:

die Vision oder Utopie das austroamerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann, der nicht nur davon spricht, dass Menschen durch die Technologie immer öfter tun können, was sie „wirklich wirklich“ wollen. Er spricht auch von einer Deregionalisierung. In seiner Vorstellung gehen die Menschen nur noch zu einem Teil der üblichen Erwerbsarbeit nach.
Studien, die davon sprachen, dass mit immer besserer Technik die Städte entvölkert würden, weil mehr und mehr Menschen aufs Land ziehen würden. Dort ließe sich die Arbeit eben auch erledigen. Es würde eine Art Landflucht geben… Home Office geht eben überall.
Ein neues Führungsverständnis

Es gab also eine gewisse Vorstellung von „anders arbeiten“ in mir, doch unsere Realität war wie die vieler anderer durch „Präsenz“ geprägt. Home Office in der beschrieben Form als sogar weltweite Kollaboration von Teams gab es, aber mehr oder weniger ausschließlich in der IT als „Remote work“ und dort vor allem der Softwareentwicklung.

Doch dann kam die Coronakrise und der Lockdown. Am 16.3.2020 verkündeten wir unseren sieben Mitarbeiterinnen, dass sie ab sofort und bis auf weiteres alle im Homeoffice verbleiben müssten. Wir würden uns täglich um 11 Uhr bei Zoom treffen. Und ansonsten erst einmal weiterarbeiten wie bisher. Die Art der Ansage ist aber vielleicht bemerkenswert: Wir verordneten diesen täglichen Termin: „Das ist keine Option. Das ist Pflicht.“ Dieses Meeting dauert bis heute an und hat viele Transformationen durchlaufen.

Klarer Rahmen nötig

Bis dahin waren wir wenig direktiv gewesen. Aber vielleicht ahnten wir intuitiv, was sich bald zeigen würde: Ein Team im Home Office braucht einen klaren Rahmen. Die Wegschilder müssen eindeutig beschriftet, Regeln sehr deutlich ausgesprochen sein. Dabei spielte eine Rolle, dass wir schon viel Selbstorganisation gesehen und versucht haben. Wir wussten, dass der wichtigste Puzzlestein in der Zusammenarbeit ein gutes Meeting war. Wir hatten bis dahin viel ausprobiert. Und auch bei unseren Kunden gesehen, dass „richtig meeten“ eine wirkliche Kunst ist. Gleichzeitig ist so ein Meeting das wichtigste Führungsinstrument bei dieser Art des Führens. Denn hier geht es nicht um das Übertragen von Aufgaben, sondern um das Übertragen von Verantwortung. Niemand übernimmt jedoch Verantwortung, wenn der Rahmen nicht fest genug ist, um den Handlungsspielraum zu begrenzen. Voraussetzung sind also klare Pole anhand derer Entscheidungen möglich sind.

In der agilen Szene wird so etwas leicht als „keine Augenhöhe“ und „hierarchisch“ verstanden. Dabei ist Hierarchie nichts anderes als eine sehr sinnvolle Rangordnung. Sie sagt aus, wer im Zweifel entscheidet. Das kann immer wieder jemand anderes sein, je nach Fachkompetenz. Rangordnung muss sein. Sie stellt Richtung her. Gleichzeitig gilt es jedoch , sie nicht als autoritäre Hierarchie zu deuten. Im Gegenteil: Es muss klar sein, dass jeder in unterschiedlichen Situationen Verantwortung übernimmt und auch Teams entscheiden können, wenn sie wissen, woran sie sich orientieren.

Wie das Unmögliche möglich wurde

Im Home Office war nichts mehr wie bisher. In jeder Hinsicht: Unser bis dato gesundes, wachsendes Unternehmen war in eine ernste Krise geraten. Wir leben davon, uns mit Menschen zu treffen. Der „Workshop“ ist unser Hauptprodukt. Hier arbeiten wir mit Unternehmensvertretern an Lösungen, beispielsweise für Fragen der Selbstorganisation. Zudem bilden wir Menschen aus, die Teams aufbauen und entwickeln. All das sind Tätigkeiten, die entweder in den Firmen oder in Veranstaltungsräumen stattfinden. In jedem Fall vor Ort und in Gruppen.

Unser Terminkalender war zu diesem Zeitpunkt bis zum Ende des Jahres voll. Doch wir durften unsere Dienstleistung nicht mehr umsetzen. Mehrere Veranstaltungen standen unmittelbar bevor. Wir hatten nur eine Möglichkeit: Entweder absagen und Geld zurückzahlen, was Kündigungen zur Folge haben müsste.

Digitalisierung, nicht ganz freiwillig

Oder digitalisieren. Wir entschieden uns für Letzteres. Dazu brauchten wir unser Team im Home Office. Ein Team, das sich bisher vor allem durch Schreibtischzurufe abgestimmt und organisiert hatte. Ein Team, das den direkten Kontakt untereinander sehr schätzte. Ja, für das der zwischenmenschliche Kontakt sogar einer der Hauptmotivatoren war. Keine „Nerds“, die mit Leidenschaft dreißig Tools parallel anwendeten.

Würden sich Mitarbeiterinnen selbst organisieren können und die technologischen Herausforderungen annehmen? Ich glaube zutiefst daran, dass Menschen Kontextwesen sind. Dass sie sich den Bedingungen anpassen, die da sind.

Veränderung braucht Krise

Die meisten Menschen verändern sich, wenn es nicht mehr anders geht. Die Welle muss sich direkt vor dem eigenen Haus aufbäumen, damit etwas geschieht. Andernfalls ist alles eben immer noch anderswo, die Zukunft weit weg. In meinen Kursen sage ich immer, dass wir erst die Gegenwart sehen und verstehen müssen, bevor wir uns mit der Zukunft beschäftigen können.

Psychologen wissen, dass es die unmittelbar empfundenen Krisen sind, die uns befähigen, große Entwicklungsschritte zu machen. Diese finden in der Gegenwart statt. Sie können Einstellungen fundamental ändern, Kehrtwenden ermöglichen. Aus Home-Office-Gegnern Befürworter machen. Oder aus Kolleginnen ohne besondere Neigung für die Technik-Tools und die Moderation von virtuellen Meetings begeisterte Internet-Aktivisten.
Es ist nicht der Wille, nicht die innere Überzeugung oder der Mut eines Einzelnen. Es sind die Alltagsregeln, die sich verändert haben. Deshalb hat der Klimawandel bisher viel weniger Menschen bewegt als ein stacheliges Virus namens Corona oder auch Sars Co-V2… Und mit bewegt meine ich nicht die innere Qualität, die etwas hat. Sondern das, was Handlungen auslöst. Nur darum geht es – was verändert Verhalten wirklich?

Neue Spielregeln der Zusammenarbeit

Das Coronavirus hat die Spielregeln der Zusammenarbeit verändert. „Gamechanging“ war vor der Krise ein beliebter Begriff. Viele Arbeitgeber suchten Gamechanger. Ich musste dann immer lächeln. Wenn Menschen Kontextwesen sind, dann fügen sie sich auch in den Kontext ein. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Person diesen verändert. Und wenn sie es versucht, wird sie schnell gebremst und in den gegebenen Rahmen eingefügt werden.

Gamechanger, die Spielregeln verändern, sind keine einzelnen Menschen. Es sind äußere Entwicklungen. Angstmacher wie das Virus offenbaren, dass jedes Sicherheitsgefühl eine Illusion ist. Deshalb bewegen sie mehr als alles andere.

Ich für mein Teil kann sagen, dass ein Teil der Vorsicht und Ablehnung von „Remote work“ auch auf eigene Bequemlichkeit zurückgehen und die Unlust sich mit neuen komplizierten Dingen zu beschäftigen. Wir waren gezwungen, binnen weniger Tage unsere Ausbildungsmodule und Workshops zu digitalisieren.
Wir mussten die technologische Basis schaffen und uns einarbeiten. Mit den Lockerungen kam das Thema Hybrid-Veranstaltungen auf uns zu. Auch da mussten technische Lösungen her. Es war jeweils keine Option, sich all dem zu verweigern. Sonst hätten wir zumachen müssen.

Home Office als neue Normalität

Home Office wurde binnen von sieben Wochen zu einer neuen Normalität. In einigen Branchen, etwa Banken, arbeiteten während des Lockdowns 90 Prozent aller Mitarbeiter im Home Office. Insgesamt waren im Mai 2020 ein Viertel aller Angestellten zuhause.
Knapp drei von vier Heimarbeitern (71 Prozent) arbeiten im Home-Office mit einem Notebook. Mehr als jeder Dritte (37 Prozent) nutzt einen stationären Desktop-PC mit Monitor. 75 Prozent derjenigen, die im verordneten Home Office waren, würden auch nach der Krise gern weiter von zuhause arbeiten. Diese Daten beruhen auf einer Online-Umfrage von YouGov Deutschland, an denen im April 2020 rund 2.000 Teilnehmer teilnahmen.

Auch als die Einschränkungen gelockert wurden, bleib das Home Office bestehen.
Wir rückten ab von unserem Wunsch nach Anwesenheit. Vielmehr sollte das Team sich nun selbst darauf einigen, wie es eine moderate Anwesenheit gestalten wollte. So wurde das Home Office die neue Normalität und die Anwesenheit eine Ausnahme.

Durch unsere schnelle Digitalisierung kamen bald viele neue Anfragen auf uns zu. Dadurch bekamen wir viele Entwicklungen in anderen Home Offices unmittelbar mit. Wir merkten, wo Hürden liegen und sahen uns in der Annahme bestätigt, dass virtuelle Führung erheblich mehr Kommunikation, deutlich mehr Struktur und Coachingkompetenz fordert.
Es gibt eine Art Best-Practice, eine gute Vorgehensweise, die ich Ihnen nun vorstellen möchte. Einiges davon war auch für uns eine überraschende Erkenntnis.

Was wir beispielsweise unterschätzt hatten war der Punkt, mit dem ich meine 9 Schritte beginnen möchte – die Technologie.

Damit geht es dann morgen weiter.

Das Hörbuch finden Sie zusammenhängend u.a. bei Bookbeat hier oder z.B. bei Spotify.

Über die Autorin

Svenja Hofert ist Managementberaterin sowie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH
Svenja Hofert (Jg. 1965) berät zu Management- und Karrierethemen, außerdem ist sie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH. Sie ist Autorin von mehr als 30 Büchern, unter anderem „Der agile Kulturwandel. 33 Lösungen für Veränderungen in Organisationen“ (2018, mit Claudia Thonet) und „Das agile Mindset. Mitarbeiter entwickeln, Zukunft der Arbeit gestalten“ (2018).

 

Quelle: Blog Teamworks GmbH

31 Juli 2020

Enterpreneure und Transformationen

Posted in Führung, Leadership

"Du musst springen"

Enterpreneure und Transformationen

Aus einer eigenen Analyse von 13 HSG Alumni Entrepreneur Podcasts (Universität St. Gallen) der Jahre 2019 und 2020 vermittelt Prof. Dr. Jürgen Weibler nachfolgend Einsichten, die für Transformationsvorhaben in etablierten Unternehmen wertvoll sind. Anders herum gelesen verdeutlichen sie aber auch, warum Transformationen dort, wo die Vitalität im Denken und Handeln nebst Handwerkszeug nicht ausreicht, gerade scheitern oder noch scheitern werden.

Transformationen sind für viele, auch große Unternehmen essentiell, um weiter erfolgreich mitzuspielen. Nicht wenige scheitern und werden noch scheitern, weil sie ihre Geschäftsmodelle strategisch falsch aufgesetzt haben oder ihre Strukturen und Prozesse handwerklich nicht in den Griff bekommen. Andere – und das interessiert hier im Besonderen – driften in eine Sackgasse, weil sie allein schon kulturell nicht verstehen, dass sie hinreichend viele Führungskräfte und Mitarbeitende mit einem der Transformation kongenial verbundenen Mindset benötigen. Was liegt näher, bei denen genauer hinzuschauen, die diese Passung leben? Leadership Insiders hat dafür 13 HSG Alumni Entrepreneur Podcasts (Universität St. Gallen) der Jahre 2019 und 2020 analysiert und wertvolle Einsichten gewinnen können.

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter Leadership insiders

17 Juli 2020

New Work im Top-Management in 6 Schritten

Posted in Führung, Leadership

New Work im Top-Management in 6 Schritten

Wann erreicht die Diskussion um New Work die Führungsetagen? Gustav Klötzl schildert, welche Schritte das Top-Management gehen muss.

In der regen Diskussion über New Work und zeitgemäße Führung geht oftmals ein Aspekt unter: Die vorherrschenden Strukturen und Menschen in der obersten Führungsetage. Im Top-Management sitzen heute Alphatiere unterschiedlichster Couleur. Und auch wenn es in vielen Geschäftsberichten so aussieht, als leiteten Top-Führungsteams das Unternehmen, ist die Realität oft eine andere:

Managementwechsel zuhauf, von Haifischbecken ist die Rede, Beratereinsätze im Übermaß, um Führungskonflikte aufzulösen. Führungskräfte-Hopping, das Unternehmen in die Krise bringt, ohne dass die Verantwortlichen die Suppe auslöffeln müssen, die sie dem Unternehmen eingebrockt haben. In den meisten Unternehmen ist das eher die Regel als die Ausnahme. Dies hat strukturelle Gründe, aber auch traditionelle. Wann erreicht die Diskussion um New Work endlich die Top-Führungsetagen?

Macht Euch nichts mehr vor!

In vielen Führungsstrukturen auf der Top-Ebene klebt man sich gerne das Team-Etikett ans Revers. Bei genauerem Hinsehen jedoch hält der tatsächliche Inhalt nicht, was die Verpackung verspricht. Silodenken, Erfolgsegoismus, Konkurrenzverhalten, Misstrauen und Glaubwürdigkeitsdefizite herrschen vor. Jeder versucht sich abzusichern, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Führungsdefizite werden ausschließlich hinter vorgehaltener Hand angesprochen.

Wer für sich den Lackmus-Test machen will, sollte sein Team fragen, welches der folgenden Themen auf die versammelte Runde zutrifft. Wo dann die Chance nicht genutzt wird, den Mund aufzumachen, ist höchste Alarmbereitschaft angesagt.

Schritt 1: Zusammenarbeit unter Konkurrenz?

So trivial es klingt: Top-Führungskräfte machen sich selten Gedanken darüber, wie ihre Kollegen ticken. Sie sollen funktionieren! Teams werden so zusammengestellt, dass immer der Beste seines Fachs gesucht und eingesetzt wird. Biss ist wichtig unter Alphatieren, nicht Persönlichkeit! Damit wird die Saat gelegt für ein geheimes Ranking und verdeckte Konkurrenz. Erfolgsegoismus entsteht, wo eine Loyalitätsgemeinschaft gefordert ist. Voraussetzung für gute Zusammenarbeit ist aber ein grundsätzliches Verständnis zur Persönlichkeit und zu den Motiven der anderen. Zu wissen, was den anderen wirklich antreibt, ist besonders in diversen und kritischen Situationen wichtig.

Die vier Kerntypen der Führung legen die Spuren dafür. Sie finden sich gerade unter Alphatieren wieder: Der Krieger, der Bauer, der Magier und der Fürst. Der Krieger braucht die Aktion und den Wettbewerb, der Bauer die Sicherheit und Struktur, der Magier sucht die kreative Lösung und der Fürst setzt auf Beziehungen. Jeder Typus hat eigene Formen der Kommunikation und Handlungsorientierung. Diese Unterschiede zu kennen und zu berücksichtigen, stärkt die Zusammenarbeit und verhindert Kollisionen.

Schritt 2: Inspire me!

Zahlen und Fakten sind in der Unternehmensführung wichtig, keine Frage. Doch werden Unternehmen wesentlich durch Menschen angetrieben. Für diese sind Sinnhaftigkeit und „Purpose“ zwei wichtige Treiber – auch auf der Führungsebene. Gerade im Zusammenhang mit New Work muss das Top-Management Zusammenhalt zeigen und schaffen. Wofür braucht es uns? Warum machen wir das eigentlich? Was gefällt mir jeden Tag, wenn ich hier reinkomme? Dieser Schlüssel schafft die Voraussetzung für eine Vision, die von allen vertreten und getragen wird. Das stärkt das erforderliche Zusammengehörigkeitsgefühl in der Führungsmannschaft und färbt auf die Mitarbeiter ab.

Schritt 3: Rollenzufall oder Rollenklarheit?

In vielen Führungsteams sind die jeweiligen Rollen oft aus Traditionen und früheren Erfolgen gewachsen. Diese werden lange beibehalten, auch wenn die Unternehmenssituation längst eine andere ist. Neue Player im Markt oder auch im Team machen zwar auch neue Fragen zu Struktur und Rollenverteilung erforderlich. Darüber zu sprechen ist jedoch ein Tabu. Wer traut sich das schon, wenn er Alphatiere als Gegner hat?

Selbst wenn klar ist, was auf den Fluren eh jedem klar ist, braucht es viel Mut, diese Themen im Führungsteam anzupacken. Gerade New Work bedingt aber, dass Rollen und Aufgaben je nach Aufgabenstellung und vorhandener Kompetenz gemeinsam vereinbart und nach Bedarf gewechselt werden. Das Führungszepter bekommt die Person in die Hand, die für die jeweilige Situation die beste Eignung mitbringt. Eine Regel, die unter Alphatieren Angst auslöst.

Schritt 4: Mehr Emotionen, bitte!

Gute Beziehungen machen gute Geschäfte. Eine längst unumstößliche Vertriebsweisheit und Lebenserfahrung, die scheinbar unter Top-Managern und Alphatieren nicht gilt. Emotionen haben dort keinen Raum und keinen Platz. Sachlichkeit, Logik und Rationalität sind oberstes Primat. Ob die getroffenen Entscheidungen mit Leidenschaft, Esprit und Überzeugung umgesetzt werden, ist irrelevant. Doch diese Haltung widerspricht menschlichen Erfahrungen. Denn überall, wo Menschen aktiv sind, sind Emotionen im Spiel und beeinflussen das Handeln. Die Akzeptanz von Entscheidungen und der Einsatz für die Umsetzung wird davon wesentlich beeinflusst. Auch im Top-Management.

Dort wo Führungsteams emotionale Befindlichkeiten berücksichtigen und wertschätzen, entwickeln sie eine eigene Dynamik. Eine Anerkennungskultur entsteht, die versteckte Frustrationen verhindert, Grabenkämpfe erübrigt und auch schwierige Situationen gemeinsam durchstehen lässt. Top-Führungskräfte wechseln nicht die Pferde, wenn die Kutsche von allen gemeinsam gezogen wird.

Schritt 5: Feedback for Future?

Konstruktives Feedback, das Top-Chefs ihren Mitarbeitern verordnen, praktizieren sie selbst eher selten. Dabei ist das die höchste Form individueller Loyalität. Wenigen Alphatieren ist dies bewusst. Angriffs-Modus ist ihnen eigen! Gutes Feedback zeigt jedoch stets ein hohes Maß an Interesse für den anderen. Doch Kritik zulassen, annehmen und ernst nehmen, sind Alphatiere nicht gewohnt. Aus der sonst gewohnten Position der Macht ist es für sie einfach, selbst Feedback zu geben. Auf Augenhöhe aber ist es eine Herausforderung in jedem Leitungsteam. Diese Barriere trägt wesentlich dazu bei, dass wichtige und notwendige Entwicklungsschritte ausbleiben. Im Team und für den Einzelnen.

Schritt 6: Plurale Transparenz beherrschen

„Divide et impera“ – teile und herrsche. Das gilt gerade in Führungsteams. Bilaterale Kommunikation herrscht vor. Jeder mit jedem, aber immer nur im Duo und immer darauf achtend, was man mit wem bespricht. Das ist die vorherrschende Konstellation der Macht. Selbst ausgezeichnete Manager haben häufig Angst davor, heiße Themen im Team anzusprechen. Die Zahl der Gegner ist zu groß und der Umgang mit Gruppen ist keine Kompetenz, die Management-Schulen lehren.

Wirksame und erfolgreiche Management-Teams praktizieren aber genau das. Sie kommunizieren klar und transparent: Probleme, irritierende Unternehmensbelange und individuelle Störungen können in versammelter Führungsrunde angesprochen und auf emotionaler wie sachlicher Ebene diskutiert werden. Keine geheimen Absprachen, irritierendes Hörensagen, sondern gute Transparenz für alle.

Fazit: Einsicht, Schulterschluss, Fortschritt

Diese sechs Schritte zu gehen, ist für Führungsteams eines Unternehmens eine große Herausforderung. Ob Alphatiere diese Kompetenz auch für sich wollen und beherrschen, müssen sie sich selbst beantworten. Aber New Work ist auch entstanden, weil der Einzelne die Komplexität und Diversität unternehmerischen Handelns nicht mehr alleine abdecken kann. Ob damit auch die Zeit der allein herrschenden Alphatiere abgelaufen ist, wird sich zeigen.

Über den Autor

Gustav Klötzl ist Gründer und Geschäftsführer der 3P-Beratungsgruppe in Nürnberg. Seit 30 Jahren unterstützt er Entscheider und Top-Führungskräfte bei Veränderungs- und Entwicklungsfragen – und hilft erfahrenen Managern, ihr Profil zu schärfen und oberen Führungsteams dabei, den weiteren Sprung zu einer erfolgreichen Loyalitätsgemeinschaft zu machen.

Quelle: Human Ressource Manager

29 Mai 2020

Facilitative Leadership

Posted in Führung, Leadership

Führung neu definiert

Facilitative Leadership

Dass Organisationen agiler werden müssen, wollen sie morgen noch am Markt bestehen, dürfte kaum mehr jemand ernsthaft bezweifeln. Dass Führung dabei eine zentrale Rolle spielt, auch nicht.

Ein Aspekt, der in diesem Kontext unmittelbar in den Blick gerät, ist die
Beschleunigung von Entscheidungen. Führungskräfte müssen schneller entscheiden oder besser: gar nicht mehr entscheiden müssen. Wenn Mitarbeiter und Teams selbst entscheiden, verkürzen sich Entscheidungsprozesse und Entscheidungszeiten, die Organisation wird wendiger, agiler.

Wenn aber Mitarbeiter selbst (mehr) entscheiden sollen, muss der organisationale Rahmen entsprechend angepasst werden. Die Range dafür ist extrem groß und reicht von Scrum bis Holokratie. In aller Regel wird das passende Konzept „nach Maß gefertigt“. Wie auch immer der Rahmen für die angestrebte Selbstorganisation im Einzelfall letztlich konkret aussieht, es gilt immer:

"Selbstorganisation will gut organisiert sein!"

Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte müssen die neue Art der
Zusammenarbeit lernen. Dabei ist Agilität nur ein Aspekt, der Führung verändert.

Führung neu definiert

Führung muss immer mehr zu Training, Coaching, Moderation oder kurz „Facilitative Leadership“ werden, zu Führung also, die auf trainieren und unterstützen fokussiert. Den Kern könnte man in Umkehrung von Wladimir Iljitsch Lenin’s Überzeugung „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“ betiteln, mit: Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser!

Die Denkrichtung kehrt sich um: Nicht der Mitarbeitende arbeitet der Führungskraft zu, der die Aufgaben erledigt und dafür Unterstützung durch seine Mitarbeitenden erhält, sondern die Führungskraft wird zum Facilitator, zum Ermöglicher, zum Förderer und arbeitet dem Mitarbeiter zu, damit dieser optimale Bedingungen hat, um die Aufgaben zu erledigen. Im Zeitalter der Wissensarbeit (Peter F. Drucker) kann die Führungskraft fachlich nicht mehr besser sein, als die ihr zugeordneten Kolleg*innen. Die Leitung steht nicht (mehr) auf der Bühne im Rampenlicht, sondern ist Backstage unterstützend tätig.

"Der beste Führer ist der, dessen Existenz gar nicht bemerkt wird, der zweitbeste der, welcher geehrt und gepriesen wird, der nächstbeste der, den man fürchtet und der schlechteste der, den man hasst. Wenn die Arbeit des besten Führers getan ist, sagen die Leute: »Das haben wir selbst getan« Laotse, 6. Jh. v. Chr."

Dieses post-tayloristische Führungsverständnis, ist Teil eines – durch eine Vielzahl von Herausforderungen (Umweltproblematik, Globalisierung, Fachkräftemangel, Digitalisierung …) getriebenen – umfassenden Kulturwandels, der ein Miteinander auf Augenhöhe fordert.

 

Facilitating Leadership

Kulturwandel bedeutet auch und vor allem Umgestaltung des Miteinanders nach innen und nach außen. Die Kommunikation mit den Kunden muss intensiver werden, weg von der Präsentation hin zum Dialog. Die Kommunikation mit den Mitarbeitenden muss einem neuen Mindset gerecht werden, das auf ein Mehr an Mitbestimmung und individueller Freiheit abzielt. Führungspersonen sind nicht mehr länger die, die alles besser wissen (können). Sie müssen zu Dienern, Unterstützern, Förderern, Moderatoren und Facilitators werden.

Die Anforderungen an die Führung von morgen könnte man in folgenden fünf Dimensionen zusammenfassen:

  • Mindset
    Führung beginnt im Kopf. Nur wer im Stande ist, seinen Teammitgliedern auf Augenhöhe zu begegnen, kann künftig Führungskraft sein. Bleibt die Frage, ob der Begriff Führungskraft noch zeitgemäß ist oder ein Begriff, wie Coach, Moderator oder Facilitator mehr Potential hat, ein Mindset zu erzeugen, das der Aufgabe der „neuen Führungskraft“ gerecht wird.

  • Delegation
    Wenn Organisationen agiler werden sollen, heißt das Zauberwort Delegation oder Selbstorganisation. Das bedeutet, dass Teams innerhalb der ihnen zugedachten Aufgaben, sich eigenverantwortlich um die konkrete Arbeitseinsatzplanung, die Vertretungs- und Urlaubsregelung, die Einarbeitungs- und Weiterbildungsplanung, die Verwendung der zur Verfügung gestellten Budgets etc. kümmern. Auch die Informationswege zu internen und externen Kunden sind zu überdenken …

  • Monitoring
    Eine Aufgabe, die als Führungsaufgabe – oder Lotsendienst – bleibt, ist die des Monitorings. Führung bedeutet, das „Große Ganze“ im Blick zu behalten, strategische Entscheidungen frühzeitig zu kommunizieren und zu navigieren, ohne das konkrete Doing zu übernehmen. Da kann es möglicherweise auch mal ein „Wenn möglich bitte wenden!“ geben, aber das direkte Steuern bleibt beim, sich selbst steuernden, Team.

  • Orientierung
    Unternehmen brauchen eine glaubwürdige und transparente Vision als Bezugspunkt für ihr Handeln. Eine gut formulierte Vision gibt den Mitarbeitern Orientierung und erzeugt einen Sog in die intendierte Richtung. Voraussetzung ist, dass diese Vision von allen geteilt wird. Führungsarbeit bedeutet künftig mehr denn je, Sinnstiftung. Der Purpose der Organisation muss glaubwürdig sein, kommuniziert und diskutiert werden. Die Meinung aller muss gehört und berücksichtigt werden. Mitarbeiter*innen mit Leitungsfunktion müssen diese Mittler- und Moderationsfunktion pro-aktiv wahrnehmen.

  • New Work
    Interpretiert man New Work im Sinne des Philosophen Frithjof Bergmann, so könnte man sagen, dass New Work auf den selbstbestimmten, glücklichen Menschen abzielt. Sieht sich eine Organisation diesem „Ansatz“ verpflichtet, könnten Führungskräfte, Berater und Coaches sein, die ihren Mitarbeitenden helfen ihrem Ikigai (frei übersetzt: „das, wofür es sich zu leben lohnt“) so nahe als möglich zu kommen. Eine Aufgabe von Führung wäre es dann, sich intensiv mit „Personalentwicklung“ oder besser Persönlichkeitsentwicklung, zu befassen.


Diese Art der Mitarbeiterführung oder besser Mitarbeiter-Unterstützung, die mehr mit Supporting als mit Führung im herkömmlichen Sinne zu tun hat, könnte man als moderativen Führungsstil oder Facilitative Leadership bezeichnen.

Über den Autor

Josef W. Seifert, Gründer von MODERATIO, lebt in der Hallertau, bei Ingolstadt/Donau. Technische Aus- und Weiterbildung (Mechanikerlehre, Meister, Techniker). Studium der Betriebspädagogik (Andragogik, Soziologie, Psychologie) an der Universität Koblenz-Landau. Kontakstudium Management an der Universität Augsburg. Zusatzausbildungen zu Unternehmensberatung, systemischer Organisationsberatung, Coaching und Konfliktklärung, Seminare und Ausbildungen u.a. bei Friedrich Glasl, Nossrat Peseschkian, Marshall Rosenberg, Friedemann Schulz von Thun und Paul Watzlawick. Mitarbeiter und Führungskraft im Entwicklungsbereich der BMW AG, München. Aufbau und Leitung des "BMW Führungskräftetraining Werk München". Gründer und Geschäftsführer von MODERATIO®. Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für systemische Organisationsberatung (GSOB). Gründungsmitglied der German Speakers Association (GSA).

Quelle: Zukunft der Arbeit

30 April 2020

Autonomie in der Führung – Gründe und Grenzen der Beschränkung von Macht

Posted in Führung, Leadership

Autonomie in der Führung – Gründe und Grenzen der Beschränkung von Macht

Autonomie wird im Führungskontext häufig bedacht, oftmals gefordert, manchmal jedoch auch ängstlich beäugt. Wir zeigen, wie Führungskräfte eine zeitgemäße Position zu dem schillernden Autonomiebegriff finden können, weisen aber auch kritisch aus, warum „Autonomie“ zurzeit in aller Munde ist.

Autonomie ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Die Ausübung von Macht bzw. Einfluss über andere Menschen allerdings auch. Offensichtlich gibt es hier eine Konfliktlinie, die in der Führungspraxis von Organisationen unterschiedlich gelöst wird, bislang in der Regel zugunsten der Priorisierung von Macht (Befehl, Anweisung, strikte Verhaltensvorgaben). Seit einiger Zeit werden gleichwohl die Rufe nach mehr Autonomie lauter, beispielsweise in der New Work-Bewegung oder in der Agilitätsdebatte. Was kann aber überhaupt Autonomie sinnvoll meinen? Und warum werden die Rufe danach selbst im Management lauter? Leadership Insiders sorgt für kommunikative Klarheit, legt ein Spannungsfeld offen und formuliert Handlungsempfehlungen für Führungskräfte wie Mitarbeitende.

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter leadership-insiders.de

17 April 2020

Der Imperativ zur agilen Organisation

Posted in Coaching

Warum reflektierende Gelassenheit gefragt ist

Der Imperativ zur agilen Organisation

Agilität ist in aller Munde, in der Regel verstanden als eine Aufforderung, sich entsprechend zu bewegen. Leadership Insiders setzt sich kritisch mit dem wenig reflektierten Agilitätskonzept auseinander. Dabei wird gezeigt, dass die Verheißungen der Agilität trügen und dass immer ein Spannungsverhältnis zwischen Agilität und Stabilität zu wahren ist. Von zentraler Bedeutung hierbei ist die Frage nach dem „Markenkern“ von Organisationen – ihrer Identität.

Agilität wird als die „Mega-Waffe“ bei Bewältigung der Herausforderungen von Change und Digitaler Transformation gehandelt. Die erfolgskritische, ja überlebenswichtige Notwendigkeit zur Agilität wird häufig durch die plakative Charakterisierung der Welt als „VUCA“ (volatil, unsicher, komplex, ambig) postuliert, ohne hierzu robuste empirische Evidenz vorweisen zu können. Dabei sind agile Praktiken keineswegs schlecht gedacht, im Gegenteil. Aber sie „funktionieren“ nicht für sich allein. Leadership Insiders beleuchtet, inwiefern einseitigen Rufen nach Agilität mit mehr reflektierender Gelassenheit zu begegnen ist, um nicht wesentliche Change-Mechanismen sowie die hierbei wichtigen „Akteure“ aus den Augen zu verlieren.

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter Leadership insiders

14 Februar 2020

Die beste Zeit für wichtige Meetings

Posted in Coaching

Die 10 bis 12 Uhr-Regel

Die beste Zeit für wichtige Meetings

Es ist immer spannend zu sehen, was in besonders erfolgreichen Unternehmen vorgeht, welche Abläufe dort gelten und worauf großer Wert gelegt wird. Daraus kann im besten Fall für die eigene Arbeit gelernt werden. Jeff Bezos, der CEO von Amazon, hat nun seine 10 bis 12 Regel erklärt und begründet. Hinter dieser einfachen Regel verbirgt sich der für Bezos beste Termin für Meetings. Die 10 bis 12 Regel ist dabei alles andere als willkürlich gewählt, sondern basiert auf einer guten Tagesplanung und wichtiger Selbsteinschätzung. Wir zeigen, warum die 10 bis 12 Regel für Meetings so gut funktioniert und wie Sie die Regel für sich nutzen können.

10 bis 12 Uhr-Regel: Darum ist der Zeitpunkt so wichtig

Wird eine Besprechung angesetzt, wird der Termin meist nur nach einem Grundsatz festgelegt: Wann können alle Teilnehmer? Das ist natürlich wichtig, um sicherzustellen, dass das gesamte Team oder zumindest diejenigen, für die das Treffen wichtig ist, anwesend sein können.

Eine Frage, die viel zu selten im Vorfeld gestellt wird, lautet hingegen: Ist die Uhrzeit wirklich sinnvoll? Denn es kann einen großen Unterschied machen, ob das Meeting nach der 10 bis 12 Regel am Vormittag oder um 16:30 Uhr am späten nachmittag stattfindet.

Zwischen 10 und 12 Uhr sind die Kraftreserven noch deutlich größer, die Konzentration ist auf einem Höhepunkt und es fällt deutlich leichter, sich mit komplexen Themen zu beschäftigen. Am späten Nachmittag sind die mentalen Reserven bereits aufgebraucht, der Feierabend ist bereits im Hinterkopf und Konzentration ist nahezu unmöglich.

Jeff Bezos selbst sagt dazu, dass er alle Meetings, die wichtig sind und ihn geistig fordern, nach der 10 bis 12 Regel ansetze. So treffe er bessere Entscheidungen, was in seiner Funktion als CEO von enormer Bedeutung ist.

Doch auch andere Positionen profitieren von der 10 bis 12 Regel. Ob nun Geschäftsführer oder Angestellter – wer sich voll und ganz konzentriert, analytisch denkt und engagiert sowie motiviert am Meeting teilnimmt, bringt dieses voran und erzielt am Ende bessere Ergebnisse.

Weitere Vorteile der 10 bis 12 Uhr-Regel sind:

  • Andere Termine können entsprechend gelegt werden
    Durch die 10 bis 12 Regel entsteht schnell eine entsprechende Routine, so dass es seltener zu Terminkonflikten kommt. Jeder weiß Bescheid, dass diese Uhrzeiten – falls möglich – freizuhalten sind und können die eigene Tages- und Wochenplanung daran ausrichten.
  • Teilnehmer sind besser vorbereitet
    Werden wichtige Meetings nach der 10 bis 12 Regel festgelegt, können sich alle Beteiligten besser darauf vorbereiten. Nicht nur der Termin ist im Vorfeld klar, sondern auch, dass es um entscheidende Themen geht, die Vorbereitung erfordern.

Tipps: So nutzen Sie die 10 bis 12 Uhr-Regel für sich

Die einfachste Möglichkeit, um von der 10 bis 12 Regel zu profitieren, ist natürlich die schlichte Übernahme des Konzepts. In Zukunft planen Sie, wichtige Meetings zwischen 10 und 12 Uhr zu legen, um die Qualität der Besprechungen und der darin erzielten Ergebnisse zu verbessern.

Allerdings können Sie noch mehr tun, um von der 10 bis 12 Regel zu profitieren. Es gibt einige Punkte, die Sie beachten sollten und vor allem, sollten Sie die Idee auf Ihre eigenen Bedürfnisse und Anforderungen anpassen. Mit den folgenden Tipps holen Sie das Maximum aus der 10 bis 12 Regel heraus:

Finden Sie Ihren persönlich besten Zeitpunkt

10 bis 12 Uhr ist für Jeff Bezos die optimale Uhrzeit und funktioniert für viele Arbeitnehmer als Zeitpunkt hoher Konzentration und Leistungsfähigkeit. Für Sie muss dies aber nicht zwangsläufig gelten. Möglicherweise sind Sie eine Stunde vorher oder später viel konzentrierter und treffen bessere Entscheidungen.

Manche sind in den frühen Morgenstunden besonders erfolgreich, andere laufen erst nachmittags zur Hochform auf. Hinterfragen Sie sich selbst, beobachten Sie Ihre Gewohnheiten und Ihre Leistungskurve. So kann aus der 10 bis 12 Regel für Sie vielleicht eine 8:30 bis 10:30 Uhr Regel werden.

Setzen Sie Prioritäten

Damit die 10 bis 12 Regel funktioniert, benötigt es Disziplin und Prioritäten. Im Arbeitsalltag können zu jedem Zeitpunkt wichtige Themen aufkommen.

Hier ist es besser, sich auf die 10 bis 12 Regel zu besinnen und eine endgültige Entscheidung auf den nächsten Tag zu verlegen. Statt um 18 Uhr eine schlechte Entscheidung kurz vor Feierabend zu treffen, sollten Sie sich am folgenden Vormittag noch einmal damit auseinandersetzen. Kaum etwas lässt sich nicht um einen halben Tag verschieben.

Passen Sie Ihren Tagesablauf an

Wird ein Meeting von 10 bis 12 Uhr angesetzt, sollten Sie Ihren Tag entsprechend planen. Wie viel Zeit bleibt Ihnen vorher? Was sollten Sie in dieser Phase bereits erledigen und wie bereiten Sie sich auf die wichtige Besprechung vor?

Auch im Anschluss sollten Sie den Tagesablauf anpassen. Welche Auswirkungen kann das Meeting haben? Ergeben sich daraus möglicherweise ToDos, um die Sie sich kümmern müssen? Es kann sinnvoll sein, entsprechende Freiräume zu lassen, um nach einem wichtigen Meeting direkt mit der Umsetzung beginnen zu können.

Kommunizieren Sie im Team

Als CEO von Amazon kann Jeff Bezos erwarten, dass sich alle nach seiner 10 bis 12 Regel richten. In anderen Fällen kann es sinnvoll sein, offen mit dem Team zu kommunizieren. Geht es um eine wichtige Entscheidung als Führungskraft, ist es sinnvoll, das Meeting entsprechend anzupassen.

Handelt es sich hingegen um ein regelmäßiges Meeting, bei dem Fortschritte besprochen und Ideen gesammelt werden, sollten möglichst alle Teilnehmer konzentriert sein und sich in einer kreativen Phase befinden.

Über den Autor

Nils Warkentin studierte Business Administration an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und sammelte Erfahrungen im Projektmanagement. Auf der Karrierebibel widmet er sich Themen rund um Studium, Berufseinstieg und Büroalltag.

Quelle: Karrierebibel

<<  1 [23 4  >>