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03 September 2021

Change Management: Absichtsvolles Vergessen in Organisationen

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Ein Gastbeitrag geschrieben von Annette Kluge am 23. Juli 2021 in Führungsforschung

Change Management: Absichtsvolles Vergessen in Organisationen

Organisationen brauchen Stabilität genau wie Wandel. Organisationen müssen sich an veränderte Marktumfelder anpassen. Sie betreffen beispielsweise Kundenwünsche („Nachhaltigkeit“), Erwartungen der Beschäftigten (Work-Life Balance), gesetzliche Vorgaben (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz), Bedrohungen der Organisation von außen (Cyber-Attacken) oder neue Technologien (z.B. KI und smarte Product Service Systems). Nach March (1991) versuchen Organisationen deshalb, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, indem sie neue Wege erkunden (exploration), während sie gleichzeitig erfolgreiche Anpassungen bewahren und ausschlachten (exploitation).

Auch wird diese Notwendigkeit in Modellen zur Organisationskultur aufgegriffen (z.B. das Competing Values Model, siehe Quinn & Rohrbaugh, 1983; Hartnell et al., 2011). Sie thematisieren diese im Inneren der Organisation wirkenden Kräfte von Innovation und Stabilität, von Verändern und Bewahren, wobei Letzteres oft durch den Slogan „don‘t change a winning team“ ausgedrückt wird, der Erfolg durch Wiederholung erhalten möchte.

 

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter leadership-insiders

 

23 Juli 2021

Erfolgsfaktoren für agile Führung

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Agilität

Erfolgsfaktoren für agile Führung

Erfolgreiche Agilität zeigt sich an realisierten Veränderungsvorhaben. Wenn es um Veränderungen beim Verhalten der Mitarbeiter geht, wird es aber langwierig. Wie gelingt es Führungskräften, das Unternehmen schneller agil zu machen?

Wenn Agilität dazu führen soll, dass sich das Verhalten aller Beteiligten immer wieder anpasst und verändert, dann geht das nicht von heute auf morgen. In der Regel müssen sich zuerst Rahmenbedingungen im Unternehmen verändern. Strukturen und Prozesse, die Art und Weise, wie mit Kundenorientierung, Führung oder Personalentwicklung umgegangen wird, und die Unternehmenskultur beeinflussen das Verhalten der Mitarbeiter maßgeblich. Das zu verändern, kostet Zeit. Unternehmen können es sich aber nicht leisten, mehrere Jahre in diese Veränderungen zu investieren, um dann festzustellen, dass „der Berg kreißte und ein Mäuschen gebar“ (Horaz). Um Agilität als Herausforderung in ein Bild zu bringen: Wie kann man erreichen, einen Elefanten zum Tanzen zu bringen?

Komplexe Veränderungen benötigen Zeit

Schon lange ist bekannt, dass der Zeitbedarf für Veränderungen davon abhängt, was sich verändern soll. Die Erfahrung zeigt: Viele neue, technische Fähigkeiten sind kurzfristig zu erlernen und anwendbar. Wesentliche Veränderungen bei der Organisationsstruktur, bei Prozessen, im Bereich Marketing, Führung oder Personalentwicklung laufen erst nach drei Jahren rund. Eine Veränderung der Werte und der Unternehmenskultur benötigen mehr als fünf Jahre.

Werden diese Fähigkeiten aber schneller und erfolgreicher eingesetzt, dann ist dies ein erheblicher Wettbewerbsvorteil. Erfolgreich werden Veränderungen auf diesen Feldern aber nur, wenn sich das Verhalten der Beteiligten auch wirklich verändert. Dem stehen Beharrungskräfte gegenüber, die folgende Ursachen haben können:

  • In Unternehmen haben sich Verhaltensweisen über Jahre entwickelt und eingeschliffen. Gerade, wenn das Unternehmen erfolgreich ist, funktioniert die Zusammenarbeit im Unternehmen meistens gut.
  • Standardisierte, bewährte Prozesse, also erprobtes Arbeiten und Zusammenarbeiten geben Sicherheit. Dann gilt: Nur nicht an einem funktionierenden System etwas verändern!
  • Veränderungen betreffen nicht nur einzelne Abteilungen, sondern das gesamte Unternehmen. Prozesse sind bereichsübergreifend, Prozessveränderungen werden schnell sehr komplex.

Um diese Beharrungskräfte schneller zu überwinden und Veränderungen umzusetzen, helfen die folgenden Erfolgsfaktoren.

Grundlegende Veränderungen benötigen die Unternehmensleitung

Ohne die Unternehmensleitung ist es nicht möglich, ein ganzes Unternehmen agiler zu machen. Letztendlich ist die Unternehmensleitung genau dafür verantwortlich. Sie ist der Auftraggeber. Die Leitung muss von Veränderungen überzeugt sein. In mittelständischen und besonders in eigentümergeführten Unternehmen wird die Leitung immer die Unternehmensergebnisse im Blick haben. Sie wird die Notwendigkeit von Veränderungen überprüfen und Chancen und Risiken abwägen. Auf „Hockey-Schläger-Versprechungen“ wird sie sich kaum einlassen, also auf Versprechungen, dass alles erst nur kostet und sich lange nichts tut, aber dann „garantiert“ rasante Entwicklungen einsetzen.

Gleichzeitig haben wesentliche Veränderungen gerade in der Organisationsstruktur, bei Prozessen und bei Führungsverantwortung nicht nur Gewinner und Unterstützer, sondern auch Verlierer und Widerstandskämpfer. Ohne verbindliche Veränderungsziele, deren Realisierung auch verfolgt wird, reiben sich Veränderungsvorhaben zwischen den Interessengruppen im Unternehmen auf.

Bei Veränderungen müssen Betroffene zu Beteiligten werden

Heute sind viele Mitarbeiter Experten an ihren Arbeitsplätzen. Einfache, programmierbare Aufgaben, die kein spezielles Expertenwissen brauchen, werden von Computern oder Robotern übernommen. Führungskräfte sind mehr denn je von diesen Experten abhängig. Natürlich wissen Führungskräfte, wie beispielsweise SAP funktioniert. Aber ob sie Anfragen oder Angebote im SAP-System schneller, fehlerfrei und besser als ihre Mitarbeiter bearbeiten könnten, ist fraglich.

Wenn gerade die sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter an Veränderungen nicht beteiligt werden, führt das immer zu Veränderungswiderständen. Nicht beachtet zu werden, das geht ans Selbstwertgefühl. Außerdem kommen viele Impulse für Veränderungen genau von diesen Experten.

Agilität und Veränderung brauchen eine weiterentwickelte Führungsmethodik

Veränderungen ohne klare Ziele sind wie eine Wanderung, bei der man einfach losgeht und gespannt ist, wo man ankommt. Führung benötigt Ziele. Wie im Unternehmen mit Zielen geführt wird, das ist der Schlüssel für Veränderungsprozesse. Mit klassischen Management by Objectives-Konzepten funktioniert das aber nicht. Deshalb müssen folgende Vorstellungen zuerst über Bord geworfen werden:

  • die Zielvereinbarungsgespräche, denn darin werden keine Ziele gefunden und keine Unternehmensziele hinterfragt;
  • die Anbindung variabler Gehaltsbestandteile an die Zielerreichung, denn das führt zu marginalen Zielen, die mit großer Sicherheit erreicht werden, oder zu Konflikten über die Erreichbarkeit der Ziele;
  • die falsche Einschätzung von der Funktion der SMART-Formulierung von Zielen, die hauptsächlich zur Kontrolle der Zielerreichung genutzt wird, nicht zur Zielfindung;
  • die Überzeugung, dass Führungskräfte Ziele vorgeben und Mitarbeiter dann nur noch Aufgaben erfüllen müssen;
  • der Glaube, dass schon allein die Zielvereinbarung zur Zielerreichung führen wird.

Diese klassische Managementtechnik muss sich zur zielorientierten Führung weiterentwickeln. Für Unternehmen, die sich schon immer in dynamischen, komplexen Umwelten bewähren mussten, ist diese Methodik nicht neu. Die US-amerikanische Variante der zielorientierten Führung, Objectives and Key Results (OKR), setzt Google seit 1999 ein. In Deutschland wurde diese Methodik in einem Hightech-Unternehmen zuerst 1994 getestet und für erfolgreich befunden. Sie hat sich seitdem kontinuierlich unter Berücksichtigung der Führungskulturen weiterentwickelt.

Ziele gemeinsam in Zielklausuren vereinbaren

Im Mittelpunkt der zielorientierten Führung im Unternehmen stehen Zielklausuren, die eine Kaskadenform haben. Sie beginnen bei der Unternehmensleitung, die Ziele mit der nächsten Führungsebene entwickelt, und setzt sich bis auf die Ebene der einzelnen Teams fort. In jeder Zielklausur

  • wird die Zielerreichung der abgelaufenen Periode vorgestellt und es wird ermittelt, was man daraus lernen kann;
  • werden die Unternehmensziele einschließlich der Veränderungsziele der Leitung vorgestellt und um weitere Zielvorschläge ergänzt;
  • werden die Big Points für das kommende Jahr identifiziert, Verantwortlichen zugeordnet, SMART-formuliert und das dazu notwendige Projektmanagement eingeleitet.

So werden Unternehmensziele aus dem Geschäftsplan konkretisiert, ergänzt, gemeinsam auf Verantwortliche aufgeteilt und bis auf die Teamebene heruntergebrochen. Die Umsetzung auf der Basis von SMART-Zielen und Projektmanagement wird verbindlich geplant.

Insbesondere bei Veränderungszielen, die eine Veränderung von Konzepten und Verhalten in vielen Bereichen des Unternehmens erfordern, sind Zielklausuren von großer Bedeutung. Betroffene werden beteiligt. Veränderungen werden eher akzeptiert, weil sie begründet werden. Jeder ist über wesentliche Veränderungen in anderen Bereichen informiert und verharrt nicht im Silo-Denken. Einem Ziel, das vielleicht erst in drei Jahren komplett erreicht werden kann, nähert man sich über Zwischenziele, Schritt für Schritt. Der Fortschritt wird genauso wie die Fehlschläge oder die Widerstände erkennbar. Daraus kann gelernt werden.

Der Umgang mit Komplexität und Delegation

Zwei weitere Faktoren spielen im Hintergrund eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, dass zielorientierte Führung erfolgreich ist.

Umgang mit Komplexität

Unzweifelhaft ist, dass Komplexität und Dynamik heute die Herausforderungen für Führung sind. Beide kann sie nicht reduzieren. Wenn viele Faktoren ein Ergebnis beeinflussen, so besteht der beste Weg darin, das „Mehr-Augen-Prinzip“ anzuwenden, um möglichst viele Aspekte bei der Zielfindung zu berücksichtigen. Das kostet zunächst Zeit, spart aber noch mehr Zeit, wenn daraufhin an den richtigen Zielen gearbeitet wird.

Delegation

Ohne Delegation keine Umsetzung. Es muss Ergebnisverantwortung delegiert werden, auf der Unternehmensebene, im Team oder auf der Mitarbeiterebene. In Ergebnissen zu denken ist die Grundlage zielorientierter Führung. Messgrößen, heute auch Key Performance Indicators (KPI) genannt, präzisieren das gewollte Ergebnis. Erst aus den Ergebnissen werden dann erfolgversprechende Aufgaben abgeleitet. Wer Aufgaben delegiert – und das ist gerade in Deutschland immer noch ein verbreitetes Führungsprinzip –, der bekommt selten die Ergebnisse, die er sich vorstellt.

Deshalb müssen Führungskräfte und Mitarbeiter in die Prozesse der Zielfindung einbezogen werden. Sie müssen ihr Know-how und ihre Vorschläge einbringen können, die Ziele akzeptieren und den Weg zur Zielerreichung mit ihrem Know-how gestalten und mit ihrem Engagement gehen.

Über den Autor

Diplom-Kaufmann, Dr. rer.pol. Wolfgang Schröder ist Leadership- und Managementexperte, Autor zahlreicher Bücher und Fachartikel, Unternehmensberater sowie Trainer und Managementcoach in Personal- und Führungsfragen.

Quelle: business-wissen.de

08 Januar 2021

Führung in dynamischen Zeiten muss Menschen bewegen

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Führung in dynamischen Zeiten muss Menschen bewegen

Digitalisierungsdruck, Vernetzung, zunehmend dynamische Märkte und internationaler Wettbewerb sorgen für ständige Bewegung im industriellen Mittelstand. In den letzten zehn Jahren hat eine förmliche Informationsexplosion stattgefunden, die Unternehmer oftmals an ihre Grenzen bringt. Und als sei das nicht genug, gibt die Corona-Krise noch ihren Teil hinzu, wirkt wie ein Katalysator für Veränderungen und zwingt viele Organisationen zum Handeln.

Dieser Komplexität zu begegnen und in der sich immer schnelleren Wirtschaftswelt zu behaupten, ist eine große Herausforderung für Verantwortliche. Wer sie meistern will, muss in der Lage sein, seine Belegschaft zu bewegen, ihren unternehmerischen Ehrgeiz zu wecken – und sie bei der Zukunftsgestaltung mit einbeziehen.

Wandel wird von Menschen getragen

"Nur wenn die Belegschaft mitzieht, können sich Unternehmen weiterentwickeln."

Menschen suchen Ankerpunkte, Sicherheiten – und benötigen Leitplanken und soziale Spielregeln, an denen sie sich orientieren können. Wer also aufgrund der sich verändernden äußeren Rahmenbedingungen das Geschäftsmodell, die Organisation oder einzelne Prozesse umstellen muss, kommt nicht darum herum, die inneren Rahmenbedingungen anzupassen. Kurz: Ein Kulturwandel ist nötig. Damit dieser gelingt, sollten Verantwortliche das Veränderungsvorhaben von Beginn an transparent kommunizieren, die Notwendigkeit erklären und die Führungsteams direkt involvieren. Nur so schaffen sie Akzeptanz bei allen Beteiligten.

Gemeinsam Ziele entwickeln

Ist die Führungsmannschaft an der strategischen Zielentwicklung beteiligt, identifiziert sie sich auch mit den gemeinsam erarbeiten Zielen. Ein Wir-Gefühl kommt auf. Allein dadurch entsteht schon eine kraftvolle Dynamik. Jeder ist „committet“, denn: Die Verantwortlichen schwören die Führungsteams darauf ein, Verantwortung für die Zielerreichung zu tragen. Die Führungskultur sollte für so einen Prozess wertschätzend sein. Wenn es Konflikte oder zu starkes Konkurrenzverhalten gibt, müssen diese behoben werden.

Denn: in einem toxischen Unternehmensklima ist eine positive Entwicklung unmöglich. Das Verhalten der unteren Führungsebene oder der Mitarbeitenden orientiert sich immer an dem Verhalten der Vorgesetzten. Agieren die Führungskräfte gegen-, statt miteinander, reflektiert sich das auch im Verhalten der Mitarbeiterteams – was sich spätestens in den unzureichenden Ergebnissen ausdrückt.

Top Ergebnisse durch Diversity

Eine eingeschworene, eigenverantwortlich handelnde Führungsmannschaft bildet also die Basis für erfolgreiche Veränderungsvorhaben. Im nächsten Schritt heißt es, die Ziele an die Mitarbeitenden zu tragen, eine klare Richtung vorzugeben und gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln. Hierbei gilt:

"Je heterogener und vielfältiger die Teams zusammengesetzt sind, desto höher ist die Produktivität."

Das belegt unter anderem die McKinsey-Studie „Delivering throug Diversity“ – und lässt sich auch ganz leicht erklären: Je unterschiedlicher die Menschen in einem Team sind, desto diverser sind auch deren Blickwinkel auf und Herangehensweisen an Probleme. Für ein zunehmend komplexes Unternehmensumfeld ist das von großem Wert. Die Zeiten sind vorbei, an dem ein „Master Mind“ alleine Entscheidungen getroffen hat. Komplexe Probleme werden von Vielen gelöst. Zu Diversität gehören unter anderem Altersvielfalt, kulturelle Vielfalt und fachliche Vielfalt. Das sollten Führungskräfte bei der Teamzusammenstellung gezielt fördern.

Die passenden Werkzeuge zur Hand

"Ein Team ist immer nur so gut, wie das Werkzeug, das es zur Hand bekommt."

Um die Menschen im Unternehmen für den Wandel zu befähigen, müssen Verantwortliche die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Dazu gehört, die notwendige Ausrüstung bereitzustellen, wie:

  • IT-Infrastruktur
  • Maschinen und Werkzeuge
  • definierte Prozesse
  • Zugriff auf Datenbanken und Ressourcen

Aufgabe der Vorgesetzen ist dann Zielerreichung, Budget und Zeit im Auge behalten.

Toxische Mitarbeiter frühzeitig erkennen

Nicht jeder Mitarbeiter nimmt Veränderungen gerne an. Die eigene Komfortzone zu verlassen, neues Unbekanntes zu erkunden und liebgewonnene Handlungsmuster aufzubrechen, ist für einige mehr Bedrohung als Chance. In der Regel gibt es bei Veränderungsvorhaben in Unternehmen eine Verteilung von 20-60-20, sprich: 20 Prozent der Mitarbeitenden nehmen die neue Richtung sofort an und gestalten sie aktiv mit; 60 Prozent folgen den ersten 20 Prozent und führen aus, was diese erarbeiten; und weitere 20 Prozent sind Gegner der Veränderung, blockieren den Arbeitsfluss und legen unter Umstünden eine destruktive Arbeitsweise an den Tag.

Diese letzten 20 Prozent sind die toxischen Mitarbeitenden. Destruktives Verhalten dürfen Verantwortliche nicht zulassen, denn es bremst die Dynamik der gesamten Organisation. Vorgesetzte sollten diese 20 Prozent also schnell identifizieren und die direkte Konfrontation suchen. Dabei gilt: Gehen diese in die konstruktive Diskussion und schlagen bessere Ideen oder Lösungsansätze vor, dann sollten diese Ansätze auch angenommen werden. Gibt es keine alternativen Lösungsvorschläge, muss der Vorgesetzte entweder Folgsamkeit verlangen – oder den jeweiligen Mitarbeitenden kündigen.

Fazit: Gestalten lassen

Unternehmen sind soziale Gebilde, von Menschen gemacht. Wer in unserer zunehmend komplexen Wirtschaftswelt weiterhin erfolgreich sein möchte, muss seine Belegschaft für die Sache begeistern. Dazu gehört, Kontrolle abzugeben und Eigenverantwortung zu fordern und zu fördern, ebenso wie Diversität zu suchen und seiner Mannschaft den Rücken freizuhalten.

"Werden Mitarbeitende von Betroffenen zu Beteiligten, zu Unternehmern im Unternehmen, nehmen sie auch die größten Hürden der Zukunft."

Über den Autor

Olaf Arns ist umsetzender Unternehmensberater für den industriellen Mittelstand. Als freudiger Macher und visionärer Antreiber unterstützt Arns Verantwortliche aller Führungsebenen vor allem bei Veränderungsprozesse wie der Post-Merger-Integration, der strategischen (Neu-)Ausrichtung und der (Unternehmens-)Führung. Über seine Themen schreibt er in diversen Wirtschaftsmedien.

Quelle: unternehmer.de

25 September 2020

Unser Weg ins Home Office

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Führen auf Distanz: Wie wir uns durch Corona neu erfanden, TEIL 1 einer Lernreise

Unser Weg ins Home Office

Führen auf Distanz eröffnet eine neue Welt. Wir haben als Teamworks selbst eine Lernreise hinter uns, die lange vor der Corona-Pandemie begann, durch diese jedoch erheblich beschleunigt wurde und weiter andauert. In diesem Beitrag stelle ich, Svenja Hofert dar, was wir als Team erlebt haben, angereichert durch Einblicke bei unseren Kundinnen. Daraus leiten wir Tipps ab, die wir über mehrere Beiträge verteilen. Wir starten damit, wie alles begonnen hat. Dieser Text, den wir über 9 Tage verteilen, ist auch als Hörbuch bei Spotify und iTunes erhältlich, produziert von unserem Partner-Verlag Co-Creare.

Krisen befeuern Entwicklungen, die sich schon länger gezeigt haben. Durch ein unerwartetes Ereignis beschleunigt sich, was vorher sehr langsam voranschritt. Auf einmal wird möglich, was manch einer für unmöglich hielt, für verfrüht oder auch für Branche und „Typ Mitarbeiter“ unpassend.
• „Meine Mitarbeiterinnen haben doch gar keinen Firmen-Laptop, wie soll das gehen.“
• „In meiner Belegschaft sind ja keine Wissensarbeiter, das sind normale Leute.“
• „Im Home Office funktioniert das mit meinen Leuten nicht. Die machen da Ferien.“

Yahoo als abschreckendes Beispiel

Gerne wurde von Home-Office-Gegnern die Firma Yahoo zitiert, die einst Mitarbeiter von zuhause zurückholte, nachdem sie zu träge geworden waren. Doch das ist viele Jahre her. Die technologischen Möglichkeiten sind heute andere. Teamentwicklung ist auch zu einem Führungsbegriff geworden.
Und kein Mensch hat sich damals gefragt, ob damals wirklich das Home Office schuld war – oder nicht doch vielleicht die Führung.

Die Führung, der es nicht gelungen war, Teams zu bilden und Verantwortung zu übertragen. Das ist meiner Erfahrung nach essentiell für das Führen auf Distanz. Anders als bei Telearbeit, bei der die Aufgaben einer Arbeitskraft nach Hause verlagert wird, wo diese dann abgearbeitet werden, baut ein Team im Home Office ein Unternehmen im Unternehmen.

Deshalb braucht es hier nicht die klassische Führungskraft, die Aufgaben verteilt und Fortschritt überwacht. Stattdessen gilt es für Sie als Führung, Selbstorganisation zu fördern und Hindernisse zu beseitigen.

Mit Selbstführung fängt es an

Im Home Office muss sich das Team selbst führen können. Es muss kollaborieren und sich abstimmen können. Genaugenommen ist das gefragt, was ich einst als „agiler führen“ bezeichnet habe: Eine teamorientiere Führung, deren Aufgabe vor allem darin liegt, einen Rahmen für Zusammenarbeit zu schaffen. Nur dass diese eben vor allem online stattfindet. Als ich mein Buch „Agiler Führen“ 2016 geschrieben habe, hatte ich die virtuelle Zusammenarbeit weniger im Fokus. Das lag einfach daran, dass ich bis dahin wenige Home Offices kennengelernt hatte. Auch die agilen Organisationen in meinem Umfeld legten bis dahin Wert auf Vor-Ort-Arbeit. Teilweise war es möglich, dass der eine oder andere auch virtuell teilnahm, aber Remote Work war wirklich eine Ausnahme.

Was Home Office wirklich bedeutet

Unterscheiden Sie zwischen Home Office und Telearbeit. Bei der Telearbeit handelt es sich um einen rechtlich anerkannten Begriff. Es ist die vertraglich vereinbarte Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz zu Hause, in § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) definiert. Home Office ist noch kein Recht, dieses zu etablieren, wird gerade diskutiert.
Mit Telearbeit gehen Arbeitgeber eine Verpflichtung ein, mit Home Office nicht. Telearbeitsplätze sind fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich. Alles muss also bereitgestellt und installiert sein. Im Gegensatz zum Homeoffice handelt es sich bei Telearbeit also um ein rechtlich abgegrenztes und regelmäßiges Arbeiten von Zuhause aus. Zwar steht es nirgendwo explizit, doch ist Telearbeit eher auf Einzelarbeit ausgerichtet. Es geht weniger um Selbstorganisation eines Teams von zuhause aus. Dieser jedoch gehört die Zukunft, denn lineare, abgegrenzte Aufgaben gibt es immer weniger. Nein, die Menschen müssen auch im Home Office vor allem eines: kooperieren.

Ich dachte, Home Office macht einsam

Auch ich war keine Freundin vom Home Office. Ich dachte, Home Office mache einsam. Ich glaubte, es müsste immer jemand vor Ort sein, der zum Beispiel Anrufe annimmt. Auch die Koordination von Tätigkeiten, die auf gegenseitiger Abhängigkeit beruhen, stellte ich mir schwierig vor. Aber das genau macht solche Arbeit ja aus: Jeder im Team kann einen Teil seiner Aufgaben alleine erledigen, aber alles hängt an einem gemeinsamen Ergebnis. Erfolg ist nicht der Erfolg einer Person, sondern von allen. Das ist wie beim Mannschaftssport. Es mag sein, dass es Stars gibt, aber auch die könnten allein keinen Sieg schaffen. Heutige Teams sind deshalb hochgradig interdependent. Die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, wenn sie darüber nachdenken mit Home Office zu arbeiten ist deshalb: Zu welchem Grad hängt das Ergebnis vom gemeinsamen Zusammenspiel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab?

Um genauer zu sein:
• Von ihrer Abstimmung untereinander,
• Ihrer Bereitschaft Informationen auszutauschen,
• Ihrem Willen und Vermögen im Team zu entscheiden und
• gemeinsam zu lernen und sich selbst und die Prozesse zu optimieren.

Wir glaubten an Papier

Wir bildeten uns ein, dass es jemand brauche, der Dinge ausdruckt. Wir hielten es für Kundenservice, auch unseren Teilnehmern weiterhin opulente Mappen und Ordner mit Unterlagen auszuhändigen. Das sahen wir irgendwie auch als Marketing an. Ebenso wie repräsentative Büroräume in bester Innenstadtlage. Ich, Svenja, gebe zu, dass ich bisweilen das Wort „Luxus“ dachte und mir zwei Dinge nie aus dem Kopf gingen:

die Vision oder Utopie das austroamerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann, der nicht nur davon spricht, dass Menschen durch die Technologie immer öfter tun können, was sie „wirklich wirklich“ wollen. Er spricht auch von einer Deregionalisierung. In seiner Vorstellung gehen die Menschen nur noch zu einem Teil der üblichen Erwerbsarbeit nach.
Studien, die davon sprachen, dass mit immer besserer Technik die Städte entvölkert würden, weil mehr und mehr Menschen aufs Land ziehen würden. Dort ließe sich die Arbeit eben auch erledigen. Es würde eine Art Landflucht geben… Home Office geht eben überall.
Ein neues Führungsverständnis

Es gab also eine gewisse Vorstellung von „anders arbeiten“ in mir, doch unsere Realität war wie die vieler anderer durch „Präsenz“ geprägt. Home Office in der beschrieben Form als sogar weltweite Kollaboration von Teams gab es, aber mehr oder weniger ausschließlich in der IT als „Remote work“ und dort vor allem der Softwareentwicklung.

Doch dann kam die Coronakrise und der Lockdown. Am 16.3.2020 verkündeten wir unseren sieben Mitarbeiterinnen, dass sie ab sofort und bis auf weiteres alle im Homeoffice verbleiben müssten. Wir würden uns täglich um 11 Uhr bei Zoom treffen. Und ansonsten erst einmal weiterarbeiten wie bisher. Die Art der Ansage ist aber vielleicht bemerkenswert: Wir verordneten diesen täglichen Termin: „Das ist keine Option. Das ist Pflicht.“ Dieses Meeting dauert bis heute an und hat viele Transformationen durchlaufen.

Klarer Rahmen nötig

Bis dahin waren wir wenig direktiv gewesen. Aber vielleicht ahnten wir intuitiv, was sich bald zeigen würde: Ein Team im Home Office braucht einen klaren Rahmen. Die Wegschilder müssen eindeutig beschriftet, Regeln sehr deutlich ausgesprochen sein. Dabei spielte eine Rolle, dass wir schon viel Selbstorganisation gesehen und versucht haben. Wir wussten, dass der wichtigste Puzzlestein in der Zusammenarbeit ein gutes Meeting war. Wir hatten bis dahin viel ausprobiert. Und auch bei unseren Kunden gesehen, dass „richtig meeten“ eine wirkliche Kunst ist. Gleichzeitig ist so ein Meeting das wichtigste Führungsinstrument bei dieser Art des Führens. Denn hier geht es nicht um das Übertragen von Aufgaben, sondern um das Übertragen von Verantwortung. Niemand übernimmt jedoch Verantwortung, wenn der Rahmen nicht fest genug ist, um den Handlungsspielraum zu begrenzen. Voraussetzung sind also klare Pole anhand derer Entscheidungen möglich sind.

In der agilen Szene wird so etwas leicht als „keine Augenhöhe“ und „hierarchisch“ verstanden. Dabei ist Hierarchie nichts anderes als eine sehr sinnvolle Rangordnung. Sie sagt aus, wer im Zweifel entscheidet. Das kann immer wieder jemand anderes sein, je nach Fachkompetenz. Rangordnung muss sein. Sie stellt Richtung her. Gleichzeitig gilt es jedoch , sie nicht als autoritäre Hierarchie zu deuten. Im Gegenteil: Es muss klar sein, dass jeder in unterschiedlichen Situationen Verantwortung übernimmt und auch Teams entscheiden können, wenn sie wissen, woran sie sich orientieren.

Wie das Unmögliche möglich wurde

Im Home Office war nichts mehr wie bisher. In jeder Hinsicht: Unser bis dato gesundes, wachsendes Unternehmen war in eine ernste Krise geraten. Wir leben davon, uns mit Menschen zu treffen. Der „Workshop“ ist unser Hauptprodukt. Hier arbeiten wir mit Unternehmensvertretern an Lösungen, beispielsweise für Fragen der Selbstorganisation. Zudem bilden wir Menschen aus, die Teams aufbauen und entwickeln. All das sind Tätigkeiten, die entweder in den Firmen oder in Veranstaltungsräumen stattfinden. In jedem Fall vor Ort und in Gruppen.

Unser Terminkalender war zu diesem Zeitpunkt bis zum Ende des Jahres voll. Doch wir durften unsere Dienstleistung nicht mehr umsetzen. Mehrere Veranstaltungen standen unmittelbar bevor. Wir hatten nur eine Möglichkeit: Entweder absagen und Geld zurückzahlen, was Kündigungen zur Folge haben müsste.

Digitalisierung, nicht ganz freiwillig

Oder digitalisieren. Wir entschieden uns für Letzteres. Dazu brauchten wir unser Team im Home Office. Ein Team, das sich bisher vor allem durch Schreibtischzurufe abgestimmt und organisiert hatte. Ein Team, das den direkten Kontakt untereinander sehr schätzte. Ja, für das der zwischenmenschliche Kontakt sogar einer der Hauptmotivatoren war. Keine „Nerds“, die mit Leidenschaft dreißig Tools parallel anwendeten.

Würden sich Mitarbeiterinnen selbst organisieren können und die technologischen Herausforderungen annehmen? Ich glaube zutiefst daran, dass Menschen Kontextwesen sind. Dass sie sich den Bedingungen anpassen, die da sind.

Veränderung braucht Krise

Die meisten Menschen verändern sich, wenn es nicht mehr anders geht. Die Welle muss sich direkt vor dem eigenen Haus aufbäumen, damit etwas geschieht. Andernfalls ist alles eben immer noch anderswo, die Zukunft weit weg. In meinen Kursen sage ich immer, dass wir erst die Gegenwart sehen und verstehen müssen, bevor wir uns mit der Zukunft beschäftigen können.

Psychologen wissen, dass es die unmittelbar empfundenen Krisen sind, die uns befähigen, große Entwicklungsschritte zu machen. Diese finden in der Gegenwart statt. Sie können Einstellungen fundamental ändern, Kehrtwenden ermöglichen. Aus Home-Office-Gegnern Befürworter machen. Oder aus Kolleginnen ohne besondere Neigung für die Technik-Tools und die Moderation von virtuellen Meetings begeisterte Internet-Aktivisten.
Es ist nicht der Wille, nicht die innere Überzeugung oder der Mut eines Einzelnen. Es sind die Alltagsregeln, die sich verändert haben. Deshalb hat der Klimawandel bisher viel weniger Menschen bewegt als ein stacheliges Virus namens Corona oder auch Sars Co-V2… Und mit bewegt meine ich nicht die innere Qualität, die etwas hat. Sondern das, was Handlungen auslöst. Nur darum geht es – was verändert Verhalten wirklich?

Neue Spielregeln der Zusammenarbeit

Das Coronavirus hat die Spielregeln der Zusammenarbeit verändert. „Gamechanging“ war vor der Krise ein beliebter Begriff. Viele Arbeitgeber suchten Gamechanger. Ich musste dann immer lächeln. Wenn Menschen Kontextwesen sind, dann fügen sie sich auch in den Kontext ein. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Person diesen verändert. Und wenn sie es versucht, wird sie schnell gebremst und in den gegebenen Rahmen eingefügt werden.

Gamechanger, die Spielregeln verändern, sind keine einzelnen Menschen. Es sind äußere Entwicklungen. Angstmacher wie das Virus offenbaren, dass jedes Sicherheitsgefühl eine Illusion ist. Deshalb bewegen sie mehr als alles andere.

Ich für mein Teil kann sagen, dass ein Teil der Vorsicht und Ablehnung von „Remote work“ auch auf eigene Bequemlichkeit zurückgehen und die Unlust sich mit neuen komplizierten Dingen zu beschäftigen. Wir waren gezwungen, binnen weniger Tage unsere Ausbildungsmodule und Workshops zu digitalisieren.
Wir mussten die technologische Basis schaffen und uns einarbeiten. Mit den Lockerungen kam das Thema Hybrid-Veranstaltungen auf uns zu. Auch da mussten technische Lösungen her. Es war jeweils keine Option, sich all dem zu verweigern. Sonst hätten wir zumachen müssen.

Home Office als neue Normalität

Home Office wurde binnen von sieben Wochen zu einer neuen Normalität. In einigen Branchen, etwa Banken, arbeiteten während des Lockdowns 90 Prozent aller Mitarbeiter im Home Office. Insgesamt waren im Mai 2020 ein Viertel aller Angestellten zuhause.
Knapp drei von vier Heimarbeitern (71 Prozent) arbeiten im Home-Office mit einem Notebook. Mehr als jeder Dritte (37 Prozent) nutzt einen stationären Desktop-PC mit Monitor. 75 Prozent derjenigen, die im verordneten Home Office waren, würden auch nach der Krise gern weiter von zuhause arbeiten. Diese Daten beruhen auf einer Online-Umfrage von YouGov Deutschland, an denen im April 2020 rund 2.000 Teilnehmer teilnahmen.

Auch als die Einschränkungen gelockert wurden, bleib das Home Office bestehen.
Wir rückten ab von unserem Wunsch nach Anwesenheit. Vielmehr sollte das Team sich nun selbst darauf einigen, wie es eine moderate Anwesenheit gestalten wollte. So wurde das Home Office die neue Normalität und die Anwesenheit eine Ausnahme.

Durch unsere schnelle Digitalisierung kamen bald viele neue Anfragen auf uns zu. Dadurch bekamen wir viele Entwicklungen in anderen Home Offices unmittelbar mit. Wir merkten, wo Hürden liegen und sahen uns in der Annahme bestätigt, dass virtuelle Führung erheblich mehr Kommunikation, deutlich mehr Struktur und Coachingkompetenz fordert.
Es gibt eine Art Best-Practice, eine gute Vorgehensweise, die ich Ihnen nun vorstellen möchte. Einiges davon war auch für uns eine überraschende Erkenntnis.

Was wir beispielsweise unterschätzt hatten war der Punkt, mit dem ich meine 9 Schritte beginnen möchte – die Technologie.

Damit geht es dann morgen weiter.

Das Hörbuch finden Sie zusammenhängend u.a. bei Bookbeat hier oder z.B. bei Spotify.

Über die Autorin

Svenja Hofert ist Managementberaterin sowie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH
Svenja Hofert (Jg. 1965) berät zu Management- und Karrierethemen, außerdem ist sie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH. Sie ist Autorin von mehr als 30 Büchern, unter anderem „Der agile Kulturwandel. 33 Lösungen für Veränderungen in Organisationen“ (2018, mit Claudia Thonet) und „Das agile Mindset. Mitarbeiter entwickeln, Zukunft der Arbeit gestalten“ (2018).

 

Quelle: Blog Teamworks GmbH

20 Dezember 2019

Warum Agilität allein nicht glücklich macht

Posted in Coaching

Schöne neue Arbeitswelt

Warum Agilität allein nicht glücklich macht

Automatisierung und Digitalisierung verändern die Arbeitswelt massiv. Viele Entscheider setzen deshalb allzu schnell auf neue Konzepte wie Agilität und Design Thinking.

In etlichen Unternehmen jagt derzeit eine Veränderung die nächste. Die Abstände werden immer kürzer, zugleich steigen die Anforderungen an Organisationen und ihre Mitarbeiter stetig. Um dem Druck standzuhalten, scheinen neue, agile Methoden oder auch Design-Thinking-Konzepte gerade recht zu kommen. Welcher Entscheider will schon dafür verantwortlich sein, dass der eigene Verantwortungsbereich auf die Forderungen nach Veränderung nicht reagiert hat? Also werden Hypes wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben, bis (spätestens) im nächsten Jahr eine neue Sau auftaucht, die die alte vergessen lässt.

Der Glaube an die Methoden-Gurus und ihrer Anhänger ist häufig mit allzu simplen Versprechen verbunden: Aussagen wie "Selbstorganisierte Teams brauchen keine Führung", "Agil geht alles schneller" oder "Eine neue Büroumgebung mit Kicker und Coffee-Bar macht eine neue Kultur" verbreiten sich schnell.

Zusätzlich werden erfahrene und auch neue Manager von Emotionen getrieben: Der Angst, das Falsche zu entscheiden, aber auch der Angst um die eigene Position. "Kann ich noch mithalten, wenn ich nicht 'agil' handle? Ist meine Position, bin ich möglicherweise obsolet?" All das vernebelt den Blick auf die Fakten und treibt Entscheider in den Aktionismus.

Viel Aufwand - wenig Ergebnis

Ein Aktionismus, der Unternehmen teuer zu stehen kommt. So verschlingen Neuerungen in der Organisation, die Einführung neuer Methoden oder der Umbau der Büros erhebliche Budgets. Deutsche Unternehmen investierten 2018 allein über 31 Milliarden in externe Beratungsleistungen, Tendenz steigend. Change Management und Business Development waren thematische Spitzenreiter. Demgegenüber verfehlen rund 70 Prozent der Change-Vorhaben die gesteckten Ziele.

Noch dramatischer ist die Wirkung auf die Mitarbeiter. Deren Motivation sinkt mit jeder nutzlosen oder unfokussierten Veränderung - bis hin zum Phänomen des Organizational Change Fatigue (OCF), einer resignativen beziehungsweise extrem passiven Einstellung gegenüber Veränderungen. Im Ergebnis liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Unternehmenswechsel bei unmotivierten Mitarbeitern um 87 Prozent höher als bei den motivierten Kollegen. Laut LinkedIn wechseln 13 Prozent der Softwareentwickler derzeit mindestens einmal jährlich den Job. In Zeiten eines Bewerber-Marktes sind das verheerende Zahlen, Unternehmen müssen hier dringend gegensteuern. Das ist keine schöne neue Arbeitswelt. Aber was tun?

Mut zur Souveränität

Ein erfolgreicher Ausstieg aus dem Methodenwahn braucht mutige und souveräne Entscheider, denn sie müssen Hypes genauso wie die eigene Überzeugung und Entscheidungsmechanismen kritisch hinterfragen. Schließlich sind sie nicht nur Verursacher des Status quo, sondern auch die Treiber von Veränderung. Wie kann also eine nutzbringende, nachhaltige Entscheidung für neue Methoden oder Organisationsformen gelingen?

Zunächst geht es darum, Ursache und Wirkung zu unterscheiden: Was ist das originäre Problem? Und was nur oberflächliches Symptom? Diese Fragen gehen im Alltag allzu häufig unter. Allerdings wird eine Behandlung von Symptomen allein keine nachhaltige Veränderung bewirken. Im Gegenteil: Scheinlösungen werden nur Scheinergebnisse bewirken, Ressourcen verbrauchen und Mitarbeiter weiter demotivieren. Es muss also die Ursache-Wirkungs-Kette geklärt werden. Dazu hat sich die "5x Warum-Methode" von Toyoda Sakichi bewährt.

Ein Beispiel: In einem Unternehmen sind die Projektlaufzeiten zu lang, zukünftig soll alles schneller werden. Agiles Projektmanagement scheint die Methode der Wahl zu sein. Die weitere Analyse der Ursachen zeigt indes ein anderes Bild:

  • WARUM dauern Projekte so lang? Weil die Mitarbeiter zu wenig Zeit für die Projekte haben.
  • WARUM haben die Mitarbeiter zu wenig Zeit? Weil sie in zu vielen Projekten zeitgleich involviert sind und auch Tagesgeschäft leisten müssen.
  • WARUM laufen so viele Projekte parallel? Weil die Führungskräfte alle Projektanträge genehmigen. Weil alles dringend ist.
  • WARUM tun die Führungskräfte das? Weil sie sich nicht unbeliebt machen wollen.
  • WARUM ist das so?

Hier liegt die Antwort dann auf einer anderen Ebene, nämlich der der Unternehmenskultur, der Kompetenzen und Freiräume der Führungskräfte. Nur Trainings zum Thema agiles Projektmanagement abzuhalten, hätte das Problem nicht gelöst. Eine Ursachenanalyse liefert - auch wenn sie weh tut - die Grundlage für eine nachhaltige Veränderung.

Unterschätzte Irrtümer

Geht man den Fehlern beim Einführen neuer Methoden auf den Grund, tauchen drei Aspekte immer wieder auf. Jede Veränderung, jede neue Methodik benötigt:

  • Ressourcen, und die müssen geplant werden. Agilität bedeutet zum Beispiel nicht den Verzicht auf Ressourcenplanung. Oder wo sollen die Mitarbeiter für "agiles" Arbeiten herkommen?
  • klare Entscheidungen über das WAS, WER und WIE und das WAS, WER und WIE NICHT. Also auch zu den Projekten, die starten beziehungsweise auch nicht starten können.
  • die Unterstützung auf allen Ebenen - also auch der Geschäftsführung.

Ziele häufig ausgeblendet

Die Frage nach den Zielen wird häufig ausgeblendet. Was soll mit den Veränderungen erreicht werden? Machen wir das, weil ALLE es tun? Doch sicher nicht. Vielmehr muss die Frage lauten: Zahlen die Ziele für die neue Methode, die neue Organisationsform auf den Unternehmenszweck ein? Neben den konkreten Zielen brauchen Veränderungen gerade in der aktuellen VUCA-Welt Stabilität und Leitlinien, die allen Beteiligten Orientierung und Sicherheit vermitteln sowie einen Rahmen liefern. Im Sinn einer nachhaltigen Einführung von Agilität, Design Thinking & Co. sind sie zunehmend ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor.

Doch wie können Unternehmen nun aus der Vielzahl der aktuellen Hypes die passende Methode auswählen? Entscheidend ist die eigene Objektivität. Also der Blick auf Daten, Fakten und Zusammenhänge - statt der Glaube an die subjektiv geprägte Meinung. Zudem müssen Entscheider nicht nur den Veränderungsbedarf im Unternehmen oder dem eigenen Bereich erkennen, sondern auch die Bereitschaft haben, die eigenen Überzeugungen kritisch zu hinterfragen. Sympathie, Antipathie und Animositäten gehören zur rationalen Auswahl.

In der Praxis haben sich einige Werkzeuge für mehr Objektivität im Tagesgeschäft bewährt:

  • Murder your darlings!
    Dieser eigentlich an Schriftsteller gerichtete Rat lässt sich perfekt übertragen. Zücken Sie an all den Stellen konsequent den Rotstift, die Ihnen besonders am Herzen liegen, die aber keinen wirklichen Mehrwert haben.

  • Disconfirmation
    Der Confirmation Bias ist ein Phänomen, das gute Entscheidungen behindert. Denn Informationen werden häufig so ausgewählt, dass sie die eigene Meinung, das eigene Weltbild bestätigen. Alles andere wird ausgeblendet. Prüfen Sie also Ihre Glaubenssätze und Entscheidungskriterien.
  • Sparring
    Im Sport an der Tagesordnung, fehlt sie Entscheidern häufig: die Außensicht. Manager tendieren dazu, im eigenen System zu bleiben. Also: Lassen Sie sich die Meinung sagen - auch und gerade, wenn Sie sie nicht hören wollen.

Auswahl mit Überblick

Veränderung generiert nur Nutzen, wenn sie passgenau erfolgt. Und dazu ist ein Überblick über mögliche Methoden und Organisationsformen erforderlich, die Kenntnis der jeweiligen Vor- und Nachteile und der Kosten. Wichtig auch: was bedeutet die Veränderung für das Unternehmen, die Mitarbeiter, Kunden und andere Stakeholder? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen valide Informationen gesammelt werden - und nicht nur angebliche Erfolgsstories. Aussagekräftiger sind immer Erfahrungen, bei denen nicht alles rund gelaufen sind.

Als Entscheidungshilfe zur Methodenauswahl hat sich die Stacey-Matrix in Verbindung mit dem Cynefin-Modell bewährt. Abhängig von der Klarheit des Ziels, der Anforderungen und des Umsetzungsweges wird dabei die Aufgabenstellung als einfach, kompliziert, komplex oder chaotisch bewertet und daraus entsprechende Methoden abgeleitet. So wird klar, dass beispielsweise Best Practices nur bei einfachen Aufgaben hilfreich sind. Komplexe oder chaotische Anforderungen benötigen agile Lösungen.

Über die Autorin
Sabine Dietrich ist Management-Beraterin für Multiprojektmanagement, Projektmanagement, Führungskräfte-Entwicklung sowie Autorin. Im Jahr 2009 gründete sie ihr eigenes Beratungsunternehmen.

Quelle: Xing-News - cio.de

17 Mai 2019

Verändere den Rahmen, dann veränderst du die Menschen: 5 Gestaltungsmöglichkeiten, die kaum jemand sieht

Posted in Coaching

Verändere den Rahmen, dann veränderst du die Menschen: 5 Gestaltungsmöglichkeiten, die kaum jemand sieht

Nichts ist, wie es scheint. Dass sich Farben goldweiß oder schwarzblau zeigen können, bewies #Thedress 2014. Damals verbreitete sich viral ein Foto, das die einen goldweiß und die anderen schwarzblau sahen. Wer goldweiß „dachte“ sah auch goldweiß. Letztendlich ging es darum, ob sich jemand einen hellen Tag oder eine Nacht zum Kleid vorstellte. Der Kontext beeinflusst die Farbwahrnehmung - und nicht nur sie.

“It´s just an illusion in all this confusion”, sang 1982 die Band Imagination, aber mit Konfusion hat das wenig zu tun. Wir sind nicht verwirrt, wenn wir die Dinge unterschiedlich wahrnehmen – wir sind menschlich. Unser Gehirn ist dazu konstruiert und trainiert: Jeder sieht, was er sehen will und wird dabei entscheidend durch den Kontext bestimmt. Das stellt unser Denken über Change und Veränderung auf den Kopf.

Fünf Tipps für mehr Kontextorientierung

1. Zweifel offenbaren Souveränität, Sicherheiten Ängste

Zweifel zeigen, dass ein Mensch den jeweiligen Kontext wirklich ernst nimmt. Denn nur ohne Sicherheit über das, was wahr ist, lässt sich genau beobachten und wahrnehmen. Es gilt also ordentlich zu zweifeln - nicht an sich, sondern an seiner Wahrnehmung und den eigenen Interpretationen. Stattdessen sollte man herausfinden, neugierig sein, die Haltung des Kindes einnehmen, das unvoreingenommen entdeckt. Ohne Angst, dass etwas das eigene Weltbild zerstören konnte, sondern im reinen Interesse.

2. Los- und einlassen statt Beharren

Jedem Gedanken geht ein Gefühl voraus, Sachbezogenheit ist eine Illusion. Wer in der Lage ist, eigene und andere Gefühle wahrzunehmen und sich selbst und andere zu beobachten, kann los- und sich einlassen. Wer an Aussagen und Wahrheiten festhält, tut dies meist aufgrund von Ängsten. Es ist wichtig, diese Ängste als solche zu erkennen, denn sie kommen z.B. in Form von Sicherheitsbedürfnissen oft verkleidet daher. Ein Kleid zieht man nur im Märchen aus, im Leben möchte niemand nackig dastehen. Change Manager und alle, die mit Veränderung zu tun haben, sollten die Angst im Widerstand sehen. Und die Tatsache, das Widerstände entstehen, weil es im aktuellen Kontext kein besseres Angebot gab...

3. Möglichkeiten durch den Glauben an Möglichkeiten

Erinnern Sie sich an „und täglich grüßt das Murmeltier“? Jeder Tag ist eine neue Entscheidung, jede Stunde, jede Minute. Zeit und Raum sind relativ, nur künstlich abgrenzbar. So können wir die Vergangenheit rückblickend verändern, indem wir vermeintlich Geschehenes vergessen, neu bewerten oder ihm in der Fantasie neue Formen geben. Wir entscheiden, was wir behalten und was weglegen wollen. Genauso ist es mit der Zukunft: Wir entscheiden, wie und wo wir sie leben wollen und mit wem. So ist jeder Moment der Zukunft eine Entscheidung, sie ANDERS als bisher zu nutzen. Stellen Sie sich Möglichkeiten als Räume vor, die sie einfach nur betreten müssen, indem Sie durch die Tür gehen. Dadurch lassen sie Wirklichkeit entstehen.

4. Wir müssen den Rahmen ändern, nicht uns

Was ist ein Potenzial? Es ist die Möglichkeit, zu werden. In der alten Arbeitswelt wurden Menschen auf die Anforderungen hin zurechtgebogen. So trainierte man mehr, als dass man Neugier entfachte. Wenn Menschen sich in einem veränderten Rahmen bewegen, dann passen Sie sich an diesen an. Was glauben Sie, wie schnell Sie Ihre Kreativität entdecken, wenn Sie allein auf sich gestellt durch den Dschungel streichen? Was denken Sie, wie schnell Sie ein Buch in die Hand nehmen, wenn alle um Sie herum das auch tun und dabei glücklich lächeln?

5. Wir sind ganz aber auch nur Teil

Wir betrachten Leistung losgelöst von der Gruppe. Wir folgen Helden und reduzieren Erfolge auf eine Person. Unser Gehirn will die Erfindung der Glühbirne jemandem zuordnen, für den Turnaround muss eine Person verantworlich sein. Doch am Ende gibt es keine Erfinder ohne Helfer und Unterstützer, keine Stars ohne Sternchen und keinen Erfolg, der losgelöst ist von ganz vielen Faktoren, von denen einer sicher auch immer der Zufall ist...

Wenn Sie verstehen, wie der Kontext wirkt, können Sie Bücher über Selbstoptimierung in den Keller verdammen. Sie müssen einfach nur den Rahmen verändern und unter veränderten Bedingungen neu lernen. Das sagt übrigens auch fast alles darüber aus, was geschehen muss, wenn Organisationen sich wandeln - wollen oder müssen. Ändert sich der Rahmen, dann ändert sich auch der Mensch.

Über die Autorin

Svenja Hofert engagiert sich für eine gute Zukunft der Arbeit. Sie ist Bestsellerautorin (u.a. "Mindshift", Campus-Verlag), Managementberaterin und Geschäftsführerin der Weiterbildungsanbieters Teamworks GTQ Gesellschaft für Teamentwicklung und Qualifizierung mbH in Hamburg.

Quelle: Xing-News-Insiders