12 November 2021

Hybrid Work: Nach Corona wollen nicht alle zurück ins Büro. Damit das gut klappt, sollte man einige Dinge berücksichtigen

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Hybrid Work: Nach Corona wollen nicht alle zurück ins Büro. Damit das gut klappt, sollte man einige Dinge berücksichtigen

Der Büroalltag wurde während der Pandemie auf den Kopf gestellt – und immer mehr Angestellte wollen auf die Vorzüge von Home-Office nicht mehr verzichten. Wie gelingt das, ohne den wichtigen Austausch vor Ort zu vernachlässigen?

Nach über einem Jahr im Home-Office beginnen viele Unternehmen, ihre Angestellten zurück ins Büro zu holen. Die Zeit ausserhalb der Büroräumlichkeiten während der Pandemie hat jedoch Spuren hinterlassen: Gemäss einer repräsentativen Umfrage von Deloitte Schweiz kann sich mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen vorstellen, mehr als die Hälfte der Arbeitszeit auch in Zukunft im Home-Office zu verbringen. Ein Viertel würde gar gerne nur noch im Home-Office arbeiten.

Immer mehr Unternehmen sind bereit, diese Wünsche zu berücksichtigen, und erwägen, künftig die Arbeit von daheim zumindest für einige Tage in der Woche zu erlauben. Während der Pandemie wurde rasch klar, dass das Home-Office den Erwerbstätigen viele Vorteile bietet, ohne dass die Produktivität darunter leidet.

Für Hartmut Schulze, der an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Bereich der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit sowie der psychologischen Aspekte der Büroraumgestaltung forscht, ist das Experiment Home-Office geglückt: «Remote Work hat gut funktioniert, und man sollte einige der entdeckten Vorteile auch in Zukunft beibehalten. Gerade was Treffen zur Koordination oder zum Austausch von Informationen angeht, hat man gemerkt, dass man dafür nicht unbedingt ins Büro gehen muss.» Auch weniger komplexe Brainstormings seien dank Programmen wie Miro, einem digitalen Whiteboard, problemlos zu bewältigen.

Umgekehrt habe die Zeit im Home-Office klargemacht, welche Tätigkeiten im Büro besser und produktiver gestaltet werden könnten. «Die kollektive Ideen- und Entscheidungsfindung in grossen Teams oder Workshops mit zwischengeschalteten informellen Abschnitten wie zum Beispiel einem Spaziergang sind vor Ort deutlich besser zu bewerkstelligen. Hier braucht es neue Konzepte für den Einbezug derjenigen, die nicht physisch teilnehmen können.»

Zwei Arbeitswelten zusammenführen

Auf die Unternehmen kommt nach dem Schritt ins Home-Office nun eine neue Herausforderung zu: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Hybrid-Work-Modell, wenn also nur ein Teil der Mitarbeiter von ausserhalb und der andere Teil vor Ort arbeitet?

Der Büroraumgestaltungs-Experte Schulze sieht verschiedene Arten, wie Firmen die Sache nach Corona angehen. «Einige Unternehmen lassen die Mitarbeiter ganz frei wählen, von wo aus sie arbeiten möchten. Auf der anderen Seite gibt es Firmen, die alle Mitarbeiter nun zurück ins Büro rufen. Wieder eine andere Lösung ist, verschiedene Mobilitätsprofile festzulegen, je nach Art der Tätigkeit und den Präferenzen für das Ausmass von Home-Office. Je nachdem erhält ein Mitarbeiter einen zusätzlichen Bildschirm für das Home-Office, hat jedoch im Büro keinen fixen Arbeitsplatz mehr. Die meiner Meinung nach beste Lösung ist, wenn die Regeln aus dem Team selbst erstellt werden und es selber festlegt, wie es zusammenarbeiten möchte und wann es sich physisch direkt vor Ort, wann in virtueller Form trifft.»

Damit der Schritt zu einer hybriden Arbeitsform gelingt, sollten gewisse Regeln aufgestellt werden. So sollte man festlegen, für welche Treffen alle vor Ort sein müssen («all are face-to-face») und für welche sich alle über Videokonferenz-Software einwählen («all are remote»). Zur zweiten Variante unterstreicht Schulze: «Dabei sollten auch jene, die im Büro sind und am selben Meeting teilnehmen, sich jeweils in einem separaten Raum einwählen.» So verhindere man, dass unter den Teilnehmern vor Ort eine Dynamik entstehe, die bei den übrigen Teilnehmern Irritationen auslösen könne.

Die Organisation hybrider Meetings gestalte sich hingegen schwieriger. Damit diese gut gelingen, müsse unter anderem die Ausrüstung stimmen. «Es braucht sicher einen grossen Bildschirm vor Ort, damit die Teilnehmer von ausserhalb über eine gute Präsenz im Raum verfügen», sagt Schulze. «Umgekehrt ist es sinnvoll, Sitzungszimmer mit einer Panoramakamera auszurüsten, die sich automatisch auf den Sprecher fokussiert.»

Einen Ansatz, wie das aussehen könnte, zeigt das Beratungsunternehmen Deloitte, das im Juni seinen neuen Schweizer Hauptsitz in Zürich im Kreis 5 bezogen hat. Das Gebäude wurde dabei mit Blick auf flexible Arbeitsformen eingerichtet, wie die Firma bei einer Führung erklärt.

Die Ausrüstung muss stimmen

Die Arbeitsplätze sind mit einzelnen, grossen Bildschirmen ausgerüstet und verfügen alle über eine Webcam, die zentral über dem Bildschirm angebracht ist. Die Position ermöglicht – anders als bei der im Laptop eingebauten Kamera, die oft von unten sowie von der Seite filmt – eine gute Perspektive in Video-Meetings. Der einzelne, grosse Bildschirm bietet gegenüber mehreren kleinen den Vorteil, dass die Erkennung und Anordnung der Fenster beim Anschliessen des Laptops vereinfacht wird und man nicht zunächst die Einstellungen aufsuchen muss, um die einzelnen Bildschirme zu ordnen.

Zwischen den Arbeitsplätzen sind flexible Begegnungszonen und kleinere Sitzungszimmer eingerichtet, um spontane Treffen und Kollaborationen zu ermöglichen. Diese sind mit unterschiedlichen Sitzgelegenheiten und verschiedenen Farbkonzepten eingerichtet und verfügen alle über mindestens einen Bildschirm mit einer Kamera. Auch in den auf den Stockwerken verteilten Cafeterias sind an einigen Tischen Bildschirme mit Kamera angebracht. So ist sichergestellt, dass, egal wo man gerade ist, eine Person aus dem Home-Office dazugeholt werden kann.

Auch die grossen Sitzungszimmer sind auf hybrides Arbeiten ausgerichtet. Das in der Decke eingebaute Mikrofon sowie die Kamera sind automatisch an, wenn ein Meeting gestartet wird, und müssen manuell ausgeschaltet werden. Die Kamera fokussiert zudem jeweils automatisch auf den Sprecher. Das erleichtert es den Teilnehmern im Home-Office, zu erkennen, wer gerade spricht. Umgekehrt ermöglicht ein grosser Bildschirm im Raum eine gute Präsenz der von ausserhalb Teilnehmenden. Jedes Sitzungszimmer verfügt über ein analoges Whiteboard, das abgefilmt wird für die Personen von ausserhalb. Auf einem zusätzlichen, berührungsempfindlichen Bildschirm kann weiter ein digitales Whiteboard benutzt werden, das alle gleichzeitig ansehen und bearbeiten können.

Damit Sitzungen mit Hybrid Work funktionieren, braucht es die richtige Einrichtung

 

Es braucht neue Regeln für Meetings

Mit der Technik allein ist es jedoch nicht getan. Für Veronica Melian, Leiterin Human Capital Consulting bei Deloitte, stellen sich auch grundsätzliche Fragen. «Bereits vor der Pandemie hinkte der Arbeitsplatz der technischen Entwicklung etwas hinterher. Wir müssen uns fragen, ob der klassische Achtstundentag im Büro noch seinen Zweck erfüllt. Wie ist die Arbeit organisiert? Was kann von wo aus gemacht werden?» Es brauche neue Regeln für Meetings, um diese inklusiver zu gestalten und die Leute im Home-Office nicht zu verlieren, ergänzt die Human-Capital-Expertin. Melian nennt einige Punkte, auf die man dabei achten sollte:

  • Abklären, wer wie am Meeting teilnimmt.
  • Eine Agenda aufstellen und mit allen Teilnehmern teilen.
  • Sicherstellen, dass bei allen Teilnehmern und im Raum vor Ort die Technik funktioniert.
  • Sicherstellen, dass immer alle alles hören können.
  • Darauf achten, dass das Gespräch vor Ort Raum lässt, damit die Teilnehmer im Home-Office sich einbringen können.
  • Wenn möglich, ein digitales Whiteboard nutzen, damit alle alles sehen und bearbeiten können.
    Im Anschluss an das Meeting die Notizen mit allen teilen.

Hier seien vor allem die Führungspersonen gefordert. Sie müssten sich überlegen, was genau der Zweck eines Meetings sei, und entsprechend planen. Dabei gelte es auch, darauf zu achten, den Teilnehmern genügend Pausen zu geben, damit diese nicht vor dem Bildschirm ermüdeten. Ebenfalls eine Option sei es, für gewisse Treffen die Kamera gleich ganz wegzulassen, sagt Melian.

Gerade die Gestaltung der Pausen sei bei hybriden Meetings ein Knackpunkt, findet Schulze. «Die Dynamik vor Ort bleibt eine andere. Während man im Büro in die Kaffeeküche gehen kann, bleiben die Home-Office-Teilnehmer alleine zurück.» Hier könnten ein Bildschirm sowie eine Kamera im Pausenraum Abhilfe schaffen, damit auch am informellen Teil alle teilnehmen könnten. «Eine weitere Möglichkeit wären Telepräsenzroboter. Diese haben den Vorteil, dass sie selbständig von ausserhalb gesteuert werden können und man so einfach mit den Kolleginnen und Kollegen in die Kaffeeküche rollen kann.»

Auch für kleinere Unternehmen umsetzbar

Kleineren und mittleren Firmen fehlen unter Umständen die Ressourcen, um die Büroräumlichkeiten gleich ganz auf Hybrid Work umzustellen. Aber auch hier gibt es einige Dinge, die einfach umgesetzt werden können. «Eine erste organisatorische Massnahme ist, zunächst die Treffen je nach Bedürfnis in den einfachen Settings ‹all are remote› oder ‹all are face-to-face› abzuhalten. In einem nächsten Schritt ist es sinnvoll, einen zusätzlichen Bildschirm für eine bessere Präsenz der Teilnehmer von ausserhalb sowie eine Kamera für die Sprecher vor Ort anzuschaffen.» Auch solle man sicherstellen, dass es genügend kleine Räume oder Boxen im Büro hat, in die sich Mitarbeiter für Video-Calls zurückziehen können.

Vor lauter Büro dürfe man jedoch die Ausstattung der Leute im Home-Office nicht vernachlässigen. «Eine gute Bandbreite, ein grosser Bildschirm sowie separate Kopfhörer und Mikrofone gehören zum Mindestmass an Ausstattung», sagt Schulze. Und am besten habe man auch ein separates Arbeitszimmer zur Verfügung, dass man schliessen könne. «Gerade junge Arbeitskräfte können sich ein solches jedoch oft nicht leisten. Wichtig ist dann, zumindest temporär eine ruhige Arbeitsatmosphäre herstellen zu können.» Auch diese Aspekte gelte es für Unternehmen zu berücksichtigen, wenn sie in Zukunft vermehrt hybride Arbeitsmodelle ermöglichen oder einführen möchten.

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung 

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