04 Mai 2018

Die neuen Führungsrollen lassen weniger Handlungsspielraum zu

Posted in Führung, Leadership

Die Führungsrolle im Spannungsfeld von Barbara Simonsen MBA

Die neuen Führungsrollen lassen weniger Handlungsspielraum zu

Eine Führungsrolle zu übernehmen, mag leicht erscheinen. Aber diese Führungsrolle über längere Zeit so auszufüllen, dass sie zum einen für das Umfeld passt und akzeptiert wird und zum anderen für sich selber stimmig ist und zur persönlichen Zufriedenheit führt, ist eine echte Herausforderung.

Führungsrollen können zur Rollendefinition und zur Rollengestaltung aus mindestens zwei Blickwinkeln betrachtet werden:

  • Die Führungsrolle bewegt sich im Spannungsfeld von widersprüchlichen Erwartungen und muss fortwährend ausgehandelt und angepasst werden.
  • Die Führungsrolle kann als funktionsbezogene Teilrollen verstanden werden - wie klassischerweise als Manager, Stratege, Verhandler, Entscheider, Informant, Problemlöser usw.


Stellen werden beschrieben - Rollen nicht

Während Stellen und Positionen üblicherweise durch Stellenbeschreibungen konkret festgelegt werden, werden Rollen nicht näher erläutert – weder die Rollendefinition, noch die Rollengestaltung.


Jede Führungskraft gestaltet seine Führungsrolle

Wie die Führungsrolle ausgefüllt wird, hängt deshalb in großem Maße davon ab, was jeder Einzelne als Träger seiner Rolle an Kompetenzen, Persönlichkeit, Werten, Bedürfnissen etc. in die Rollengestaltung einbringt. Und der Rollensender – das Unternehmen, die Organisation, die Akteure, das Umfeld – wirken ebenfalls auf die Rollengestaltung ein: durch die Aufgabenstellungen, die Kultur, die Anforderungen und vor allem die expliziten und impliziten Erwartungen.

Bisher bedeutete dies: Jede Führungskraft muss ihre Rolle individuell definieren – auf dem Hintergrund der widersprüchlichen Erwartungen und unternehmerischen Dilemmata.


Rollenklarheit führt zum Handlungsspielraum

Das Ziel einer Rollendefinition ist die Rollenklarheit: Sie ensteht durch das Entdecken des eigenen Handlungsspielraums - inmitten der vielfältigen Erwartungen, die an die Rolle gestellt werden. Nur durch diese Erkenntnis wird die Rolle nicht als starres Korsett empfunden: Die Führungskraft kann einen Korridor des Handelns abschätzen und die Rolle entsprechend prägnanter und persönlicher ausgefüllen.


Führungsrolle mit klassischen Teilrollen

Die klassischen Teilrollen, die mit der Führungsrolle verbunden sind und sich ebenfalls aus den Anforderungen und Erwartungen des Rollensenders ergeben, beziehen sich vor allem auf die Funktionen, die eine Führungskraft einzunehmen hat: Unternehmer, Planer, Steuermann, Organisator, Beurteiler, Verhandler, Entscheider etc. zu sein. Häufig verkörpern sie Aspekte des Managements.


Rollenbeschreibungen statt Stellenbeschreibungen

Durch die Veränderungen der Arbeitswelt und mit einem neuen Führungsverständnis einhergehend (Stichwort: Digital Leadership), werden von den Unternehmen zunehmend konkrete Führungs(teil)rollen vorgegeben: Anstelle oder zusätzlich zu Stellen werden Rollen beschrieben.

Diese Rollenbeschreibungen machen deutlich, welche Erwartungen an das Verhalten und Handeln von Führungskräften gestellt werden: Die Rollenbestimmungen sind sehr viel konkreter und lassen erheblich weniger Interpretationsspielraum als bisher zu. Die Freiheitsgrade der Rollengestaltung sind für den Einzelnen deutlich eingeschränkt.


Unternehmen geben Rollenleitlinien vor

Die Intention der Unternehmen ist klar: Durch die Rollenvorgaben sollen eine bestimmte Unternehmenskultur gepflegt und Commitment erzeugt werden. Sie dienen als Leitlinien und werden als notwendig zur Bewältigung der unternehmerischen Herausforderungen und zur Zusammenarbeit erachtet.

Die präzisen Rollenerwartungen machen auch deutlich, dass es zukünftig mehrheitlich um Funktionen und nicht um Status und Positionen geht.

Und während klassische Führungsfunktionsrollen eher aus der Managementsprache abgeleitet werden, entstammen die neuen Rollen der „Leadership“-Sprache: Facilitator, Coach, Koordinator, Innovator, Change Manager, Vernetzer u.Ä.

Welche Funktion eine Führungsperson auch auszuüben hat, Kommunikation ist eines ihrer wichtigsten Instrumente, um die neue Rolle zu gestalten.


Konkrete Rollenbeschreibungen engen ein

Ob durch die konkreten Rollenbeschreibungen das Gestalten einer Führungsrolle aus Sicht der Führungskraft wirklich erleichtert wird, ist fraglich. Etliche Fragen und Bedingungen müssen sowohl im Voraus wie auch im Führungsalltag geklärt werden, damit die Rollenübernahmen gelingen:

  • Passen die Rollenerwartungen zur Persönlichkeit des Rollenträgers?
  • Hat der Rollenträger die notwendigen Kompetenzen, die geforderten, unterschiedlichen Rollen auszuüben?
  • Weiß der Rollenträger, in welchen Situationen welches Rollenverhalten von ihm gefordert ist und gelingt ihm situativ der Rollenwechsel?
  • Sind die verschiedenen Rollen genügend voneinander abgegrenzt?
  • Wie findet eine Passung statt zwischen den Rollen der Führungskraft und den Rollen der Mitarbeitenden?
  • Wie akzeptieren die Mitarbeitenden die Rollenwechsel einer Führungskraft in unterschiedlichen Situationen?
  • Führen die Rollen zur Wirksamkeit in den verschiedenen Situationen?
  • Passt das erwartete Rollenverhalten für die verschiedenen Herausforderungen bei normativer, strategischer, operative Verantwortung?
  • Wie sehen ggf. Sanktionen aus, wenn sich der Rollenträger nicht gemäß der expliziten Rollenerwartung verhält?


Rollenüberlastung, Rollenidentifikation, Rollenkonflikt

Das Ausüben einer Rolle ist immer mit Fallstricken verbunden – sei es bei klassischen Rollen, sei es bei Rollenzuschreibungen der neuen Arbeitswelt:

  • Rollenüberlastung – durch das Übernehmen von vielen „Rollenspielen“ und durch die Menge der Anforderungen, die mit eigenen und fremden Erwartungen verbunden sind, diese möglichst gleichzeitig und gleichermaßen kompetent ausüben zu müssen
  • Zu wenig Rollendistanz – durch zu starke Identifikation mit den Rollen: Hier wird das Ausüben der Rolle rasch zu einem starren Korsett, oder man findet sich im Hamsterrad wieder. Burn-Out und andere Krankheiten könnten die Folge sein. Nur eine gesunde Rollendistanz ermöglicht durch Selbstwahrnehmung, dass die Rollengestaltung reflektiert, korrigiert und angepasst werden kann.
  • Rollenkonflikte – z.B. durch innere Zerrissenheit zwischen verschiedenen Werten oder zwischen verschiedenen Rollen bzw. durch Rolleneinschränkungen und einem engen Rollenrepertoire.


Rollenübernahme scheitert

Wie bei allen Rollenübernahmen kann diese scheitern. Konsequenzen müssen vor allem dann gezogen werden, wenn …

  • das Unternehmen als Rollensender (Vorgesetzte, Kollegen etc.) die Führungskraft nicht durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützt. (z.B. durch Möglichkeiten zum Lernen oder durch das Tolerieren von Fehlern)
  • Die Führungsperson als Rollenträger nicht über die notwendigen persönlichen, sozialen, methodischen, unternehmerischen Kompetenzen verfügt.
  • der Rollenträger nicht bereit ist, auf die Erwartungen und Anforderungen der Stakeholder klug und angemessen einzugehen.
  • die Rolle sehr eng definiert ist und kein Handlungsspielraum verhandelbar ist.
  • Rollenkonflikte und Rollenüberlastung überhand nehmen.


Chancen von neuen Rollenzuschreibungen nutzen!

Bei allen Schwierigkeiten, die mit den neuen Rollenzuschreibungen verbunden sind, bieten diese auch Chancen, die bei entsprechenden Voraussetzungen genutzt werden sollten:

  • In vielen Unternehmen besteht die Möglichkeit, die neuen Rollen (nur) auf Zeit zu übernehmen. Das bringt Leichtigkeit und Optionen zum Experimentieren.
  • Und: Das Rollenrepertoire kann vergrößert und das eigene Portfolio ergänzt werden! Sehen Sie es als eine große Chance zur Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung!

Über die Autorin

Barbara Simonsen MBA
Führung & Karriere: Karriereeinstieg, Karriereplanung, Übergang in Ruhestand, www.simonsen-management.de

Sie unterstützt Sie als Coach & Beraterin, schwierige Situationen und Übergänge zu meistern: den Einstieg auf die Karriereleiter, die Entwicklung der Berufslaufbahn, den Übergang in den Ruhestand. Zudem ist sie Moderatorin für große Anlässe mit Zukunftswerkstatt, World Café, OpenSpace.

Quelle: INSIDER für kompetente Führung&stimmige Karriereplanung

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