26 Januar 2018

Die große Lüge von der Herausforderung

Posted in Coaching

Warum Arbeit auch langweilig sein muss

Die große Lüge von der Herausforderung

Jeder sucht eine Herausforderung im Job. Mit Recht, sonst wäre es wohl schnell langweilig. Andererseits: Man stelle sich einmal einen Piloten vor, für den eine Landung eine Herausforderung wäre… Wie also umgehen mit einem Begriff, der in der Arbeitswelt so inflationär verwendet wird wie kaum ein anderer?

Arbeit kann manchmal langweilig sein. Stinklangweilig. Und das muss sie auch. Denn bestünde unser Joballtag ausschließlich aus aufregenden Herausforderungen, pushten wir uns ständig ans Limit. Hechelten wir durch den Tag. Mit drastischen Folgen. Für unsere Gesundheit, unser Leben – aber auch für unseren Job. Denn ohne Routine darin geht es einfach nicht. Ein Pilot, der Start und Landung als Herausforderung im Job betrachtet? Ein Arzt, für den die OP eine Herausforderung darstellt? Keine wirklich angenehme Vorstellung, oder?

Achtung, Buzzword!

Dennoch ist die heutige Arbeitswelt vom Buzzword „Herausforderung im Job“ massiv geprägt. Ja, geleitet. Keine Stellenanzeige, keine Jobdescription, keine Aufgabe ohne Herausforderungen. Die sich im Arbeitsalltag dann rasch als leere Worthülsen entpuppen. Schon so manchem hochmotivierten Mitarbeiter entgleisen angesichts anstehender Routinearbeiten im neuen Job die Gesichtszüge. Machen wir uns nichts vor – ein nicht unerheblicher Anteil unserer Arbeit ist Routine.

Seien Sie routiniert!

Bestseller-Autor Volker Kitz bringt es in seinem Buch „Feierabend! Warum man für seinen Job nicht brennen muss“ auf den Punkt: „Wir lieben die Routine bei anderen und hassen sie bei uns selbst“. Weil wir glauben, uns in einer Komfortzone zu bewegen. Die einen beruflichen Stillstand nach sich zieht. Ein Blick in den Duden sollte uns eines Besseren belehren. Er kennt zahlreiche Synonyme für routiniert – die ausnahmslos (!) positiv besetzt sind. Wie wäre es, wenn Sie Ihre Arbeit nicht routiniert, sondern „fachkundig“, „gekonnt“, „gewandt“, „kompetent“, „sachkundig“ oder „versiert“ erledigen? Dann verbirgt sich auch in dem Satz Ihres Vorgesetzten „Das hast Du aber routiniert gemacht“ nicht weniger als Bewunderung für Ihre geleistete Arbeit. Ausruhen sollten Sie sich auf Ihren Lorbeeren aber nicht.

Lassen Sie sich herausfordern!

Seit den 1960er Jahren, die den Beginn der modernen Leistungsgesellschaft markieren, stehen Erfolg und Leistung im Mittelpunkt von Wertschätzung und Anerkennung. HR-Spezialistin und Karrierecoach Karin Tegtmeier erklärt unsere Suche nach neuen Herausforderungen: „’Herausforderungen’ verbinden wir mit Stimulation, Lernen und Weiterentwicklung – und oft wachsen wir tatsächlich an Herausforderungen, und unser Handlungsradius erweitert sich. Herausforderungen sind intellektuell stimulierend und erweitern unsere Handlungsfähigkeit, solange sie nicht in die dauerhafte Überforderung führen.“

Ein attraktives Arbeitsleben sollte also eine Mischung aus Routine und herausfordernden Aufgaben darstellen. Dabei wird zwischen drei Arbeitszuständen unterschieden

  • Komfortzone – vollständige Aufgabenbeherrschung, Sicherheit, Vorhersagbarkeit
  • Lernzone – neue Aufgaben, mehr Komplexität, Erweiterung des Horizontes
  • Panikzone – zu viel Komplexität, Überforderung

Expertin Tegtmeier erläutert: „Etwas Routine in der Komfortzone kann durchaus entspannend und sinnvoll sein. Aber erst der Wechsel zwischen Komplexität und Standardsituationen ist ideal für unser Wohlbefinden und unsere Entwicklung. Wenn Sie im Job nur noch Standardsituationen erleben, sind Sie im beruflichen Stillstand, und Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt stagnieren. Sie sollten sich dann wieder aktiv in Ihre Lernzone bewegen. Das kann unbequem und anstrengend sein – Sie erweitern aber Ihr Handlungsfeld.“

Ja zur Herausforderung im Job – aber ausbalanciert

Um eine ausgeglichene Balance in der persönlichen Einstellung zu Routine und Herausforderung zu entwickeln hat Coach Karin Tegtmeier diese Top-Tipps für Sie zusammengestellt:

  1. Betrachten Sie Ihren Job wertfrei aus der Helikopter-Perspektive
    Was ist mir wichtig? Wenn ich in den nächsten drei Jahren einfach so weitermache, bewege ich mich dann auf mein Ziel zu, oder drifte ich ab? Was will ich ändern?
  2. Betrachten Sie Ihre Work-Life-Balance
    Wo wollen Sie ein Quäntchen zulegen, eher im Job oder eher privat? Was hat jetzt Priorität?
  3. Betrachten Sie Ihre Nachhaltigkeitsbilanz
    Wenn Sie so weitermachen, werden Sie dann in fünf Jahren wahrscheinlich immer noch glücklich und gesund sein? Welche Gesundheitsrisiken sehen Sie auf sich zukommen? Welche Frustrationsrisiken? Was wollen Sie ändern?

Über den Autor

Jörg Peter Urbach ist Autor, Redakteur und Blogger aus Sprachleidenschaft. Seit mehr als 25 Jahren schreibt er. Für Print und Online. Konzepte. Geschichten. Fachartikel. Nach seinem Studium der Musikwissenschaft, Germanistik und Literaturwissenschaft arbeitete Jörg Peter als Editorial Manager im klassischen Musikbusiness. Als langjähriger Chefredakteur des Portals wissen.de weiß er, wie man Leser begeistert und Themen findet.

Wenn der gebürtige Kieler nicht schreibt, durchwandert und fotografiert er die Alpen. Oder lauscht der Oper. Mit Achtsamkeit.

Quelle: experteer-Magazin

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