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15 Mai 2020

Die 4-Tage-Woche

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Wie Sie das Arbeitszeitmodell der Zukunft umsetzen können

Die 4-Tage-Woche

Sie ist sowohl in Unternehmen als auch bei Kollektivvertragsverhandlungen in den letzten Jahren immer öfter ins Zentrum gerückt: die 4-Tage-Woche.

Mit der Einführung des 12-Stunden-Tages wurde dieses Modell als Heilmittel für mehr Arbeitgeberattraktivität hochgelobt, nur gibt es tatsächlich noch wenige Betriebe, die die 4-Tage-Woche umgesetzt haben. Und das obwohl Arbeitnehmer, vor allem junge der Generation Z, aber auch ältere, diesem Modell sehr viel abgewinnen können. Und tatsächlich ist die Einführung einer 4-Tage-Woche kein großes Mysterium. Wir stellen Ihnen hier ein paar Möglichkeiten vor.

Warum die 4-Tage-Woche sinnvoll sein kann

Mal ehrlich … 4 Tage arbeiten, 3 Tage frei haben … hört sich nicht schlecht an! Haupttriebfeder bei jenen Unternehmen und Branchen, die sich mit der 4-Tage-Woche beschäftigen ist erfahrungsgemäß die Arbeitgeberattraktivität. Besonders Vertreter der Generation Z fragen immer öfter nach Freizeitmöglichkeiten und sind weniger als Generationen davor bereit, auch Überstunden und All-in-verträge einzusteigen. Im Zuge eines IFES Umfrage rund um die Einführung des 12-Stunden-Tages hielten damals 73% der 600 befragten unselbständig Erwerbstätigen die 4-Tage-Woche für eine sehr gute oder gute Idee, bei jüngeren Beschäftigten war die Zustimmung mit 84% noch deutlich höher.

Aber auch ältere Beschäftigte sehnen sich nach längeren Freizeiträumen. So wurde etwa die Möglichkeit der 4-Tage-Woche mit einem beinahe Rechtsanspruch in den Kollektivvertrag des Einzelhandels aufgenommen. Diese Regelung soll vor allem jenen zu Gute kommen, die wegen des Gehalts zwar nicht weniger Stunden, aber weniger Tage arbeiten möchten.

Gleichzeitig ist die 4-Tage-Woche aber auch eine Möglichkeit, längere Arbeitstage gut zu nutzen und nicht Gefahr zu laufen, die Höchstarbeitszeiten zu überschreiten. Denn was viele Betriebe gerne vergessen, ist, dass zwar 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche grundsätzlich erlaubt sind. Jedoch über einen Schnitt von 13 Wochen dürfen nicht mehr als 48 Stunden erbracht werden. Und das zu jedem Zeitpunkt der Messung. Eine 4-Tage-Woche mit 4 Tagen zu 12 Stunden löst dieses Problem automatisch. Aber es gibt auch noch andere Optionen, die ebenso beliebt sind.

Variante 1: Die klassische 4-Tage-Woche – Verteilung der Normalarbeitszeit auf 4 Tage

Bei der „klassischen“ 4-Tage-Woche wird die gesamte Wochenarbeitszeit regelmäßig auf vier Tage verteilt wird. Dies müssen nicht zwangsläufig immer die selben Tage sein, aber eben nicht mehr als vier. Hierbei kann die Normalarbeitzeit über Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung (wenn kein Betriebsrat vorhanden ist) auf 10 Stunden ausgedehnt werden, ohne dass dafür Überstunden anfallen. Aber Achtung manche Kollektivverträge regeln, dass die 4 Tage der 4-Tage-Woche zusammenhängend sein müssen, damit hier keine Überstunden anfallen. Bis zu 12 Stunden kann an den Arbeitstagen dann gearbeitet werden, wenn eine entsprechende Betriebsvereinbarung vorliegt bzw. eine Einzelvereinbarung und eine Unbedenklichkeit dieser Überstunden durch die Arbeitsmedizin bestätigt wurde.

In Kombination mit Gleitzeit ist eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf 12 Stunden nur dann zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben auch ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit der wöchentlichen Ruhezeit (Wochenende) nicht ausgeschlossen ist, sodass verlängerte Wochenenden möglich sind sowie die wöchentliche Normalarbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode die wöchentliche Normalarbeitszeit gem. §3 AZG (=40 Stunden) im Durchschnitt nur insoweit überschreiten darf, als Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben vorgesehen sind.

Variante 2: Vollzeitnahe Teilzeit – 32 Stunden an 4 Tagen

Eine andere, nicht minder beliebte Variante, ist eine effektive Verkürzung der Wochenarbeitszeit, etwa auf 32 Stunden. Anders als bei der ersten Variante handelt es sich hier um eine Teilzeitbeschäftigung an 4 Tagen mit jeweils 8 Stunden Normalarbeitszeit. Für Mehrleistungen gelten in diesem Fall die Mehrarbeitszuschläge bzw. ggf. auch Überstunden, vor allem dann, wenn die 11. und 12. Stunde als Normalarbeitszeit nicht zugelassen sind (siehe oben). Ein Überschreiten ist also auch hier möglich. Und auch ein fallweises Arbeiten an einem fünften Tag wäre in diesem Fall nicht verboten. Nur dass diese Stunden dann eben Mehrstunden oder Überstunden sind, die entsprechend abzugelten sind (in Form von Zeitausgleich oder Auszahlung mit den entsprechenden Zuschlägen).

Grundsätzlich wären bei einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auch „sabbatical-ähnliche“ Optionen, etwa eine lange und eine kurze Woche denkbar. Sofern die entsprechenden Voraussetzungen dafür vorliegen (Vereinbarung).

Variante 3: Einarbeiten von Fenstertagen – keine klassische 4-Tage-Woche, aber dennoch attraktiv

Gerade Betriebe, die keine fixen Öffnungs- oder Servicezeiten bedienen müssen, aber von einer regelmäßigen 4-Tage-Woche Abstand nehmen möchten, bietet das Einarbeiten von Fenstertagen eine attraktive Option. Hierbei handelt es sich um ein Verschieben der Normalarbeitszeit. In den Wochen des Einarbeitens geleistete Überstunden gelten daher nicht als Überstunden, sie sind lediglich anders verteilte Normalarbeitszeit.
Das Einarbeiten darf man innerhalb eines Zeitraumes von höchstens 13 zusammenhängenden Wochen verteilen. In diesem Fall darf man die tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden, die wöchentliche auf 50 Stunden ausgedehnen. Auch hierzu sind Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung erforderlich.

Die eingearbeiteten Tage müssen nicht zwangsläufig Fenstertage sein. Es können auch andere Tage einbezogen werden, etwa Tage zwischen Weihnachten und 6. Jänner, der erste Schultag oder ähnliches. Dadurch ergeben sich regelmäßige kurze Wochen mit längeren Freizeiten, ohne dass eine klassische 4-Tage-Woche zum Tragen kommt.

Variante 4: Die Luxus-Option – voller Lohnausgleich bei weniger Arbeitszeit

Zugegebenermaßen ist diese Option vielleicht eine Gewagte, aber nicht unmögliche: Beschäftigte nur mehr 30 oder 32 Stunden bei vollen Lohn zu beschäftigen. Die oberösterreichische Online-Marketing-Agentur emagnetix etwa hat dies getan und damit durchaus gute Erfolge erzielt. Das Unternehmen berichtet darüber auf der eigens eingerichteten Seite www.30sindgenug.at.

In jedem Fall profitieren Arbeitgeber – unabhängig von der gewählten Variante – von höherer Zufriedenheit und einer höheren Attraktivität. Dazu sollten sie sich jedoch auch trauen, das Angebot aktiv nach außen zu kommunizieren. Denn unter der Hand vorhandene, aber wenig bekannte Optionen befeuern in Organisationen meist nur Neidkultur, jedoch nicht Attraktivität. Aus unserer Beratungserfahrung heraus sind wir überzeugt: Die 4-Tage-Woche ist ein wichtiges Arbeitszeitmodell der Zukunft.

Über den Autor

Mag. (FH) Peter Rieder ist Gründer der Arbeitswelten Consulting und begleitet als Berater Unternehmen in den Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Diversity Management und CSR / Nachhaltigkeit. Er ist Mitglied der CSR Consultants Group der WKO, ausgebildeter Berufssprecher und leidenschaftlicher Tauchlehrer.

Quelle: hrweb

24 April 2020

Wenn die Kollegen über das Gehalt bestimmen

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Wenn die Kollegen über das Gehalt bestimmen

Unternehmen experimentieren mit neuen Formen der Bezahlung - und stellen dabei schnell fest: Die Frage nach dem fairen Lohn ist ziemlich komplex.

Bei einem Betriebsausflug der Berliner Agentur Wigwam stellte plötzlich ein Mitarbeiter die Frage, die alles veränderte: "Was würde eigentlich passieren, wenn jeder für sich entscheidet, wie viel er verdienen will?" Das Team war an einen See in Brandenburg gefahren, um über Geld zu sprechen, genauer gesagt: über den Lohn der 21 Mitarbeiter.

Die Sonne schien, die Stimmung war gut, doch die Diskussion zog sich wie Kaugummi. Ein Modulsystem war im Gespräch, aber auf verbindliche Kriterien konnte man sich nicht einigen. Ein Einheitsgehalt? Fanden die meisten dann auch nicht fair. Immer wieder scheiterte die Konsensfindung an Einzelfällen, an ein paar Euro. Hier ging es nicht nur um Geld, sondern um Fragen wie: Welche Arbeit ist wie viel wert? Und welchen Sinn hat Entlohnung überhaupt?

Bei Wigwam entschied man sich dazu, einfach loszulassen: keine allgemeingültigen Regeln aufzustellen und die Verantwortung den Mitarbeiterinnen selbst zu übertragen, es zumindest einmal auszuprobieren. Das Ergebnis war allgemeine Euphorie. "Ganz spontan haben alle einen vierstelligen Betrag auf einen Zettel geschrieben", erzählt Wera Stein, damals Aufsichtsratsvorsitzende von Wigwam. Diese Freiheit war für die meisten aber erst mal ungewohnt: "Plötzlich stand man da vor ganz neuen Fragen: Was trau ich mich zu verlangen? Wie viel darf ich?"

Zusammengerechnet waren die Gehaltsvorstellungen der Wigwam-Mitarbeiter erstaunlich nah am vorhandenen Jahresbudget für Personalkosten. Das mag überraschen, hängt aber damit zusammen, dass Wigwam eine Genossenschaft ist. Alle Arbeitnehmer sind gleichzeitig Arbeitgeber und können als solche frei über das gemeinsame Budget verfügen. Diese Macht bringe aber auch die Verantwortung mit sich, beide Perspektiven einnehmen zu müssen, sagt Wera Stein: "Als Arbeitgeberin muss man sich fragen: Wie viel Geld können wir überhaupt verteilen? Und wie können wir diesen Betrag erhöhen? Als Arbeitnehmer: Wie viel brauche ich, um zufrieden zu sein?"

"Die Leute haben gesagt: Ihr wollt uns bewerten? Ihr wisst ja gar nicht, was wir machen!"

Die Agentur Wigwam ist nicht der einzige Betrieb, in dem die Mitarbeiter in Gehaltsfragen mitentscheiden. Das funktioniert nicht immer so konsensdemokratisch wie bei Wigwam, hat aber im Prinzip denselben Anspruch: betriebliche Entlohnung so zu gestalten, dass sie von den Beschäftigten als fair wahrgenommen wird. Gerechtigkeit wird damit individuelle Ermessens- und Empfindungssache: "Fairness ist gefühlte Gerechtigkeit", schreiben Sven Franke, Stefanie Hornung und Nadine Nobile in ihrem kürzlich im Haufe-Verlag erschienenen Buch "New Pay - Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle".

Von der Bewertung durch Kollegen über kollektive Lohnentscheidungen und selbstgewählte Gehaltsentscheider bis hin zur freien Vergütungswahl reichen diese Modelle. Klassische Institutionen wie Gehaltsverhandlungen, Zielvereinbarungen und gewerkschaftliche Tarifverhandlungen verlieren damit an Bedeutung.

Die neuen Gehaltsmodelle sind auch eine Reaktion auf veränderte Anforderungen der Arbeitswelt, vor allem in der IT- und der Kreativbranche. Dass dort die Arbeitsbeziehungen eher dezentral, selbstorganisiert und möglichst hierarchiefrei strukturiert sind, hängt mit dem Tempo und der Komplexität ihres technologischen und wirtschaftlichen Umfelds zusammen. Dort kann kein Chef der Welt den vollen Überblick über alle Prozesse und Problemstellungen haben, mit denen seine Mitarbeiter gerade beschäftigt sind. Erfolgreiche Führung bedeutet dann auch: loslassen können.

Das gilt auch für Lohnfragen. Wenn ein Chef die Leistung eines Mitarbeiters in einem selbstorganisierten Team bewerten soll, kommt er schnell an seine Grenzen. So ging es jedenfalls Joachim Seibert, Geschäftsführer von Seibert Media, einer Wiesbadener IT-Firma. "Die Leute haben gesagt: Ihr wollt uns bewerten? Ihr wisst ja gar nicht, was wir machen!" Bei Seibert wurden deshalb die "Gehaltschecker" eingeführt, ein demokratisch gewähltes Mitarbeitergremium, das im Streitfall über Gehaltserhöhungen entscheidet.

"Ich glaube nicht, dass es möglich ist, Leistung objektiv zu bewerten."

Nadine Nobile, Mitautorin des Buchs "New Pay", sieht einen grundlegenden Zusammenhang zwischen Dezentralisierung und partizipativen Lohnmodellen: "Wer selbstorganisierte Teams etabliert und Entscheidungskompetenzen delegiert, wird sich früher oder später die Frage stellen müssen, welche Konsequenzen das für die Bestimmung und Entwicklung von Gehältern hat."

Diese Frage wird umso komplizierter, je mehr man sich auf die Forderung einlässt, dass Lohn auch den Wert der Arbeit widerspiegeln soll. Hier zeigt sich ein Dilemma: Gesellschaftlich wichtige und anerkannte Arbeit ist oft unterbezahlt, während man mit gesellschaftsschädigenden Praktiken reich werden kann. An welchen Regeln, welchen Werten soll man sich also orientieren, wenn man versuchen will, Entlohnung besser und fairer zu machen?

Die Wigwam-Belegschaft umging das Problem, Arbeit allgemeingültig bewerten und vergleichen zu müssen, indem sie die Entlohnung nicht am Erfolg, an der Leistung oder am Wert der Arbeit festmachte. Stattdessen orientierten sie sich beim Wunschgehalt an individueller Zufriedenheit. "Das Ziel war: Alle sollten mit ihrem Lohn zufrieden sein und darin die Dinge berücksichtigen, die ihnen wichtig sind", sagt Wera Stein. So schön man diesen Ansatz finden mag, er zeigt auch, wo der Schuh eigentlich drückt: Die Frage nach einem allgemeingültigen Wert der Arbeit ist so problematisch, dass sie auf betrieblicher Ebene nicht gelöst, sondern nur umgangen werden kann.

Zumal auch andere Firmen versuchen, dieser Frage mit Kunstgriffen beizukommen. Die Hamburger PR-Agentur Ministry Group hat ebenfalls ein neues Gehaltsmodell eingeführt. Dort wirken Kollegen an der Festlegung von leistungsabhängigen Gehaltskomponenten mit. Einer objektiven Leistungsbewertung will man jedoch auch bei Ministry aus dem Weg gehen. Chef David Cummins sagt offen: "Ich glaube nicht, dass es möglich ist, Leistung objektiv zu bewerten. Wir müssen zu einer Trennung von Entlohnung und Bewertung kommen." Die Umsetzung dieser Idee besteht bei Ministry allerdings nur darin, Teammitglieder in die gehaltsrelevante Bewertung einzubeziehen und diese vom Feedback zu trennen. Die Bewertung der Leistung wirkt sich also weiterhin auf das Gehalt aus - sie vollzieht sich jetzt nur hinter geschlossenen Türen.

An diesem Beispiel kann man sehen, dass Versuche, Lohnmodelle fairer zu gestalten mit einem Widerspruch konfrontiert sind. Einerseits ist es in einer Marktwirtschaft schwer, ein allgemeingültiges Urteil über faire Entlohnung zu treffen, besonders im IT- und Kreativsektor, wo übliche Standards häufig nicht gelten. Andererseits ist es auch schwer, auf die Idee einer leistungsgerechten Entlohnung zu verzichten, wenn man deren Anreizfunktion nicht aufgeben will. Betriebe, die unter diesen Bedingungen ihre Entlohnung fairer gestalten wollen, lassen sich also auf ein Problem ein, dessen Lösung nur teilweise in ihrer Macht steht.

Autor, Tobias Maier

Quelle: sueddeutsche.de

28 Februar 2020

Vom Booksprint zum Silent Meeting: Wie digitales und analoges Arbeiten miteinander verbunden werden kann

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Artikel von Julia Held und Birgit Wintermann in "ZukunftderArbeit"

Vom Booksprint zum Silent Meeting: Wie digitales und analoges Arbeiten miteinander verbunden werden kann

Unser Team von „Zukunft der Arbeit“ testet gerne. Das ist kein Geheimnis. Wir reden nicht nur über die Zukunft der Arbeit sondern leben sie als Pilotprojekt intern auch täglich. Neue Formate, neue Arten der Zusammenarbeit, wir sind immer offen und neugierig, einfach in den Selbstversuch zu gehen. Unsere Erfahrungen teilen wir genauso gern. Und wir denken, es gibt immer noch viele Arten der Zusammenarbeit, die von gestern sind und die nur darauf warten, von uns und vielen anderen Menschen mit einem offenen Mindset geändert zu werden. Neben einer für uns neuen Art der Publikationserstellung (dem Booksprint) haben wir in diesem Jahr auch das erste Mal eine für uns neue Art des Meetings getestet: Was wir daraus gelernt haben?? Dazu gleich mehr!

Im ersten Halbjahr des Jahres haben wir den Booksprint zur Vereinbarkeit 4.0 erstellt. Wie dies genau ablief, hat Birgit Wintermann bereits für euch zusammengefasst. Diese wunderbare Erfahrung, gemeinsam mit 47 Autoren 50 Beiträge zu erstellen, hat uns bestärkt ein weiteres Format zu testen. Eines, das für uns ganz unerwartet kam:

Das Silent Meeting

Wieso sollten wir ein Treffen initiieren, auf dem man nicht wie gewohnt kommuniziert sondern sich stattdessen teilweise anschweigt? Es kamen viele Fragen auf, als wir uns noch nicht tiefer mit dem Format auseinandergesetzt hatten. Genauere Informationen haben wir über das manifesto zum Silent Meeting gefunden.

Wir haben ein schlagendes Argument gefunden: Stille Arbeitsphasen sind ein Mehrwert für das Ergebnis. Wie oft kommt es dazu, dass man tolle Veranstaltungen oder Workshops besucht, auf denen man aber aus unterschiedlichsten Gründen nicht zu Wort kommt. Weil Monologe gehalten werden oder weil die Diskussion erst richtig in Gang kommt, wenn das Treffen sich schon dem Ende zuneigt.

All diese Stolpersteine, die Ideen oder Impulse unterbrechen können, kann man in Silent Meeting aus dem Weg gehen. DENN: Jeder kommt zu Wort. Nur eben nicht verbal, sondern über die Tasten seines Notebooks, seines Tablets, seines Endgeräts. Alle sind dabei gleichberechtigt. Es kann keine „Alpha-Tiere“ geben. Hört sich zu gut an, um wahr zu sein?

„SUPER!“, haben wir uns gedacht. Zudem haben wir direkt noch eine schriftliche Zusammenfassung aller Gedanken des Tages, alle Impulse auf einen Blick. Wir haben uns dann gefragt, mit wem wir das mal austesten könnten. Da lag der Gedanke nahe, unsere tolle Autoren-Runde aus dem Booksprint zur Vereinbarkeit 4.0 anzusprechen. Und über die Hälfte unserer Autoren haben sich auf den Weg zu uns nach Gütersloh gemacht.

Konferenzraum? Brauchen wir nicht!

Anfang 2018 sind wir auf unsere Open-Space Fläche umgezogen. Welcher Raum bietet sich also besser an, unser Silent Meeting durchzuführen und unseren Raum für noch mehr als unsere tägliche Arbeit zu nutzen? Wir haben also unsere internen Büroraum für viele Externe geöffnet und haben uns damit im wahrsten Sinne des Wortes tolle Ideen ins Haus geholt.

Vorbereitend auf unser Meeting haben unsere Team-Mitglieder Birgit Wintermann, Anke Hoffmann und Dorothee Kubitza für die Externen eine vorbereitende Arbeitsvorlage erstellt – das sogenannte TableRead. Diese führte nicht nur durch den Tag, sie bot auch erste Leitfragen und Thesen und sicherte einen direkten inhaltlichen Einstieg ins Thema – schon vor dem Start der Veranstaltung.

Atmen ist erlaubt!

Nach einer noch verbalen und freundlichen Vorstellungsrunde aller Autoren und unserer Silent Meeter für diesen Tag ging es also in die erste Arbeitsphase und es wurde still um uns herum.

 Den Mitwirkenden fiel es zum größten Teil leicht, in die konzentrierte Arbeitsphase einzusteigen und die Stille wich dem Klicken der Tastaturen. Eine weitere Besonderheit des Meetings und der Arbeitsvorlage, die vorher erstellt wird: Alle arbeiten im gleichen Dokument und sehen live, wie dieses wächst, an welchen Stellen Impulse gegeben, Rückfragen gestellt werden; das Dokument lebt ab der ersten Sekunde und man könnte diese Zusammenarbeit wohl stundenlang weiterlaufen lassen.

Geplant für dieses Meeting waren 3 Arbeitsphasen im Silent Style. Wir sind aber nach 2 Phasen (die erste betrug 40 Minuten, die zweite Phase 30 Minuten) dem Wunsch unserer Gäste nachgekommen und haben die letzte geplante Silent-Phase für eine Diskussion im Plenum genutzt. Unser Learning: Sollte es Regeln für solch ein Format geben, waren wir gewillt, diese im Sinne der Veranstaltung zu brechen.

Unsere Teilnehmer haben uns tolle, positive Rückmeldungen gegeben, aber auch wir haben bemerkt, dass eine „Old School Discussion“ an mancher Stelle keiner digitalen das Wasser reichen kann. Individuell reagieren ist also auch erlaubt!

Einmal ist Keinmal…

Und weil es so schön war, haben wir direkt eine Woche später das Silent Meeting für unsere Expertenrunde Arbeitsrecht genutzt. Es war eine völlig andere Veranstaltung mit anderer Zielsetzung, einem gänzlich unterschiedlichen Teilnehmerkreis. Aber die Erfahrungen waren genauso positiv! Auch für diese Teilnehmer war es das erste Mal, dass sie dieses Format ausprobiert haben – und total überzeugt davon waren! Alle Gedanken konnten einfließen – auch noch im Nachgang. So konnte jeder am Abend nach Hause gehen mit dem Gefühl, alle seine Gedanken einbringen zu können.

Einfach mal machen!

Zusammenfassend können wir dieses Format nur empfehlen, denn:

  • Sowohl online als auch „face to face“ wurden die Hypothesen und offenen Fragestellungen der Veröffentlichung in diesem Meeting live und kollaborativ zusammengetragen und diskutiert,
  • die Begeisterung der Teilnehmer über dieses lebendige und produktive Format führte zu vielen neuen Inhalten,
  • die nun in der Folge vom Team ausgewertet und für die weitere Projektarbeit genutzt werden.

Für die Umsetzung hier noch ein paar praktische Tipps:

  • Überlegt genau, was ihr in der Veranstaltung erreichen wollt. Dabei hilft das im Manifest bereitgestellte Muster für das TableRead. Es kann für alles angepasst werden, zwingt einen aber auch, ganz konkret zu werden. Eine bessere Vorbereitung gibt es nicht!
  • Die Teilnehmer sollten rechtzeitig auf das neue Format vorbereitet werden. Es müssen ja alle ein entsprechendes Endgerät dabei haben – da sollte man ruhig das eine oder andere Mail vorher darauf hinweisen, dass man etwas Neues vorhat.
  • WLAN: Wenn man keine ausreichende Bandbreite bereitstellen kann, macht sich Frust breit. Der Text stockt, es kann nichts eingegeben werden. Also vorher klären, ob die Anzahl an Nutzern auch gut damit arbeiten können.
  • Es sollte ein offenes Online-Dokument für das Table-Read genutzt werden, in dem auch Versionierungen festgehalten werden können. Damit kann man die verschiedenen Stadien und die hinzugekommenen Ideen für die Auswertung besser festhalten. Während der Bearbeitungsphasen haben wir das Dokument auf Vorschlagsmodus gestellt, damit man die Änderungen auch sieht.
  • Wir haben jeweils zwei Silent-Sequenzen durchgeführt, die auch je 30 bis 40 Minuten gedauert haben. Das konzentrierte Arbeiten ermüdet – genauso wie die dann doch schon sehr dichten und inhaltlich tiefen Diskussionen dazwischen und danach. Wir hatten aber in der Planung noch eine dritte Sequenz „in petto“. Das sollte man individuell klären, je nachdem, wie die Stimmung in der Gruppe ist.
  • Für die Teilnehmer sollte auch im Vorhinein ganz klar sein, was im Anschluss mit den Ergebnissen geschieht. Ansonsten besteht das Risiko, dass ein Gefühl aufkommt von:“Jetzt habe ich meine Ideen abgegeben und habe nichts mehr davon…“.
  • Wir haben uns dazu entschieden, das Dokument noch für weitere Bearbeitungen geöffnet zu lassen. Dies haben die Teilnehmer als positiv wahrgenommen. Das gilt insbesondere für diejenigen, die kurzfristig verhindert waren, so aber doch noch teilnehmen konnten.
  • Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren…
  • Und last but not least: Offen sein für alle Entwicklungen!

Über die Autorinnen

Julia Held ist Program Assistent im Programm "Unternehmen in der Gesellschaft" und Teil des Teams von Zukunft der Arbeit. Nach Ende Ihrer Ausbildung bei der Bertelsmann SE & Co. KGaA begann sie 2011 in der Bertelsmann Stiftung. Seit 2015 betreut sie den Blog Zukunft der Arbeit sowie die Social Media Kanäle des Projekts.

Birgit Wintermann ist Project Managerin in der Bertelsmann Stiftung im Programm Unternehmen in der Gesellschaft. Ihr Fokus liegt auf Arbeitsbedingungen in Unternehmen. Im aktuellen Projekt "Betriebliche Transformation in der Digitalisierung" beschäftigt sie sich nach den bisherigen Projekten "Qualitätssiegel Familienfreundlicher Arbeitgeber" und "INQA-Audit Zukunftsfähige Unternehmenskultur" noch intensiver mit der #ZukunftderArbeit. Dabei steht die Entwicklung eines Vereinbarkeit 4.0-Modells im Mittelpunkt.

Quelle: zukunftderarbeit

21 Februar 2020

Home-Office: Wann sich Flexibilität wirklich auszahlt

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Home-Office: Wann sich Flexibilität wirklich auszahlt

Je größer ein Unternehmen wird, desto mehr sinkt die Bereitschaft, Mitarbeitern mit flexiblen Arbeitsmodellen entgegenzukommen.

Eine Frage der Unternehmenskultur

Vor allem in Familienunternehmen wird nach meiner Erfahrung die Bereitschaft großgeschrieben, Mitarbeiter in schwierigen Phasen, wenn beispielsweise ein Angehöriger akut Hilfe benötigt oder die geplante Kinderbetreuung ausfällt, zu unterstützen. Ob die Betroffenen dann zuhause arbeiten können oder anderweitig unterstützt werden - es wird eine Lösung gefunden. Der Begriff Familie bleibt hier keine Theorie, sondern ist gelebte Praxis – die Belegschaft ist Teil des Ganzen. Auch bei inhabergeführten mittelständischen Firmen ist dies oft der Fall.

Je größer jedoch ein Unternehmen wird und je anonymer die Führung agiert, desto mehr sinkt Flexibilität und damit die Bereitschaft, Mitarbeiter mit flexiblen Arbeitsmodellen entgegenzukommen. Dahinter muss nicht einmal böse Absicht stecken: Die privaten Umstände des Mitarbeiters sind einfach nicht bekannt. Darüber hinaus gelten klare Regeln, welche Mitarbeiter wie oft und mit innerhalb welchen Rahmens von zuhause aus arbeiten dürfen. In erster Linie sind das Mitarbeiter im Außendienst, hier hat sich das Modell Homeoffice längst etabliert. Anders stellt es sich beispielsweise im Bereich Marketing dar – Homeoffice ist hier nicht vorgesehen. Und das aus vielfältigen Gründen: Die Mitarbeiter müssen sich regelmäßig persönlich besprechen, sie können zuhause nicht so konzentriert arbeiten oder bekommen gar nicht mehr alles mit, was im Unternehmen geschieht – und können letztendlich nicht wirklich in puncto Arbeitszeit kontrolliert werden.

Startups präsentieren sich in dieser Frage sehr gemischt: Während ein Teil sehr fürsorglich und flexibel auf die Belegschaft eingeht, sehen andere nur die Arbeit am Schreibtisch vor Ort vor, ohne dass es Alternativen gäbe.

Ich jedenfalls bin zutiefst davon überzeugt, dass es auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, Mitarbeitern in besonderen Situationen Homeoffice möglich zu machen.*

Beruhigter zu arbeiten, steigert Leistungsfähigkeit

Stellen Sie sich vor, einer Ihrer Mitarbeiter muss übergangsweise eine pflegebedürftige Angehörige zuhause betreuen. Die alte Dame ist nicht sicher auf den Beinen und es kam schon zu einigen Zwischenfällen. Ihr Mitarbeiter wird also ständig in Sorge sein, dass sie in der Wohnung stürzen und sich verletzen könnte. Er wird automatisch nicht so konzentriert arbeiten können wie sonst. Sagen Sie ihm doch: „Komm, geh nach Hause und arbeite dort weiter“. So kann er sich dort immer wieder mal versichern, dass es seiner Verwandten gut geht oder schnell vor Ort sein, wenn sie Hilfe benötigt. Und in der Zeit, in der er arbeitet, ist kann er sich deutlich besser als im Unternehmen konzentrieren.

Und es gibt noch weitere positive Effekte.

Als Unternehmen attraktiver werden

Mitarbeiter bleiben nachweislich nicht nur länger in den Unternehmen, die ihnen mehr Flexibilität bieten, sondern sind auch engagierter und weniger krank. Und nicht nur das: Oftmals werden aus Mitarbeitern, die so zufrieden sind, auch Botschafter. Unterschätzen Sie nicht, wie wichtig das Image Ihres Unternehmens ist, das Ihre Mitarbeiter in den Freundes- und Bekanntenkreis tragen. An der Zahl der Bewerber können Sie ablesen, ob sich Ihre derzeitigen Mitarbeiter bei Ihnen wohl und verstanden fühlen - oder nicht.

Ich empfehle deshalb, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern mit Flexibilität entgegenkommen. Das muss nicht immer Homeoffice sein, es gibt durchaus andere Möglichkeiten – vom Tandem-Vertrag bis zum Sabbatical. Das kann sich in jedem Fall auszahlen.

Über die Autorin

Prof. Dr. Anabel Ternes von Hattburg, Managing Director, Institut für Nachhaltiges Management IISM, SRH Hochschule Berlin und TU Berlin

Mit Herz, Kopf & Engagement für Digitales & Nachhaltigkeit leitet sie ihr Unternehmen, dazu Forschungs-, Zukunfts- & Leitungsgremien zu Digitalisierung, darunter Arbeit 4.0, Künstliche Intelligenz, Leadership und Gesundheit. Die sozial engagierte Mutter gibt ihr Wissen weiter als Autorin & Speaker.

Quelle: Xing-Insider

07 Februar 2020

Wie funktioniert Vergütung in Zeiten von New Work

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New Pay

Wie funktioniert Vergütung in Zeiten von New Work

Interview. Nadine Nobile berät Unternehmen zu neuen Arbeitsmodellen. Ein Punkt ist das Thema Gehalt. Ihre Idee ist es, dass Mitarbeiter den Lohn bestimmen.

Über Geld spricht man nicht. Das behauptet zumindest eine Redewendung. Geht es nach Nadine Nobile, müssen Mitarbeiter nicht nur über ihr Gehalt sprechen, sie sollten es auch untereinander ausdiskutieren. Nur so könne ein faires Vergütungsmodell entstehen, sagt sie.

Nobile hat mit Sven Franke vor drei Jahren die New-Work-Beratungsfirma Co:x gegründet und ein Buch über New Pay geschrieben. Gründerszene hat mit ihr über mögliche neue Formen der Entlohnung gesprochen.
 

Nadine, was bedeutet New Pay?

New Pay ist die Antwort darauf, wie sich Vergütung gestaltet, wenn Firmen sich auf den Weg zu New Work machen. Bei New Work wird immer über Methodik, Tools und Strukturen diskutiert, aber über das Thema Vergütung so gut wie gar nicht. Und wenn sich Kompetenzen und Strukturen innerhalb eines Unternehmens verändern, muss man sich auch die Frage stellen, ob das Konsequenzen für die Vergütung hat.

Wie wird Vergütung in Zeiten von New Work bestimmt?

New Pay braucht Partizipation. Das funktioniert in Unternehmen, bei denen alle Menschen mit gestalten, auch beim Thema Vergütung. In einem hierarchischen System geht das nicht. Egal, wie wenig Hierarchien die Firma hat, dort ist die Kultur anders. Der Prozess hin zum neuen Entgeltsystem muss mit der Art der Kultur und der Arbeitsweise einhergehen. Wenn jemand auf die Idee kommt, einfach mal transparente Gehälter einzuführen, was schon einige Firmen gemacht haben, dann wird man richtig auf die Fresse fallen. Weil das noch nicht zur Kultur des Unternehmens passt und den Angestellten keinen wirklichen Mehrwert bietet.

Sollten Vergütungsmodelle immer auf Leistung und Zeit basieren?

Ich bin davon überzeugt, dass es ganz unterschiedliche Formen gibt, sich sein Modell zu erschließen. Leistung hat in vielen Unternehmen einen großen Stellenwert. Die Schwierigkeit liegt aber darin, die Leistung konkret zu definieren und ins Verhältnis zu anderen Mitarbeitern zu stellen. Hinzu kommt, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der die Präsenzkultur sehr etabliert ist. Das wird sich aus meiner Sicht nicht ändern, so lange wir auch Arbeitsstunden vergüten. Ein Entlohnungssystem selbst kann nicht wertschätzen. Ein Entlohnungssystem ist ein Regelsystem, und Regeln basieren auf Entscheidungen. Deshalb sollte sich das System im Idealfall nach Fairness richten.

Du hast also keine allgemeingültige Formel, wie Unternehmen ihr Vergütungsmodell alternativ aufbauen können?

Nein, die habe ich nicht. Es ist wichtig, dass eine Organisation und deren Menschen sich selbst darüber Gedanken machen müssen, was für sie stimmig erscheint. Was für Software-Startups funktioniert, muss nicht für Dienstleister oder den Einzelhandel funktionieren. Manche Unternehmen haben ein Einheitsgehalt, manche ein Wunschgehalt, und manche entwickeln eine Gehaltsformel anhand von Faktoren wie die Fachexpertise. Im Vergleich zu traditionellen Entlohnungsmodellen ist New Pay permanent im Beta-Status. Es wird nie perfekt sein und muss kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Wunschgehalt heißt, dass das gesamte Team über das Entgelt jedes einzelnen Mitarbeiters abstimmt. Was bedeutet Einheitsgehalt?

Jeder in der Organisation verdient genau das Gleiche. Egal, was er tut und wie lange er schon dabei ist. Arbeitet eine Person in Teilzeit, wird das Einheitsgehalt entsprechend heruntergerechnet. Der Einzige, der mehr verdient, ist der Geschäftsführer. Weil er als Eigentümer haftet und dieses Risiko auch vergütet bekommen soll.

Was ist sinnvoller: Einheitsgehälter oder individuell abgestimmte Gehälter?

Auch das hängt vom Unternehmen ab. Entlohnungsmodell setzen ja auch Signale. Von Vergütungssystemen geht immer eine Wirkung aus, auch auf das Verhalten von Mitarbeitern oder Job-Interessenten. Ein statisches System beispielsweise lässt nicht viel Mitbestimmung zu und zieht eher Mitarbeiter an, die einfach nur eine Aufgabe haben und ihren Kühlschrank füllen wollen.

Wenn Firmen ein alternatives Entlohnungsmodell einführen, wird es immer Leute geben, die nach den neuen Regeln weniger verdienen würden. Wie kann man das lösen?

In Deutschland darf man seinen Angestellten nicht auf einmal weniger zahlen – es sei denn, man kann Minderleistung nachweisen. Bisher haben es Unternehmen so gemacht, dass sie das Gehalt von denen eingefroren haben, die zu viel verdienen. So lange, bis sie vom Entwicklungsstand wieder an dem Punkt sind, wo sie nach den neuen Regeln stehen würden. Es bleibt allerdings die Frage, wie weit sie davon entfernt sind und ob sie das jemals erreichen werden.

Warum reden wir so ungern über unser Gehalt?

Zum einen ist das kulturell geprägt. In einigen Ländern haben die Menschen deutlich weniger Hemmungen, über ihr Gehalt zu sprechen. In Deutschland sind Gespräche über das Gehalt mit Scham besetzt. Die Leute fragen sich, ob sie ihr Gehalt wirklich verdient haben und fühlen sich teilweise schlecht, gerade Manager mit sechsstelligen Gehältern. Andererseits haben einige Leute Angst, dass ihr Verdienst Neid hervorrufen könnte. Wenn sie selbst mehr verdienen oder andere mehr bekommen. In unserer Kultur ist Erfolg immer noch sehr stark an gehaltliche Entwicklungen geknüpft. In Zukunft sollten Leute nach weniger Arbeitszeit fragen.

Ich habe lange nicht gewusst, was meine Eltern verdienen. Aber kenne von vielen Freunden das Gehalt. Ist das ein Generationenproblem?

Ältere tun sich schwerer damit, über ihr Gehalt zu reden als jüngere Personen. Ich kenne auch Frauen in meinem Alter, die mit ihrem Mann gar nicht über ihr Gehalt sprechen können, weil sie wissen, dass sie deutlich mehr verdienen als er. Sie gehen davon aus, dass ihn das in eine Identitätskrise führt. In unserer Kultur ist der Mann immer noch der Versorger.

Über die Autorin

Lisa Ksienrzyk ist seit September 2017 Mitglied im Redaktionsteam von NGIN Food und Gründerszene. Vorher schrieb sie für verschiedene Online-Magazine, darunter Stern.de, und ist freie Mitarbeiterin bei diversen Berliner Stadtmagazinen. Ksienrzyk studierte Publizistik, Englisch und Interkulturelle Kommunikation in Berlin, Frankfurt (Oder) und Paris.

Quelle: Gründerszene

24 Januar 2020

Weshalb Unternehmen 2020 um New Work nicht herumkommen

Posted in Mind

Weshalb Unternehmen 2020 um New Work nicht herumkommen

Gerade im IT-Bereich ist der Fachkräftemangel groß. HRler müssen deshalb beim Recruiting von IT-Spezialisten neue Wege gehen – zum Beispiel mit New Work.

Bereits zwischen 1976 und 1979 wurde durch den österreichisch-amerikanischen Philosophen und Sozialwissenschaftler Frithjof H. Bergmann der Begriff „New Work“ als klarer Gegenentwurf zum Kapitalismus definiert. In seiner modernen Ausprägung beschreibt das Konzept „Neue Arbeit“ vornehmlich eine neue Freiheit bei der Wahl und der Ausübung bezahlter Arbeit. Diese wird insbesondere von IT-Experten eingefordert, die aufgrund ihrer ausschließlich digital erbrachten Tätigkeiten bereits jetzt vollkommen orts- und zeitunabhängig arbeiten – und sich angesichts der hohen Nachfrage auch den Umfang ihres jeweiligen „Workload“ aussuchen können.

Die Zeit drängt

Berücksichtigen HR-Verantwortliche und Recruiter bei ihrer Recherche diese Erwartungen nur vordergründig oder überhaupt nicht, werden sie – und das gesamte Unternehmen – über kurz oder lang ins Hintertreffen geraten. Für deutsche Unternehmen sieht es bereits ziemlich kritisch aus: Laut dem Statistischen Bundesamt gaben 2018 rund 64 Prozent aller Firmen an, Schwierigkeiten zu haben, offene Positionen mit IT-Fachkräften zu besetzen. Die Folge daraus ist, dass die betroffenen Arbeitgeber einen enormen Nachteil in der Wettbewerbsfähigkeit erfahren. Insgesamt waren das 82.000 offene Stellen, ein enormer Anstieg zum Vorjahr, als bereits 55.00 Arbeitsplätze unbesetzt waren. Dementsprechend sollten sich nicht nur Personaler, sondern auch IT-Führungskräfte auf allen Ebenen mit dem Begriff „New Work“ und den abzuleitenden Maßnahmen beschäftigen.

„New Work“ umfasst mehr als einen Kickertisch, freie Getränke und eine Obstschale

Tatsächlich ging Professor Bergmann in seiner ursprünglichen Betrachtung davon aus, dass das „Job-System“ am Ende sei und definierte Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft als zentrale Werte des „New Work“-Paradigmas. Markus Väth fügte in seiner „New Work Charta“ noch Sinn und Entwicklung hinzu. Dieser höchst anspruchsvollen Erwartungshaltung lässt sich nicht mehr mit kosmetischen Korrekturen und einfachen Goodies begegnen, hier ist echtes Umdenken gefragt. Mittlerweile arbeiten überdurchschnittlich viele IT-Spezialisten als Freelancer, suchen sich als „digitale Nomaden“ ihren jeweiligen Arbeitsort, passende Projekte und die präferierte Arbeitszeit selbst aus. Damit sich diese Zielgruppe wieder längerfristig in einen Unternehmenskontext – angestellt oder freiberuflich – einfügt, müssen ungemein attraktive Vorteile winken. Wir müssen bei der Suche dieser Aspekte nun aber nicht das Rad neu erfinden – gehen wir einfach die einzelnen Punkte der „New Work Charta“ durch und finden IT-spezifische Anknüpfungspunkte für HR-Verantwortliche:

Freiheit

Diese bezieht sich sowohl auf Experimentier- als auch auf Angstfreiheit. Spielerisches Ausprobieren ohne Druck fördert gerade im IT-Kontext überraschend simple Lösungen für komplexe Probleme zutage. Schaffen Sie entsprechende Freiräume – sowohl zeitlich als auch buchstäblich räumlich. Zudem sollten Sie die Vernetzung mit anderen Experten und Abteilungen aktiv fördern.

Selbstverantwortung

Insbesondere IT-Spezialisten beschäftigen sich täglich mit Strukturen und Prozessen – ermöglichen Sie ihnen also, sich selbst zu organisieren, Budget-Verantwortung zu übernehmen und auch am Erfolg beteiligt zu werden. Zusätzlich sollte eine konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen etabliert werden, die auch wirklich ihren Namen verdient.

Sinn

Zugegeben: Die Programmierung einer Schnittstelle oder das Anbinden von Warenwirtschaftssystemen an E-Commerce-Applikationen taugen noch nicht als erschöpfende Sinn-Stifter für Digital Natives. Um neben der operativen Tagesarbeit aber auch einen gesellschaftlichen Sinn vor Augen zu haben, beziehen Sie Ihre IT-Experten – und natürlich auch den „Rest“ der Belegschaft – in die Kreation der Unternehmensidentität mit ein. Im IT-Kontext bietet sich direkt das vorteilhafte Verlagern von ressourcenintensiven analogen Prozessen in die virtuelle Welt an. Aufgaben- und Abteilungsübergreifend geben sich New-Work-Organisationen auch soziale, ökologische Ziele und Visionen, die durch einen Teil des erwirtschafteten Umsatzes gefördert oder überhaupt ermöglicht werden.

Entwicklung

Reichte es bisher, Experten und Führungsnachwuchs mehr Geld und/oder mehr Verantwortung in Aussicht zu stellen, fordern digitale Wertschöpfer explizit Weiterentwicklungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten auf hohem Niveau ein. Hier müssen Sie sich von der Furcht lösen, dass gerade IT-Mitarbeiter Weiterbildungen, Seminare und Zertifizierungen nur absolvieren, um ihren Marktwert zu erhöhen und dann schnellstmöglich das Weite zu suchen. Vielmehr wirken regelmäßige Know-how-Updates einerseits als Wertschätzung der jeweiligen Person, andererseits als lohnende Investition in Richtung des unternehmensinternen Wissens-Pools. Gleichfalls bezieht sich der Punkt Entwicklung auf das kollektive Hinterfragen und Optimieren der Organisationsstruktur und der Kommunikations- und Entscheidungswege.

Soziale Verantwortung

Bereits unter „Sinn“ grundsätzlich angerissen, geht der Punkt „Soziale Verantwortung“ noch weiter. Hier dreht sich alles um eine Unternehmens- und Wertschöpfungsform, die sich an nachhaltigen, sozialen und ökologischen Standards orientiert, sich regional verankert und freiwillig gesellschaftliche Aufgaben übernimmt. Dazu gehört übrigens auch, die Steuern dort zu zahlen, wo Mehrwert geschaffen wird. Insbesondere die regionale Einbindung und Verwurzelung liefert überzeugten ortsunabhängigen digitalen Nomaden schlagkräftige Argumente, sich vielleicht doch für eine längere Zeit am Unternehmensstandort niederzulassen. Markus Väth geht in seiner Charta auch explizit auf das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns ein. Dieses gewinnt ebenfalls im IT-Kontext besondere Bedeutung, da nicht nur unter ehemaligen Hackern ein ausgeprägter Gerechtigkeits-Ethos herrscht, der entsprechend gewürdigt werden will.

Fazit

Das „New Work“-Paradigma bezieht sich – auch unter Berücksichtigung der ursprünglichen Version – natürlich nicht ausschließlich auf die mittlerweile dringend benötigten IT-Experten. Nichtsdestotrotz legen diese besonders viel Wert auf die aufgeführten Aspekte. Zudem bietet die fast vollständig digital ablaufende Wertschöpfung im IT-Bereich vielseitige Möglichkeiten, Pilotprojekte anzustoßen und auszuwerten – und die Resultate dann im größeren Unternehmens- oder Konzernrahmen zu verwerten.

Über den Autor

Alexander Schlomberg ist Managing Director Co-Founder bei Expertlead. Schlomberg hat einen Doppel-Abschluss in BWL und VWL von der Stockholm School of Economics. Nach der Uni hat er zunächst für drei Jahre als Unternehmensberater bei McKinsey gearbeitet, inbesondere an Projekten zu digitalen Transformationen.

Quelle: Human Ressources Manager

27 Dezember 2019

Psychologische Grundlagen in der Führung virtueller Teams

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Psychologische Grundlagen in der Führung virtueller Teams

Um in der heutigen globalisierten und digitalisierten Welt wettbewerbsfähig zu sein, müssen viele Organisationen ihre Wertschöpfungsaktivitäten international koordinieren. Dies resultiert darin, dass sie Teams einsetzen, deren Mitglieder in unterschiedlichem Maße Technologien nutzen, um über räumliche, zeitliche und organisationale Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten und voneinander abhängige Aufgaben erfüllen – sogenannte virtuelle Teams. Diese sind heutzutage weit verbreitet und eine normale Form der Zusammenarbeit in vielen Organisationen. In der Forschung hat sich eine Differenzierung bezüglich folgender Facetten etabliert:

  • Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT): Es handelt sich dabei um klassische IKT (E-Mails, Telefonkonferenzen, …) und neuere Formen (Kollaborationsplattformen, firmeninterne soziale Netzwerke, …). Die einzelnen IKT lassen sich anhand der Kriterien Reichhaltigkeit (wie viele verschiedene Informationen ein Medium übermitteln kann) und Synchronität (Ausmaß, in dem ein Medium eine gleichzeitige, nicht zeitversetzte Kommunikation ermöglicht) beschreiben (Kirkman & Mathieu, 2005). Anders als im alltäglichen Sprachgebrauch werden Medien mit einer geringen Reichhaltigkeit und geringen Synchronität als virtuell beschrieben. Wenn ≥90% der Gesamtkommunikation im Team durch IKT stattfindet, sind deutlich negative Effekte auf die Aufgabenleistung und das Commitment der Teammitglieder zu erkennen (Johnson, Bettenhausen & Gibbons, 2009).
  • Geographische und temporale Distanz: Hier geht es um die Verteilung der Mitarbeiter auf verschiedene Standorte, die geographische sowie temporale Distanz (Zeitunterschiede zwischen den Arbeitsorten).
  • Kulturelle Diversität: Die kulturellen Hintergründe der Teammitglieder können sich in unterschiedlichen Wertevorstellungen, Normen und Einstellungen manifestieren. Relevant ist hierbei aber auch die im Team verwendete Kommunikationssprache.

Sozialer Identitätsansatz der Führung

Führung ist ein wichtiger Faktor, um die Effektivität der Zusammenarbeit in virtuellen Teams zu gewährleisten. Doch wie sieht wirksame Führung im virtuellen Kontext aus? Den meisten Führungstheorien liegt eine individualistische bzw. dyadische Perspektive zugrunde, die bewirkt, dass sie die Führung von Teams nicht vollständig erklären können. Ein Modell, das sich explizit auf den sozialen Kontext des Teams fokussiert, ist der soziale Identitätsansatz der Führung (Haslam et al., 2011). Dieser postuliert, dass es erfolgreichen Führungskräften gelingt, den Gruppenmitgliedern die gemeinsame Gruppenmitgliedschaft ins Bewusstsein zu rufen und eine mit den Teammitgliedern geteilte soziale Identität zu entwickeln und zu gestalten.

Grundlegend für diesen Führungsansatz ist der soziale Identitätsansatz, der bezüglich des Selbstkonzepts einer Person zwischen der personalen und sozialen Identität unterscheidet (Turner, 1982). Die personale Identität ist das Wissen, das eine Person über sich selbst hat (eigene Kompetenzen, Werte, Einstellungen etc.). Die soziale Identität besteht aus den Merkmalen der Gruppen, denen die Person angehört („Gruppenprototyp“: Normen, Einstellungen und Verhaltensweisen).

Wenn einer Person – z. B. aufgrund der Ansprache der Führungskraft „Liebes Marketing-Team, …“ – die eigene Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe bewusst wird, findet ein Prozess der Depersonalisierung statt. Dieser bewirkt, dass sich Personen in der Situation weniger als unabhängige Individuen verstehen, sondern stärker als Mitglieder der spezifischen Gruppe. Daraus resultiert, dass das Denken, Fühlen und Handeln der Personen durch ihre situativ aktivierte, soziale Identität beeinflusst werden und sie sich entsprechend dem Gruppenprototypen verhalten. Dies legt die Basis für soziale Einflussprozesse wie Teamführung.

Identitätsführung als Ansatz zur Führung virtueller Teams

Eine hohe Virtualität der Teamarbeit kann zu Schwierigkeiten beim Teilen von Wissen und Informationen führen sowie die Kommunikationsfrequenz und -qualität verringern. Besonders der geringere persönliche Kontakt kann dazu führen, dass die gemeinsame Teammitgliedschaft sowie die Aufgaben und Ziele des Teams den einzelnen Mitgliedern in virtuellen Teams weniger präsent sind als in konventionellen Teams und Bindungen zu anderen Teammitgliedern nur schwer aufgebaut werden können.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass gerade für virtuelle Teams die Identitätsführung besonders relevant ist. Identitätsführung stärkt die gemeinsame soziale Identität und schafft ein geteiltes Verständnis der Aufgaben und Ziele des Teams. Dadurch rücken diese in den Fokus und werden von den Teammitgliedern als ihre persönlichen Ziele empfunden. Dies motiviert sie, sich gemeinsam für die Ziele einzusetzen und sich gegenseitig zu unterstützen – unabhängig von Ort und Zeit. Die Identitätsführung bewirkt, dass die eigene Mitgliedschaft im Team emotional positiv besetzt wird, was die Zufriedenheit der Teammitglieder steigert.

Die Wirksamkeit der Identitätsführung erweist sich jedoch davon abhängig, wie stark die Führungskraft virtuelle Medien zur Führung ihres Teams einsetzt. Je höher die Häufigkeit der Mediennutzung und je höher die Virtualität dieser Medien ist (im Sinne einer geringen Reichhaltigkeit und geringen Synchronität der Informationsvermittlung), desto wirksamer ist die Identitätsführung bei der Steigerung der Leistung des Teams und der individuellen Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter.

Implikationen für die Praxis

Aufgrund des Einflusses der Mediennutzung sollten Führungskräfte wissen, wie sie die vorhandenen Medien mit ihren Limitationen nutzen können, um die gemeinsame soziale Identität im Team zu stärken und die Ziele ihrer Kommunikation zu erreichen. Dies umfasst die Art der Kommunikation, aber auch die zielgerechte Auswahl der Medien.

Allgemein ermöglicht die Wahl synchroner und reichhaltiger Medien einen intensiven Austausch zu komplexen Sachverhalten (z. B. Videokonferenzen). Bei Aufgaben mit geringer Komplexität, die jeder Gesprächsteilnehmer unabhängig von den anderen erledigen könnte (z. B. reine Sammlung von Ideen), kann der Einsatz synchroner Medien die Produktivität jedoch dadurch beinträchtigen, dass nicht mehr als eine Person zur gleichen Zeit sprechen kann.

Unternehmen können ihre Führungskräfte und Mitarbeiter in virtuellen Teams unterstützen, indem sie ihnen Trainingsangebote zu Verfügung stellen. Zum einen können Workshops für virtuelle Teams angeboten werden, in denen spezifische Modelle der erfolgreichen Kommunikation in dem jeweiligen Team erarbeitet werden. Hilfreich sind zum anderen aber auch gezielte Führungstrainings, in denen Führungskräfte darin geschult werden, wie sie die Prinzipien der Identitätsführung in die Führungspraxis übersetzen können. Haslam et al. (2011) nennen dazu die folgenden drei Kernkompetenzen:

  • Reflektieren: Teammitglieder kennenlernen und bisherige Gruppenprototypen explorieren
  • Repräsentieren: Den Eindruck bei den Teammitgliedern schaffen, dass die Führungskraft den Gruppenprototypen repräsentiert
  • Realisieren: Die soziale Identität des Teams aktiv gestalten und die Zielerreichung unterstützen


In den Trainings sollte darauf eingegangen werden, wie Führungskräfte ihren Mitarbeitern den Eindruck vermitteln können, dass sie sich für das Team und die gemeinsamen Ziele einsetzen. Führungskräfte können in solchen Trainings auch lernen, welche Art von Aktionen und Teamevents sie einsetzen können, um die Teammitglieder näher zusammenzubringen, die Kooperation zu stärken und die gemeinsame soziale Identität zu gestalten. Auch durch den Einsatz besonderer Meeting-Formen, wie man sie beispielsweise aus agilen Ansätzen wie Scrum kennt, können diese Ziele besser erreicht werden.

Aus diesen Erkenntnissen lassen sich ebenfalls Implikationen für die Auswahl von Führungskräften zur Neuanstellung oder Versetzung in virtuelle Teams ableiten. Auf Grundlage der Wirksamkeitsbelege der Identitätsführung erscheint es gerechtfertigt, bei solchen Personalentscheidungen zu überprüfen, inwiefern die Kandidaten die Prinzipien der Identitätsführung umsetzen können. Bei externen Bewerbern ist diese Einschätzung bei Übungen in Assessment Centern (z. B. Rollensimulation, Präsentation, …) möglich. Darüber hinaus konnten Kompetenzen identifiziert werden, die erfolgskritisch für die Führung virtueller Teams sind (Kompetenzen in der Auswahl von und Umgang mit IKT, interkulturelle Kompetenz, Kompetenzen zur Gestaltung von effektiver Teamarbeit; Schulze & Krumm, 2016). Auf Basis dieser sollten bestehende Kompetenzprofile weiterentwickelt werden, damit sich Maßnahmen der Personalauswahl & -entwicklung daran orientieren können.

Quellen & weiterführende Literatur

Haslam, S. A., Reicher, S. D. & Platow, M. J. (2011). The new psychology of leadership: Identity, influence and power. New York, NY: Psychology Press.

Johnson, S. K., Bettenhausen, K. & Gibbons, E. (2009). Realities of working in virtual teams: Affective and attitudinal outcomes of using computer-mediated communication. Small Group Research, 40 (6), 623-649.

Kerschreiter, R. & van Dick, R. (2017). Führung in Gruppen: Der soziale Identitätsansatz der Führung [The social identity approach to leadership]. In D. Frey & H. W. Bierhoff (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie (Bd. Sozialpsychologie 3, S. 718-743). Göttingen, Deutschland: Hogrefe.

Kirkman, B. L. & Mathieu, J. E. (2005). The dimensions and antecedents of team virtuality. Journal of Management, 31 (5), 700-718.

Schulze, J. & Krumm, S. (2016). The „virtual team player“: A review and initial model of knowledge, skills, abilities, and other characteristics for virtual collaboration. Organizational Psychology Review, 7, 66-95.

Turner, J. C. (1982). Towards a cognitive redefinition of the social group. In H. Tajfel (Hrsg.), Social identity and inter-group relations (S. 15-40). New York, NY: Cambridge University Press.

van Dick, R. & West, M. A. (2013). Teamwork, Teamdiagnose, Teamentwicklung. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.

Über den Autor:

Florian Schnitzler ist Psychologe und Berater bei der Unternehmensberatung Kienbaum. Seine Leidenschaften sind die Themen New Work, Digitale Transformation, Führung und Agilität. In seiner Funktion bei Kienbaum ist er zum einen als Trainer in Projekten zur Führungskräfte- und Personalent-wicklung tätig, zum anderen berät er Unternehmen beim Auf- und Ausbau von Lern- und Entwick-lungslandschaften sowie in Change- und Kulturwandel-Projekten.

Quelle: ZukunftderArbeit

13 Dezember 2019

"Wework will das Firmenbüro ersetzen, wir nicht"

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Coworking als Ergänzung zur Unternehmenszentrale

Porträt. Über Upflex bekommen Firmen flexiblen Zugang zu Coworking. Das soll auch gut für die Umwelt sein. Seit Kurzem ist das New Yorker Startup auch in Deutschland aktiv.

Mehr als jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland braucht für den täglichen Arbeitsweg insgesamt mehr als eine Stunde. Das hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung im Jahr 2018 herausgefunden. Genau um diese Arbeitnehmer geht es dem New Yorker Remote-Work-Anbieter Upflex, der vor Kurzem seinen Dienst in Deutschland gestartet hat. Weitere europäische Länder sollen folgen.

CEO von Upflex ist Christophe Garnier. Der Franzose kommt selbst aus dem Coworking-Bereich, fünf Jahre betrieb er sein eigenes Space in New York. Viele der Mieter dort seien ständig unterwegs gewesen, erzählt er im Gespräch mit Gründerszene. Also gründete er ein Netzwerk mit anderen Coworking Spaces, die seine Mitglieder auf Reisen mitbenutzen konnten.

Daraus entwickelte sich die Idee zu Upflex, das Firmen flexiblen Zugang zu Coworking bietet. Mit dem Service können Unternehmen einerseits ihre Mitarbeiter auf Dienstreise mit Arbeitsplätzen versorgen. Andererseits richtet sich das Angebot auch an Mitarbeiter, die einen langen Anfahrtsweg haben. Für Upflex-CEO Garnier ein wichtiger Unterschied zu anderen globalen Coworking-Ketten wie etwa Wework, Rent24 oder Mindspace. „Wework will das normale Büro ersetzen, wir nicht. Wir wollen den Mitarbeitern eine Alternative bieten, damit sie nicht jeden Tag ins Büro kommen müssen.“ Stattdessen können sie von einem Coworking Space arbeiten, der nahe an ihrem Zuhause liegt. Das soll nicht nur Nerven, sondern auch CO2 sparen, sagt Garnier.

Aktuell konzentrieren sich Garnier und sein Team auf das B2B-Geschäft. Kleine Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern zahlen 299 Euro im Monat für das Basispaket. Darin sind 60 Stunden inbegriffen, für jede weitere Stunde zahlen die Unternehmen fünf Euro. Maximal jedoch zahlen sie den Preis, den ein Monatsabo im Coworking Space kosten würde, so Garnier. Geld verdiene Upflex nur über die Vermittlung der Tages- und Wochenpakete, nicht jedoch mit den monatlichen.

Vor 18 Monaten startete der Service in den USA, mittlerweile arbeitet Upflex nach eigenen Angaben mit mehr als 4.000 Coworking Spaces in 60 Ländern zusammen. Zu den deutschen Kunden zählen etwa Startups wie Infarm oder Kontist.

 

Über die Autorin

Sarah Heuberger ist Teil der Gründerszene-Redaktion. Über Startups und Tech-Themen schrieb sie bereits für verschiedene Medien wie etwa WIRED Germany und Berlin Valley. Vorher studierte sie Kulturwissenschaften in Lüneburg, Bilbao und Göttingen.

Quelle: gruenderszene.de

06 Dezember 2019

Aufbruch zu neuen Arbeitswelten

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Die Rolle von Human Ressources (HR)

Aufbruch zu neuen Arbeitswelten

Desk Sharing, Coworking und Mobile Office: Arbeitsweisen sind immer stärker vom festen Einzelarbeitsplatz losgelöst. Um dieser Flexibilität gerecht werden zu können, kommt der konkreten Bürogestaltung eine zunehmende Bedeutung zu. Damit die neuen Räume optimal auf die neuen Arbeitsformen abgestimmt sind, muss HR die Verantwortung übernehmen und sich der neuen Arbeitswelt annehmen.

Unser Arbeitsalltag beginnt längst nicht mehr mit dem Betreten des eigenen Büros oder mit dem Einstempeln. Schon auf der Bahnfahrt zur Arbeit verschaffen wir uns auf dem Smartphone einen Überblick über anstehende Termine und beantworten erste Mails, beim Kaffee mit der Kollegin entwerfen wir eine neue Idee, auf dem Weg zum Schreibtisch informieren wir uns mit einem Blick aufs Board über den Entwicklungsstand verschiedener Projekte. Somit haben wir schon einiges erledigt, bevor wir uns überhaupt auf einen häufig frei gewählten Bürostuhl setzen.

Die Art und Weise, wie ein Großteil der Mitarbeiter heute arbeitet, ist immer seltener an einen festen Arbeitsplatz gebunden. Verschiedene technische Entwicklungen und neue Kulturtechniken ermöglichen und erfordern immer mehr Mobilität – im kleinen Wechsel zwischen Kreativzonen, Besprechungsräumen und Stillarbeitsplätzen und im großen Wechsel zwischen Arbeiten zu Hause, auf der Bahnfahrt oder im Coworking Space. Weder isolierte Einzelbüros mit verschlossenen Türen noch legebatterieartige Großraumbüros können dieser zunehmend flexiblen Arbeitsweise gerecht werden. Neue Büros sind deshalb nicht nur schöner, sondern bringen diese geänderten Arbeitsbedingungen einerseits zum Ausdruck und unterstützen sie andererseits, so gut es geht. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss HR eine zentrale Rolle in der Planung und Umsetzung von Büroeinrichtung einnehmen, denn HR gibt den Rahmen und die Richtung für die neuen Arbeitsweisen vor. HR muss deshalb dafür Sorge tragen, dass die Räume so gestaltet sind, dass die eigenen Strategien und Arbeitsweisen ihren Platz finden.

Doch nochmal einen Schritt zurück: Was sind diese neuen Arbeitsbedingungen und welche Rolle spielt HR dabei genau?

Nicht einmal die Hälfte der Arbeitszeit wird in Einzelarbeit geleistet

Im bundesweiten Durchschnitt werden nur 44 Prozent der Arbeitszeit in Einzelarbeit geleistet. Über die Hälfte der Arbeitszeit setzt sich somit aus persönlicher Zusammenarbeit (27 Prozent), virtueller Zusammenarbeit (17 Prozent), sozialer Kontaktpflege (sieben Prozent) und Lernen (sechs Prozent) zusammen. Das sind die Ergebnisse einer Studie des Gensler Research Institute zur deutschen Büroarbeitswelt im Jahr 2019. Aus der Studie geht auch hervor, dass eine gute Arbeitsumgebung und Innovationsfähigkeit zusammengehören. 52 Prozent der Befragten glauben, dass eine offene Struktur mit verfügbaren privaten Raumangeboten am besten für die Arbeit geeignet ist. Beschäftigte in ausgewogenen Arbeitsumgebungen bewerten ihre Möglichkeit, mit neuen Arbeitsmethoden zu experimentieren, um 1,3-mal höher als andere. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern flexible Arbeitsumgebungen bieten, sind der Studie zufolge nachweislich innovativer.

Da die Arbeitsumgebungen gerade in deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich jedoch eher schlecht bewertet werden, attestieren die Autoren von Gensler einigen Änderungsbedarf: Die Arbeitsumgebungen in Deutschland müssten sich weiter von Gruppen- und Gemeinschaftsbüros hin zu offenen, arbeitsgemeinschaftlichen Konzepten wandeln. Der Fokus müsse stärker auf das Wohlbefinden der Angestellten gelegt werden und auch aus Angestelltensicht seien offene Konzepte gefordert.

An Arbeitsweise und Methode orientiert

Unter den neuen Voraussetzungen sind mehr Kreativität und Teamarbeit gefordert, Routinetätigkeiten verlieren an Bedeutung, Netzwerke werden wichtiger. Veränderte Organisationsstrukturen, neue Methoden und die Anwendung von neuen Tools müssen angeeignet werden. Nicht nur Abläufe verändern sich, sondern auch Rollenbilder, beispielsweise von Führungsfunktionen oder von der Verantwortung des Einzelnen.

Um durch räumliche Neukonfiguration zu diesen neuen Formen der Zusammenarbeit einzuladen, gelte es auch, Trends, Medien und Methoden für die eigene Firma zu hinterfragen und attraktiv zu übersetzen, meint Birgit Gebhardt. Die Zukunfsforscherin ist eine der Autoren der New-Work-Order-Studien. Die Studienreihe, die seit 2012 in Zusammenarbeit mit dem Industrieverbands Büro und Arbeitswelt (IBA) entstanden ist, untersucht die veränderten Arbeitsbedingungen und deren Einfluss auf die Bürogestaltung. „Aus diesem Grund wünschen sich auch die für Bürogestaltung zuständigen Abteilungen eine engere Zusammenarbeit mit HR.“ Das Mitspracherecht von HR nehme ihrer Beobachtung nach in der digitalen Transformation zu.

Neuer Raum für neue Kommunikation

In der Art und Weise, wie Mitarbeiter kommunizieren, zeigen sich viele Aspekte der neuen Arbeitswelt: Neue Tools ermöglichen direkte Kommunikation über zeitliche und räumliche Hürden hinweg, sei es durch Aufgabenverwaltung, Videokonferenzen oder das gemeinsame Bearbeiten von Cloud-Dokumenten. Standardanfragen, sowohl von Mitarbeitern als auch von Außenstehenden, können immer besser von Chatbots bearbeitet werden. Absprachen und Informationsaustausch werden in Dailys effizienter, dafür aber häufiger getroffen als in wöchentlichen Sitzungen. Für manche dieser Aspekte müssen auch bestimmte Techniken der Kommunikation gelernt werden, beispielsweise, wie der eigene Arbeitsfortschritt auf einem Kanban-Board visualisiert wird oder wie in einem Gruppenchat am besten eine Einigung erzielt werden kann.

Laut aktuellen Zahlen des IBA ist die funktionierende Kommunikation im Unternehmen für 63 Prozent der Büroangestellten in Deutschland sehr wichtig und für weitere 36 Prozent wichtig. Mit den vorhandenen Kommunikationszonen zeigen sich 62 Prozent zufrieden.

Doch dafür müssen die Büros eingerichtet sein: Der Wechsel der Arbeitsplätze je nach Tätigkeit kann nur gelingen, wenn die notwendige Infrastruktur zur Nutzung der digitalen Tools überall vorhanden ist, also beispielsweise genügend Bildschirme in verschiedenen Größen zur Verfügung stehen und auch an abseitigen Orten, beispielsweise den umliegenden Grünflächen, Wlan vorhanden ist. Unter diesen Grundvoraussetzungen können Kommunikationszonen zum Austausch einladen und so Kollaboration fördern. Außerdem treten Mitarbeiter durch die Einladung zum Wechsel der Arbeitsplätze je nach Tätigkeit und Vorliebe mit anderen Personen in Kontakt, statt sich an ihrem Einzelarbeitsplatz zurückzuziehen.

Darüber hinaus ergeben sich durch intelligente Systeme Automatisierungspotenziale, die bestimmte Aufgaben abnehmen können und so ebenfalls wesentlichen Einfluss auf die Arbeitsplatzgestaltung haben. Eine klare Aufgabe der Personalführung und -entwicklung, findet Gebhardt: „Aufgabe von HR wäre es, festzustellen, welche Tätigkeiten im Büro künftig noch von Menschen und welche von intelligenten Systemen übernommen werden.“ Fundierte Aussagen dazu, wie Mitarbeiter kommunizieren und interagieren werden, würden IT- und Real Estate-Partnern helfen, nachhaltige Investitionen zu tätigen. Gewonnen würden damit nicht nur neue Räume, sondern auch Vorstellungen zur Mitarbeiterqualifizierung und IT-Implementierungen. „Interessanterweise erreichen mich solche grundlegenden Fragen eher von Real Estate als vom HR-Management,“ kritisiert die Zukunftsforscherin.

Die Organisationsstrukturen wandeln sich

„Wenn in einer vernetzten Zukunft nicht mehr Prozesse, sondern Menschen organisiert werden müssen, gilt es, Räume für die Kommunikation, Begegnung, Konzentration und das Lernen von Menschen zu gestalten,“ erklärt Gebhardt weiter und weist darauf hin, dass mit dem Wandel der Zusammenarbeit und der Kommunikation auch neue Organisationsstrukturen entstünden.

Die Unternehmenskultur, die sich immer noch vielerorts an einem Top-down orientiert, müsse sich stärker der Emanzipation, Eigenmotivation und Teamdynamik widmen und so Entwicklungspotenziale schaffen. Bisher spiegele sich die neue Dynamik noch nicht ausreichend in Management und Verwaltung wider. Auch entspreche die häufig linear konzipierte Wertschöpfungskette nicht den Anforderungen eines volatilen Marktes. Flexible Partnerschaften und schnelle Anpassungen seien hingegen notwendig. Diese neuen Anforderungen an die Organisation zeigten sich auch in neuen Modellen, mit denen neue Führungsrollen einhergehen. Organisationsmodelle wie das Spotify-Modell oder Soziokratie unterscheiden sich in Arbeitsweise und Verteilung der Verantwortung wesentlich von einem hierarchischen Organisationsaufbau. Diese Strukturen sind stärker auf sich ändernde Rahmenbedingungen und bereichsübergreifende Zusammenarbeit abgestimmt, die Führungsverantwortung hängt nicht mehr an einem Vorgesetzten, sondern wird auf verschiedene Rollen verteilt. Bewegung kommt in diesen Modellen eine zunehmende Bedeutung zu, sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinn: verschiedene Kommunikations- und Konzentrationsräume können diesen vielfältigen Änderungen besser gerecht werden als das Pendeln zwischen Zellenbüro, Kantine und Konferenzräumen, meinen die Autoren der New-Work-Order-Studie.

HR muss sich für Bürogestaltung einsetzen

Die notwendigen Kompetenzen für die optimale Nutzung von neuen Tools sicherstellen, entsprechende Arbeitsweisen, Kommunikationsformen, Methoden und den dafür notwendigen kulturellen Wandel anführen und begleiten, sich für eine angemessene Organisationsstruktur einsetzen, in der Mitarbeiter optimal produktiv werden können – für HR-Verantwortliche ist es eine Selbstverständlichkeit, sich bei diesen Aspekten nicht aus der Verantwortung zu ziehen. Doch die konkrete und räumliche Arbeitsplatzgestaltung liegt in der Regel nicht in der Hand von HR.

Aus der aktuellen Entwicklung heraus ist es schwer nachvollziehbar, dass HR nicht stärker bei der konkreten Bürogestaltung mitspricht. Gebhard weist HR dabei die Rolle eines moderierenden Strategen zu und nennt ein Beispiel aus ihrer Beratungstätigkeit: Für die Arbeitsplatzgestaltung wurde bei einem Kunden eine Projektgruppe mit Köpfen aus HR, IT und der internen Planungsabteilung zusammengesetzt. „Ich halte das aus operativen wie auch inhaltlichen Gründen für sinnvoll. Zum einen, um zwischen den Abteilungen den Wissensstand bezüglich Maßnahmen und Erfahrungen mit der digitalen Transformation breiter aufzustellen. Zum anderen, um die jeweils fachlichen Sachargumente für die Umsetzung besser berücksichtigen zu können.“

HR muss mehr sein als der Begleiter, der den Mitarbeitern am Ende erklärt, wie die neuen Räume gedacht sind. HR muss sich direkt in den Planungsprozess einbringen, als strategischer Partner oder gleich in der Führungsrolle. Nur so können die neuen Arbeitswelten tatsächlich den neuen Arbeitsbedingungen gerecht werden.

Quelle: haufe.de

08 November 2019

New Work und gesundes Leben

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Wenn Arbeit und Gesundheit ein Team sind

New Work und gesundes Leben

Unsere Arbeitswelt ändert sich schleichend, aber fundamental. Unternehmen, wie auch die hier arbeitenden Kollegen, haben es mit disruptiven Prozessen zu tun, die die altvertrauten Bedingungen und Muster gründlich durcheinanderbringen und teils brachial nach neuen Strukturen, Regelungen und Methoden verlangen. Wir stehen gleichzeitig demographischen Entwicklungen gegenüber, die landesweit neue, passendere strukturelle Lösungen erfordern.

Denn: Die Generation der jüngeren – gebildeteren und selbstbewussteren – Arbeitnehmer, tritt mit gänzlich anderen Erwartungen und Ansprüchen an die Unternehmen heran, als bislang die Generation ihrer Eltern. Für sie sind ein sich positiv entwickelndes Einkommen und akzeptable äußere Arbeitsbedingungen (Lärm, Schmutz) weniger wichtig als beispielsweise Selbstverwirklichung, Eigenverantwortlichkeit und die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Arbeit dient für sie nicht mehr (nur)
der Sicherung der materiellen Existenz, sondern sie soll einen zusätzlichen ideellen Nutzen haben: ein durch Sinn erfülltes Berufsleben und darüber Glück und Zufriedenheit.

Work-Life-Balance auf Lebenszeit

Die heute 30-jährigen Kollegen wünschen sich die Work-Life-Balance auf Lebenszeit mindestens genauso sehr wie Anerkennung und Wertschätzung am Arbeitsplatz und sie hinterfragen außerdem das Ob und das Wie des gesellschaftlich verantwortungsvollen Handelns eines (ihres) Unternehmens.

Dieser Struktur- und Wertewandel führt in vielen Unternehmen zwangsläufig zu einer Anpassung des sozialen Gefüges und zu der Schaffung und Förderung von neuen Arbeitsformen und -bedingungen: weg von starrer Ordnung, Befehl und Gehorsam, hin zu kleinen, dezentralen Organisationsstrukturen, maximaler Flexibilität, Mitspracherechten und Selbstbestimmung.

Vor allem über die Schaffung flexibler Arbeitsmodelle versuchen Unternehmen zunehmend, dem Wunsch der Beschäftigten nach individuellen Gestaltungsspielräumen und Autonomie nachzukommen und sie sind bestens beraten, diesem Wunsch nachzukommen und künftig auf Augenhöhe mit ihren Beschäftigten zu agieren.

Arbeit, wann und wo man möchte

Im Bereich der Arbeitsorganisation sind bei den Beschäftigten vor allem die Freiräume gefragt: zeitliche und örtliche Flexibilität, die mobile, multilokale Arbeit, flexible, der jeweiligen Lebenssituation angepasste Arbeitszeitmodelle – also Arbeit, wann und wo man möchte, bei Bedarf auch in Urlaubszeiten. Teamübergreifendes, vernetztes Arbeiten und Interdisziplinarität begleiten uns dabei ohnehin. Dem Einsatz und Vorhandensein digitaler Kommunikationstools verdanken wir es, dass wir bei weitgehender Hierarchiefreiheit, präzise beschriebenen Prozessen und gelebtem Rundumfeedback kurze Entscheidungswege haben, Anpassungen schnell vornehmen und kurzfristig alle am Kreations-, Entwicklungs- oder Produktionsprozess Beteiligten mit den jeweils aktuellsten Informationen versorgen können und eine physische Anwesenheit im Büro dabei nicht mehr erforderlich ist.

Unabhängig von Ort und Zeit passen wir die Prozesse und -logiken dem sich stetig wandelnden Produkt an. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jeder jederzeit den vollständigen Produktionsprozess nachvollziehen kann bzw. können sollte und sich aktiv an dessen Gestaltung beteiligt. Erreichbarkeit, Kommunikationsbereitschaft und die Nutzung moderner Kommunikations- und Collaborationstools versetzen uns jederzeit in die Lage, reagieren und agieren zu können. Partizipation ist gewünscht und gefordert und jeder verantwortet seine Teilaufgaben selbst. Die nächste Arbeitnehmergeneration fordert Freiräume und bietet Verantwortung und Liefertreue.

Entgrenzte Formen des Arbeitens bleiben nicht wirkungslos

(Betriebs-)Ärzte sehen immer häufiger Fälle von Überlastung, Überreizung und Erschöpfung und sie müssen Beschäftigte dabei auch zunehmend öfter „vor sich selbst schützen“. Die Statistiken verschiedener Krankenkassen weisen psychische arbeitsbedingte Erkrankungen als die am schnellsten steigende (berufsbedingte) Krankheitsart aus.

Die neuen Möglichkeiten des flexiblen, mobilen Arbeitens sind chancenreich und verlockend: Außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit, also in der Freizeit – Wochentage spielen dabei häufig keine Rolle – können E-Mails und Texte geschrieben, Angebote berechnet, Kontaktaufnahmen beantwortet und Kollegen angechattet werden.

SocialMedia-Aktivitäten lassen sich abends auf der Couch mit mehr Ruhe erledigen und bei der Verabredung zum Frühstückspausenkaffee in der Cafeteria wird nicht pausiert, sondern – dank WLAN und Notebook – natürlich auch über die Arbeit gesprochen. Keine echte Erholungspause also. Wer den Skypestatus nicht auf „rot“ oder
besser auf „offline“ setzt, scheint ansprechbar zu sein – oder es sein zu wollen.

Wie wirkt die neue Arbeit auf uns Menschen?

Flexibilität, Selbstorganisation und Wandlungsfähigkeit werden zu wichtigen Kriterien in der aktuellen Personalentwicklungspraxis und in Bewerbungsprozessen, in denen immer häufiger der Bewerber den Arbeitgeber auswählt. Unternehmen müssen mit Anforderungen wie BYOD (Bring Your Own Device; Nutzung privater Geräte im beruflichen Kontext) umgehen, müssen Regelungen finden, wer überhaupt entgrenzt arbeiten darf bzw. soll und wenn ja, wie die konkrete Arbeitszeit der Beschäftigten bei mobilem Arbeiten nachgehalten werden kann. Sie müssen dem Bedürfnis nach mehr Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben nachkommen und möglichst flexible Regelungen für „alles Mögliche“ anbieten, ohne dabei zu kompliziert zu werden. – Das schreckt ab.

Leichtfüßig und vertrauensbasiert soll der Umgang miteinander sein und auf jeden Fall ohne zu viel störende Kontrolle und Einflussnahme. Mehr Freiraum, mehr Gestaltungsmöglichkeiten, mehr Partizipation bei weniger Steuerung, Führung und Kontrolle. Was für die einen völlig selbstverständlich ist, sorgt bei den anderen jedoch für Unbehagen.

Die Anforderung, jederzeit mit dem Tempo der Gesamtorganisation mithalten zu müssen, mehr Themenbereiche als nur den eigenen nachvollziehen und bedienen zu können und sich in ständigen Kommunikationsschleifen wiederzufinden, kann Fluch und Segen zugleich sein. Es gibt zunehmend mehr Menschen, die diesen schnelleren, anderen Gang nicht mitgehen können oder wollen und denen die Arbeit buchstäblich – vor allem auf die psychische Gesundheit schlägt. Insgesamt nimmt der Anteil der psychischen Belastungen im Arbeitskontext zu: Es sind das schnellere Arbeitstempo, die wachsende Komplexität der Aufgaben, die Frequenz der unterschiedlichen Kommunikationsanlässe und -arten, der eigene Anspruch an Qualität und Leistung, das Wissen um die eigene Verantwortlichkeit im Gesamtsystem und leider in manchen Fällen auch die fehlende Identifikation mit den mehr oder weniger klaren Unternehmenszielen, die die Menschen dazu bringt, ihre Grenzen nicht mehr definieren zu können.

  • Wie weit kann ich gehen?
  • Was bin ich bereit einzubringen?
  • Wofür stehe ich ein?
  • Nehme ich mir ausreichend Zeit zur Regeneration?
  • Kenne ich meine Alarmzeichen?
  • Ab wann wird Arbeit zur Belastung?

Es heißt, dass uns Menschen – gerade im Zeitalter der digitalen Transformation – die Möglichkeit verloren ginge, die Verschränkung von Job und Freizeit für uns selbst zu klären, und dass wir aus den oben genannten Gründen zugunsten der Arbeit auf ausreichend Erholungspausen, den teaminternen, helfenden kollegialen Austausch und die gegenseitige Unterstützung verzichten. Termin- und Leistungsdruck, geschlossene Zielvereinbarungen, Konkurrenzdruck und gerade auch die sich bietende Möglichkeit, jederzeit reagieren zu können oder zu müssen, lassen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und nicht selten gewinnt die Arbeit den Kampf um das knappe Gut Zeit. Das Bewusstsein um diese Knappheit der uns zur Verfügung stehenden Zeit und die sich uns bietenden Möglichkeiten zu arbeiten sind Stressoren, die uns unterschiedlich beeinflussen und lenken.

Ist es denn für viele von uns nicht gerade auch die Arbeit, die uns die Kraft und die Inspiration gibt…

…weiter-, weiter- und immer weiterzumachen und dabei nicht zu bemerken, dass man dabei längst schon die Schallgrenze der eigenen Belastbarkeit durchbrochen hat und eigentlich längst schon zurück zu sich selbst und einem ausgewogenen Zeitmanagement hätte kommen sollen?

Ausgehend davon, dass dieses ungesunde und ungünstige Verhältnis von Belastung und Entspannung gesundheitsgefährdend wirkt, wäre es an dieser Stelle unzureichend, wenn nicht auch auf die positiven Seiten von „Stress“ verwiesen würde. Denn: Für viele Menschen ist Stress nichts per se Schlechtes. Die Verhaltensforschung kennt zweierlei Arten von Stress: Eustress und Distress. Ersterer beflügelt, motiviert und pusht, Letzterer wirkt negativ auf den Menschen und ist nachweislich krankmachend. Für den überwiegenden Teil der – vor allem jüngeren – Menschen bergen die Möglichkeiten des zeit- und ortsunabhängigen Arbeitens mehr Vorals Nachteile, denn sie zahlen auf das Konto der besseren Vereinbarkeit von Job und Privatleben ein.

Und die neuen, vorher oft hart und umständlich erkämpften – oder unerreichbaren – Freiräume sind nunmehr ohne besondere Mühen in das eigene Leben integrierbar und die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben gelingt leichter. Das verschafft vielen die nötige Leichtigkeit, die es braucht, um nicht darüber nachzudenken, wann, wie lange oder wo wir eigentlich arbeiten. Die Bereitschaft, entgrenzt zu arbeiten, wird für viele Beschäftigte zur Normalität. Diese Arbeitsweise entlastet uns und wirkt dazu auch noch produktivitätsfördernd. Die besten Ideen entstehen in der Regel nicht, wenn Arbeitszeitrichtlinien oder örtliche Gegebenheiten bremsen, sondern vor allem dann, wenn wir uns in einer Arbeitsatmosphäre befinden, die für den jeweiligen Kontext passend ist und kreativitätsförderlich wirkt.

Pest oder Cholera?

Für diejenigen jedoch, die von den Stressoren des entgrenzten Arbeitens negativ beeinflusst werden und die sich nicht in der Lage sehen, mit diesen Umständen klarzukommen, bleibt es häufig bei der Wahl „zwischen Pest und Cholera“. Weiter, weiter, immer weiter. Entgrenzte Arbeit bietet Schlupflöcher: Wer merkt schon, dass ich eigentlich „ausgelaugt“, erschöpft oder schon krank bin, wo ich doch gar nicht wahrgenommen oder gehört werde, weil ich tagelang z.B. im Homeoffice abtauchen kann. Manche erkennen keinen Sinn in der neuen Art des Arbeitens und auch nicht die Mehrwerte, die sich ihnen zur Verbesserung der von ihnen als ungünstig empfundenen Situation bieten.

Sie arbeiten trotz Erschöpfung und Krankheit weiter und verzichten zugunsten der Arbeit auf die dringend notwenige Regeneration. Ihre Arbeitsergebnisse leiden darunter, ebenso ihre physische und psychische Gesundheit. Dem zunehmenden Online-Präsentismus kann
auf unterschiedliche Weisen begegnet werden: Zum einen sind Führungskräfte gefordert, ihre digitalen Kompetenzen auf- und ausbauen, um auch dann noch ein Gefühl für den körperlichen und seelischen Zustand ihrer Teammitglieder zu haben, wenn man sich nicht persönlich sieht, sich nicht die Hand reicht und sich nicht in die Augen schauen kann.

Sie müssen Warnsignale deuten lernen, zum Beispiel fehlende Interaktion mit dem Rest des Teams, schlechte Arbeitsergebnisse, hohe Zeitaufwände für die Erledigung der Aufgaben, vermehrter Konsum von stimulierenden oder entspannenden Substanzen, regelmäßiges Umgehen von Sicherheits- und Schutzstandards oder auch die auffällig häufige Bereitschaft, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen oder Projektstände zu beschönigen, um vom eigenen Befinden abzulenken. Hier sind Führungskräfte zunehmend in der Verantwortung, dem Phänomen des Online-Präsentismus entgegenzusteuern. Nicht zuletzt ist ihr Vorbildverhalten ein wesentlicher Faktor mit Signalwirkung für all jene, die sich selbst nicht immer sicher sind, ob sie gerade ihre Belastungsgrenzen überschreiten oder doch noch Reserven haben.

Mindestens genauso wichtig ist es aber, sich an die eigene Nase zu fassen

und an seiner persönlichen Einstellung zu arbeiten, zum Beispiel um zu erkennen, wann es Zeit ist, im eigenen Interesse rechtzeitig „die Reißleine zu ziehen“ und die virtuelle Nabelschnur zu kappen. Denn die Verantwortung für die eigene Gesundheit kann letztlich nur jeder selbst tragen. Und gerade in Zeiten entgrenzten Arbeitens ist es unmöglich, diese Verantwortung vollständig auf nicht anwesende Dritte abwälzen.

Arbeit 4.0 beruht im Wesentlichen auf der Maxime der Selbstverantwortung und es sind vor allem die Beschäftigten, die lernen müssen, sich selbst und ihre Grenzen zu kennen und zu wissen, wann der Kraftspeicher leer ist und wie er wieder befüllt werden kann.

Es ist ein vollkommen logischer und wichtiger Schritt, dass Unternehmen die Verantwortung für einen gesunden Umgang mit sich selbst und der eigenen Arbeitskraft und -fähigkeit zunehmend mehr in die Hände derer legen, die autonom und selbstverantwortlich arbeiten wollen. Wenn Unternehmen das nicht tun, laufen sie Gefahr, „den schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen“ und schuldig zu sein für jeden einzelnen Fall von Burnout und anderen erschöpfungsbedingten Erkrankungen. Was Unternehmen jedoch noch zu oft vergessen ist, dass vor allem die älteren Kollegen diesen gesunden Umgang mit der neu gewonnenen Freiheit genauso erst erlernen müssen wie sie selbst.

Ein paar Zahlen …

Die Häufigkeit der psychischen Erkrankungen und die damit verbundenen Zeiten von Arbeitsunfähigkeit wachsen stetig und zunehmend schneller. Trotz insgesamt rückläufiger Krankenstände in den letzten Jahren wuchs der relative Anteil psychischer Erkrankungen am Arbeitsunfähigkeitsgeschehen bislang stetig. Er stieg auf 15,1 Prozent und die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen liegt bei 264 Tagen je 100 Personen.

Während psychische Erkrankungen vor 15 Jahren noch nahezu bedeutungslos waren,sind sie heute die dritthäufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibung bzw. Arbeitsunfähigkeit (Knieps und Pfaff 2016: 59). Betroffen sind Berufsanfänger ebenso wie aufstrebende Mitarbeiter und Beschäftigte in Spitzenpositionen.

Besondere Bedeutung und Brisanz erhalten psychische Erkrankungen vor allem dadurch, dass die Krankheitsdauer stärker ins Gewicht fällt: Die durchschnittliche Dauer psychisch bedingter Krankheitsfälle ist mit 36 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen (z.B. des Bewegungsapparates oder des Immunsystems) mit zwölf Tagen.

Das dabei häufig auftretende Burnoutsyndrom beschreibt jenen Zustand, bei dem Menschen so erschöpft oder „ausgebrannt“ sind, dass sie zu einem normalen Leben kaum mehr fähig sind. Noch handelt es sich bei dem vergleichsweise jungen Phänomen um keine anerkannte Krankheit. Da Mediziner feststellten, dass die Symptome denen der Depression sehr ähnlich sind, tun sie sich schwer, Burnout als eigenständige Erkrankung zu definieren.

Psychische Erkrankungen sind außerdem die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Frühberentungen. Zwischen 1993 und 2015 stieg der Anteil von Personen, die aufgrund seelischer Leiden frühzeitig in Rente gingen, von 15,4 auf 42,9 Prozent (Deutsche Rentenversicherung Bund 2016: 111). Gegenüber dem Jahr 2000 entspricht dies einer Steigerung der Fallzahlen um mehr als 40 Prozent. Im Vergleich zu anderen Diagnosegruppen treten Berentungsfälle wegen „psychischer Störungen und Verhaltensstörungen“ zudem auch noch deutlich früher ein; das Durchschnittsalter liegt bei 48,1 Jahren (Deutsche Rentenversicherung 2014: 24).

Die volkswirtschaftlichen Folgen all dieser genannten Aspekte sind natürlich immens, Tendenz steigend.

Der klassische Arbeitsschutz stellte bislang zwar die den Körper gefährdenden Aspekte von Arbeit in den Vordergrund, aber im Jahr 2013 wurde § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) endlich dahingehend präzisiert, dass auch die auf die Psyche wirkenden Belastungen der Arbeit zu ermitteln und zu beheben sind. Die Verantwortung der Einhaltung und Umsetzung liegt dabei hier klar aufseiten der Arbeitgeber.

Natürlich gibt es aber auch diejenigen Fälle, wo es gerade die Möglichkeit des flexiblen, vernetzten Arbeitens ist, die die Ausübung des Jobs attraktiv oder auch überhaupt erst möglich macht. Wenn Vereinbarkeitsthemen mitschwingen, helfen diese Angebote und die Beschäftigten, denen dies ermöglicht wird, nutzen sie gern. Der aktuelle D21 Digital Index 2018/2019 (Initiative D21 2019) kommt zu dem Ergebnis, dass 37 Prozent (und sogar 71 Prozent der in Bürojobs tätigen Menschen) meinen, dass digitales Arbeiten die Chance bietet, Arbeitsund Privatleben besser miteinander in Einklang bringen zu können. Nach getaner Familienarbeit wird zu Ende gebracht, was auf dem Schreibtisch liegen blieb, oder nachgeholt, wozu man im hektischen Büro nicht kam. Ruhepausen oder Zeiten ohne direkte Zusammenarbeit verwaschen so zu weniger arbeitsintensiver Zeit und der Feierabend wird – nach einem Ortswechsel – nur verschoben.

Dennoch geben 49 Prozent der Befragten (und nicht nur diejenigen, die sagen, dass sie bereits mobil arbeiten) an, dass zeitlich und räumlich flexibles Arbeiten auch zur Steigerung ihrer Arbeitsqualität beiträgt.

Entgrenzte Arbeit = grenzenlose Arbeit?

Wer sollte die Verantwortung für die Gesundheit der Menschen tragen? Wem können wir – ganz´in vertrauter Manier – „die Schuld in die Schuhe schieben“? Den Führungskräften, die nicht bemerken, dass Arbeit heute komplexer, schneller und voraussetzungsvoller ist? Den (endlich) flexibel, selbstbestimmt und gefühlt ständig arbeitenden Beschäftigten, die wissen, dass sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit nicht mehr an den bis 17 Uhr zur Verfügung stehenden Rechner gebunden sind? Den schweigsamen und geduldigen Betriebsärzten? Oder womöglich den besonders Arbeitswütigen, die das Gesamtbild verzerren? Muss überhaupt irgendjemand die Verantwortung übernehmen?

Ich vertrete die Auffassung, dass wir ein gesundes Verhältnis von neuer Arbeit und Gesundheit genauso erlernen und verinnerlichen müssen, wie auch die Unternehmen lernen müssen, dass das Angebot, orts- und zeitunabhängig zu arbeiten, eine Möglichkeit darstellt, aber keine Verpflichtung. Wir selbst müssen in der Lage und willens sein, den Ausknopf zu drücken und die Arbeit zu beenden und uns die Pausen zu nehmen, die wir zuvor auch zur Regeneration benötigt haben. Diese werden in Zeiten ständiger Erreichbarkeit sowie steigender Geschwindigkeit und Komplexität nämlich nicht kürzer.

Faktisch fallen die tatsächlich arbeitsfreien Zeiten bei den meisten digital Arbeitenden kürzer aus. Sie schauen außerhalb ihrer eigentlichen Arbeitszeit in die E-Mails, sie verfassen auch abends noch Tweets und Posts, sie bearbeiten gerade noch die eine Sache zu Ende, die sie im Büro nicht geschafft haben. Dazu hat man doch das Notebook schließlich dabei …

Wir lassen uns treiben und werden zu Getriebenen.

Einen bewussten, gesunden Umgang mit unserer neuen Freiheit zu pflegen, ist Aufgabe eines jeden Einzelnen und alle Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements und der Gesetzgebung sind wertlos, wenn wir uns nicht selbst regulieren wollen, bewusst das Arbeitsende festlegen und uns auch daran halten.

Führungskräfte und Chefs bemerken das Ausmaß der digitalen Erschöpfung oft erst dann, wenn Mitarbeiter sich mit längeren Ausfallzeiten krankmelden und bei ihrer Mitarbeitervertretung oder dem Betriebsarzt nach BGMMaßnahmen wie Resilienz und Stressbewältigung fragen. Oder wenn der Bedarf an Maßnahmen der betrieblichen Wiedereingliederung steigt und es dabei nicht mit der Neuanschaffung eines ergonomischen Schreibtischstuhls oder eines höhenverstellbaren Schreibtisches getan ist. Maßnahmen der modernen betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung sollten auf den Abbau übermäßiger psychosozialer Belastungen fokussiert sein und beispielsweise dabei unterstützen, chronischen Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen und Überforderung abzubauen.

In einer Arbeitswelt, in der die Berufswahl vor allem durch Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Leidenschaft bestimmt ist, liegt ein enormes positives Potenzial für unsere Gesundheit: Wer in eigener Verantwortung selbstbestimmt und achtsam Energie und Ressourcen einteilt, der reduziert das Risiko des eigenen Ausbrennens erheblich. Wenn es gelingt, die persönlichen Grenzen richtig zu setzen, wird nicht nur die Möglichkeit des „Ausbrennens“ reduziert, sondern dann können erst recht alle Vorteile und Potenziale mobiler, flexibler, selbstbestimmter Arbeit voll ausgeschöpft werden, ohne dass Nachteile entstehen.

Denn es bleibt dabei: Arbeit bestimmt unser Leben und unseren psychischen Zustand wesentlich. Und nach wie vor sind – trotz aller Kritik an den Belastungen der Arbeitswelt – arbeitende Menschen in der Regel zufriedener und gesünder als Menschen ohne Arbeit. Arbeit wird immer Teil des Lebens bleiben, nicht das Gegenteil davon, denn sie stiftet Selbstbestätigung und Anerkennung.

Fazit

Es kommt also nicht von ungefähr, dass sowohl die psychische als auch die physische Gesundheit der Beschäftigten in der modernen Arbeitswelt zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt und dass eine gesundheitsorientierte Betriebsführung Einzug in die Denkweisen der Unternehmen hält: Gesundheit wird zu einer der wichtigsten Unternehmensressourcen und die Erhaltung von Arbeitsfähigkeit zu einer der Hauptaufgaben von Human Resources, Führung und Beschäftigten.

Die alternde Belegschaft und der sich abzeichnende Fach- und Führungskräftemangel wird dazu führen, dass Unternehmen die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit von Beschäftigten gezielt fördern und den respektvollen und achtsamen Umgang mit ihrer Gesundheit erlernen und sicherstellen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass damit jegliche Verantwortung abgegeben ist, im Gegenteil. Das Gesundheitsinteresse ist (vor allem) aufseiten der (jüngeren) Beschäftigten mindestens genauso angesiedelt wie auch erwünscht und die Gesundheitsfürsorge ist nicht mehr nur primär eine unternehmerische Aufgabe, sondern ein individuelles Anliegen, für das jeder eigenverantwortlich Sorge zu tragen hat.

Wir stehen auf der Schwelle zur Industriegesellschaft 4.0. und alle Beteiligten sind aufgefordert, mit vereinten Kräften diesen Wandel zu gestalten. Es braucht Gesundheit, Wissen, Qualifikation Kompetenz und Motivation und vieles hängt davon ab, kreative Potenziale freizusetzen, Innovationen zu ermöglichen und so mehr Effizienz und Exzellenz zu erreichen. Wenn uns das gelingt, kann Arbeit wieder die Aufgabe übernehmen, die ihr aus gesellschaftlicher Perspektive zukommt: Sinn stiften, Anerkennung geben, Zugehörigkeit vermitteln,
Existenz sichern.

Quellen und Links:
➥ Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2016).
Rentenversicherung in Zeitreihen. Ausgabe 2016. Berlin.
➥ Deutsche Rentenversicherung (2014). „Positionspapier der Deutschen Rentenversicherung zur Bedeutung
psychischer Erkrankungen bei der Rehabilitation und bei Erwerbsminderung“. (Download 1.3.2019).
➥ Initiative D21 (Hrsg.) (2019). D21 Digital Index 2018/2019. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft.
➥ Knieps, Franz, und Holger Pfaff (Hrsg.) (2016). Gesundheit und Arbeit. Zahlen, Daten, Fakten. BKKGesundheitsreport 2016. Berlin.

Über die Autorin

Anke Hoffmann ist für die Bertelsmann Stiftung im Programm Unternehmen in der Gesellschaft als Project Managerin im Team „Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung“ tätig. Im Anschluss an das Projekt „INQA-Audit Zukunftsfähige Unternehmenskultur“ liegt ihr Schwerpunkt nun auf der #ZukunftderArbeit und der digitalen Transformation, sowie deren Auswirkungen auf betriebliche Arbeitskontexte. Sie vertritt ebenfalls den Bereich der Vereinbarkeit eines gesunden Lebens mit den neuen Formen der Arbeit 4.0. Sie studierte in Rostock und Bielefeld Soziologie und Sozialpsychologie sowie jüngst Angewandte Gesundheitswissenschaften.

Quelle: ZukunftderArbeit

01 November 2019

Morning Star – Manage yourself

Posted in Führung, Leadership, Mind

Weder Management noch Hierarchie - funktioniert das?

Morning Star – Manage yourself

Wer hätte sich jemals vorstellen können, dass Kutschen ohne Pferde fahren können? Oder dass Smartphones den Wecker, den Kalender, die Wettervorhersage, den Plattenspieler und den Taschenrechner überflüssig machen würden? Oder dass Algorithmen Gedichte, Romane und Drehbücher schreiben sowie E-Mails beantworten und die Bewerbungen in Unternehmen filtern?

Morning Star Company – Weder Management noch Hierarchie

Es gibt Unternehmen, die machen Dinge, von denen niemals jemand geglaubt hätte, dass sie funktionieren könnten – bis sie tatsächlich realisiert wurden. Ein Tomatenverarbeiter in Kalifornien beispielsweise, der Tomatenpaste für Pizza & Co. herstellt, schaffte kurzerhand das Management ab. In dem Unternehmen gibt es keine Hierarchie und keine Chefs.

Im Umkehrschluss: Niemand nimmt einem Mitarbeiter die Verantwortung ab oder trifft für ihn die Entscheidungen.

Die Mitarbeiter handeln mit ihren Kollegen selbst Verträge aus. Was sie für ihre Arbeit an Maschinen oder Material benötigen, bestellen sie selbst – und nicht eine Einkaufsabteilung. Das Unternehmen besteht auf diese Weise aus lauter Mini-Unternehmen, jeder Mitarbeiter ist völlig autonom in seinen Handlungen: Er bestimmt, was er genau tun will, wie er mit seinen Kollegen kommunizieren und sich koordinieren will, was er mit den Lieferanten oder Kunden aushandeln will. Die Mitarbeiter haben kurzerhand auch alle Managementaufgaben übernommen.

Es gibt keine Stellenbeschreibungen, keine Anweisungshandbücher und Organisationsrichtlinien keine von oben verordneten Zielvorgaben. Alle Zuständigkeiten und die komplette Arbeitsteilung werden zwischen den Mitarbeitern direkt ausgehandelt.

Soziale Kontrolle ersetzt hierarchische Kontrolle

Das heißt aber nicht, dass einfach jeder macht, was ihm in den Kram passt. Die Kollegen haben ja selbst auch Bedürfnisse, Ziele, Wünsche und Gepflogenheiten. Wenn da einer wie die Axt im Walde auf die eigene Rechnung holzen würde, würde er sich ruckzuck in der freien Wildnis wiederfinden. Die soziale Kontrolle ersetzt die hierarchische Kontrolle von Vorgesetzten. Und das ziemlich effektiv.

Diese Art der Organisation ohne jegliche Hierarchie widerspricht völlig dem, was wir aus der Erfahrung der letzten hundert Jahre als „normal“ empfinden. Aber wer weiß, vielleicht ist das die Organisationsform der Zukunft. Sie hat nämlich einige spürbare Vorteile:

  • Keine politischen Spielchen nach dem Stromberg-Muster.
  • Mehr Selbstbestimmung und damit weniger Stress.
  • Mehr Initiative und intrinsische Motivation.
  • Hohe Loyalität und Mitarbeiterbindung.
  • Mehr Interesse an Weiterbildung und damit mehr Kompetenz.
  • Kurze Wege und schnelle Entscheidungen.
  • Große Flexibilität und Veränderungsbereitschaft.

Na, klar es gibt auch Nachteile. Nicht jedem liegt es beispielsweise, so viel Verantwortung zu tragen. Und neue Mitarbeiter brauchen lange, bis sie sich eingewöhnt haben.

Kleine Klitsche? Weit gefehlt …

Aber es gibt ein verblüffendes Faktum, das uns alle zum Nachdenken bringen sollte, ob es nicht an der Zeit ist, die „alte“ Art ein Unternehmen zu führen zumindest zu überdenken und zu modifizieren: Bei dem Unternehmen handelt es sich nicht etwa um eine kleine experimentelle Klitsche, sondern um die Morning Star Company – und das ist der größte Tomatenverarbeiter der Welt, der mit 400 Mitarbeitern über 1000 Tonnen Tomaten pro Stunde (!) verarbeitet, einen Umsatz von über 700 Millionen US-Dollar pro Jahr macht und jedes Jahr zweistellig wächst.

Über die Autorin

Anja Förster ist Autorin, Unternehmerin, Vortragsrednerin und Gründerin der Initiative Rebels at Work. Sie stiftet Menschen dazu an, sich dem Konformismus, Festklammern und Stehenbleiben zu widersetzen. Denn unsere Gesellschaft und Wirtschaft brauchen mehr mutige Gestalter, die sich etwas trauen. Menschen, die voranschreiten, Neues ausprobieren, anstatt auf Erlaubnis warten.

Ihre Bücher sind in viele Sprachen übersetzt worden und auf den Bestsellerlisten von Spiegel, Manager Magazin und Handelsblatt zu finden. Ihr Newsletter erreicht alle zwei Wochen 32.000 Leser.

Quelle: Xing-Insider

04 Oktober 2019

Warum uns die Digitalisierung menschlicher macht

Posted in Mind

Artikel von Rosa Riera in "ZukunftderArbeit"

Warum uns die Digitalisierung menschlicher macht

„Wandel war noch nie so schnell und er wird nie wieder so langsam sein.“ So der Journalist Graeme Wood. Und er liegt richtig. Denn bedingt durch die Digitalisierung, finden weltweit in Politik, Gesellschaft und in der Wirtschaft weitreichende und komplexe Veränderungen statt. Ein Ende der Beschleunigung ist nicht zu erwarten.

Was haben die einen, was den anderen fehlt?

Ich beschäftige mich oft mit der Frage, ob und wie wir mit dieser Beschleunigung Schritt halten können. Manche Menschen haben scheinbar kein Problem mit dieser Beschleunigung, während andere deutlich darunter leiden oder resignieren.

Auf der Suche nach möglichen Antworten bin ich auf eine vor kurzem veröffentlichte Liste des WEF gestoßen, die die zehn wichtigsten Fähigkeiten benennt, die benötigt werden, um auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft erfolgreich zu sein. Laut WEF sind die top drei der wichtigsten Kompetenzen das „lösen komplexer Probleme“, „ kritisches Denken“ und „Kreativität“.

Mit dem „lösen komplexer Probleme“ können sich sicherlich viele, vor allem in der Ingenieursnation Deutschland, identifizieren. Kritisches Denken und Kreativität erfordern jedoch oft, bewährtes in Frage zu stellen und sich somit auf unsicheres Terrain zu begeben. Das fällt nach wie vor vielen eher schwer, bietet jedoch auch eine enorme Chance.

Welche Formen der Beschäftigung werden wir zukünftig als Arbeit bezeichnen und wie werden wir diese entlohnen?

Denn die Digitalisierung verkürzt die Halbwertszeit unseres Wissens, unserer Kompetenzen, unserer Prozesse und unserer Organisationsmodelle radikal. Das bedeutet, dass kontinuierliches Lernen und Umgestalten nicht mehr nur eine Option, sondern ein Muss sind. Was sich zunächst anstrengend anhört bedeutet jedoch, dass wir deutlich mehr Chancen auf Weiterentwicklung oder sogar auf einen kompletten Neuanfang haben. Und so zwingt uns die digitale Transformation dazu, über Fragen nachzudenken, die heute zutiefst relevant sind.

Welche Funktion hat Arbeit in der Gesellschaft? Warum wird eine gute Unternehmenskultur immer stärker zum Erfolgsfaktor? Wie können wir Kompetenzen, die für die Zukunft relevant sind, vermitteln? Wie können wir Bildung skalieren und sie dennoch personalisieren? Welche Rahmenbedingungen machen uns zukunftsfähig und welche bewahren Konzepte, Prozesse und Systeme, deren Zeit bereits abgelaufen ist? Und welche Formen der Beschäftigung werden wir zukünftig als Arbeit bezeichnen und wie werden wir diese entlohnen?

Es geht im digitalen Zeitalter nicht primär um die Technologie, sondern vor allem darum wie wir eine digitale Welt für uns gestalten wollen.

Diese Fragen drehen sich sehr stark um menschliche Bedürfnisse nach einer guten Gemeinschaft, nach persönlicher Weiterentwicklung, nach Sinnhaftigkeit und nach Respekt.

Für diese Fragen gibt es keine fertigen Antworten. Und sie werden auch nicht nur von einer kleinen Gruppe von Menschen hinter verschlossenen Türen beantwortet werden können, denn durch die Digitalisierung entsteht ein immer größeres Bedürfnis nach nachvollziehbaren Prozessen und Partizipation. Wir alle müssen also gemeinsam zu Antworten auf diese Fragen kommen und zwar in einem Prozess der Co-Creation. Wir werden beim Versuchen und Ausprobieren den ein oder anderen Fehler machen und dabei viel lernen und auf Ideen kommen, die heute undenkbar sind. Wichtig ist, dass wir für diesen Prozess offen sind, den Dialog am Leben erhalten und uns trotz der Anstrengungen, die dieser Prozess von allen erfordert, die Lust auf Zukunft nicht nehmen lassen.

Die heutigen Berufsanfänger haben dies begriffen und integrieren dies bereits in ihre Lebensplanung: Die wichtigsten Faktoren, nach denen Kandidaten ideale Arbeitgeber auswählen, sind u.a., ob das Unternehmen an relevanten Themen arbeitet und kulturell zu einem passt, ob es ansprechende Möglichkeiten bietet, um sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, und ob es einem ermöglicht, sein Privatleben mit dem Berufsleben in Einklang zu bringen.

Auch wenn diese Forderungen und Ideen für Unternehmen zunächst einmal als herausfordernd gesehen werden und sich einige schwer tun diese umzusetzen, bin ich davon überzeugt, dass es höchst relevante Fragestellungen sind und dass diese Generation nicht nur sich selbst, sondern uns allen einen großen Gefallen getan hat, in dem sie diese Themen adressiert hat.

Es geht also im digitalen Zeitalter nicht primär um Technologie, sondern darum, wie wir diese digitale Welt für uns gestalten wollen. Wir sind ohnehin nicht mehr in der Lage, mit Maschinen zu konkurrieren. Es wird daher Zeit, dass wir uns auf unsere „Kernkompetenz“ als Mensch besinnen und uns in Zukunft darauf spezialisieren.

Über die Autorin

Rosa Riera ist bei Siemens AG zuständig für Employer Branding und Social Innovation

Quelle: ZukunftderArbeit

23 August 2019

Design Thinking: Denkst du noch oder baust du schon?

Posted in Trends, Coaching

Artikel von Thomas Haskamp, Muriel Boukaz in "Zukunft der Arbeit"

Design Thinking: Denkst du noch oder baust du schon?

„Ist das wirklich das Gelbe vom Ei?“ fragte letztens eine Kollegin, nachdem sie einen Design Thinking Workshop absolviert hatte. In diesen zwei Tagen hat sie die Methode das erste Mal kennengelernt und anhand einer Problemstellung angewandt. Das Buzzword Design Thinking ist in aller Munde und zeigt bei der Suche auf Google knapp 35 Millionen Suchergebnisse an (zum Vergleich: Christiano Ronaldo, Überfußballer unserer Zeit schafft gerade mal 6 Millionen mehr). Doch was ist Design Thinking überhaupt? Uebernickel et. al (S.16, Design Thinking – Das Handbuch, 2015) formulieren es folgendermaßen: „Design Thinking ist eine Innovationsmethode, die auf Basis eines iterativen Prozesses nutzer- und kundenorientierte Ergebnisse zur Lösung von komplexen Problemen liefert.“ Entstanden im Silicon Valley um Ingenieuren nutzerzentriertes Produktdesign näherzubringen, wird es heute nicht nur für Produktdesign, sondern auch für Service-, Prozess- und Geschäftsmodellentwicklung verwendet.

Um nicht den Anschluss an die momentan erfolgreichsten Unternehmen weltweit zu verlieren – die aktuell so gut wie alle aus dem Silicon Valley kommen – versuchen sich die deutschen DAX-Konzerne in der Anwendung der Methode. Viele erhoffen sich dadurch neue, disruptive Ideen zu entwickeln. Hinzu kommt die spezielle Arbeitsweise, die stark auf interdisziplinäre Kollaboration und visuelles Arbeiten setzt. Spielerisches Prototyping soll die durch den eintönigen Büroalltag verlorengegangene Kreativität fördern und Produkte, Services und Geschäftsmodelle erlebbar machen. Dies trifft genau den Nerv unserer schnelllebigen Zeit. Aufgrund von VUCA (Volatility – Uncertainty – Complexity – Ambiguity) verändern sich Märkte und Produkte radikal. Entsprechend müssen sich Unternehmen an das veränderte Wettbewerbsumfeld schnell adaptieren um nicht den Anschluss zu verlieren. Design Thinking verspricht eine Antwort auf diese Herausforderungen.

Was macht Design Thinking so erfolgreich?

#Reflection in Action

Aufgrund jahrelanger Berufserfahrung wird ein Mitarbeiter sehr wertvoll für das Unternehmen, gleichzeitig entwickeln sich über die Jahre zahlreiche implizite Annahmen, wie Produkte oder Services am Markt wahrgenommen werden. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, versucht die Methodik explizit definierte Annahmen mittels greifbarer Prototypen mit Kunden zu testen. Dadurch werden Annahmen validiert und blinde Flecken reduziert.

#Playful Fun

Die spielerische Komponente im Design Thinking Prozess ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Methode. Die frühe Umsetzung von Ideen in Prototypen fördert die Kreativität und versetzt einen in die Rolle eines Kindes. Mit Legobausteinen, Schere und Papier können die meisten Ideen erlebbar gemacht werden und auch der strukturierteste Excel-Spezialist wird zum Architekt seiner eigenen Vorstellungskraft.

#Disrupt Silo

Gerade bei Organisationsformen, die aus unterschiedlichen Abteilungen bestehen (Silo), besteht die die Gefahr, Verantwortung für Fehler anderen zuzuschreiben. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Teams und das Vermeiden von vorschnellen Urteilen arbeitet Design Thinking dem bewusst entgegen. Das gemeinsame Erarbeiten der Lösung fördert ein einheitliches Problemverständnis und schafft die Grundlage für integrative Ansätze.

Bei allem Hype – Vorsicht vor Stolpersteinen!

#Company Aliens

Im traditionellen Unternehmenskontext wirkt die Methodik häufig wie ein Fremdkörper. Die bunten Post-its an den weißen Wänden und die gebastelten, bunten Prototypen passen nicht in das cleane und unpersönliche Open Office der Gegenwart. Das Spielerische beisst sich mit dem professionellen Auftreten, welches die Unternehmen darstellen möchten. Design Thinking Apostel wollen Farbe, neue Ideen und vor allem, eine neue Kultur im Unternehmen etablieren. Dadurch werden bestehende Unternehmenspraktiken bewusst hinterfragt und teilweise auch attackiert. Das schweißt beide Seiten jeweils zusammen. Hierdurch werden Methoden gegebenenfalls schnell als Ideologie wahrgenommen. Die „visionär“-denkenden Design Thinker können auf ein traditionelles Umfeld zunächst arrogant und überheblich wirken, wenn sie selbsternannt ins „gelobte Land“ führen.

#One-size fits all

Clustering, Know’s & Don’t Know’s, Personas, Common to Qualifier Framework, Benchmarking etc. – Design Thinking liefert zahlreiche Werkzeuge die im Rahmen des Prozesses zum Einsatz kommen. Dabei besteht die Gefahr, dass die Werkzeuge zum Selbstzweck werden und ein sportlicher Wettbewerb entsteht. Die Werkzeuge sollen im Prozess unterstützen und nicht am Denken hindern. Aus diesem Grund gilt es genau zu evaluieren, welche Werkzeuge welches Ziel verfolgen sollen.

Design Thinking – Mehr als nur eine Methode!

Alles in allem ist aus unserer Perspektive Design Thinking ein vielversprechender Ansatz für die Probleme der modernen Welt. Im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung sind Arbeitsformen notwendig, die auf Collaboration setzen. Dabei werden wertschöpfende und kreative Denkprozesse gefordert und gefördert welche nicht durch Maschinen ersetzbar sind. Die Notwendigkeit agile Prozesse und Methoden in den Arbeitsalltag zu integrieren stellt viele Unternehmen, bzw. deren Mitarbeiter vor Herausforderungen. Design Thinking kann dabei eine – nicht die eine – Antwort darauf sein.

Die Kunst liegt im Detail. Unsere Erfahrung innerhalb der letzten Monate hat uns darin bestätigt.

Es geht nicht nur darum bereitgestellte Tools abzuarbeiten, sondern den Mehrwert und die Idee dahinter zu verstehen. Und so würde ich meiner Kollegin zur initial gestellten Frage „Ist Design Thinking wirklich das Gelbe vom Ei?“ antworten: Ja, ist es wenn man es richtig macht! Das erfordert viel Schweiß und ist sehr zeitintensiv.

Über die Autoren:

Thomas Haskamp studiert aktuell im Master of Arts in Business Innovation an der Universität St. Gallen (HSG). Er absolviert diesen als Double Degree in Kombination mit einem Master of Organisational Change & Consulting an der Rotterdam School of Management (RSM) . Vor diesem machte er seinen Bachelor in BWL/E-Business an der Leuphana Universität Lüneburg. Er sammelte Praxiserfahrungen im Mittelstand, Konzernen und der Beratung. In seiner Freizeit engagiert er sich für Fragen der Bildungsgerechtigkeit und reist sehr gerne.

Muriel Boukaz studiert momentan an der Universität St.Gallen (HSG) im Masterstudiengang Business Innovation. Zusätzlich arbeitet Sie in einem Schweizer KMU im Bereich Raumgestaltung und befasst sich dabei mit den Lern- und Arbeitswelten der Zukunft.

Voraus geht ein Bachelorstudium in Betriebswirtschaft, welches ebenfalls an der HSG absolviert wurde. Auslandaufenthalte in Brasilien, Frankreich und auf Weltreise bereichern Ihre multikulturelle Erfahrung. Beruflich hat Muriel Erfahrung bei einer Schweizer Grossbank und in der Unternehmensberatung gesammelt. In Ihrer Freizeit engagiert Sie sich in einem studentischen Verein, moderiert Veranstaltungen (u.a. Hannover Messe) und macht viel Sport.

Die Autoren sind Teilnehmer des einjährigen Design Thinking Kurses an der Universität St. Gallen (HSG) und der Beitrag spiegelt nur die Meinung der Autoren wieder. In Zusammenarbeit mit der University of Stanford – die als Geburtsstätte von Design Thinking gilt – wird der Kurs durchgeführt. Als Teil des globalen Sugar Networks (u.a. Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Porto Design Factory, TU München, Linköping, Hasso-Plattner-Institut (HPI), Kyoto Institute of Technology) bearbeiten die Studierenden über einen Zeitraum von einem Jahr in internationaler Zusammenarbeit eine Fragestellung eines Partnerunternehmens (BMW, Merck, Swisscom, Daimler, Osram, Roche, SAP, Deutsche Telekom, …).

Quelle: ZukunftderArbeit

19 Juli 2019

Arbeiten im Home-Office bleibt die Ausnahme

Posted in Trends

Flexibles Arbeiten

Arbeiten im Home-Office bleibt die Ausnahme

Der Anteil der Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, steigt nur langsam. Viele arbeiten nur stundenweise im Homeoffice – und oft nach Feierabend, zeigt eine Studie.

Von Tina Groll

Mehr Menschen arbeiten von zu Hause oder unterwegs, ihr Anteil steigt aber nur sehr langsam. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Demnach ist bei jedem vierten Arbeitgeber in Deutschland die Arbeit aus dem Homeoffice oder von unterwegs zumindest zeitweise möglich, aber nur jeder zehnte oder jede zehnte Beschäftigte macht davon auch Gebrauch. Schaut man sich nur die Anspruchnahme von Homeoffice-Arbeit an, ist es jede oder jeder Fünfte.

Für die Analyse wurden Daten aus dem IAB-Betriebspanels 2018 ausgewertet. Für diese Untersuchung werden bundesweit 16.000 Unternehmen aller Größen und Branchen jährlich befragt. Die Studie gilt als repräsentativ, gibt aber wenig detaillierten Aufschluss über den spezifischen Einsatz von Homeoffice-Arbeit. Daher haben die Autorinnen und Autoren diese Daten mit jenen aus weiteren Studien wie das Linked Personnel Panel (LPP) ergänzt. Für diese Analyse werden nur Unternehmen aus der Privatwirtschaft mit mehr als 50 Beschäftigten befragt.

Die Daten zeigen, dass 26 Prozent der Unternehmen mobiles Arbeiten anbieten. Das heißt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht zwingend an einen Arbeitsort gebunden. Bei 15 Prozent dieser Arbeitgeber können die Beschäftigten sowohl mal von unterwegs – etwa auf Dienstreisen – als auch tageweise von zu Hause aus arbeiten. Acht Prozent der Firmen erlauben nur das Arbeiten aus dem Homeoffice, vier Prozent hingegen nur das Arbeiten von unterwegs, aber nicht von zu Hause. Das bedeutet, dass letztlich etwas mehr als jeder zehnte Arbeitgeber zeitweilig auf Homeoffice oder mobiles Arbeiten setzt.

Die Autorinnen und Autoren machen insgesamt einen Unterschied zwischen großen und kleinen Firmen aus: Während 57 Prozent der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten Homeoffice anbieten, ist es nur jeder fünfte Betrieb mit weniger als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Heimarbeit nur stundenweise

Aber was heißt das konkret? Für die allermeisten Arbeitgeber ist Homeoffice-Arbeit nur etwas, das unregelmäßig und in Ausnahmefällen stattfindet – 19 Prozent der Betriebe bieten es ausschließlich unregelmäßig an. Zwei Prozent erlauben den Beschäftigten wenige Male im Monat diese Option, betonen aber, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger als einmal pro Woche von zu Hause aus arbeiten sollten. Und nur ein Sechstel der Firmen, die Homeoffice anbietet, erlaubt den Beschäftigten mindestens einen Tag in der Woche. Tatsächlich ist das Arbeiten von daheim sogar ein Phänomen, das eher stunden- als tageweise verbreitet ist. Die allermeisten Beschäftigten arbeiten nur wenige Stunden im Homeoffice, zeigen die Daten: 22 Prozent arbeiten ausschließlich ganze Arbeitstage im heimischen Büro, 16 Prozent haben mal einen ganzen Tag, öfter aber nur einige Stunden – 52 Prozent aber machen ohnehin nur stundenweise davon Gebrauch. Viele davon am Wochenende, am Abend oder im Urlaub, also dann, wenn sie eigentlich frei hätten. Unklar ist, ob mit dem Homeoffice auch Überstunden geleistet werden.

Erst kürzlich hatte eine Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergeben, dass Heimarbeit generell häufiger zu Überstunden insbesondere bei Eltern führt. Auch zeigt das IAB-Betriebspanel aus dem Jahr 2017, dass 44 Prozent derjenigen, die Homeoffice nutzen, außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten.

 

Anstieg von 19 auf 22 Prozent

Insgesamt steigt der Anteil der Menschen, die flexibler arbeiten können, nur auf kleinem Niveau. Machten 2013 19 Prozent der Beschäftigten davon Gebrauch, waren es 2017 22 Prozent. Neuere Daten liegen nicht vor. Dabei zeigt sich: Führungskräfte können häufiger flexibel arbeiten als normale Fachkräfte ohne Leitungsaufgaben. Aber es hängt vom Bereich ab: Während fast jede vierte Führungskraft in der Produktion zeitweilig von zu Hause arbeiten kann, sind es nur fünf Prozent der normalen Beschäftigten in diesem Bereich. Im Service und in der Verwaltung sind es 43 bzw. 23 Prozent und in Vertrieb und Marketing nutzen 59 Prozent der Führungskräfte sowie 36 Prozent der normalen Beschäftigten Homeoffice. Die Autorinnen und Autoren der Studie machen dabei aber einen interessanten Trend aus: Zugenommen hat das flexible Arbeiten von daheim vor allem auf den Positionen ohne Leitungsfunktion, bei den Führungskräften ist die Zahl der Menschen, die flexibler arbeiten, hingegen nahezu gleich geblieben.

Dennoch betonen sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte, dass das flexible Arbeiten von zu Hause aus viele Vorteile habe. Beide schätzen die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier unterscheiden sich Arbeitgeber und Mitarbeitende kaum: Während 55 Prozent der Arbeitgeber die bessere Vereinbarkeit als Vorteil nennen, sind es 52 Prozent der Beschäftigten. Aber es gibt auch Unterschiede: Während 55 Prozent der Beschäftigten sagen, durch die Heimarbeit würden sie viel Zeit sparen, weil lange Arbeitswege wegfallen, sieht nur jeder dritte Arbeitgeber dies als Vorteil. 62 Prozent von ihnen wiederum betonen, der größte Vorteil sei der flexible Einsatz der Mitarbeiter, 45 Prozent geben auch an, die Beschäftigten seien produktiver, wenn sie von zu Hause aus arbeiteten. Für jede dritte Firma spielt auch die Arbeitgeberattraktivität im Kampf um Fachkräfte eine Rolle. Und immerhin jeder zehnte Arbeitgeber gibt zu, dass man auf diese Weise Bürofläche und somit Betriebsausgaben sparen könne.

Oft liegt es am Job

Das größte Hemmnis, warum sich flexibles Arbeiten nicht stärker durchsetzt, ist aber sowohl für Arbeitgeber als auch Beschäftigte die Art der Tätigkeit, die es gar nicht zulässt. Jedes zehnte Unternehmen gibt aber auch an, dass Homeoffice deshalb nicht erlaubt werde, weil eine Kontrolle sonst nicht möglich sei. 66 Prozent der Beschäftigten, die keine Telearbeit machen können, geben als Grund dafür an, dass die Vorgesetzten auf Anwesenheit bestünden.

Für jede fünfte Firma spielt außerdem eine Rolle, dass die Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten unter der Distanz im Homeoffice leide. Das Argument nennen auch die Beschäftigten, für die es wesentlich zentraler ist. 59 Prozent sagen, die schlechtere Möglichkeit für Absprache halte sie selbst davon ab, Heimarbeit nachzufragen. Und immerhin 56 Prozent der Beschäftigten sagen, sie wollten gar kein Homeoffice machen, weil sie Beruf und Privates lieber trennen möchten.

Die Autorinnen und Autoren der Untersuchung schlussfolgern daher, dass die Anwesenheitskultur in vielen Unternehmen noch fest verankert sei. Sie stellen aber auch heraus, dass sich da, wo diese einmal aufgebrochen werde, die Vorbehalte gegenüber Homeoffice änderten. Angesichts der Digitalisierung und des Breitbandausbaus, steigender Mieten in den Städten und langen Pendelwegen für Beschäftigte, fehlender Kinderbetreuungsplätzen und einer zunehmenden Flexibilisierung von Arbeitszeiten kann Telearbeit ein Faktor sein, der Beschäftigte entlastet und sich auch für Unternehmen rechnet. Die Studie liefert aber auch Antworten auf die Frage, warum Vorstöße wie ein von der SPD vorgeschlagenes Recht auf Homeoffice nicht weiter verfolgt werden.

Quelle: Xing-News

28 Juni 2019

Über die Zukünfte der Arbeit: Warum es nicht eine Zukunft der Arbeit gibt

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Über die Zukünfte der Arbeit: Warum es nicht eine Zukunft der Arbeit gibt

Johannes Kleske ist Zukunftsforscher und Mitgründer der Strategieberatung Third Wave und er sagt: „Es gibt die nicht, DIE EINE Zukunft.“ Er beschäftigt sich mit intensiv mit unseren Zukünften: „Welche sind wahrscheinlich, welche sind möglich und welche sind sogar wünschenswert“, fragt er. Im Interview mit Inga Höltmann spricht er über die Zukünfte von Arbeit, welchen Einfluss sie aufeinander ausüben und warum wir heute die Zukunft unserer Arbeit gestalten.

Er meint: Der Sinn über Zukünfte zu sprechen ist vor allem, diesen Dialog zu führen und sich Gedanken darüber zu machen, wie diese Zukünfte aussehen könnten: „Zukunftsforschung dient immer dazu, im Heute bessere Entscheidungen zu treffen“, sagt er – um eine bestimmte Zukunft wahrscheinlicher zu machen. Denn wenn wir nicht handeln, schaffe jemand anderes Fakten, warnt er.

Nehmen uns die Maschinen die Arbeit weg?

Eines der großen Themen, mit denen er sich in der Vergangenheit beschäftigte, war Automatisierung – verbunden mit der großen Frage: „Nehmen uns die Maschinen die Arbeit weg?“ Er meint: Nein, niemals sind es die Maschinen, die unsere Arbeit wegnehmen, es sind immer die Menschen hinter den Maschinen, die solche Entscheidungen treffen. Ein entscheidender Unterschied: „Wir verteufeln häufig die Technologie und blenden dabei aus, dass es am Ende Menschen oder Unternehmen sind, die diese Entscheidung treffen.“

Mit dem Wandel in der Arbeitswelt, angetrieben durch Automatisierung, Robotik oder KI, geht eine Aufwertung der Berufe einher, sie werden immer anspruchsvoller. Es sei in der Geschichte der Menschheit immer so gewesen, dass neue Jobs entstanden seien, wenn alte verschwanden, meint Kleske, und die seien tendenziell höher qualifiziert gewesen. Jedoch: „Das Problem, vor dem wir heute stehen, ist, dass diese Entwicklung teilweise so schnell ist, dass wir mit der Entwicklung neuer Jobs und mit der Qualifizierung für diese neuen Jobs nicht hinterherkommen“, sagt er.

„Wir haben kein Automatisierungsproblem, wir haben ein Fortbildungsproblem!“, sagt er. Im Zuge der Digitalisierung reiche es eben nicht, davon auszugehen, dass man die Menschen einmal auf einen „digitaleren“ Job umschulen muss, die Veränderung muss vielmehr andauernd sein, damit sie Schritt halten können. Eine gewaltige Anstrengung für das Schulsystem und die berufliche Aus- und Fortbildung.

Doch Kleske blickt einigermaßen entspannt auf die sich so schnell wandelnde Arbeitswelt. Er meint: Alles, was die Unternehmen ein bisschen unter Druck setzt, in die Pötte zu kommen, sei hilfreich. Er bemängelt, dass viele Unternehmen bisher zu wenig in der digitalen Welt gestalten. „Mir macht das Sorge, weil ich das Gefühl habe, dass zwischen den Themen, über die wir eigentlich reden müssten, der Abstand immer größer wird.“

Sein Appell: „Fangt an, in eine Vielfalt hineinzudenken!“

Er empfiehlt den Menschen in den Unternehmen: „Fangt an, in eine Vielfalt hineinzudenken!“ Was er damit meint: Nicht nur auf die Digitalisierung zu reagieren, sich so zu verhalten, als sei sie etwas, das einem passiert. Sondern sich auf sich selbst zu besinnen und nicht zu imitieren und zu kopieren. „Es sind in den letzten Jahren für mich immer die stärksten Momente gewesen, wenn ein Kunde versteht: ‚Ach so, ich kann einfach gucken, in was ich richtig gut bin – ich kann anfangen meinen Weg selbst zu definieren!‘“ Das Rezept: Anzufangen, auszuprobieren und loszulaufen, meint Kleske: „Es gibt sowieso keine andere Möglichkeit, denn niemand kann mehr sagen, was der richtige Weg ist!“

 

Über die Autorin

Das Gespräch führte ​Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und neues Lernen, um Unternehmen bundesweit in ihrer Transformation zu unterstützen. Sie twittert aktiv zu diesen Themen unter https://7905d1c4e12c54933a44d19fcd5f9356-gdprlock/ihoelt und freut sich über Anfragen auf LinkedIn oder per Mail auf Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

Quelle: Zukunft der Arbeit

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