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06 Mai 2022

Die neue Herausforderung: Hybrid im Quadrat

Posted in Mind

Die neue Herausforderung: Hybrid im Quadrat

Wo und wie künftig gearbeitet wird, müssen Führungskräfte und Teams jetzt herausfinden. Doch wer der Herausforderung mit alten Gewissheiten begegnet, wird bald allein dastehen.

Homeoffice-Pflicht entfallen ist, werden gute Antworten auf diese Fragen dringend gesucht. Wir befinden uns an einem entscheidenden Moment, in dem Arbeit neu definiert wird. Wir stehen in der Verantwortung, jetzt die Weichen zu stellen für den Weg hin zum hybriden Arbeiten, das Produktivität und Zusammenarbeit fördert und Sinn bietet. Wer diese Chance verschläft, wird schon bald Probleme haben, neue Talente zu finden und Leistungstragende zu halten.

„Wir sollten uns nicht der Tyrannei des ‚oder‘ beugen, sondern das Genie des ‚und‘ umarmen.“
Jim Collins, US-Managementexperte

Zu viele deutsche Führungskräfte haben den Schuss noch nicht gehört. Besser gesagt: Sie haben noch nicht gelernt, ihren Mitarbeitenden zuzuhören. Deutlich mehr als ein Drittel aller deutschen Führungskräfte befürchten negative Folgen für ihr Unternehmen, wenn sie ihren Mitarbeitenden flexibles Arbeiten von zu Hause ermöglichen.
Eine Yougov-Umfrage im Auftrag von Linkedin unter 2.000 Führungskräften in elf Ländern zeigt, dass deutsche Chefinnen und Manager bei New Work am konservativsten sind, wenn man von den noch skeptischeren Führungskräften in Irland absieht. Sie glauben tatsächlich, dass zuhause zu viel gefaulenzt wird. Kann sich Europas größte Volkswirtschaft diese Art (Miss-)Management leisten? Ich glaube nicht.

Warum? Weil die Mitarbeitenden das nicht mehr wollen. Und die potenziellen neuen Bewerber und Kandidatinnen übrigens auch nicht, besonders die jüngeren nicht. Wenn sie (wieder) jeden Tag ins Büro müssten, würden laut Studien sagenhafte 40 Prozent der Wissensarbeitenden lieber gleich ihren Job wechseln. Das zeigt der Digital Work Index, den Slack im Oktober 2021 unter 2.000 Befragten in Deutschland erstellen ließ. Über die gesamten Belegschaften verteilt liegt der Wert immer noch bei 15 Prozent, wie der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom anhand einer groß angelegten Untersuchung in 25 Ländern zeigt. Aktuelle Verkehrsdaten des ADAC zeigen zudem, was wirklich Sache ist: Der Wegfall der Homeoffice-Pflicht hat den morgendlichen Pendelverkehr in keiner Weise erhöht. Die Auslastung deutscher Büros lag laut einer Erhebung des Schweizer Statistikanbieters Locatee Anfang März fast genauso niedrig wie Ende 2020. In den USA zeigt eine Umfrage des Pew Research Centers den gleichen Trend: Wer die Möglichkeit hat, zuhause zu arbeiten, bevorzugt das in fast zwei Dritteln aller Fälle. Viele Menschen haben inzwischen herausgefunden, dass bestimmte Tätigkeiten zuhause besser oder mindestens genauso gut funktionieren – zumal man eine Menge tote Pendelzeit und teuren Sprit einspart.

Mich wundert das nicht, denn der Great Reshuffle ist in vollem Gange. Viele Menschen haben sich in der langen Corona-Zeit neu entdeckt und neu erfunden. Die Prioritäten verschieben sich und auf die Personalerverantwortlichen kommt eine große Moderationsaufgabe zu, um den Widerspruch zwischen den Wünschen der Führungskräfte und Mitarbeitenden elegant aufzulösen. Viele Unternehmen – wie auch die Atruvia – haben sich deshalb bereits für hybride Modelle als „das neue Normal“ nach Corona entschieden, zum Beispiel mit zwei Tagen remote und drei Tagen office. Das entspricht ziemlich genau den durchschnittlichen Wünschen der weltweiten Belegschaften, wie die groß angelegte Stanford-Studie zeigt. Auch hier tut sich allerdings noch die bekannte Erwartungslücke auf: global gesehen wollen Manager bislang eigentlich nur einen Tag Work from home zulassen.

Die alten Rituale haben ausgedient

Weltweit hinterfragen Beschäftigte den Sinn alteingespielter Arbeitsplatzrituale. Natürlich vermissen viele den persönlichen Austausch im Büro, gerade den informellen. Sie ahnen vielleicht auch, dass ohne diese „echten“ Kontakte langfristig die Gefahr besteht, bei einigen Dingen außen vor gelassen zu werden. Präsenz zu zeigen, ist also nicht nur Pflicht, sondern mindestens auch Kür – oder gar ein Anrecht darauf, „dabei“ zu sein. Zumal sich Beschäftigte auch für Tätigkeiten wie Kollaboration oder gemeinsame Kreativitäts- und Entwicklungsarbeit am liebsten physisch treffen.
Reine Informationsvermittlung hingegen wird immer weniger akzeptiert. Dafür muss niemand ins Büro fahren. Laut Digital Work Index gilt das allerdings auch immer mehr für Zoom und Teams.
Jedes zweite Meeting wird als unnötig wahrgenommen. Statt „Büro vor dem Computer“ zu spielen, wünschen sich knapp 60 Prozent der Befragten mehr Tools für das nicht gleichzeitige Zusammenarbeiten über Text-, Sprach- oder Video-Nachrichten. Flexibilität und Eigenverantwortung sind auch hier die Schlüssel.

Es fehlt an Übung und geeigneter Infrastruktur

Wir sind in einer neuen Experimentier- und Lernphase. Die richtige neue Mischung hat wohl noch keiner genau gefunden. Bis Ende 2019 waren wir alle gut im Arbeiten in Präsenz; die letzten 2 Jahre haben wir gemeinsam remote Arbeiten professionalisiert. Und jetzt? Die Mischung macht’s: Wir brauchen ein enormes Umdenken, was Führungsverhalten, Vertrauen und Ziel-/Ergebnisorientierung anbelangt. Es ist die Chance für Unternehmen, die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeitenden und Teams zur Organisation ihrer Arbeit nachhaltig zu stärken. Das führt zu ganz praktischen Herausforderungen, denen wir uns jetzt gemeinsam stellen müssen. So ist zum Beispiel ein fester Arbeitsplatz für Menschen im office, die auch remote arbeiten, grundsätzlich nicht mehr sinnvoll. Dafür brauchen wir neue, flexible und kreative Spaces in unseren Gebäuden, um das aufzufangen.

Activity based working kann hier die Lösung sein. Räume, die speziell für hybride Meetings und Kollaborationen angelegt sind, bekommen eine wesentlich höhere Bedeutung, ebenso informelle Arbeitsplätze. Hier brauchen wir neue technologische Lösungen für hybrides Zusammenarbeiten bis hin zu ersten Metaverse-Lösungen. Kreativ und digital gestaltete Räume, die radikal anders sein können als die Infrastruktur vor 2020, spielen aber eine weitere, wichtige Rolle: Für die Bindung ans Unternehmen, für das Erleben als Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen und Unternehmenswerten und zur Auslebung der Kreativität. Sie bieten auch die beste Basis, um neu gewonnene Kräfte auf die eigene Unternehmenskultur einzustimmen und sie schnell zu integrieren. Rein remote – das haben wir die letzten zwei Jahre gelernt – wird dies nicht gelingen. Das neu gestaltete Büro als Flaggschiff von hybrider Arbeit? So sieht es jedenfalls der Leitfaden Mobiles und hybrides Arbeiten des Bitkom und so sehen wir das auch bei Atruvia. Zurzeit gestalten wir unsere Büroflächen zu smarten, flexiblen Arbeitsflächen um, die sich nach den Aufgaben der Mitarbeitenden orientieren.

Meetings nicht mehr im Büro spielen, sondern vom Sinn her denken

Managerinnen und Chefs dürfen sich nicht wegducken, wenn es um das Redesign der Arbeit geht. Die Entscheidungen, welche Meetings in Präsenz, welche remote, welche hybrid und welche überhaupt durchgeführt werden, müssen sie gemeinsam mit ihren Teams treffen. Nur so wird sich im Unternehmen ein gleiches Verständnis dafür entwickeln, was wann wo sinnvoll ist. Dazu brauchen Führungskräfte heute andere Skillsets als vor der Pandemie. Die Psychologin Katrin Winkler, die an der Hochschule Kempten das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft leitet, hat das klar herausgearbeitet. Mit Hilfe einer LinkedIn-Umfrage fand sie heraus, dass 71 Prozent der Befragten glauben, dass Vorgesetzte hybrider Teams vor allem gut kommunizieren müssen. Ähnlich wichtig ist es, dass sie klare Ziele setzen und Empathie beweisen. So müssen sie ein intuitives Gefühl dafür entwickeln, was Sinn und Zweck von Treffen und Tätigkeiten sind. Soft Skills im Management und digitale Fähigkeiten sind also ein Schlüssel für die hybride Zukunft der Arbeit.

Mitarbeitende spüren, wenn Führungskräfte ihnen Vertrauen schenken und Hybrid authentisch selbst vorleben. Wenn die Belegschaft dadurch engagierter und kreativer wird, gewinnen alle. Wir müssen nur die Angst verlieren, dadurch weniger effizient zu werden. Blooms große Studie zeigt, dass WFH unsere Produktivität und Effizienz sogar leicht steigert, und zwar im Bereich um +5 Prozent. Zeit also, uns für eine neue Mischung zu entscheiden und „Hybrid im Quadrat“ wirklich zu wagen.

Über den Autor

Jörg Staff ist Mitglied des Vorstands und Chief People Officer bei Atruvia (früher Fiducia & GAD) sowie Aufsichtsrat, Beirat und Investor von (Tech-)Start-ups. Er arbeitete vor dieser Position über 20 Jahre als Mitglied von Global Executive Leadership Teams direkt für CEOs und Vorstände führender globaler Unternehmen in der IT- Industrie (SAP, Debis Systemhaus), Logistik (Deutsche Post/DHL) und der Automobilindustrie (Daimler). In seinen globalen Positionen verantwortete er unternehmensweite Strategie-/Transformationsprogramme, Restrukturierungs- und Effizienzprogramme und unterstützte diverse Wachstumsinitiativen. Darüber hinaus sind Schwerpunkte seiner Arbeit People-Themen, wie die Ausrichtung der Unternehmensorganisation auf Human Experience, die Einführung agiler Zusammenarbeitsmodelle und die Stärkung der Innovationkraft. Staff absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaft und einen Master of Business Administration (MBA). Über 30.000 Leserinnen und Leser haben bisher seine Kolumne Logbuch einer Transformation gelesen, die 2019/2020 monatlich auf humanresourcesmanager.de erschienen ist. 2021 ist er zum CHRO of the Year gewählt worden.

Quelle: Human Ressources Manager

14 Januar 2022

Mit interner Kommunikation digitale Nähe aufbauen

Posted in Führung, Leadership

Mit interner Kommunikation digitale Nähe aufbauen

Erfolgreiche digitale interne Kommunikation bezieht alle Mitarbeitenden ein und schafft Nähe. Maximilian Haselhoff von d.velop erklärt, was dabei zu beachten ist.

Es gibt nicht mehr „den einen Weg“, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Informationen zukommen zu lassen, Feedback einzuholen oder Nähe und Vertrauen aufzubauen. Vielmehr müssen sich Führungskräfte Gedanken darüber machen, wie sie auch über digitale Kanäle Mitarbeitende im Homeoffice oder unterwegs optimal abholen.

Eine erfolgreiche interne Kommunikation lebt von der Unternehmenskultur

Wer intern regelmäßig kommuniziert, erkennt schnell, dass sich unsere Kommunikationsgewohnheiten mit dem Einzug von digitalen Kanälen wie Smartphones und Apps nachhaltig gewandelt haben. Im Digitalen ist das Nähe-Distanz-Verhältnis schwieriger zu bewältigen, da wir uns physisch weniger oft begegnen und es somit auch schwieriger ist, Vertrauen aufzubauen.

Eine gut funktionierende interne Kommunikation fungiert als Bindeglied zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie ist es, die den Austausch von Informationen, das gegenseitige Zuhören und die Transparenz sowie den Dialog unterschiedlicher Stakeholder im Unternehmen sicherstellt und fördert. Erfolgreiche interne Kommunikation erreicht alle Mitarbeitenden und bezieht diese aktiv mit ein. Nur so trifft sie auch auf eine breite Akzeptanz.

Vorteile der internen Kommunikation für Führungskräfte

Führungskräfte können sich die Strahlkraft guter Kommunikation zu Nutze machen und so Routinen ins Leben rufen, die beispielsweise das soziale Miteinander innerhalb von Abteilungen und Teams fördern, und das auch digital. Interne Kommunikation ist ein wichtiges Werkzeug, um Regeln schnell, transparent und begründet zu kommunizieren und somit Orientierung und Zusammenhalt in herausfordernden Zeiten zu vermitteln. Die Art und Weise, wie innerhalb einer Organisation kommuniziert wird, sagt häufig viel über die Kultur und die Ausrichtung eines Unternehmens aus. Dementsprechend sollten die Chancen einer gut durchdachten internen Kommunikation vor allem von Führungskräften wahrgenommen werden.

Durch interne Kommunikation entstehende Mehrwerte für Führungskräfte

  1. Vermittlung von Werten
  2. Vertrauen schaffen
  3. Nahbarkeit zwischen Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern und Management schaffen
  4. Zusammenhalt im Unternehmen stärken
  5. Dialog fördern
  6. Innovationen und Ideen fördern
  7. Transparente Prozesse etablieren
  8. Feedback-Möglichkeiten geben

Gerade innerhalb von digitalen und virtuellen Kommunikationsstrukturen ist es für Führungskräfte unerlässlich, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen und diese regelmäßig in Kommunikationsprozesse einzubeziehen, um so digitale Nähe zu schaffen.

Wie Sie die interne Kommunikation verbessern

Nun zur Ausgangsfrage: Wie verbessert man denn nun die interne Kommunikation im Unternehmen? Und wie erreicht man heutzutage Mitarbeitende mit den richtigen Botschaften über die wirklich relevanten Kanäle?

Im ersten Schritt sollten Sie Ihre Kommunikationsstrategie im Unternehmen genau unter die Lupe nehmen – sofern Sie bereits eine haben. Hierbei können folgende Fragestellungen helfen, den Status Quo Ihrer internen Kommunikation (beispielsweise über eine Online-Befragung der Belegschaft) zu analysieren:

  • Welche Kommunikationskanäle werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern derzeit genutzt?
  • Wie kommunizieren die Vorgesetzten mit den Arbeitnehmenden und umgekehrt?
  • Könnten die Kommunikationswege verkürzt und optimiert werden?
  • Sind entsprechende Kommunikationstools zeitgemäß und für alle Generationen im Unternehmen nutzbar?

Ist der Zugang zu relevanten Informationen transparent und zentral erreichbar?
Ausgangspunkt für mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der internen Kommunikation sind also stets aktuelle Herausforderungen und Prozesse, die sich meistens optimieren lassen. Generell sollten Führungskräfte die virtuelle interne Kommunikation authentisch, pragmatisch und persönlich gestalten. Beispiele sind regelmäßige Updates über Trends und Entwicklungen im Unternehmen über Video-Botschaften, das eigene Intranet oder E-Mails. Und auch Feedback in Form von Lob und Anerkennung sollte in der internen Kommunikation von Führungskräften berücksichtigt werden. Genutzt werden können GIFs, Kommentare, Smileys oder Like-Buttons, um Interaktion und Kommunikation zu kombinieren. Eine sichere interne Chat-Lösung muss einfach zu bedienen sein und sollte der gesamten Belegschaft zugänglich gemacht werden.

Strategie für die interne Kommunikation: Erst die Botschaft, dann der Kanal

An wen richtet sich die Botschaft? Diese Frage sollte stets klar beantwortet werden. Denn die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen sind sehr unterschiedlich.
Ein Beispiel: Lagerarbeiter sind darauf angewiesen, Rückfragen zu Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz stellen zu können. Hier sind beispielsweise Hygiene-Informationen und Notfall-Kontakte wichtig. Der Kanal kann beispielsweise das Intranet oder die eigene Mitarbeiter-App sein, um die Kommunikation auch mobil zu ermöglichen. Die Inhalte werden dann im Team erarbeitet und entsprechend an die richtigen Stakeholder im Unternehmen versendet.

Fazit: Mobile Kommunikation per App wird immer wichtiger

Durch den Einsatz von Technologie und mit Hilfe entsprechender Lösungen wie einer Mitarbeiter-App kann wertvolles Wissen schnell und über mobile Endgeräte abteilungsübergreifend verteilt sowie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bequem aufgenommen werden. Und auch externe Stakeholder wie Lieferanten oder Partner können leicht über beispielsweise einen Unternehmens-Chat in die Kommunikation eingebunden werden. Rechtegesteuert und individuell können so nicht nur Informationen, sondern auch vollständige Prozesse digital abgebildet werden.

Über den Autor

Maximilian Haselhoff ist ein echter App-Fan und kümmert sich bei der d.velop AG federführend um das Thema Mitarbeiter-App. Als Business Development Manager und Digital-Stratege ist er stets auf der Suche nach den neusten App-Innovationen und HR-Software-Trends.

Quelle: hrjournal.de

03 Dezember 2021

International Remote Working: So gelingt die Umsetzung

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International Remote Working: So gelingt die Umsetzung

Für die effiziente Einführung des virtuellen Zusammenarbeitens über Landesgrenzen hinweg sollten Arbeitgeber zentrale Faktoren berücksichtigen. Was sind die ersten Schritte?

Bedarfsanalyse

Anhand der im ersten Teil der Beitragsreihe dargestellten Überlegungen sollten Unternehmen zunächst eine Bedarfsanalyse anstellen. Was bezwecken wir mit dem Thema International Remote Working? Welche Rolle spielt International Remote Working für uns als Marke, auf dem Arbeitsmarkt, für unsere Mitarbeitende sowie die Bewerberinnen und Bewerber? Wie planen wir die Internationalisierung unserer Geschäftsentwicklung? Teil dieser Analyse kann eine Mitarbeiterbefragung sein. Häufig hat die Geschäftsführung (oder eine von dieser Eingesetzte Projektgruppe International Remote Working) keine genauen Vorstellungen davon, wie viel Flexibilisierung die Mitarbeitenden wollen. Auch eine Bestandaufnahme aktueller Anfragen der Mitarbeiter zu International Remote Working ist hilfreich.

Clustering

Weiter ist es wichtig, zwischen verschiedenen Formen von International Remote Working zu trennen, da administrativer Aufwand, Compliance-Risiken und Kosten unterschiedlich sind. Wie dabei geclustert wird, hängt vom Unternehmen ab. Eine sinnvolle Unterscheidung ist zum Beispiel die Einordnung in kurzfristige/temporäre und langfristige Konstellationen. Auf der einen Seite die tage-/wochenweise Verlängerung des Urlaubs zu Arbeitszwecken („workation“). Auf der anderen Seite das Einstellen von Mitarbeitenden im Ausland, die aus ihrem Heimatland für das deutsche Unternehmen arbeiten sollen. Zu den langfristigen Konstellationen zählt auch die Unternehmensorganisation mit globalen Rollen und länderübergreifenden Mehrfachfunktionen („globale Matrixorganisation“). Zum Clustering gehört auch, dass das Unternehmen sich darüber klar wird, welche Relevanz die einzelnen Gruppen für das Unternehmen haben. Viele Unternehmen starten bei der Umsetzung zunächst mit den Gruppen, die leichter umzusetzen sind und nehmen die komplexeren Gruppen in einem zweiten Schritt in Angriff.

Rechtliche Prüfung

International Remote Working berührt verschiedene Rechtsgebiete: Steuerrecht (Einkommen-/Lohnsteuer und Betriebsstätten/Verrechnungspreise), Sozialversicherung, Arbeits- und Aufenthaltsrecht sowie Datenschutz/Datensicherheit. Die Compliance-Risiken der einzelnen Fallgruppen unterscheiden sich erheblich. Ebenso macht es einen großen Unterschied, ob sich die Fälle innerhalb oder außerhalb Europas abspielen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei dar, dass es zu International Remote Working zum Teil noch keine klaren Regelungen beziehungsweise keine einheitliche Praxis der Behörden gibt. Der sensibelste Compliance-Bereich für viele Unternehmen ist in diesem Zusammenhang die steuerliche Frage der Begründung von Betriebsstätten, also die Frage ob ein Arbeitnehmer beziehungsweise eine Arbeitnehmerin, der oder die bei einem Unternehmen in Land A angestellt ist und in Land B arbeitet, in diesem Land B eine Steuerpflicht für das Unternehmen aus Land A auslöst. Zwar gibt es hierzu Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen, nationale Gesetze sowie Grundsätze der OECD. Ob diese aber auch auf Homeoffice-Situationen uneingeschränkt anwendbar sind, ist höchst strittig und von Land zu Land unterschiedlich.

Administrativer Aufwand

Neben der Prüfung der rechtlichen Risiken müssen Unternehmen prüfen, welchen administrativen Aufwand die verschiedenen Fallkonstellationen von International Remote Working für sie bedeuten. Auch hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen. Administrativer Aufwand kann zum Beispiel entstehen durch Lohnsteuerverpflichtungen und Registrierungspflichten im Ausland, rechtliche Prüfungen, das Tracking von Anwesenheitstagen in den betroffenen Ländern, und so weiter. Am Ende steht die Abwägung, ob das Unternehmen den administrativen Aufwand, insbesondere für die Vermeidung rechtlicher Risiken angesichts der Bedeutung bestimmter International Remote Working Konstellationen in Kauf nehmen will.

Umsetzung

Im Rahmen der Umsetzung sind verständliche Regelungen, ein gut strukturierter Genehmigungsprozess mit klaren Verantwortlichkeiten sowie die Kommunikation im Unternehmen entscheidend. Wichtig ist dabei, dass das Unternehmen zwei verschiedene Perspektiven im Blick behält. Zum einen muss es sicherstellen, dass einzelne Beschäftigte durch ihre International-Remote-Working-Tätigkeit keinen Risiken ausgesetzt ist. Dass zum Beispiel der Verbleib in der heimischen Sozialversicherung sichergestellt ist und das entsprechende Formular zum Nachweis bei den ausländischen Behörden beantragt ist. Oder dass die Mitarbeitenden durch ihre Tätigkeit im Ausland nicht steuerpflichtig werden.

Aus Sicht der Unternehmensführung ist wichtig, einen geeigneten Compliance-Management-Prozess aufzustellen, um den gesetzlichen Aufsichts- und Organisationspflichten gerecht zu werden. Bei Verstößen gegen diese Verpflichtung greift gemäß § 130 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine persönliche Haftung der geschäftsführenden Organe. Daher ist dieser Aspekt der Umsetzung für die Unternehmensleitung von entscheidender Bedeutung. Die Verantwortlichkeit für die Umsetzung liegt häufig bei einer von der Unternehmensleitung eingesetzten Projektgruppe aus HR und den Compliance-Funktionen Steuer und Legal. Stakeholder-Management in Richtung der Unternehmensleitung ist dabei eine der wichtigsten (und häufig auch schwierigsten) Aufgaben.

So gelingt die Umstellung auf International Remote Working

Die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass es sinnvoll ist, das Thema abzuschichten und sich zunächst auf die Umsetzung von weniger aufwendigen oder für das Unternehmen besonders relevanter Formen von International Remote Working zu konzentrieren. Für eine solche Abwägung müssen sich Unternehmen über ihre strategischen Prioritäten im Klaren sein und diese gegen Machbarkeit, Compliance-Risiken und administrativen Aufwand abwägen. Versuchen sich Unternehmen ohne einen solchen langfristigen Plan an einer Umsetzung, so besteht das Risiko, dass sie die Organisation überfordern.

Über den Autor

Dr. Tobias Preising ist Partner Global Mobility Services bei der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er berät Kunden bei Lösungen auf dem Gebiet der Global Mobility in Bereichen wie unter anderem Mobility Tax, Social Security, Mobility Process Improvement und Organizational Change. Preising verfügt über mehr als 15 Jahre Beratungserfahrung und hat Kunden aus unterschiedlichen Branchen betreut, darunter aus solche aus der Automobilindustrie, Transport und Logistik sowie Financial und Professional Services mit beruflichen Stationen in Deutschland, China und der Schweiz.

 

Quelle: Humanressourcemanager

26 November 2021

International Remote Working: Die Vorteile für Unternehmen

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International Remote Working: Die Vorteile für Unternehmen

Arbeitgeber sollten sich jetzt überlegen, wie sie die Möglichkeiten virtueller Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg strategisch für sich nutzen können.

Nach anderthalb Jahren pandemiebedingter Reisebeschränkungen haben viele Menschen dieses Jahr wieder die Möglichkeit wahrgenommen, in den Sommerurlaub zu reisen und im Ausland entspannte Tage zu genießen. Doch anders als in vorangegangenen Jahren haben dieses Mal viele Urlauber neben Badehose und Reiseführer auch den Firmenlaptop, Headset und die wichtigsten Unterlagen vom letzten Projekt im Gepäck. Der Trend zum virtuellen Zusammenarbeiten und damit verbunden die Vermischung von Arbeit und Privatleben, macht auch vor dem Urlaub nicht halt. Personalabteilungen werden überrannt von Anfragen ihrer Mitarbeitenden, die gerne Urlaub und Arbeit verbinden und vom Urlaubsort aus mobil arbeiten möchten. Die Tourismus- und Werbebranche hat hierfür den Begriff Workation geprägt und lockt mit dem Versprechen „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“ oder „Netzwerken mit Gleichgesinnten unter Palmen“. Das ist aber nur ein Teilaspekt von International Remote Working – dem mobilen, virtuellen Zusammenarbeiten über Landesgrenzen hinweg. Innovative Unternehmen sind bereits einen Schritt weiter gegangen und haben medienwirksam angekündigt, ihren Mitarbeitenden zukünftig volle Flexibilität bei der Wahl ihres Arbeitsortes zu gewähren. Alle Beschäftigten soll arbeiten können, von wo sie wollen. Was zählt, ist allein das Ergebnis.

Zwischen Workation, dem kurzfristigen Verlängern von Urlaub um ein paar Arbeitstage, und völliger Freiheit in der – auch dauerhaften – Wahl des Arbeitsortes liegen allerdings Welten. Mit den technischen Möglichkeiten des virtuellen Zusammenarbeitens durch Skype, Microsoft Teams und ähnlichen Programmen und der Erkenntnis, das Arbeiten im Homeoffice in vieler Hinsicht besser funktioniert als gedacht, hat sich die Büchse der Pandora geöffnet. Gleichzeitig hat sich in kürzester Zeit bei Beschäftigten der Anspruch entwickelt, dass ein guter Arbeitgeber ihnen eine gewisse Flexibilität bieten muss. Unternehmen müssen sich daher jetzt überlegen, wie sie diese Möglichkeiten strategisch für sich nutzen wollen und wieviel Flexibilität sie wollen und brauchen.

Welche Überlegungen stehen für Arbeitgeber am Anfang?

Am Anfang steht die strategische Überlegung, was das Unternehmen mit der Flexibilität erreichen will. Die Frage nach dem Warum. Hier spielen unterschiedliche Aspekte eine Rolle spielen:

Employer Attractiveness: Immer mehr fordern gerade jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Möglichkeiten zum flexiblen internationalen Arbeiten ein. International Remote Working gibt die Möglichkeit, das starre traditionelle Korsett von Entsendungen und Projekteinsätzen zu verlassen und die persönliche Lebensplanung mit internationalem Arbeiten zu verbinden. Bedürfnisse des Lebenspartners beziehungsweise der Lebenspartnerin lassen sich dabei ebenso berücksichtigen, wie familiäre Bindungen im Ausland. Von einem attraktiven Arbeitgeber erwarten viele Beschäftigten heute, dass er ihnen die Möglichkeit gibt, den Ort des Arbeitsplatzes diesen privaten Bedürfnissen anzupassen. Gerade in Branchen, in denen der Kampf um die besten Talente bereits entbrannt ist, sind Arbeitgeber hier im Zugzwang.

Fachkräftemangel, Kosten und Unternehmenskultur sind zentrale Faktoren

Fachkräftemangel

Für viele Unternehmen kann International Remote Working eine Antwort auf den Fachkräftemangel im heimischen Arbeitsmarkt sein. Interessant ist dies nicht nur für große international aufgestellte Unternehmen, sondern gerade auch für den Mittelstand oder Familienunternehmen. Viele hatten der Vergangenheit zunehmende Schwierigkeiten, auf dem lokalen Markt passende Talente zu finden. Talente aus anderen Ländern waren häufig nicht bereit, eine Stelle zum Beispiel im Ruhrgebiet, der Schwäbischen Alb oder in Niederbayern anzutreten. Selbst deutsche Großstädte wie Hamburg, Köln oder München haben es schwer im Vergleich zu Barcelona, London oder Paris. International Remote Working gibt Unternehmen die Möglichkeit, Talente an ihrem Wohnsitz im Ausland anzuwerben und sie dann von dort für sich arbeiten zu lassen. Ein IT-Experte aus London muss nicht vor Ort in Regensburg leben, um für den dort ansässigen Arbeitgeber zu arbeiten. Längst sind internationale Teams, die überwiegend virtuell zusammenarbeiten, in vielen Unternehmen weit verbreitet.

Kosten

Unternehmen haben erkannt, dass es deutlich günstiger ist, die Arbeit zu den Mitarbeitenden kommen zu lassen, als Mitarbeitende zu ihren Jobs zu bewegen. Durch den fast vollständigen Wegfall von Dienstreisen und neuen internationalen Entsendungen sind die damit verbundenen Kostenblöcke in der Bilanz vieler Unternehmen in den letzten anderthalb Jahren drastisch gesunken. Anstatt Mitarbeitende auf Dienstreisen oder Kurzeinsätze in andere Länder zu schicken, setzen Unternehmen darauf, diese Tätigkeiten soweit wie möglich virtuell zu gestalten. Dies ist branchenabhängig in unterschiedlichem Maße möglich. Das Einsparpotential ebenso wie der Effizienzgewinn sind jedoch enorm. Gleichzeitig spielt hier der Nachhaltigkeitsgedanke eine große Rolle. Für Beschäftigte ebenso wie für Kunden spielt die Ökobilanz von Unternehmen eine immer größere Rolle. Der Verzicht auf Dienstreisen, Projekteinsätze, selbst auf Entsendungen zugunsten von International Remote Working wirkt sich auf die Ökobilanz ebenso positiv aus, wie auf die Kosten.

Unternehmenskultur

Neben diesen Fragen spielt die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle. In Deutschland ist die Präsenz- und Officekultur noch stärker ausgeprägt als in anderen Ländern. Am Thema Homeoffice scheiden sich die Geister. Die Diskussionen hierzu wurden in deutschen Unternehmen vor der weltweiten Covid-19-Diskussion erbittert geführt, mit Argumenten, die häufig mehr ideologisch als sachlich geprägt waren. Zwar nutzen jetzt, wo die allgemeine Pflicht zum Homeoffice aufgehoben ist, viele Unternehmen die guten Erfahrungen der letzten 1,5 Jahre und planen für die Zukunft hybride Arbeitsmodelle mit einer Kombination aus Anwesenheit und Homeoffice. Andere Unternehmen jedoch kehren zum Anwesenheitsmodell zurück und wollen Homeoffice auch in Zukunft nur in Ausnahmesituationen oder für bestimmte Mitarbeitergruppen gewähren. Wenn aber im Unternehmen bereits virtuelles Arbeiten aus dem deutschen Homeoffice kritisch gesehen wird, dann wird es für das Unternehmen umso schwerer werden, eine Strategie und Regelungen für International Remote Working aufzustellen. Momentan versuchen hier viele Unternehmen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun.

Strategische Vorteile aus genauer Analyse ableiten

International Remote Working ist ein neues, vielschichtiges Thema mit enormer strategischer Bedeutung für Unternehmen. Wichtig ist, dass Unternehmen sich zunächst genau überlegen, in welcher Form sie International Remote Working nutzen wollen, wieviel Flexibilisierung die Organisation verträgt und das Business braucht, um sich international zu entwickeln, und was Beschäftige sowie Bewerberinnen und Bewerber von einem attraktiven Arbeitgeber erwarten. Hierzu gibt es innerhalb des Unternehmens häufig konträre Ansichten. HR legt den Fokus zum Beispiel auf Employer Attractiveness, für die Compliance-Funktionen steht die Vermeidung von Risiken und Minimierung des administrativen Aufwands im Mittelpunkt und für das Business ist oft der kurzfristige unternehmerische Erfolg ausschlaggebend. Hier ist es wichtig, alle Stakeholder von Anfang an in Planung und Umsetzung einzubeziehen und offen zu kommunizieren. So kann International Remote Working zu einem strategischen Vorteil für Unternehmen werden.

Im zweiten Teil der Beitragsserie erfahren Sie, wie die Umstellung auf International Remote Working gelingt und was dabei zu beachten ist.

Über den Autor

Dr. Tobias Preising ist Partner Global Mobility Services bei der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er berät Kunden bei Lösungen auf dem Gebiet der Global Mobility in Bereichen wie unter anderem Mobility Tax, Social Security, Mobility Process Improvement und Organizational Change. Preising verfügt über mehr als 15 Jahre Beratungserfahrung und hat Kunden aus unterschiedlichen Branchen betreut, darunter aus solche aus der Automobilindustrie, Transport und Logistik sowie Financial und Professional Services mit beruflichen Stationen in Deutschland, China und der Schweiz.

Quelle: Humanressourcemanager

12 November 2021

Hybrid Work: Nach Corona wollen nicht alle zurück ins Büro. Damit das gut klappt, sollte man einige Dinge berücksichtigen

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Hybrid Work: Nach Corona wollen nicht alle zurück ins Büro. Damit das gut klappt, sollte man einige Dinge berücksichtigen

Der Büroalltag wurde während der Pandemie auf den Kopf gestellt – und immer mehr Angestellte wollen auf die Vorzüge von Home-Office nicht mehr verzichten. Wie gelingt das, ohne den wichtigen Austausch vor Ort zu vernachlässigen?

Nach über einem Jahr im Home-Office beginnen viele Unternehmen, ihre Angestellten zurück ins Büro zu holen. Die Zeit ausserhalb der Büroräumlichkeiten während der Pandemie hat jedoch Spuren hinterlassen: Gemäss einer repräsentativen Umfrage von Deloitte Schweiz kann sich mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen vorstellen, mehr als die Hälfte der Arbeitszeit auch in Zukunft im Home-Office zu verbringen. Ein Viertel würde gar gerne nur noch im Home-Office arbeiten.

Immer mehr Unternehmen sind bereit, diese Wünsche zu berücksichtigen, und erwägen, künftig die Arbeit von daheim zumindest für einige Tage in der Woche zu erlauben. Während der Pandemie wurde rasch klar, dass das Home-Office den Erwerbstätigen viele Vorteile bietet, ohne dass die Produktivität darunter leidet.

Für Hartmut Schulze, der an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Bereich der Gestaltung mobil-flexibler Arbeit sowie der psychologischen Aspekte der Büroraumgestaltung forscht, ist das Experiment Home-Office geglückt: «Remote Work hat gut funktioniert, und man sollte einige der entdeckten Vorteile auch in Zukunft beibehalten. Gerade was Treffen zur Koordination oder zum Austausch von Informationen angeht, hat man gemerkt, dass man dafür nicht unbedingt ins Büro gehen muss.» Auch weniger komplexe Brainstormings seien dank Programmen wie Miro, einem digitalen Whiteboard, problemlos zu bewältigen.

Umgekehrt habe die Zeit im Home-Office klargemacht, welche Tätigkeiten im Büro besser und produktiver gestaltet werden könnten. «Die kollektive Ideen- und Entscheidungsfindung in grossen Teams oder Workshops mit zwischengeschalteten informellen Abschnitten wie zum Beispiel einem Spaziergang sind vor Ort deutlich besser zu bewerkstelligen. Hier braucht es neue Konzepte für den Einbezug derjenigen, die nicht physisch teilnehmen können.»

Zwei Arbeitswelten zusammenführen

Auf die Unternehmen kommt nach dem Schritt ins Home-Office nun eine neue Herausforderung zu: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Hybrid-Work-Modell, wenn also nur ein Teil der Mitarbeiter von ausserhalb und der andere Teil vor Ort arbeitet?

Der Büroraumgestaltungs-Experte Schulze sieht verschiedene Arten, wie Firmen die Sache nach Corona angehen. «Einige Unternehmen lassen die Mitarbeiter ganz frei wählen, von wo aus sie arbeiten möchten. Auf der anderen Seite gibt es Firmen, die alle Mitarbeiter nun zurück ins Büro rufen. Wieder eine andere Lösung ist, verschiedene Mobilitätsprofile festzulegen, je nach Art der Tätigkeit und den Präferenzen für das Ausmass von Home-Office. Je nachdem erhält ein Mitarbeiter einen zusätzlichen Bildschirm für das Home-Office, hat jedoch im Büro keinen fixen Arbeitsplatz mehr. Die meiner Meinung nach beste Lösung ist, wenn die Regeln aus dem Team selbst erstellt werden und es selber festlegt, wie es zusammenarbeiten möchte und wann es sich physisch direkt vor Ort, wann in virtueller Form trifft.»

Damit der Schritt zu einer hybriden Arbeitsform gelingt, sollten gewisse Regeln aufgestellt werden. So sollte man festlegen, für welche Treffen alle vor Ort sein müssen («all are face-to-face») und für welche sich alle über Videokonferenz-Software einwählen («all are remote»). Zur zweiten Variante unterstreicht Schulze: «Dabei sollten auch jene, die im Büro sind und am selben Meeting teilnehmen, sich jeweils in einem separaten Raum einwählen.» So verhindere man, dass unter den Teilnehmern vor Ort eine Dynamik entstehe, die bei den übrigen Teilnehmern Irritationen auslösen könne.

Die Organisation hybrider Meetings gestalte sich hingegen schwieriger. Damit diese gut gelingen, müsse unter anderem die Ausrüstung stimmen. «Es braucht sicher einen grossen Bildschirm vor Ort, damit die Teilnehmer von ausserhalb über eine gute Präsenz im Raum verfügen», sagt Schulze. «Umgekehrt ist es sinnvoll, Sitzungszimmer mit einer Panoramakamera auszurüsten, die sich automatisch auf den Sprecher fokussiert.»

Einen Ansatz, wie das aussehen könnte, zeigt das Beratungsunternehmen Deloitte, das im Juni seinen neuen Schweizer Hauptsitz in Zürich im Kreis 5 bezogen hat. Das Gebäude wurde dabei mit Blick auf flexible Arbeitsformen eingerichtet, wie die Firma bei einer Führung erklärt.

Die Ausrüstung muss stimmen

Die Arbeitsplätze sind mit einzelnen, grossen Bildschirmen ausgerüstet und verfügen alle über eine Webcam, die zentral über dem Bildschirm angebracht ist. Die Position ermöglicht – anders als bei der im Laptop eingebauten Kamera, die oft von unten sowie von der Seite filmt – eine gute Perspektive in Video-Meetings. Der einzelne, grosse Bildschirm bietet gegenüber mehreren kleinen den Vorteil, dass die Erkennung und Anordnung der Fenster beim Anschliessen des Laptops vereinfacht wird und man nicht zunächst die Einstellungen aufsuchen muss, um die einzelnen Bildschirme zu ordnen.

Zwischen den Arbeitsplätzen sind flexible Begegnungszonen und kleinere Sitzungszimmer eingerichtet, um spontane Treffen und Kollaborationen zu ermöglichen. Diese sind mit unterschiedlichen Sitzgelegenheiten und verschiedenen Farbkonzepten eingerichtet und verfügen alle über mindestens einen Bildschirm mit einer Kamera. Auch in den auf den Stockwerken verteilten Cafeterias sind an einigen Tischen Bildschirme mit Kamera angebracht. So ist sichergestellt, dass, egal wo man gerade ist, eine Person aus dem Home-Office dazugeholt werden kann.

Auch die grossen Sitzungszimmer sind auf hybrides Arbeiten ausgerichtet. Das in der Decke eingebaute Mikrofon sowie die Kamera sind automatisch an, wenn ein Meeting gestartet wird, und müssen manuell ausgeschaltet werden. Die Kamera fokussiert zudem jeweils automatisch auf den Sprecher. Das erleichtert es den Teilnehmern im Home-Office, zu erkennen, wer gerade spricht. Umgekehrt ermöglicht ein grosser Bildschirm im Raum eine gute Präsenz der von ausserhalb Teilnehmenden. Jedes Sitzungszimmer verfügt über ein analoges Whiteboard, das abgefilmt wird für die Personen von ausserhalb. Auf einem zusätzlichen, berührungsempfindlichen Bildschirm kann weiter ein digitales Whiteboard benutzt werden, das alle gleichzeitig ansehen und bearbeiten können.

Damit Sitzungen mit Hybrid Work funktionieren, braucht es die richtige Einrichtung

 

Es braucht neue Regeln für Meetings

Mit der Technik allein ist es jedoch nicht getan. Für Veronica Melian, Leiterin Human Capital Consulting bei Deloitte, stellen sich auch grundsätzliche Fragen. «Bereits vor der Pandemie hinkte der Arbeitsplatz der technischen Entwicklung etwas hinterher. Wir müssen uns fragen, ob der klassische Achtstundentag im Büro noch seinen Zweck erfüllt. Wie ist die Arbeit organisiert? Was kann von wo aus gemacht werden?» Es brauche neue Regeln für Meetings, um diese inklusiver zu gestalten und die Leute im Home-Office nicht zu verlieren, ergänzt die Human-Capital-Expertin. Melian nennt einige Punkte, auf die man dabei achten sollte:

  • Abklären, wer wie am Meeting teilnimmt.
  • Eine Agenda aufstellen und mit allen Teilnehmern teilen.
  • Sicherstellen, dass bei allen Teilnehmern und im Raum vor Ort die Technik funktioniert.
  • Sicherstellen, dass immer alle alles hören können.
  • Darauf achten, dass das Gespräch vor Ort Raum lässt, damit die Teilnehmer im Home-Office sich einbringen können.
  • Wenn möglich, ein digitales Whiteboard nutzen, damit alle alles sehen und bearbeiten können.
    Im Anschluss an das Meeting die Notizen mit allen teilen.

Hier seien vor allem die Führungspersonen gefordert. Sie müssten sich überlegen, was genau der Zweck eines Meetings sei, und entsprechend planen. Dabei gelte es auch, darauf zu achten, den Teilnehmern genügend Pausen zu geben, damit diese nicht vor dem Bildschirm ermüdeten. Ebenfalls eine Option sei es, für gewisse Treffen die Kamera gleich ganz wegzulassen, sagt Melian.

Gerade die Gestaltung der Pausen sei bei hybriden Meetings ein Knackpunkt, findet Schulze. «Die Dynamik vor Ort bleibt eine andere. Während man im Büro in die Kaffeeküche gehen kann, bleiben die Home-Office-Teilnehmer alleine zurück.» Hier könnten ein Bildschirm sowie eine Kamera im Pausenraum Abhilfe schaffen, damit auch am informellen Teil alle teilnehmen könnten. «Eine weitere Möglichkeit wären Telepräsenzroboter. Diese haben den Vorteil, dass sie selbständig von ausserhalb gesteuert werden können und man so einfach mit den Kolleginnen und Kollegen in die Kaffeeküche rollen kann.»

Auch für kleinere Unternehmen umsetzbar

Kleineren und mittleren Firmen fehlen unter Umständen die Ressourcen, um die Büroräumlichkeiten gleich ganz auf Hybrid Work umzustellen. Aber auch hier gibt es einige Dinge, die einfach umgesetzt werden können. «Eine erste organisatorische Massnahme ist, zunächst die Treffen je nach Bedürfnis in den einfachen Settings ‹all are remote› oder ‹all are face-to-face› abzuhalten. In einem nächsten Schritt ist es sinnvoll, einen zusätzlichen Bildschirm für eine bessere Präsenz der Teilnehmer von ausserhalb sowie eine Kamera für die Sprecher vor Ort anzuschaffen.» Auch solle man sicherstellen, dass es genügend kleine Räume oder Boxen im Büro hat, in die sich Mitarbeiter für Video-Calls zurückziehen können.

Vor lauter Büro dürfe man jedoch die Ausstattung der Leute im Home-Office nicht vernachlässigen. «Eine gute Bandbreite, ein grosser Bildschirm sowie separate Kopfhörer und Mikrofone gehören zum Mindestmass an Ausstattung», sagt Schulze. Und am besten habe man auch ein separates Arbeitszimmer zur Verfügung, dass man schliessen könne. «Gerade junge Arbeitskräfte können sich ein solches jedoch oft nicht leisten. Wichtig ist dann, zumindest temporär eine ruhige Arbeitsatmosphäre herstellen zu können.» Auch diese Aspekte gelte es für Unternehmen zu berücksichtigen, wenn sie in Zukunft vermehrt hybride Arbeitsmodelle ermöglichen oder einführen möchten.

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung 

06 August 2021

Diese sieben Faktoren sorgen für erfolgreiches Arbeiten auf Distanz

Posted in Coaching

Home-Office und mobile Work

Diese sieben Faktoren sorgen für erfolgreiches Arbeiten auf Distanz

Die Zufriedenheit mit dem Arbeiten im Homeoffice ist hoch, zeigt eine Studie. Und wenn sieben Kriterien erfüllt sind, dann klappt es laut den Autoren noch besser mit der Arbeit auf Distanz. Wichtig sind vor allem klare Regeln.

Rund ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland (24 Prozent) hat zu Beginn des Jahres 2021 ausschließlich von zu Hause aus gearbeitet. Vor der Pandemie lag dieser Anteil gerade einmal bei 4 Prozent. Das zeigt die Erwerbspersonenbefragung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Die Stiftung hat dazu mehrmals – zu verschiedenen Zeitpunkten während der Pandemie – mehr als 4.000 abhängig Beschäftigte befragt.

Ein weiteres Ergebnis der Befragung: Die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Arbeiten zu Hause ist hoch. Menschen, die von zu Hause arbeiten konnten, empfanden ihre Arbeitssituation gerade während der coronabedingten Ausnahmesituation als weniger belastend als Beschäftigte, die durchgehend den Betrieb aufsuchen mussten. Fast die Hälfte der Befragten im Homeoffice wünscht sich, auch in Zukunft von zu Hause aus arbeiten zu können.

Trotz der Vorteile , die viele Beschäftigte im Homeoffice sehen, gibt es aber auch negative Effekte: Gerade zu Beginn der Pandemie waren nach Einschätzung der Mehrheit der Befragten (71 Prozent) viele Arbeitgeber nicht auf Remote-Work vorbereitet gewesen. Das habe das Arbeiten remote erschwert. Viele Mitarbeiter finden Heimarbeit zudem anstrengender als die Arbeit im Büro. Mehr als drei Viertel vermissen den persönlichen Austausch mit den Kollegen. Zwei von fünf Beschäftigten (39 Prozent) machen im Homeoffice Überstunden, jeder zweite ist sogar für seinen Arbeitgeber oder seine Kollegen weit über seine eigentliche Arbeitszeit hinaus erreichbar.

Aus ihren Ergebnissen haben die Studienautoren sieben Faktoren extrahiert, die dafür sorgen, dass das Arbeiten im Homeoffice zum Erfolgsmodell werden kann:

  1. Klare Regeln: In Unternehmen, in denen der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, schätzen Mitarbeiter das Arbeiten im Homeoffice positiver ein als in Betrieben ohne Betriebsrat. Das kann daran, liegen, dass Betriebsräte klare Vereinbarungen für Remote Work treffen. Daher ist es empfehlenswert, dass alle Unternehmen Regeln haben, die unter anderem Arbeitszeit, Anforderungen an die Erreichbarkeit sowie die technische Ausstattung im Homeoffice beschreiben. Durch klare Regelungen werden Unsicherheit und somit Stresspotenzial bei den Mitarbeitern reduziert.
  2. Arbeitszeitregeln und Arbeitsschutz: Gesetzliche Regelungen zu Arbeitszeit und Arbeitsschutz gelten nicht nur für das Arbeiten im Büro, sondern auch im Homeoffice. Das betrifft auch Höchstarbeitszeiten und Ruhepausen. So muss zwischen zwei Arbeitstagen eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden eingehalten werden. Arbeitgeber sollten darauf achten, dass Mitarbeiter diese Ruhezeit haben. Ständige Erreichbarkeit ist gesetzlich nicht möglich und würde zudem auch die psychische Belastung der Belegschaft erhöhen.
  3. Mix aus Remote Work und Arbeiten vor Ort: Für das Arbeiten nach der Pandemie bietet sich ein Mix aus Arbeiten vor Ort und Arbeiten im Homeoffice an. Prinzipiell sollten Beschäftigte die Möglichkeit bekommen, selbst zu entscheiden, ob und wann sie ihre Aufgaben zu Hause erledigen. Hilfreich sind festgelegte Präsenztage im Büro. So ist es möglich, dass sich Kollegen im Büro begegnen und austauschen können. Die persönlichen sozialen Kontakte sollten für das Arbeitsleben nicht unterschätzt werden.
  4. Virtuelles Führen: Vorgesetzte sollten sich bewusst sein, dass das Arbeiten im Homeoffice und das Führen virtueller und hybrider Teams besondere Führungskompetenzen erfordert. Leader müssen ihre Teams zusammenhalten, auch wenn sich diese nicht im Büro treffen. Das ist besonders herausfordernd, wenn Kollegen, die im gleichen Büro sitzen, mit Kollegen an anderen Standorten oder auch im Homeoffice zusammenarbeiten. Die Leader sollten zu den Herausforderungen des virtuellen und hybriden Führens geschult werden. So ist gewährleistet, dass sie eine Teamidentität schaffen und gleichzeitig die einzelnen Mitarbeiter im Blick behalten können.
  5. Zielvereinbarungen: Auch für das Arbeiten im Homeoffice sollten Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern konkrete und messbare Arbeitsziele definieren. Mitarbeiter brauchen klare Beurteilungskriterien, damit sie auch beim mobilen Arbeiten einschätzen können, welche Erwartungen die Führungskraft an sie hat und ob ihre Arbeitsleistung den Anforderungen entspricht.
  6. Weiterbildung: Qualifizierung sollte auch beim Arbeiten auf Distanz geplant werden. Dabei sollte individuell geklärt werden, welchen Weiterbildungsbedarf die Mitarbeiter haben. Ältere Beschäftigte benötigen eventuell eine Qualifizierung zu digitalen Kommunikationstools, während junge Mitarbeiter, die Beruf und Familie vereinbaren müssen, möglicherweise eine Weiterbildung zu gutem Organisieren beim mobilen Arbeiten benötigen.
  7. Überlastung: Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass Homeoffice zu Überlastung von Mitarbeitern führen kann, vor allem, wenn sie das Gefühl haben, ständig erreichbar sein zu müssen, oder wenn sie Kinderbetreuung und Beruf vereinbaren müssen. Da durch das Fehlen von Kinderbetreuung zeitweise eine Doppelbelastung entstanden ist, sollte bei künftigem Arbeiten bedacht werden, dass das Arbeiten im Homeoffice langfristig nur stressfrei gelingen kann, wenn Mütter und Väter ihre Kinder betreut wissen.

Autorin: Kirstin Gründel

Quelle: personalwirtschaft.de

25 September 2020

Unser Weg ins Home Office

Posted in Führung, Leadership

Führen auf Distanz: Wie wir uns durch Corona neu erfanden, TEIL 1 einer Lernreise

Unser Weg ins Home Office

Führen auf Distanz eröffnet eine neue Welt. Wir haben als Teamworks selbst eine Lernreise hinter uns, die lange vor der Corona-Pandemie begann, durch diese jedoch erheblich beschleunigt wurde und weiter andauert. In diesem Beitrag stelle ich, Svenja Hofert dar, was wir als Team erlebt haben, angereichert durch Einblicke bei unseren Kundinnen. Daraus leiten wir Tipps ab, die wir über mehrere Beiträge verteilen. Wir starten damit, wie alles begonnen hat. Dieser Text, den wir über 9 Tage verteilen, ist auch als Hörbuch bei Spotify und iTunes erhältlich, produziert von unserem Partner-Verlag Co-Creare.

Krisen befeuern Entwicklungen, die sich schon länger gezeigt haben. Durch ein unerwartetes Ereignis beschleunigt sich, was vorher sehr langsam voranschritt. Auf einmal wird möglich, was manch einer für unmöglich hielt, für verfrüht oder auch für Branche und „Typ Mitarbeiter“ unpassend.
• „Meine Mitarbeiterinnen haben doch gar keinen Firmen-Laptop, wie soll das gehen.“
• „In meiner Belegschaft sind ja keine Wissensarbeiter, das sind normale Leute.“
• „Im Home Office funktioniert das mit meinen Leuten nicht. Die machen da Ferien.“

Yahoo als abschreckendes Beispiel

Gerne wurde von Home-Office-Gegnern die Firma Yahoo zitiert, die einst Mitarbeiter von zuhause zurückholte, nachdem sie zu träge geworden waren. Doch das ist viele Jahre her. Die technologischen Möglichkeiten sind heute andere. Teamentwicklung ist auch zu einem Führungsbegriff geworden.
Und kein Mensch hat sich damals gefragt, ob damals wirklich das Home Office schuld war – oder nicht doch vielleicht die Führung.

Die Führung, der es nicht gelungen war, Teams zu bilden und Verantwortung zu übertragen. Das ist meiner Erfahrung nach essentiell für das Führen auf Distanz. Anders als bei Telearbeit, bei der die Aufgaben einer Arbeitskraft nach Hause verlagert wird, wo diese dann abgearbeitet werden, baut ein Team im Home Office ein Unternehmen im Unternehmen.

Deshalb braucht es hier nicht die klassische Führungskraft, die Aufgaben verteilt und Fortschritt überwacht. Stattdessen gilt es für Sie als Führung, Selbstorganisation zu fördern und Hindernisse zu beseitigen.

Mit Selbstführung fängt es an

Im Home Office muss sich das Team selbst führen können. Es muss kollaborieren und sich abstimmen können. Genaugenommen ist das gefragt, was ich einst als „agiler führen“ bezeichnet habe: Eine teamorientiere Führung, deren Aufgabe vor allem darin liegt, einen Rahmen für Zusammenarbeit zu schaffen. Nur dass diese eben vor allem online stattfindet. Als ich mein Buch „Agiler Führen“ 2016 geschrieben habe, hatte ich die virtuelle Zusammenarbeit weniger im Fokus. Das lag einfach daran, dass ich bis dahin wenige Home Offices kennengelernt hatte. Auch die agilen Organisationen in meinem Umfeld legten bis dahin Wert auf Vor-Ort-Arbeit. Teilweise war es möglich, dass der eine oder andere auch virtuell teilnahm, aber Remote Work war wirklich eine Ausnahme.

Was Home Office wirklich bedeutet

Unterscheiden Sie zwischen Home Office und Telearbeit. Bei der Telearbeit handelt es sich um einen rechtlich anerkannten Begriff. Es ist die vertraglich vereinbarte Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz zu Hause, in § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) definiert. Home Office ist noch kein Recht, dieses zu etablieren, wird gerade diskutiert.
Mit Telearbeit gehen Arbeitgeber eine Verpflichtung ein, mit Home Office nicht. Telearbeitsplätze sind fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich. Alles muss also bereitgestellt und installiert sein. Im Gegensatz zum Homeoffice handelt es sich bei Telearbeit also um ein rechtlich abgegrenztes und regelmäßiges Arbeiten von Zuhause aus. Zwar steht es nirgendwo explizit, doch ist Telearbeit eher auf Einzelarbeit ausgerichtet. Es geht weniger um Selbstorganisation eines Teams von zuhause aus. Dieser jedoch gehört die Zukunft, denn lineare, abgegrenzte Aufgaben gibt es immer weniger. Nein, die Menschen müssen auch im Home Office vor allem eines: kooperieren.

Ich dachte, Home Office macht einsam

Auch ich war keine Freundin vom Home Office. Ich dachte, Home Office mache einsam. Ich glaubte, es müsste immer jemand vor Ort sein, der zum Beispiel Anrufe annimmt. Auch die Koordination von Tätigkeiten, die auf gegenseitiger Abhängigkeit beruhen, stellte ich mir schwierig vor. Aber das genau macht solche Arbeit ja aus: Jeder im Team kann einen Teil seiner Aufgaben alleine erledigen, aber alles hängt an einem gemeinsamen Ergebnis. Erfolg ist nicht der Erfolg einer Person, sondern von allen. Das ist wie beim Mannschaftssport. Es mag sein, dass es Stars gibt, aber auch die könnten allein keinen Sieg schaffen. Heutige Teams sind deshalb hochgradig interdependent. Die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, wenn sie darüber nachdenken mit Home Office zu arbeiten ist deshalb: Zu welchem Grad hängt das Ergebnis vom gemeinsamen Zusammenspiel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab?

Um genauer zu sein:
• Von ihrer Abstimmung untereinander,
• Ihrer Bereitschaft Informationen auszutauschen,
• Ihrem Willen und Vermögen im Team zu entscheiden und
• gemeinsam zu lernen und sich selbst und die Prozesse zu optimieren.

Wir glaubten an Papier

Wir bildeten uns ein, dass es jemand brauche, der Dinge ausdruckt. Wir hielten es für Kundenservice, auch unseren Teilnehmern weiterhin opulente Mappen und Ordner mit Unterlagen auszuhändigen. Das sahen wir irgendwie auch als Marketing an. Ebenso wie repräsentative Büroräume in bester Innenstadtlage. Ich, Svenja, gebe zu, dass ich bisweilen das Wort „Luxus“ dachte und mir zwei Dinge nie aus dem Kopf gingen:

die Vision oder Utopie das austroamerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann, der nicht nur davon spricht, dass Menschen durch die Technologie immer öfter tun können, was sie „wirklich wirklich“ wollen. Er spricht auch von einer Deregionalisierung. In seiner Vorstellung gehen die Menschen nur noch zu einem Teil der üblichen Erwerbsarbeit nach.
Studien, die davon sprachen, dass mit immer besserer Technik die Städte entvölkert würden, weil mehr und mehr Menschen aufs Land ziehen würden. Dort ließe sich die Arbeit eben auch erledigen. Es würde eine Art Landflucht geben… Home Office geht eben überall.
Ein neues Führungsverständnis

Es gab also eine gewisse Vorstellung von „anders arbeiten“ in mir, doch unsere Realität war wie die vieler anderer durch „Präsenz“ geprägt. Home Office in der beschrieben Form als sogar weltweite Kollaboration von Teams gab es, aber mehr oder weniger ausschließlich in der IT als „Remote work“ und dort vor allem der Softwareentwicklung.

Doch dann kam die Coronakrise und der Lockdown. Am 16.3.2020 verkündeten wir unseren sieben Mitarbeiterinnen, dass sie ab sofort und bis auf weiteres alle im Homeoffice verbleiben müssten. Wir würden uns täglich um 11 Uhr bei Zoom treffen. Und ansonsten erst einmal weiterarbeiten wie bisher. Die Art der Ansage ist aber vielleicht bemerkenswert: Wir verordneten diesen täglichen Termin: „Das ist keine Option. Das ist Pflicht.“ Dieses Meeting dauert bis heute an und hat viele Transformationen durchlaufen.

Klarer Rahmen nötig

Bis dahin waren wir wenig direktiv gewesen. Aber vielleicht ahnten wir intuitiv, was sich bald zeigen würde: Ein Team im Home Office braucht einen klaren Rahmen. Die Wegschilder müssen eindeutig beschriftet, Regeln sehr deutlich ausgesprochen sein. Dabei spielte eine Rolle, dass wir schon viel Selbstorganisation gesehen und versucht haben. Wir wussten, dass der wichtigste Puzzlestein in der Zusammenarbeit ein gutes Meeting war. Wir hatten bis dahin viel ausprobiert. Und auch bei unseren Kunden gesehen, dass „richtig meeten“ eine wirkliche Kunst ist. Gleichzeitig ist so ein Meeting das wichtigste Führungsinstrument bei dieser Art des Führens. Denn hier geht es nicht um das Übertragen von Aufgaben, sondern um das Übertragen von Verantwortung. Niemand übernimmt jedoch Verantwortung, wenn der Rahmen nicht fest genug ist, um den Handlungsspielraum zu begrenzen. Voraussetzung sind also klare Pole anhand derer Entscheidungen möglich sind.

In der agilen Szene wird so etwas leicht als „keine Augenhöhe“ und „hierarchisch“ verstanden. Dabei ist Hierarchie nichts anderes als eine sehr sinnvolle Rangordnung. Sie sagt aus, wer im Zweifel entscheidet. Das kann immer wieder jemand anderes sein, je nach Fachkompetenz. Rangordnung muss sein. Sie stellt Richtung her. Gleichzeitig gilt es jedoch , sie nicht als autoritäre Hierarchie zu deuten. Im Gegenteil: Es muss klar sein, dass jeder in unterschiedlichen Situationen Verantwortung übernimmt und auch Teams entscheiden können, wenn sie wissen, woran sie sich orientieren.

Wie das Unmögliche möglich wurde

Im Home Office war nichts mehr wie bisher. In jeder Hinsicht: Unser bis dato gesundes, wachsendes Unternehmen war in eine ernste Krise geraten. Wir leben davon, uns mit Menschen zu treffen. Der „Workshop“ ist unser Hauptprodukt. Hier arbeiten wir mit Unternehmensvertretern an Lösungen, beispielsweise für Fragen der Selbstorganisation. Zudem bilden wir Menschen aus, die Teams aufbauen und entwickeln. All das sind Tätigkeiten, die entweder in den Firmen oder in Veranstaltungsräumen stattfinden. In jedem Fall vor Ort und in Gruppen.

Unser Terminkalender war zu diesem Zeitpunkt bis zum Ende des Jahres voll. Doch wir durften unsere Dienstleistung nicht mehr umsetzen. Mehrere Veranstaltungen standen unmittelbar bevor. Wir hatten nur eine Möglichkeit: Entweder absagen und Geld zurückzahlen, was Kündigungen zur Folge haben müsste.

Digitalisierung, nicht ganz freiwillig

Oder digitalisieren. Wir entschieden uns für Letzteres. Dazu brauchten wir unser Team im Home Office. Ein Team, das sich bisher vor allem durch Schreibtischzurufe abgestimmt und organisiert hatte. Ein Team, das den direkten Kontakt untereinander sehr schätzte. Ja, für das der zwischenmenschliche Kontakt sogar einer der Hauptmotivatoren war. Keine „Nerds“, die mit Leidenschaft dreißig Tools parallel anwendeten.

Würden sich Mitarbeiterinnen selbst organisieren können und die technologischen Herausforderungen annehmen? Ich glaube zutiefst daran, dass Menschen Kontextwesen sind. Dass sie sich den Bedingungen anpassen, die da sind.

Veränderung braucht Krise

Die meisten Menschen verändern sich, wenn es nicht mehr anders geht. Die Welle muss sich direkt vor dem eigenen Haus aufbäumen, damit etwas geschieht. Andernfalls ist alles eben immer noch anderswo, die Zukunft weit weg. In meinen Kursen sage ich immer, dass wir erst die Gegenwart sehen und verstehen müssen, bevor wir uns mit der Zukunft beschäftigen können.

Psychologen wissen, dass es die unmittelbar empfundenen Krisen sind, die uns befähigen, große Entwicklungsschritte zu machen. Diese finden in der Gegenwart statt. Sie können Einstellungen fundamental ändern, Kehrtwenden ermöglichen. Aus Home-Office-Gegnern Befürworter machen. Oder aus Kolleginnen ohne besondere Neigung für die Technik-Tools und die Moderation von virtuellen Meetings begeisterte Internet-Aktivisten.
Es ist nicht der Wille, nicht die innere Überzeugung oder der Mut eines Einzelnen. Es sind die Alltagsregeln, die sich verändert haben. Deshalb hat der Klimawandel bisher viel weniger Menschen bewegt als ein stacheliges Virus namens Corona oder auch Sars Co-V2… Und mit bewegt meine ich nicht die innere Qualität, die etwas hat. Sondern das, was Handlungen auslöst. Nur darum geht es – was verändert Verhalten wirklich?

Neue Spielregeln der Zusammenarbeit

Das Coronavirus hat die Spielregeln der Zusammenarbeit verändert. „Gamechanging“ war vor der Krise ein beliebter Begriff. Viele Arbeitgeber suchten Gamechanger. Ich musste dann immer lächeln. Wenn Menschen Kontextwesen sind, dann fügen sie sich auch in den Kontext ein. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Person diesen verändert. Und wenn sie es versucht, wird sie schnell gebremst und in den gegebenen Rahmen eingefügt werden.

Gamechanger, die Spielregeln verändern, sind keine einzelnen Menschen. Es sind äußere Entwicklungen. Angstmacher wie das Virus offenbaren, dass jedes Sicherheitsgefühl eine Illusion ist. Deshalb bewegen sie mehr als alles andere.

Ich für mein Teil kann sagen, dass ein Teil der Vorsicht und Ablehnung von „Remote work“ auch auf eigene Bequemlichkeit zurückgehen und die Unlust sich mit neuen komplizierten Dingen zu beschäftigen. Wir waren gezwungen, binnen weniger Tage unsere Ausbildungsmodule und Workshops zu digitalisieren.
Wir mussten die technologische Basis schaffen und uns einarbeiten. Mit den Lockerungen kam das Thema Hybrid-Veranstaltungen auf uns zu. Auch da mussten technische Lösungen her. Es war jeweils keine Option, sich all dem zu verweigern. Sonst hätten wir zumachen müssen.

Home Office als neue Normalität

Home Office wurde binnen von sieben Wochen zu einer neuen Normalität. In einigen Branchen, etwa Banken, arbeiteten während des Lockdowns 90 Prozent aller Mitarbeiter im Home Office. Insgesamt waren im Mai 2020 ein Viertel aller Angestellten zuhause.
Knapp drei von vier Heimarbeitern (71 Prozent) arbeiten im Home-Office mit einem Notebook. Mehr als jeder Dritte (37 Prozent) nutzt einen stationären Desktop-PC mit Monitor. 75 Prozent derjenigen, die im verordneten Home Office waren, würden auch nach der Krise gern weiter von zuhause arbeiten. Diese Daten beruhen auf einer Online-Umfrage von YouGov Deutschland, an denen im April 2020 rund 2.000 Teilnehmer teilnahmen.

Auch als die Einschränkungen gelockert wurden, bleib das Home Office bestehen.
Wir rückten ab von unserem Wunsch nach Anwesenheit. Vielmehr sollte das Team sich nun selbst darauf einigen, wie es eine moderate Anwesenheit gestalten wollte. So wurde das Home Office die neue Normalität und die Anwesenheit eine Ausnahme.

Durch unsere schnelle Digitalisierung kamen bald viele neue Anfragen auf uns zu. Dadurch bekamen wir viele Entwicklungen in anderen Home Offices unmittelbar mit. Wir merkten, wo Hürden liegen und sahen uns in der Annahme bestätigt, dass virtuelle Führung erheblich mehr Kommunikation, deutlich mehr Struktur und Coachingkompetenz fordert.
Es gibt eine Art Best-Practice, eine gute Vorgehensweise, die ich Ihnen nun vorstellen möchte. Einiges davon war auch für uns eine überraschende Erkenntnis.

Was wir beispielsweise unterschätzt hatten war der Punkt, mit dem ich meine 9 Schritte beginnen möchte – die Technologie.

Damit geht es dann morgen weiter.

Das Hörbuch finden Sie zusammenhängend u.a. bei Bookbeat hier oder z.B. bei Spotify.

Über die Autorin

Svenja Hofert ist Managementberaterin sowie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH
Svenja Hofert (Jg. 1965) berät zu Management- und Karrierethemen, außerdem ist sie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH. Sie ist Autorin von mehr als 30 Büchern, unter anderem „Der agile Kulturwandel. 33 Lösungen für Veränderungen in Organisationen“ (2018, mit Claudia Thonet) und „Das agile Mindset. Mitarbeiter entwickeln, Zukunft der Arbeit gestalten“ (2018).

 

Quelle: Blog Teamworks GmbH

21 August 2020

Schwierige Führungssituationen souverän lösen

Posted in Hör-/Buchtipp, Führung, Leadership

Ein Interview mit Ursula Wawrzinek

Schwierige Führungssituationen souverän lösen

Ursula Wawrzinek schult seit über 20 Jahren Führungskräfte und berät Unternehmen bei Konflikten in der Arbeitswelt. Sie entwickelte wirksame Methoden zur Klärung eskalierter Konflikte. Darüber hinaus hält sie Vorträge, schreibt Bücher und erreicht auch über ihre Interviews und Fachbeiträge ein breites Publikum. In Ihrem neuesten Buch: Kompass für schwierige Führungssituationen (2020) zeigt sie, dass Konfliktmanagement vorrangig Emotionsmanagement ist, was eine vollkommen andere Vorgehensweise als die Lösung von Sachproblemen verlangt. Pragmatisch und erfolgserprobt wird aufgezeigt, wie Führungskräfte Konflikte in ihrem Verantwortungsbereich professionell lösen können. Mehr auf Ihrer Website

Leadership Insiders: Frau Wawrzinek, Sie bezeichnen sich heute als eine Expertin für strategische Konfliktlösung. Früher trugen Sie Verantwortung für die Personalentwicklung von Unternehmen. Vorweg: Was unterscheidet denn die strategische Konfliktlösung von der operativen?

Ursula Wawrzinek: Konfliktmanagement ist Emotionsmanagement. Dies ist zunächst einmal das, auf das wir uns verständigen müssen. Dafür sind Führungskräfte aber nicht ausgebildet. Sie versuchen einen Konflikt operativ wie ein Sachproblem zu lösen. Studien zeigen, dass Führungskräfte etwa 30 Prozent ihrer Zeit mit Konflikten beschäftigt sind. Sie mühen sich redlich und haben am Ende häufig doch keine Lösung. Im Gegenteil: Oft gießen sie mit ungeschickten Verhalten noch Öl ins Feuer. Manchmal leiten sie externe Maßnahmen ein, schicken die Konfliktbeteiligten auf ein Seminar oder engagieren einen Mediator. Hilft das alles nichts, geben sie sich irgendwann geschlagen. Entweder leben sie dann mit den Reibungsverlusten oder sie stehen bei der Personalabteilung vor der Tür und fordern: „Mach mir den Mitarbeiter weg. Ich kann nicht mehr.“ Bei der strategischen Konfliktlösung wird ein Konflikt planvoll und zielorientiert nach einem klaren professionellen Vorgehen geklärt und gelöst. Wir starten mit einer neutralen Konfliktdiagnose, aus der Plan A entwickelt wird. Funktioniert der nicht, wird Plan B entwickelt und so weiter, bis zur Lösung.

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter: leadership-insiders.de

 

 

Literatur

Ursula Wawrzinek (2020): Kompass für schwierige Führungssituationen 

 

 

 

19 Juni 2020

Die produktivsten Videocalls haben 5 Teilnehmer

Posted in Coaching

Professor John R. Hollenbeck, Teamwork-Experte, erklärt warum

Die produktivsten Videocalls haben 5 Teilnehmer

Es gibt einen Grund dafür, dass euch eure Videokonferenz mit 15 Personen so mühsam vorkommt — wir sind einfach nicht dafür gemacht, auf diese Weise zu kommunizieren. Maja Hitij/Getty

John R. Hollenbeck ist Professor an der Michigan State University, der umfangreiche Forschungsarbeiten über Führungskompetenzen und Teamarbeit betrieben hat.
In diesem Gastbeitrag für Business Insider schreibt er, dass größere Meetings über Videokonferenz-Plattformen wie Zoom nicht nur aus technischen Gründen ineffizient sind.
Um eure Meetings effektiver und interessanter zu gestalten, solltet ihr sie auf Gruppen von fünf Personen beschränken und euer Unternehmen in eine Multi-Team-Struktur aufteilen.

Da die meisten Arbeitsplätze im ganzen Land ins Home-Office verlegt wurden, müssen sich die Menschen durch endlose Videokonferenzen und E-Mail-Ketten kämpfen. Vielleicht ist die Verbindung schlecht, euer Kollege versteht die Macht der Stummschalttaste nicht oder ihr seid bei euren E-Mails in einer „Allen antworten“-Schleife gefangen.

Doch selbst wenn die Technik und die Umgangsformen einwandfrei sind, gibt es noch ein weitaus grundlegenderes Problem. Menschen sind schlichtweg nicht für ein Videokonferenz-Meeting mit 15 Personen geeignet.

Unter denen, die sich mit dem Thema Management beschäftigen, gibt es den Grundsatz, dass große Teams schlechte Teams sind. Effektive Kommunikation und Zusammenarbeit bricht in Gruppen von mehr als fünf Personen zusammen — das war schon immer so. In der virtuellen Welt ist es allerdings noch offensichtlicher. Nonverbale Signale, die uns in großen persönlichen Meetings normalerweise helfen, sind nicht mehr da.

Ihr könnt die virtuelle Kommunikation in eurem Unternehmen angenehmer gestalten, indem ihr die menschlichen kognitiven Grenzen versteht und innerhalb dieser arbeitet. Dazu ist es erforderlich, genaustens festzulegen, wer in jede Konferenz und in jedes Team einbezogen wird. Außerdem bedarf es klarer Führungsrollen und expliziter Richtlinien, wie die Kommunikation in der virtuellen Welt funktionieren soll.

Warum fünf die magische Zahl ist

Der Sozialpsychologe J. Richard Hackman führte eine Reihe von Experimenten mit Teams unterschiedlicher Größe durch. Dabei stellte er fest, dass 4,6 die optimale Größe für ein gut funktionierendes Team sei. Nach seiner Einschätzung kann diese Zahl leicht ansteigen, wenn die beteiligten Personen schon öfter zusammengearbeitet haben und daher viele Dinge „selbstverständlich“ sein können.

Der Feind großer Teams ist die Anzahl der Kommunikationswege, die organisiert werden müssen. Wenn die Teamgröße kontinuierlich wächst, nehmen auch die Verbindungen zwischen den Teammitgliedern exponentiell zu. Bei einem fünfköpfigen Team müssen sich die Mitarbeiter um zehn Kontakte kümmern, bei einem zehnköpfigen Team sind es schon 45. Und ein 15-köpfiges Team? Das könnt ihr direkt vergessen: 105 Kommunikationswege.

So stößt ein wachsendes Team schnell an die Grenzen unserer menschlichen Kommunikationsfähigkeit. Wir haben uns einfach nicht so entwickelt, dass wir in der Lage wären, mit zehn oder 20 Personen gleichzeitig effektiv zu kommunizieren. Auch die Gesamtzahl der Menschen, mit denen wir soziale Beziehungen pflegen können, stößt an ihre Grenzen.

Nachdem der Anthropologe Robin Dunbar soziale Gruppen von Primaten und traditionelle menschliche Stämme untersucht hatte, stellte er fest, dass unser Gehirn nicht mit mehr als 150 stabilen sozialen Beziehungen umgehen kann — eine Einschränkung, die als „Dunbars Zahl“ bekannt ist. In der modernen Welt ist diese Fähigkeit auf zahlreiche berufliche und persönliche Beziehungen verteilt.

 

Die Kraft der Multi-Team-Systeme

Bedeutet das, dass wir niemals eine Abteilung mit mehr als fünf oder ein Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitern haben können? Natürlich nicht. Nicht die Gesamtgröße einer Gruppe ist entscheidend, sondern die Art und Weise, wie wir einzelne Mitarbeiter und deren Kommunikationswege organisieren.

Wenn ihr beispielsweise ein 25-köpfiges Ingenieursteam habt, könnt ihr es in Fünfergruppen aufteilen. Die Kommunikation zwischen den Teams erfolgt zwischen den fünf Leitern der einzelnen Gruppen. Die Leiter geben dann relevante Informationen an ihre jeweiligen Teammitglieder weiter. Diese Struktur schafft nur zehn Kommunikationswege innerhalb jedes der Untergruppen und etwa 15 Wege, die von den Mitgliedern des Führungsteams organisiert werden müssen, verglichen mit 300 Wegen in einem 25-köpfigen Team.

Diese Struktur wird als Multi-Team-System bezeichnet. Es hat sich unter verschiedensten Unternehmensformen als sehr erfolgreich erwiesen. Ein Großteil meiner Forschung über Teamarbeit und Multi-Team-Systeme wurde vom US-Verteidigungsministerium und der National Science Foundation finanziert.

Auch wenn militärische Einsätze und große gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten sehr unterschiedliche Bereiche sind, funktioniert die Multi-Team-Systemstruktur in beiden Fällen gut. Sie ermöglicht ein großes Team und damit umfangreiches Fachwissen, während gleichzeitig die Anzahl der zu bewältigenden Kommunikationswege begrenzt ist.

General Stanley McChrystal war der frühere Befehlshaber der US-Armee in Afghanistan. In seinem Buch „Teams of Teams“ beschreibt er, wie Multi-Team-Systeme bei der Terrorismusbekämpfung eingesetzt wurden. Bei der Verfolgung von Osama bin Laden zum Beispiel versuchten ihn zunächst mehrere riesige Akteure wie die CIA, das FBI, das Außenministerium und mehrere Armeen, mithilfe von Bomben in Afghanistan zu überwältigen. Sie waren erst dann erfolgreich, als das Militär ein geschicktes Multi-Team-System entwickelte, das Mitglieder und Fachwissen aus vielen dieser Organisationen umfasste. Letztendlich wurde bin Laden von einem kleinen Team von Marinesoldaten in einem gut geplanten Überfall, der weniger als eine Stunde dauerte, getötet.

So gestaltet ihr eure Videokonferenzen besser

Wie das Militär herausgefunden hat, sind Multi-Team-Systeme projektbezogen und können auf bestehenden Strukturen aufgebaut werden. Ihr müsst eure Unternehmensstruktur nicht völlig neu erfinden, vor allem nicht in der aktuellen chaotischen Situation. Ihr könnt schon jetzt viele der Vorteile von Multi-Team-Systemen nutzen, indem ihr klare Strukturen und Regeln für die Kommunikation bei der Arbeit im Home-Office schafft.

Die wichtigste Regel ist, nie mit mehr als fünf Personen ein Meeting zu haben. Jeder, der bei einer großen Videokonferenz schon miterlebt hat, wie unübersichtlich es ist, wer mit dem Sprechen dran war, wird die Gründe dafür verstehen. Die Regel gilt jedoch auch für persönliche Gespräche.

An der Fünf-Personen-Grenze festzuhalten, kann durchaus schwierig erscheinen. So könnt ihr allerdings auch sorgfältig darüber nachdenken, wie eure Teammitglieder interagieren und wer tatsächlich an einem bestimmten Meeting teilnehmen muss.

Das bedeutet nicht, dass bei eurer Videokonferenz nicht mehr als fünf Teilnehmer dabei sein können. Es mag Zeiten geben, in denen Führungskräfte Informationen an viele Mitarbeiter auf einmal übermitteln müssen. Oder einige Teamleiter, die sich gerade in einem Gespräch befinden, möchten vielleicht, dass ihre Teammitglieder mit ausgeschaltetem Mikrofon zuhören. Wie ich bereits erwähnt habe, geht es um die Anzahl der entstehenden Kommunikationswege, nicht unbedingt um die Gesamtzahl der einzelnen Mitarbeiter.

Jede Videokonferenz sollte eine klare Tagesordnung haben

Jedes virtuelle Meeting sollte eine klare Tagesordnung und Richtlinien dafür haben, wie die Kommunikation ablaufen soll. Ohne nonverbale Signale erkennen Menschen viel schlechter, wann sie einsteigen und sprechen sollen.

Die Führungsrollen sollten klar sein, einschließlich des offiziellen Leiters — auch bekannt als Chef — und eines Technologie-Experten, der die technische Organisation übernimmt. Aber auch ein Informationsleiter, der Informationen zu einem bestimmten Thema austauscht, sollte vorhanden sein. Diese Position rotiert oft im Laufe einer Sitzung.

Diese Richtlinien gelten nicht nur für Videokonferenzen. Wir alle waren bestimmt schon Teil einer beispielsweise nicht endenden Kette von E-Mails. Mit klar festgelegten Vorgaben und Erwartungen könnt ihr es vermeiden, die Zeit der anderen zu verschwenden. Es sollte jedoch auch klar sein, wer wesentliche Informationen an diejenigen weitergibt, die nicht Teil eines Gesprächs sind.

Aus außergewöhnlichen Situationen lernen

Wir sind immer noch dabei, mit dieser massiven Veränderung in unserem normalen Berufsleben fertig zu werden. Daher ist es keine Überraschung, dass unsere virtuelle Kommunikation noch nicht ausgereift ist, vor allem wenn man bedenkt, dass sich auch unsere persönliche Kommunikation verbessern könnte.

Es könnte jedoch hilfreich sein, zu wissen, dass es einen Grund dafür gibt, warum eure 15-Personen-Videokonferenz so holprig verlief. Wir sind einfach nicht dafür gemacht, auf diese Weise zu kommunizieren.

Die gute Nachricht ist, dass ihr einfache Lösungen realisieren könnt, ohne neue Technologie zu nutzen oder alles umzustrukturieren. Ihr könnt bereits große Erfolge erzielen, wenn ihr eure bestehenden Kommunikationsstrukturen durch ein Multi-Team-System ergänzt und klare Prozesse sowie Erwartungen an den Kommunikationsfluss festlegt.

Vielleicht bringt uns der Stress der virtuellen Kommunikation zum Nachdenken und wir überdenken, wie wir im Allgemeinen kommunizieren. Hoffentlich gibt es einige Erkenntnisse und Systeme, die wir in unseren Alltag einfließen lassen können — denn so hätten wir es von Anfang an machen sollen.

Dieser Artikel wurde von Claudia Saatz aus dem Englischen übersetzt. Das Original könnt ihr hier lesen.

Quelle: businessinsider

03 April 2020

Homeoffice - Führen aus der Distanz

Posted in Führung, Leadership

Homeoffice - Führen aus der Distanz

Wie können Führungskräfte Beschäftigte, die unversehens ins Homeoffice wechseln müssen, unterstützen? Nachfolgend werden dazu Anregungen gegeben, die zeigen, dass Besonderheiten zu beachten sind, aber Grundpositionen der Führung auch im Homeoffice und in Krisenzeiten nicht außer Kraft gesetzt werden.

Überraschend finden sich viele Beschäftigte im Homeoffice wieder. Damit ändert sich nicht nur der Arbeitsort, sondern auch die Führung aus der Distanz wird wichtiger. Leadership Insiders liefert Fakten, Einordnungen und Anregungen für eine Ausnahmesituation.

Was ist Telearbeit?

Unter Telearbeit werden Arbeitsformen zusammengefasst, die außerhalb des Arbeitsareals des Arbeitgebers zumindest teilweise über informations- und Kommunikationstechnologien verrichtet werden. Betrifft es Beschäftigte der Organisation, liegt eine reguläre Anbindung an die Arbeitsorganisation vor. Fürsorgepflichten, Arbeitsschutzbestimmungen etc. bleiben unberührt. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestag haben in einer Ausarbeitung zum Themenfeld folgende rechtsverbindliche Definition herangezogen (nach § 2 Abs. 7 ArbStättV).

„Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“

 

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter leadership-insiders.de

27 Dezember 2019

Psychologische Grundlagen in der Führung virtueller Teams

Posted in Führung, Leadership

Psychologische Grundlagen in der Führung virtueller Teams

Um in der heutigen globalisierten und digitalisierten Welt wettbewerbsfähig zu sein, müssen viele Organisationen ihre Wertschöpfungsaktivitäten international koordinieren. Dies resultiert darin, dass sie Teams einsetzen, deren Mitglieder in unterschiedlichem Maße Technologien nutzen, um über räumliche, zeitliche und organisationale Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten und voneinander abhängige Aufgaben erfüllen – sogenannte virtuelle Teams. Diese sind heutzutage weit verbreitet und eine normale Form der Zusammenarbeit in vielen Organisationen. In der Forschung hat sich eine Differenzierung bezüglich folgender Facetten etabliert:

  • Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT): Es handelt sich dabei um klassische IKT (E-Mails, Telefonkonferenzen, …) und neuere Formen (Kollaborationsplattformen, firmeninterne soziale Netzwerke, …). Die einzelnen IKT lassen sich anhand der Kriterien Reichhaltigkeit (wie viele verschiedene Informationen ein Medium übermitteln kann) und Synchronität (Ausmaß, in dem ein Medium eine gleichzeitige, nicht zeitversetzte Kommunikation ermöglicht) beschreiben (Kirkman & Mathieu, 2005). Anders als im alltäglichen Sprachgebrauch werden Medien mit einer geringen Reichhaltigkeit und geringen Synchronität als virtuell beschrieben. Wenn ≥90% der Gesamtkommunikation im Team durch IKT stattfindet, sind deutlich negative Effekte auf die Aufgabenleistung und das Commitment der Teammitglieder zu erkennen (Johnson, Bettenhausen & Gibbons, 2009).
  • Geographische und temporale Distanz: Hier geht es um die Verteilung der Mitarbeiter auf verschiedene Standorte, die geographische sowie temporale Distanz (Zeitunterschiede zwischen den Arbeitsorten).
  • Kulturelle Diversität: Die kulturellen Hintergründe der Teammitglieder können sich in unterschiedlichen Wertevorstellungen, Normen und Einstellungen manifestieren. Relevant ist hierbei aber auch die im Team verwendete Kommunikationssprache.

Sozialer Identitätsansatz der Führung

Führung ist ein wichtiger Faktor, um die Effektivität der Zusammenarbeit in virtuellen Teams zu gewährleisten. Doch wie sieht wirksame Führung im virtuellen Kontext aus? Den meisten Führungstheorien liegt eine individualistische bzw. dyadische Perspektive zugrunde, die bewirkt, dass sie die Führung von Teams nicht vollständig erklären können. Ein Modell, das sich explizit auf den sozialen Kontext des Teams fokussiert, ist der soziale Identitätsansatz der Führung (Haslam et al., 2011). Dieser postuliert, dass es erfolgreichen Führungskräften gelingt, den Gruppenmitgliedern die gemeinsame Gruppenmitgliedschaft ins Bewusstsein zu rufen und eine mit den Teammitgliedern geteilte soziale Identität zu entwickeln und zu gestalten.

Grundlegend für diesen Führungsansatz ist der soziale Identitätsansatz, der bezüglich des Selbstkonzepts einer Person zwischen der personalen und sozialen Identität unterscheidet (Turner, 1982). Die personale Identität ist das Wissen, das eine Person über sich selbst hat (eigene Kompetenzen, Werte, Einstellungen etc.). Die soziale Identität besteht aus den Merkmalen der Gruppen, denen die Person angehört („Gruppenprototyp“: Normen, Einstellungen und Verhaltensweisen).

Wenn einer Person – z. B. aufgrund der Ansprache der Führungskraft „Liebes Marketing-Team, …“ – die eigene Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe bewusst wird, findet ein Prozess der Depersonalisierung statt. Dieser bewirkt, dass sich Personen in der Situation weniger als unabhängige Individuen verstehen, sondern stärker als Mitglieder der spezifischen Gruppe. Daraus resultiert, dass das Denken, Fühlen und Handeln der Personen durch ihre situativ aktivierte, soziale Identität beeinflusst werden und sie sich entsprechend dem Gruppenprototypen verhalten. Dies legt die Basis für soziale Einflussprozesse wie Teamführung.

Identitätsführung als Ansatz zur Führung virtueller Teams

Eine hohe Virtualität der Teamarbeit kann zu Schwierigkeiten beim Teilen von Wissen und Informationen führen sowie die Kommunikationsfrequenz und -qualität verringern. Besonders der geringere persönliche Kontakt kann dazu führen, dass die gemeinsame Teammitgliedschaft sowie die Aufgaben und Ziele des Teams den einzelnen Mitgliedern in virtuellen Teams weniger präsent sind als in konventionellen Teams und Bindungen zu anderen Teammitgliedern nur schwer aufgebaut werden können.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass gerade für virtuelle Teams die Identitätsführung besonders relevant ist. Identitätsführung stärkt die gemeinsame soziale Identität und schafft ein geteiltes Verständnis der Aufgaben und Ziele des Teams. Dadurch rücken diese in den Fokus und werden von den Teammitgliedern als ihre persönlichen Ziele empfunden. Dies motiviert sie, sich gemeinsam für die Ziele einzusetzen und sich gegenseitig zu unterstützen – unabhängig von Ort und Zeit. Die Identitätsführung bewirkt, dass die eigene Mitgliedschaft im Team emotional positiv besetzt wird, was die Zufriedenheit der Teammitglieder steigert.

Die Wirksamkeit der Identitätsführung erweist sich jedoch davon abhängig, wie stark die Führungskraft virtuelle Medien zur Führung ihres Teams einsetzt. Je höher die Häufigkeit der Mediennutzung und je höher die Virtualität dieser Medien ist (im Sinne einer geringen Reichhaltigkeit und geringen Synchronität der Informationsvermittlung), desto wirksamer ist die Identitätsführung bei der Steigerung der Leistung des Teams und der individuellen Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter.

Implikationen für die Praxis

Aufgrund des Einflusses der Mediennutzung sollten Führungskräfte wissen, wie sie die vorhandenen Medien mit ihren Limitationen nutzen können, um die gemeinsame soziale Identität im Team zu stärken und die Ziele ihrer Kommunikation zu erreichen. Dies umfasst die Art der Kommunikation, aber auch die zielgerechte Auswahl der Medien.

Allgemein ermöglicht die Wahl synchroner und reichhaltiger Medien einen intensiven Austausch zu komplexen Sachverhalten (z. B. Videokonferenzen). Bei Aufgaben mit geringer Komplexität, die jeder Gesprächsteilnehmer unabhängig von den anderen erledigen könnte (z. B. reine Sammlung von Ideen), kann der Einsatz synchroner Medien die Produktivität jedoch dadurch beinträchtigen, dass nicht mehr als eine Person zur gleichen Zeit sprechen kann.

Unternehmen können ihre Führungskräfte und Mitarbeiter in virtuellen Teams unterstützen, indem sie ihnen Trainingsangebote zu Verfügung stellen. Zum einen können Workshops für virtuelle Teams angeboten werden, in denen spezifische Modelle der erfolgreichen Kommunikation in dem jeweiligen Team erarbeitet werden. Hilfreich sind zum anderen aber auch gezielte Führungstrainings, in denen Führungskräfte darin geschult werden, wie sie die Prinzipien der Identitätsführung in die Führungspraxis übersetzen können. Haslam et al. (2011) nennen dazu die folgenden drei Kernkompetenzen:

  • Reflektieren: Teammitglieder kennenlernen und bisherige Gruppenprototypen explorieren
  • Repräsentieren: Den Eindruck bei den Teammitgliedern schaffen, dass die Führungskraft den Gruppenprototypen repräsentiert
  • Realisieren: Die soziale Identität des Teams aktiv gestalten und die Zielerreichung unterstützen


In den Trainings sollte darauf eingegangen werden, wie Führungskräfte ihren Mitarbeitern den Eindruck vermitteln können, dass sie sich für das Team und die gemeinsamen Ziele einsetzen. Führungskräfte können in solchen Trainings auch lernen, welche Art von Aktionen und Teamevents sie einsetzen können, um die Teammitglieder näher zusammenzubringen, die Kooperation zu stärken und die gemeinsame soziale Identität zu gestalten. Auch durch den Einsatz besonderer Meeting-Formen, wie man sie beispielsweise aus agilen Ansätzen wie Scrum kennt, können diese Ziele besser erreicht werden.

Aus diesen Erkenntnissen lassen sich ebenfalls Implikationen für die Auswahl von Führungskräften zur Neuanstellung oder Versetzung in virtuelle Teams ableiten. Auf Grundlage der Wirksamkeitsbelege der Identitätsführung erscheint es gerechtfertigt, bei solchen Personalentscheidungen zu überprüfen, inwiefern die Kandidaten die Prinzipien der Identitätsführung umsetzen können. Bei externen Bewerbern ist diese Einschätzung bei Übungen in Assessment Centern (z. B. Rollensimulation, Präsentation, …) möglich. Darüber hinaus konnten Kompetenzen identifiziert werden, die erfolgskritisch für die Führung virtueller Teams sind (Kompetenzen in der Auswahl von und Umgang mit IKT, interkulturelle Kompetenz, Kompetenzen zur Gestaltung von effektiver Teamarbeit; Schulze & Krumm, 2016). Auf Basis dieser sollten bestehende Kompetenzprofile weiterentwickelt werden, damit sich Maßnahmen der Personalauswahl & -entwicklung daran orientieren können.

Quellen & weiterführende Literatur

Haslam, S. A., Reicher, S. D. & Platow, M. J. (2011). The new psychology of leadership: Identity, influence and power. New York, NY: Psychology Press.

Johnson, S. K., Bettenhausen, K. & Gibbons, E. (2009). Realities of working in virtual teams: Affective and attitudinal outcomes of using computer-mediated communication. Small Group Research, 40 (6), 623-649.

Kerschreiter, R. & van Dick, R. (2017). Führung in Gruppen: Der soziale Identitätsansatz der Führung [The social identity approach to leadership]. In D. Frey & H. W. Bierhoff (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie (Bd. Sozialpsychologie 3, S. 718-743). Göttingen, Deutschland: Hogrefe.

Kirkman, B. L. & Mathieu, J. E. (2005). The dimensions and antecedents of team virtuality. Journal of Management, 31 (5), 700-718.

Schulze, J. & Krumm, S. (2016). The „virtual team player“: A review and initial model of knowledge, skills, abilities, and other characteristics for virtual collaboration. Organizational Psychology Review, 7, 66-95.

Turner, J. C. (1982). Towards a cognitive redefinition of the social group. In H. Tajfel (Hrsg.), Social identity and inter-group relations (S. 15-40). New York, NY: Cambridge University Press.

van Dick, R. & West, M. A. (2013). Teamwork, Teamdiagnose, Teamentwicklung. Göttingen, Deutschland: Hogrefe.

Über den Autor:

Florian Schnitzler ist Psychologe und Berater bei der Unternehmensberatung Kienbaum. Seine Leidenschaften sind die Themen New Work, Digitale Transformation, Führung und Agilität. In seiner Funktion bei Kienbaum ist er zum einen als Trainer in Projekten zur Führungskräfte- und Personalent-wicklung tätig, zum anderen berät er Unternehmen beim Auf- und Ausbau von Lern- und Entwick-lungslandschaften sowie in Change- und Kulturwandel-Projekten.

Quelle: ZukunftderArbeit