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13 Januar 2023

Genie und Wahnsinn: Wenn Chef:innen alle 5 Minuten neue Ideen haben

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Genie und Wahnsinn: Wenn Chef:innen alle 5 Minuten neue Ideen haben

Wenn kreative Vorgesetzte im Minutentakt von neuen Visionen und Ideen schwärmen, kann das überfordern. Clevere Tipps, wie du mit dieser herausfordernden Energie umgehst.

Chef:innen mit Visionen können begeistern: Sie reißen anderen mit. Die Arbeit mit ihnen kann sich wahnsinnig aufregend anfühlen. Sie springen oft und gerne ins kalte Wasser und tendieren dazu, lieber kreative Lösungen zu kreieren, anstatt in alten Mustern gefangen zu bleiben. Man könnte meinen, dass kreative Vorgesetzte eine höchst schöpferische Kraft ausstrahlen.

Doch: Bekanntlich sollen „Genie und Wahnsinn“ auch ganz nah beieinander liegen. In den Wahnsinn treiben uns vor allem Führungskräfte, die alle 5 Minuten mit einer neuen Idee um die Ecke kommen. Auf Dauer kann das nerven. Manchmal kommt es gar zu Wankelmütigkeit, sodass Beschäftigte nicht darauf vertrauen können, dass es bei dem bleibt, was die Führungskraft eben noch entschieden hat.

Vor allem Beschäftigte, die selbst etwas gegenteilig arbeiten, also organisiert, sicher und kalkulierbar, fühlen sich oft überfordert mit der Ungewissheit und dem Durcheinander von visionären Chef:innen. Sie gehen lieber logisch-kontrolliert vor und haben Schwierigkeiten mit der kreativ-intuitiven Art. Wie also damit umgehen?

1. Nimm die Kreativität nicht negativ, sondern als komplementäre Stärke auf

Du bist der Typ, der gerne weiß, was auf dich zukommt? Dann wirst du zu dem Personenkreis gehören, welcher gerne organisiert ist. Neue Ideen und Veränderungen bringen dich leicht aus der Ruhe, aber du bist stark im Planen. Möglicherweise nimmst du die Kreativität von Vorgesetzten als belastend war, weil sie chaotisch und unkalkulierbar ist.

Visionäre passen sich hingegen leicht an Veränderungen an. Deshalb kann es hilfreich sein, die gegenseitigen Stärken im Team wahrzunehmen, anstatt sie als Schwächen und als etwas, das nervt, abzustempeln. Das fördert den gegenseitigen Respekt – und erleichtert das Miteinander von Team und Vorgesetzten.

Schon gewusst? Visionäre sind manchmal etwas chaotischer als du, auch was Zeitmanagement und die allgemeine Ordnung betrifft. Berühmte Beispiele sind zum Beispiel Mark Twain als auch Steve Jobs, deren Arbeitsorte Berichten nach eher einem chaotischen Berg, bestehend aus Dokumenten und anderem Kram, gleichen sollte.

2. Frage nach den Prioritäten deiner Vorgesetzten

Wenn Montag, Dienstag und Donnerstag bereits für die Umsetzung neuer Ideen und Aufgaben verplant sind, kann es bei kreativen Köpfen schnell passieren, dass sie noch etwas „nachschieben“ möchten. Obwohl der Zeitplan keine einzige Lücke mehr aufweist.

Sollte deine Chefin oder dein Boss wieder eine Eingebung haben, hilft es, nach den Prioritäten zu fragen. Sofern es sich um Anweisungen und Pläne unserer Vorgesetzten handelt, müssen wir wissen, was wirklich wichtig ist. So kannst du entscheiden, was du zum Beispiel in der aktuellen Arbeitswoche erledigst – und was noch warten kann.

Tipp: Manchmal haben kreativ-chaotische Vorgesetzte kein Gespür dafür, welche Aufgaben sie bereits verteilt haben. Verfasse eine To-do-Liste und maile sie deinem Chef oder deiner Chefin mit der Bitte um Priorisierung der Aufgaben. Auf diese Weise bekommen sie auch einen Eindruck, wie voll der Plan bereits ist und welche Pläne realisierbar und wichtig sind. Unnötige Ideen können auf die Wartebank geschoben oder direkt gestrichen werden.

3. Hilf dabei, an den ursprünglichen Plan zu erinnern

„Können Sie sagen, wie wir die neue Idee mit dem ursprünglichen Plan X vereinbaren können?“

Stelle diese Frage, wenn kreativ-chaotische Führungskräfte dich und dein Team mit neuen Ideen überrumpeln. Es holt sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Zwar klingen neue Pläne in der Theorie wunderbar einfach und bringen frischen Wind in verstaubte Projekte. Sie müssen aber auch realisierbar sein. Deshalb hilft eine Einordnung sowie eine Anpassung an dem, was ursprünglich geplant war.

Tipp: Rechne damit, dass der ursprüngliche Plan komplett gekippt wird. Denn auch das passiert nicht selten. Lass dich dennoch nicht unter Druck setzen, neue Pläne schnell in die Tat umzusetzen – auch wenn es eilt, solltest du die Möglichkeit bekommen, dich zu sortieren, um dein Bestes leisten zu können. Wichtig ist, eigene Grenzen zu wahren und sich die Zeit zu nehmen, um Entscheidungen zu treffen.

Deshalb: Verlange in solchen Fällen konkret nach etwas mehr Zeit.

4. Berechne den Zeit- und Kostenaufwand für die neuen Pläne der Führungskraft

Oft sind Kalkulationen nicht das, was Visionäre als Priorität im Blick haben. Ihnen geht es zunächst um die Innovation – und erst danach um die „kleinen Schritte“, die es zur Umsetzung erfordert.

Neue Ideen, die alle 5 Minuten geboren werden, kosten zunächst nichts. Wenn sie jedoch realisiert werden sollen, werden Gelder und Personal notwendig sein. Habe deshalb genau diese Punkte im Blick, wenn ihr beim Budgetieren seid. Führe die wichtigsten Kostenpunkte auf und berechne – wenn nötig, auch mit der Hilfe deines Teams – den Arbeitsaufwand in Stunden. Wenn alles steht, hilft es, den Plan anschließend vorzulegen. Erst dann kann entschieden werden, ob weitere Ideen überhaupt notwendig und umsetzbar sind.

5. Nicht alle Ideen müssen sofort ernst genommen werden

Klingt nicht sonderlich wertschätzend, ist aber auch nicht negativ gemeint: Nicht alle Ideen, die kreative Köpfe verbalisieren, müssen in die Tat umgesetzt werden. Manchmal geht es in dem kreativen Chaos nur darum, alle möglichen Optionen und Visionen auszuloten, um herauszufinden, was realisierbar ist.

Vielleicht wollen Chef:innen „nur“ etwas Anerkennung für ihre tollen Ideen. Denn nicht nur Mitarbeiter:innen wünschen sich Wertschätzung. Auch Vorgesetzte sehnen sich danach, angenommen und bewundert zu werden.

Sofern es sich also nicht um ein „krankhaftes“ Verhalten und der unstillbaren Gier nach Anerkennung handelt, ist es durchaus möglich, die Mitteilung von Ideen als Bedürfnis wahrzunehmen, die Kenntnisnahme mitzuteilen und weiterzumachen. Das bedeutet nicht, dass du die Ideen deiner Vorgesetzten auf die leichte Schulter nehmen solltest. Sondern, dass du dich erst darum kümmerst, wenn der Plan tatsächlich spruchreif werden soll. Auf diese Weise ersparst du dir eine Menge Zeit und Energie.

Was kann ich unternehmen, wenn nichts hilft?

Wenn es sich nicht nur um Visionen und Ideen handelt, sondern um eine ausgeprägte Form der Wankelmütigkeit, die dich und dein Team stresst, wird es Zeit, über andere Lösungen nachzudenken. Denn:

  • Beschäftigte, die auf Struktur und Planung vertrauen, fühlen sich mit einer solchen Ungewissheit langfristig überfordert.
  • Der Stresspegel steigt.
  • Es fällt schwer, sich zu konzentrieren und die Produktivität lässt nach.
  • Auch der Leistungsdruck steigt, wenn die Ansprüche von Vorgesetzten sich immer wieder verändern.

Die klare Forderung nach Orientierung und Priorität ist jetzt wichtig. Vorgesetzte sind, wenn sie auf eine solche Situation aufmerksam gemacht werden, oft verhandlungsbereit. Sofern es zu keiner Veränderung oder einem Kompromiss kommt, ist ein interner Wechsel oder gar eine Kündigung eine Option, sofern die Herausforderungen zur psychischen Belastung für dich wird.

Übrigens: Ein Gespräch sollte nicht auf Basis von Vorwürfen stattfinden. Stattdessen helfen echte Situationen und Beispiele sowie die klare Formulierung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse, um produktiv arbeiten zu können und Arbeitsziele zu erreichen. Erinnere dich daran: Manchmal benötigen unsere Vorgesetzten einfach nur einen kleinen Stupser als Hinweis von uns, wenn sie ganz in ihrer eigenen Ideenwelt vertieft sind und dabei so richtig in Fahrt kommen.

Quelle: arbeitsABC

07 Oktober 2022

Erfolgreiche Führungskräfte klammern sich nicht an Pläne. Sie kultivieren intelligentes Glück

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Viele Führungskräfte ziehen in Krisenzeiten die Zügel an. «Das ist genau das Falsche», sagt Christian Busch.

Erfolgreiche Führungskräfte klammern sich nicht an Pläne. Sie kultivieren intelligentes Glück

Es läuft nichts wie geplant. Für viele Chefs ist dies ein Albtraum. Christian Busch, Experte im Bereich Serendipität, erklärt, wie es gelingt, loszulassen und stattdessen das Beste aus dem Unerwarteten zu machen.

Christian Buschs Steckenpferd ist die Serendipität. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Schon vor Jahren hat der passionierte Netzwerker zwei Dinge festgestellt: dass erfolgreiche und inspirierende Menschen in ihrem Leben Serendipität kultivieren und dass zufällig neue Ideen entstehen, wenn man die richtigen Leute zusammenbringt. Beides faszinierte ihn, und er begann sich zunächst privat und dann auch wissenschaftlich mit dem Thema zu beschäftigen.

Meistens wird Serendipität als Zusammenspiel von Zufall und menschlichem Handeln definiert, das zu einem positiven Ergebnis führt. Im Gespräch bezeichnet Busch das Phänomen als «intelligentes Glück», das einem nicht bloss widerfährt wie etwa das Glück, in eine liebevolle Familie hineingeboren zu werden. Vielmehr liege es an einem selbst, wie man mit unerwarteten Momenten umgehe und ob man diese in «intelligentes Glück» verwandle.

Menschen, denen dies gelinge, hätten oft unbewusst eine Fähigkeit entwickelt, dem Unerwarteten und Unbekannten wachsam, offen und neugierig zu begegnen, sagt Busch, der an der New York University und an der London School of Economics über Führung, Innovation und Unternehmertum lehrt. Sie nutzten überraschende Momente, in denen scheinbar unverbundene Ideen und Ereignisse zusammenkämen und ein neues Muster bildeten. «Sie sehen Brücken, wo andere nur Lücken sehen», sagt der Mitbegründer der Organisation «Leaders on Purpose», die Firmen beim Finden ihres Sinns berät. Dadurch würden Kreativität und Einfallsreichtum freigesetzt, um neue Lösungen für Probleme zu finden.

Eine Firma ohne Masterplan

Jemand, der Serendipität im Leben kultiviere, sehe das Unerwartete nicht nur als Gefahr oder als etwas, was seine Pläne über den Haufen werfe, sondern als eine Quelle verschiedener neuer Pfade, die wiederum neuen Sinn ergäben. Auch viele erfolgreiche CEO würden dies oft unbewusst praktizieren, sagt Busch, der im Rahmen seiner Forschungsarbeiten «Was Unternehmen erfolgreich macht» zahlreiche Gespräche mit CEO geführt hat. Vielen werde erst im Gespräch klar, dass sie Serendipität für sich und das Unternehmen nutzten.

Einer von ihnen ist David Taylor, Verwaltungsratspräsident von Procter & Gamble. Er erzählte Busch und seinem Team, dass Führungskräfte nicht versuchen sollten, alles zu wissen. Vielmehr gehe es darum, von anderen zu lernen, ihnen zu helfen und dann Verbindungen herzustellen, die zu neuartigen Lösungen führten.

Laut Tom Linebarger, Chef des auf Diesel- und Gasmotoren spezialisierten US-Konzerns Cummins, hat es im Unternehmen nie einen Masterplan gegeben. Mit seinem Team habe er eine Vision ausgearbeitet, eine Kultur geschaffen und Prozesse etabliert, um den Mitarbeitenden ein Gefühl für die grobe Richtung zu geben. Gleichzeitig hätten sie genügend Raum gelassen, damit neue Dinge entstehen könnten. Diese passierten häufig an unerwarteten Orten und auf unerwartete Weise. Für Linebarger ist die Fähigkeit, im Unternehmen Serendipität zu kultivieren, auch der Schlüssel, um einen Konzern durch Krisen zu führen.

Konzerne aus der Krise führen

Gerade in Krisenzeiten wird offensichtlich, dass Firmenchefs den Mitarbeitenden keine Gewissheiten oder vermeintliche Sicherheit bieten können. Gefragt ist stattdessen eine klare und transparente Kommunikation. Laut Busch sollten Führungskräfte den Angestellten eine Idee vermitteln, wohin die Reise gehe, und gleichzeitig aufzeigen, dass auf dem Weg das Unerwartete eine grosse Rolle spielen werde und man die Pläne bei neuen Erkenntnissen anpassen werde.

Viele Führungskräfte reagieren auf Krisen stattdessen mit dem Reflex, die Zügel anzuziehen und mehr Kontrolle auszuüben, um ihre Autorität als Unternehmenslenker unter Beweis zu stellen und selbst wieder ein Gefühl der Sicherheit zu erlangen. «Das ist genau das Falsche», sagt Busch. Firmenchefs sollten lernen, loszulassen und das Beste aus dem Unerwarteten machen. Dies gehe nicht mit einem Kontrollverlust einher, sondern sei im Gegenteil die einzige Möglichkeiten, sich von der Illusion der Kontrolle zu befreien.

«Erfolgreiche Führungskräfte klammern sich nicht an Pläne. Sie kultivieren intelligentes Glück», sagt der Autor des Buchs «Connect the Dots: The Art and Science of Creating Good Luck». Sie stellten auch gegenüber dem Aufsichtsgremium klar, dass es sich lohne, die Pläne bei neuen Erkenntnissen anzupassen und ein gutes Umfeld für Serendipität zu schaffen – nicht zuletzt, um innovativer zu werden.

Viagra und andere Zufälle

Bei Innovationen aller Art spielt der glückliche Zufall eine bedeutende Rolle; man denke etwa an Erfindungen wie Penicillin und die Röntgenstrahlung. Auch Klettverschluss, Post-it-Zettel, Gummi, Mikrowelle, Teflon und Nylonstrümpfe wurden zufällig erfunden. Viagra gibt es heute nur, weil bei den Tests eines Medikaments gegen koronare Herzerkrankung festgestellt wurde, dass das Mittel eine potenzsteigernde Wirkung hat. Anstatt dies als Rückschlag zu betrachten, wurde die neue Spur weiterverfolgt und ein Medikament gegen Potenzstörungen entwickelt.

Es gibt allerdings wenige Firmen, die ein solches Umfeld fördern. In vielen Betrieben herrscht nach wie vor eine wenig inspirierende Unternehmenskultur, was die Kreativität und eigenständiges Handeln hemmt. Gleichzeitig haben Pläne und Ziele einen derart hohen Stellenwert, dass ein geringer Anreiz besteht, bei neuen Erkenntnissen davon abzurücken.

Von der Firmenchefin bis zum Teamleiter werden die Angestellten daran gemessen, ob sie ihre Ziele erreichen. Auch Vergütungen und Beförderungen hängen davon ab. Das Unerwartete stellt in einem solchen Umfeld eine Bedrohung dar – etwas, was man am liebsten ausblenden oder unter den Teppich kehren möchte, um sich nicht erklären zu müssen und nicht als gescheitert dazustehen.

Chefs fördern glückliche Umstände

Wie gelingt es also, diese Fehlanreize zu beheben und stattdessen Serendipität im Unternehmen zur Entfaltung zu bringen? Firmen wie Facebook, Pixar oder 3M (Herstellerin von Post-it) haben diesen Weg beschritten und nach Möglichkeiten gesucht, dass Mitarbeitende das Unerwartete vermehrt als Chance sehen, neue Wege zu gehen und Innovationen zu schaffen.

Apple-Gründer Steve Jobs etwa hatte in seiner Zeit als Firmenchef von Pixar vieles unternommen, um Serendipität zu kultivieren. Er baute ein offenes Atrium mit allen zentralen Bereichen, um die Zahl der ungeplanten Begegnungen zu erhöhen. Das Herzstück des auf computeranimierte Filme spezialisierten Studios sollte die Interaktion zwischen den Menschen sein. Um ein gutes Umfeld für kreatives Arbeiten zu schaffen, galt auch die Devise, dass Ideen und erste Entwürfe nicht perfekt sein müssen.

Laut Busch gibt es verschiedene Ansätze und Massnahmen, wie Chefs glückliche Umstände im Unternehmen fördern:

  • Serendipität für sich kultivieren: Führungskräfte sind ein Vorbild und bereiten den Boden für andere vor, wenn sie selber Serendipität kultivieren sowie in der Firma über glückliche Zufälle und die daraus entstandenen Resultate sprechen.
  • Gespräche anders führen: Chefs fragen an Teamsitzungen: «Was hat dich überrascht?» oder «Welches Projekt begeistert dich?» Fragen dieser Art laden Mitarbeitende ein, den Blick zu öffnen und auf Unerwartetes zu achten. Es geht auch darum, in Gesprächen mehr Anknüpfungspunkte zu schaffen. Auf die Frage «Was machen Sie?» antwortet man nicht nur mit der Berufsbezeichnung, sondern nennt verschiedene Dinge, die man gerne tut. 
  • Sichere Arbeitsatmosphäre schaffen: Chefs, die wollen, dass Angestellte auch verrückte, noch nicht ganz ausgegorene Ideen vorbringen, müssen psychologische Sicherheit schaffen. In einem solchen Umfeld fühlen sich Mitarbeitende wohl und wagen Neues, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
  • Ideengeber belohnen: Wer neue Ideen einbringt, wird belohnt. Wichtig ist zudem, dass Mitarbeitende ein Feedback auf ihre Vorschläge erhalten und vielversprechende Ideen weiterverfolgt werden. Sehen Angestellte, dass sie etwas bewegen können, sind sie motiviert, weitere Vorschläge zu machen. 
  • Systematisch aus Fehlern lernen: Man spricht im Unternehmen über Ideen, aus denen nichts geworden ist. Dabei geht es nicht darum, das Scheitern zu bejubeln, sondern darum, das Lernen aus unerwarteten Situationen zu fördern. In einem solchen Umfeld experimentieren Mitarbeitende öfter und übertragen Ideen in einen anderen Kontext. 
  • Perspektive erweitern: Wenn die Firmenchefin die Kaderangestellten bittet, «die Kosten zu senken», schränkt sie damit das Feld möglicher Lösungen ein. Vielversprechender ist es, die Mitarbeitenden zu bitten, nach Möglichkeiten zu suchen, um «profitabler zu werden». Sie suchen dann auch nach neuen Einnahmequellen.
  • Das Team intelligent zusammenstellen: Wenn Angestellte mit der Philosophie, Serendipität im Unternehmen zu fördern, nichts anfangen können, bietet es sich an, sie auf ein Projekt mit einem Kollegen zu schicken, der dies bereits erfolgreich praktiziert. Beginnt der Angestellte, die Vorteile zu erkennen, wird er zu einem glaubwürdigen Vertreter.
  • Zufällige Begegnungen fördern: Unternehmen installieren Open-Space-Büros und Lounges, um Begegnungen am Arbeitsplatz zu fördern. Sie sollten sich dabei allerdings gut überlegen, wann und für wen sie Gelegenheiten für zufällige Begegnungen schaffen wollen. Sonst besteht die Gefahr, dass Mitarbeitende keine Rückzugsmöglichkeit mehr haben, wenn sie konzentriert an einer Aufgabe arbeiten wollen. 

Ob die Massnahmen auf fruchtbaren Boden fallen, hängt stark von der Firmenkultur ab. In Unternehmen, in denen die Mitarbeitenden vor allem Klatsch und Tratsch austauschen, ist Serendipität weniger wahrscheinlich als in Firmen, in denen die Angestellten auch in der Kaffeepause über neue Ideen sprechen.

Schwierig wird es auch, wenn die Unternehmenskultur von Angst, Misstrauen und Missgunst geprägt ist. «Gestresste Menschen entwickeln einen Tunnelblick und nehmen günstige Gelegenheiten weniger gut wahr», sagt Busch. Als Experte für das Thema sieht er aber auch hier die Chancen: «Man muss dann einfach mit kleinen Schritten beginnen.»

Auf der anderen Seite können Firmen aber auch in eine Falle tappen, wenn sie angestrengt versuchen, Serendipität herbeizuführen oder gar zu erzwingen. «Serendipität lässt sich nicht kontrollieren, geschweige denn vorhersehen», sagt Busch. «Man kann nur ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem die Wahrscheinlichkeit für Serendipität steigt.»

Wir unterschätzen das Unerwartete

Wie Studien zeigen, ist die Wahrscheinlichkeit für Serendipität grösser als gemeinhin angenommen. Das Unerwartete passiert weitaus häufiger, als wir es erwarten. Gleichzeitig überschätzen wir unsere Fähigkeit, das Leben zu planen und zu kontrollieren. Im Rückblick zeigt sich oft, dass gerade positive Schlüsselereignisse – wie die Liebe seines Lebens zu finden oder einen Traumjob zu ergattern – ungeplant waren.

«Alle Menschen können Fähigkeiten entwickeln, das Beste aus dem Unerwarteten zu machen», ist Busch überzeugt. Alles beginne mit dem Blick auf die Situation. Anstatt sich zu fragen: «Was kann ich verlieren, wenn ich dies tue?», könne man sich überlegen: «Was werde ich bedauern, wenn ich es nicht tue?» Busch selbst musste sich diese Sichtweise aneignen. Er hatte in der Schule gelernt, dass man einen Plan haben sollte. Im echten Leben wurde ihm dann aber klar, dass der Zufall oft eine grössere Rolle spielt als erwartet. Heute kombiniert er Planung mit der Erwartung, dass das Unerwartete jederzeit passieren kann – was ihn oftmals den Wert des Unerwarteten sehen lässt.

Glückliche Umstände sind nicht auf menschliche Kontakte beschränkt. Man denke etwa an ein Buch, das man zufällig im Schaufenster gesehen hat und das einem wichtige Einsichten gebracht hat. «Jede und jeder entdeckt Serendipität auf seine eigene Art und Weise», sagt Busch, der zu den einflussreichsten Management-Denkern («Thinkers50») zählt. Ein Patentrezept dafür, wie mit Unerwartetem umgegangen werden soll, gebe es nicht. Seine Erkenntnisse und Erfahrungen gibt Busch daher als Denkanstösse weiter und lädt zum Beobachten und Ausprobieren ein: «Irgendwann macht man es dann intuitiv und ganz natürlich.»

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

09 Oktober 2020

Machen Sie schon oder reden Sie nur? Ein Plädoyer für ein professionelles Innovationsmanagement

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Digitale Transformation

Machen Sie schon oder reden Sie nur? Ein Plädoyer für ein professionelles Innovationsmanagement

Krisen sind spannende Zeiten in vielerlei Hinsicht. Ein bestehender Status wird infrage gestellt und teilweise bis auf seine Festungen durchgeschüttelt. Dabei müssen sich auch Unternehmen mit dem Status quo auseinandersetzen. Als Reaktion überlegt man sich im Top Management nun ganz genau, wo man sparen kann. So werden alle Unternehmensbereiche gebeten, Potenziale zu identifizieren. Auch wenn alle Innovationskultur wollen, wenn es hart auf hart kommt, ist die Innovationsabteilung mit die Erste, die infrage gestellt wird. Haben sich die ganzen Workshops, Sprints und Pitch Sessions gelohnt? Quo vadis Innovationsmanagement könnte man fragen?

Die Autoren des Beitrags sehen zwei mögliche Szenarien, die sich in den internen Innovations Think Tanks europäischer Unternehmen abspielen könnten.

Szenario 1: “Die Orientierungslosen”

Viele Post It’s wurden in Workshops geklebt, interne und externe Projekte initiiert, der ein oder andere MVP Prototype gepicht. Doch das Ziel der ganzen Projekte bleibt über das Phrasenbingo hinaus unbekannt. Und wer bekanntermaßen nicht genau weiß, wo er hin will, der kann auf den gelaufenen Umwegen nicht mal die gewonnen Ortskenntnisse als Erkenntnis verbuchen. Fazit: Ein leichtes Ziel für Einsparungen. Stellen werden gekürzt, Projekte zusammengestrichen, einige Leute werden versetzt und aus den übrig gebliebenen wird jetzt das Internal Change Management. Mit der Auflösung der zentralen Abteilung ist in der Unternehmenssprache Innovation nun wieder Teil des gesamten Unternehmens: Kosteneinsparungsziel erreicht. Innovation ist delegiert in die Verantwortungslosigkeit.

Szenario 2: “Die Disziplinierten”

Aber es geht anders und disziplinierter. Es wird nachjustiert, aber die allgemeine Innovationsstrategie ist klar benannt, die Projekte, um dahin zu gelangen, sind definiert und qualifiziertes Personal ist am Werk. Man hat sich Ziele gesetzt und steuert über wenige, vom Ziel abhängige Kennzahlen. Wenn dann mal ein Projekt schief geht, ist relativ schnell identifiziert warum und man kann aus den Fehlern lernen. Allen Beteiligten ist klar, dass sich Kreativität und Performance für Innovation selten über Effizienz getriebene Zahlen definieren lässt, sondern dass Kundennähe und eine steile Lernkurve wichtiger sind.

Gleichzeitig schweben Innovationsprojekte nicht in der unternehmerischen Wolke und müssen Mehrwert und Relevanz sowie Verantwortung für das Ressourcen Investment zeigen.

Innovation braucht Disziplin und Kompetenz

Unser positives Szenario zeigt, für Innovation braucht es neben vielen anderen Zutaten vor allem Kompetenz und Disziplin. Gary Pisano, Management und Innovationsforscher hat es in einem Artikel 2019 für den Harvard Business Review folgendermaßen beschrieben:

“A tolerance for failure requires an intolerance for incompetence. A willingness to experiment requires rigorous discipline,”.

Mit diesen zwei Sätzen bringt er es auf den Punkt. Nicht die alleinige Anwendung von Methoden wie Design Thinking oder Lego Serious Play stehen im Fokus. Sondern es geht um die Kombination von Kompetenz und Disziplin im Kreativitätsprozess.

Disziplin heißt Selbstkritik

Sich selber gegenüber kritisch zu sein und die Annahmen auf den Punkt zu bringen und immer wieder zu hinterfragen, ob man Aussagen richtig interpretiert hat, erfordert Disziplin. Auch gilt es im Laufe des Prozesses iterativ vorzugehen, so oft wie möglich zu testen und nach dem Scheitern wieder zu einem früheren Punkt zurückzukehren und wieder neue Wege einzuschlagen. Das ist keine Freitagnachmittags-Übung, sondern ein Fulltime-Job. Damit diese Disziplin überhaupt an den Tag gelegt werden kann, braucht es Kompetenz.

Kompetenz im Fach und im Vorgehen

Wenn man von Kompetenz spricht, gibt es unterschiedliche Kompetenzen. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Fachkompetenz und die Methodenkompetenz. Beides sollte in Innovationsprojekten vorhanden sein. Die Fachkompetenz ist entscheidend um den Markt zu verstehen, auch wenn hier teilweise die Gefahr für Scheuklappen besteht aufgrund von «Betriebs- bzw. Fachblindheit». Die Methodenkompetenz ist entscheidend, um durch den Innovationsprozess zu führen und die notwendige Disziplin an den Tag zu legen.

Der Unterschied

Genau diese Kombination unterscheidet die zwei Szenarien und damit auch Erfolg oder Misserfolg was das Thema Innovation angeht. Gerade in der Krise werden Schwächen oder Unprofessionalität sichtbar. Bevor man überhaupt startet, sollte man es sich also ganz genau überlegen. Wer neidvoll zu den Googles und Apples dieser Welt schaut, erkennt oft nicht, welche harte Arbeit, Disziplin und Vorbereitung hinter jeder einzelnen Idee steht. «Luck is when preparation meets opportunity» sagt einmal ein griechischer Philosoph. Sind sie vorbereitet?

Checkliste: Woran du erkennst, dass du in einem guten Innovationsprojekt bist?

  • Die beteiligten Akteure haben klare Rollen und die erforderliche Fach- und Methodenkompetenz.
  • Das Motiv des Projektes ist klar erkennbar
  • Es ist ein klarer Weg erkennbar, der erkennen lässt welche Annahmen man schon validiert und welche Annahmen noch zu validieren sind. Dies ist auch über bestimmte Ergebnisse (qualitativ oder quantitativ) transparent nachvollziehbar
  • Zeit und Ressourcen für das Projekt sind klar definiert
  • Die beteiligten Akteure sind intrinsisch motiviert und sind bereit das notwendige Zeitinvestment zu machen

Quelle: Pisano, Gary. 2019. “Innovation Isn’t All Fun and Games — Creativity Needs Discipline.” Harvard Business Review, January. https://hbr.org/2019/01/the-hard-truth-about-innovative-cultures.

Über die Autoren

Muriel Bouakaz arbeitet seit mehreren Jahren im ThinkTank der Workspace Design Firma Witzig The Office Company. Dabei geht es darum die Trends der Zukunft der Arbeit zu evaluieren und deren Impact auf die Zusammenarbeit in Teams und Organisationen. Innovationen und neue Business Models werden auf dieser Basis entwickelt und in der beratenden Tätigkeit den Kunden aller Industrien näher gebracht. Bald 10 Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Industrien wie Banking, Automobil, öffentliche Hand und Immobilien ermöglichen ihr eine interdisziplinäre Perspektive in der Projektarbeit einzunehmen. Ihre Interessen gelten vor allem den Themen Führung & Zusammenarbeit, Kreativität & Innovation und Geschäftsmodellentwicklung unter der Anwendung moderner Methoden wie beispielsweise Design Thinking. Sie hat einen Master in Business Innovation von der HSG und ihre Ausbildung umfasst Stationen in Sao Paulo, Rotterdam und Stanford.

Thomas Haskamp promoviert am Lehrstuhl für Design Thinking und Innovationsforschung des Hasso Plattner Instituts in Potsdam. Darüber hinaus ist er Mitglied des Hasso-Plattner Design Thinking Research Programm und forscht wie Organisationen menschenzentriert und digital innovieren können. Er hat einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund mit Fokus auf die Themen Change & Innovation und an verschiedenen Universitäten weltweit studiert. Neben seiner Ausbildung zum Industriekaufmann sammelte er Praxiserfahrungen im Mittelstand, Konzernen und der Beratung. In seiner Freizeit engagiert er sich für Fragen der Bildungsgerechtigkeit, wirtschaftsethische Fragestellungen und reist sehr gerne.

Quelle: zukunftderarbeit

28 August 2020

Chaos-Management: Was Unternehmer und Führungskräfte von Künstlern lernen können

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Wenn Unternehmer und Künstler aufeinandertreffen ...

Chaos-Management: Was Unternehmer und Führungskräfte von Künstlern lernen können

Unternehmer und Führungskräfte von heute stehen vor der Herausforderung, kreativ, innovativ und anders zu sein als der Wettbewerb. Es reicht nicht aus, einfach nur ein tolles Produkt kostengünstig herzustellen und zu vertreiben. Weil sich Unternehmer und Führungskräfte in komplexen und oft unübersichtlichen Strukturen bewegen und auf kreative Problemlösungen angewiesen sind, sind sie zur Innovation geradezu verdammt. Kann die Kunst, können Künstler dabei als Inspirationsquelle dienen?

Kreatives Denken durch Kunst

Der Kultursoziologe Theodor W. Adorno beeinflusste mit diesem Satz ganze Generationen von Künstlern:

„Die Aufgabe von Kunst heute ist es, Chaos in Ordnung zu bringen”.

Das Management vieler Organisationen vermeidet es tunlichst, Unternehmen und Kreativwirtschaft zusammenzubringen. Manager hört man über Kreative oft sagen: „Wir haben schon genug Chaos in unserem Unternehmen.”

Diese Diskussion entspricht schon lange nicht mehr der Wirklichkeit. Auch Künstler und Kreative planen

  • ihre nächsten Arbeitsschritte,
  • die Woche,
  • den Monat,
  • das Jahr,
  • ein Ausstellungsprojekt,
  • einen Auftrag,
  • ihre Erfolgsstrategie,
  • ihre Zukunft.

Aber ihre Planung ist nicht methoden- oder zahlengetrieben, sie schließt immer ein gesundes und produktives Maß an Chaos und Improvisation mit ein. Das erfordert Mut, Flexibilität, Offenheit, Selbstvertrauen und eine hohe Identifikation mit dem eigenen Tun.

An der Schnittstelle von Kunst und Unternehmen

So arbeiteten einige Kreative schon im vergangenen Jahrhundert sehr erfolgreich an der Schnittstelle von Kunst und Unternehmen. Die Wirtschaft hat von ihren Vermarktungsfähigkeiten insbesondere in der Musikindustrie, im Fernsehen, in der Werbung, den neuen Medien, dem Design und der Architektur profitiert. Der Begründer der Medientheorie, Marshall McLuhan, dachte bereits Mitte des letzten Jahrhunderts mit seinem Diktum

„Kunst ist alles, was durchkommt”

diese Erfolge voraus.

In den 1960er-Jahren revolutionierten dann Joseph Beuys, Helmut Jahn und Andy Warhol den Kunstbegriff im Sinne Marshall McLuhans. Warhols Feststellung

„In der Wirtschaft gut und erfolgreich zu sein, ist das Faszinierendste an der Kunst“

war nicht bloß daher gesagt. Warhol jobbte in der Werbe- und Medienbranche, managte die Musikgruppe The Velvet Underground und die Sängerin Nico, produzierte Fernsehen, Zeitschriften und Filme und machte Campbell‘s Suppendosen zum Kultobjekt.

In Museen finden sich vor allem seine Siebdrucke von Marilyn Monroe, Liz Taylor und Coca Cola. Warhol war ein Unternehmer ohne jegliche Berührungsängste.

Kunst ermöglicht neue Perspektiven

Die Folge: Längst arbeiten Kunst und Unternehmen zusammen – denn Kunst kann als Inspiration von Kreativität und Innovation im Unternehmen fungieren. Manager und Führungskräfte erlernen so den Perspektivenwechsel und den neuen Blick auf alte Strukturen. Dazu nun einige Beispiele:

  • Der Kunstunternehmer Yadegar Agassi, der in Berlin riesige Rundbilder (Panoramen) für Millionen Besucher aufbaut, tritt immer als Investor auf.
  • In Führungskräftetrainings zur Verbesserung der Präsentationen von Managern werden sehr häufig Schauspieler eingesetzt, die mit den Führungskräften an Stimme, Mimik und Wirkung arbeiten.
  • Der DM-Chef Götz Werner besuchte mit seinen Top-Managern die Uffizien in Florenz. Dort sollten die Führungskräfte ihre Sichtweisen beim Betrachten von Bildern schärfen. Die Manager mussten teilweise eine Stunde vor einem Bild stehen. Dadurch sahen sie von Minute zu Minute mehr in den Kunstwerken.
  • In der Würth AG werden regelmäßig Vernissagen durchgeführt, die oftmals in der Belegschaft kontrovers diskutiert werden. Darüber hinaus gründete die Familie Würth mehrere Ausstellungshäuser, unter anderem in Künzelsau und Schwäbisch Hall. Der Eintritt ist frei. Somit unterstützt der Schraubenkonzern seine Mitarbeiter dabei, sich mit Kunst auseinanderzusetzen, und wirkt darüber hinaus in die Gesellschaft hinein.
  • Der SAP-Gründer Hasso Plattner gründete mit 200 Millionen € das Hasso-Plattner-Institut (HPI) für Softwaresystemtechnik an der Potsdamer Universität. Dort etablierte er die School of Design Thinking, die Wissenschaft und Kunst mit den Interessen der Wirtschaft verbindet.

Kunst als Inspirationsquelle

Die Firma FSB (Franz Schneider Brakel), die Türklinken herstellt, geriet in den 1980er-Jahren in Schwierigkeiten. Die Bauwirtschaft befand sich damals in einer großen Krise. Es war an der Zeit, grundsätzlich über das Produkt nachzudenken. Daher besuchte der Geschäftsführer Jürgen Braun den Grafikdesigner Otl Aicher.

Dieser hatte schon anderen Unternehmen von der Braun AG bis zur Lufthansa zu einem überzeugenden Marketingauftritt verholfen. Der entscheidende Impuls kam für ihn jedoch durch den Besuch eines Buchladens.

Dort fand er ein Buch über Handlesekunst, wodurch ihm bewusst wurde, dass sich ein Türklinkenproduzent mit der physischen Seite des Greifens beschäftigen musste. Die Türklinke war demnach kein x-beliebiger Zubehörartikel einer Tür, sondern hatte eine kulturhistorische Bedeutung. Die Anthropometrie des Greifens konnte in vier Basiselemente zerlegt werden:

  1. die Gebote der Daumenbremse,
  2. der Zeigefingerkuhle,
  3. der Ballenstütze und
  4. des Greifvolumens.

Diese vier Gebote sind bis heute in der gesamten Branche akzeptiert.

Übrigens: Eines der ambitioniertesten Projekte eines Künstlers zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist „Southern Extension“ oder „Hirstville“, wie es Journalisten gerne nennen. Damien Hirst plant mit Architekten in England gleich eine neue Stadt. Mit seinen Kunstwerken hat er geschätzte 1 MRD US-$ verdient. Damit sind Künstler als Investoren auf dem Markt und endgültig im Big Business angekommen.

Kunst und Wirtschaft passen zusammen

Vor allem die authentischen Beispiele zeigen, dass Kunst und Wirtschaft durchaus kompatibel sind. Unternehmer sollten prüfen, inwiefern sie Kunst als Inspirationsquelle nutzen und in ihr unternehmerisches Denken und Handeln integrieren können.

Über den Autor

Dr. Roland Geschwill ist Mitgründer und Geschäftsführer der „Denkwerkstatt für Manager“, die über Expertise sowohl in der angloamerikanischen als auch in der deutschen Managementkultur verfügt. Bereits seit 1986 berät der Diplom-Psychologe Führungskräfte. Darüber hinaus engagiert sich Roland Geschwill ehrenamtlich als Vorstandssprecher des Fördervereins „Friends“ beim renommierten Festival „Enjoy Jazz“.

Quelle: unternehmer.de

04 Oktober 2019

Warum uns die Digitalisierung menschlicher macht

Posted in Mind

Artikel von Rosa Riera in "ZukunftderArbeit"

Warum uns die Digitalisierung menschlicher macht

„Wandel war noch nie so schnell und er wird nie wieder so langsam sein.“ So der Journalist Graeme Wood. Und er liegt richtig. Denn bedingt durch die Digitalisierung, finden weltweit in Politik, Gesellschaft und in der Wirtschaft weitreichende und komplexe Veränderungen statt. Ein Ende der Beschleunigung ist nicht zu erwarten.

Was haben die einen, was den anderen fehlt?

Ich beschäftige mich oft mit der Frage, ob und wie wir mit dieser Beschleunigung Schritt halten können. Manche Menschen haben scheinbar kein Problem mit dieser Beschleunigung, während andere deutlich darunter leiden oder resignieren.

Auf der Suche nach möglichen Antworten bin ich auf eine vor kurzem veröffentlichte Liste des WEF gestoßen, die die zehn wichtigsten Fähigkeiten benennt, die benötigt werden, um auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft erfolgreich zu sein. Laut WEF sind die top drei der wichtigsten Kompetenzen das „lösen komplexer Probleme“, „ kritisches Denken“ und „Kreativität“.

Mit dem „lösen komplexer Probleme“ können sich sicherlich viele, vor allem in der Ingenieursnation Deutschland, identifizieren. Kritisches Denken und Kreativität erfordern jedoch oft, bewährtes in Frage zu stellen und sich somit auf unsicheres Terrain zu begeben. Das fällt nach wie vor vielen eher schwer, bietet jedoch auch eine enorme Chance.

Welche Formen der Beschäftigung werden wir zukünftig als Arbeit bezeichnen und wie werden wir diese entlohnen?

Denn die Digitalisierung verkürzt die Halbwertszeit unseres Wissens, unserer Kompetenzen, unserer Prozesse und unserer Organisationsmodelle radikal. Das bedeutet, dass kontinuierliches Lernen und Umgestalten nicht mehr nur eine Option, sondern ein Muss sind. Was sich zunächst anstrengend anhört bedeutet jedoch, dass wir deutlich mehr Chancen auf Weiterentwicklung oder sogar auf einen kompletten Neuanfang haben. Und so zwingt uns die digitale Transformation dazu, über Fragen nachzudenken, die heute zutiefst relevant sind.

Welche Funktion hat Arbeit in der Gesellschaft? Warum wird eine gute Unternehmenskultur immer stärker zum Erfolgsfaktor? Wie können wir Kompetenzen, die für die Zukunft relevant sind, vermitteln? Wie können wir Bildung skalieren und sie dennoch personalisieren? Welche Rahmenbedingungen machen uns zukunftsfähig und welche bewahren Konzepte, Prozesse und Systeme, deren Zeit bereits abgelaufen ist? Und welche Formen der Beschäftigung werden wir zukünftig als Arbeit bezeichnen und wie werden wir diese entlohnen?

Es geht im digitalen Zeitalter nicht primär um die Technologie, sondern vor allem darum wie wir eine digitale Welt für uns gestalten wollen.

Diese Fragen drehen sich sehr stark um menschliche Bedürfnisse nach einer guten Gemeinschaft, nach persönlicher Weiterentwicklung, nach Sinnhaftigkeit und nach Respekt.

Für diese Fragen gibt es keine fertigen Antworten. Und sie werden auch nicht nur von einer kleinen Gruppe von Menschen hinter verschlossenen Türen beantwortet werden können, denn durch die Digitalisierung entsteht ein immer größeres Bedürfnis nach nachvollziehbaren Prozessen und Partizipation. Wir alle müssen also gemeinsam zu Antworten auf diese Fragen kommen und zwar in einem Prozess der Co-Creation. Wir werden beim Versuchen und Ausprobieren den ein oder anderen Fehler machen und dabei viel lernen und auf Ideen kommen, die heute undenkbar sind. Wichtig ist, dass wir für diesen Prozess offen sind, den Dialog am Leben erhalten und uns trotz der Anstrengungen, die dieser Prozess von allen erfordert, die Lust auf Zukunft nicht nehmen lassen.

Die heutigen Berufsanfänger haben dies begriffen und integrieren dies bereits in ihre Lebensplanung: Die wichtigsten Faktoren, nach denen Kandidaten ideale Arbeitgeber auswählen, sind u.a., ob das Unternehmen an relevanten Themen arbeitet und kulturell zu einem passt, ob es ansprechende Möglichkeiten bietet, um sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, und ob es einem ermöglicht, sein Privatleben mit dem Berufsleben in Einklang zu bringen.

Auch wenn diese Forderungen und Ideen für Unternehmen zunächst einmal als herausfordernd gesehen werden und sich einige schwer tun diese umzusetzen, bin ich davon überzeugt, dass es höchst relevante Fragestellungen sind und dass diese Generation nicht nur sich selbst, sondern uns allen einen großen Gefallen getan hat, in dem sie diese Themen adressiert hat.

Es geht also im digitalen Zeitalter nicht primär um Technologie, sondern darum, wie wir diese digitale Welt für uns gestalten wollen. Wir sind ohnehin nicht mehr in der Lage, mit Maschinen zu konkurrieren. Es wird daher Zeit, dass wir uns auf unsere „Kernkompetenz“ als Mensch besinnen und uns in Zukunft darauf spezialisieren.

Über die Autorin

Rosa Riera ist bei Siemens AG zuständig für Employer Branding und Social Innovation

Quelle: ZukunftderArbeit

23 August 2019

Design Thinking: Denkst du noch oder baust du schon?

Posted in Trends, Coaching

Artikel von Thomas Haskamp, Muriel Boukaz in "Zukunft der Arbeit"

Design Thinking: Denkst du noch oder baust du schon?

„Ist das wirklich das Gelbe vom Ei?“ fragte letztens eine Kollegin, nachdem sie einen Design Thinking Workshop absolviert hatte. In diesen zwei Tagen hat sie die Methode das erste Mal kennengelernt und anhand einer Problemstellung angewandt. Das Buzzword Design Thinking ist in aller Munde und zeigt bei der Suche auf Google knapp 35 Millionen Suchergebnisse an (zum Vergleich: Christiano Ronaldo, Überfußballer unserer Zeit schafft gerade mal 6 Millionen mehr). Doch was ist Design Thinking überhaupt? Uebernickel et. al (S.16, Design Thinking – Das Handbuch, 2015) formulieren es folgendermaßen: „Design Thinking ist eine Innovationsmethode, die auf Basis eines iterativen Prozesses nutzer- und kundenorientierte Ergebnisse zur Lösung von komplexen Problemen liefert.“ Entstanden im Silicon Valley um Ingenieuren nutzerzentriertes Produktdesign näherzubringen, wird es heute nicht nur für Produktdesign, sondern auch für Service-, Prozess- und Geschäftsmodellentwicklung verwendet.

Um nicht den Anschluss an die momentan erfolgreichsten Unternehmen weltweit zu verlieren – die aktuell so gut wie alle aus dem Silicon Valley kommen – versuchen sich die deutschen DAX-Konzerne in der Anwendung der Methode. Viele erhoffen sich dadurch neue, disruptive Ideen zu entwickeln. Hinzu kommt die spezielle Arbeitsweise, die stark auf interdisziplinäre Kollaboration und visuelles Arbeiten setzt. Spielerisches Prototyping soll die durch den eintönigen Büroalltag verlorengegangene Kreativität fördern und Produkte, Services und Geschäftsmodelle erlebbar machen. Dies trifft genau den Nerv unserer schnelllebigen Zeit. Aufgrund von VUCA (Volatility – Uncertainty – Complexity – Ambiguity) verändern sich Märkte und Produkte radikal. Entsprechend müssen sich Unternehmen an das veränderte Wettbewerbsumfeld schnell adaptieren um nicht den Anschluss zu verlieren. Design Thinking verspricht eine Antwort auf diese Herausforderungen.

Was macht Design Thinking so erfolgreich?

#Reflection in Action

Aufgrund jahrelanger Berufserfahrung wird ein Mitarbeiter sehr wertvoll für das Unternehmen, gleichzeitig entwickeln sich über die Jahre zahlreiche implizite Annahmen, wie Produkte oder Services am Markt wahrgenommen werden. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, versucht die Methodik explizit definierte Annahmen mittels greifbarer Prototypen mit Kunden zu testen. Dadurch werden Annahmen validiert und blinde Flecken reduziert.

#Playful Fun

Die spielerische Komponente im Design Thinking Prozess ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Methode. Die frühe Umsetzung von Ideen in Prototypen fördert die Kreativität und versetzt einen in die Rolle eines Kindes. Mit Legobausteinen, Schere und Papier können die meisten Ideen erlebbar gemacht werden und auch der strukturierteste Excel-Spezialist wird zum Architekt seiner eigenen Vorstellungskraft.

#Disrupt Silo

Gerade bei Organisationsformen, die aus unterschiedlichen Abteilungen bestehen (Silo), besteht die die Gefahr, Verantwortung für Fehler anderen zuzuschreiben. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Teams und das Vermeiden von vorschnellen Urteilen arbeitet Design Thinking dem bewusst entgegen. Das gemeinsame Erarbeiten der Lösung fördert ein einheitliches Problemverständnis und schafft die Grundlage für integrative Ansätze.

Bei allem Hype – Vorsicht vor Stolpersteinen!

#Company Aliens

Im traditionellen Unternehmenskontext wirkt die Methodik häufig wie ein Fremdkörper. Die bunten Post-its an den weißen Wänden und die gebastelten, bunten Prototypen passen nicht in das cleane und unpersönliche Open Office der Gegenwart. Das Spielerische beisst sich mit dem professionellen Auftreten, welches die Unternehmen darstellen möchten. Design Thinking Apostel wollen Farbe, neue Ideen und vor allem, eine neue Kultur im Unternehmen etablieren. Dadurch werden bestehende Unternehmenspraktiken bewusst hinterfragt und teilweise auch attackiert. Das schweißt beide Seiten jeweils zusammen. Hierdurch werden Methoden gegebenenfalls schnell als Ideologie wahrgenommen. Die „visionär“-denkenden Design Thinker können auf ein traditionelles Umfeld zunächst arrogant und überheblich wirken, wenn sie selbsternannt ins „gelobte Land“ führen.

#One-size fits all

Clustering, Know’s & Don’t Know’s, Personas, Common to Qualifier Framework, Benchmarking etc. – Design Thinking liefert zahlreiche Werkzeuge die im Rahmen des Prozesses zum Einsatz kommen. Dabei besteht die Gefahr, dass die Werkzeuge zum Selbstzweck werden und ein sportlicher Wettbewerb entsteht. Die Werkzeuge sollen im Prozess unterstützen und nicht am Denken hindern. Aus diesem Grund gilt es genau zu evaluieren, welche Werkzeuge welches Ziel verfolgen sollen.

Design Thinking – Mehr als nur eine Methode!

Alles in allem ist aus unserer Perspektive Design Thinking ein vielversprechender Ansatz für die Probleme der modernen Welt. Im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung sind Arbeitsformen notwendig, die auf Collaboration setzen. Dabei werden wertschöpfende und kreative Denkprozesse gefordert und gefördert welche nicht durch Maschinen ersetzbar sind. Die Notwendigkeit agile Prozesse und Methoden in den Arbeitsalltag zu integrieren stellt viele Unternehmen, bzw. deren Mitarbeiter vor Herausforderungen. Design Thinking kann dabei eine – nicht die eine – Antwort darauf sein.

Die Kunst liegt im Detail. Unsere Erfahrung innerhalb der letzten Monate hat uns darin bestätigt.

Es geht nicht nur darum bereitgestellte Tools abzuarbeiten, sondern den Mehrwert und die Idee dahinter zu verstehen. Und so würde ich meiner Kollegin zur initial gestellten Frage „Ist Design Thinking wirklich das Gelbe vom Ei?“ antworten: Ja, ist es wenn man es richtig macht! Das erfordert viel Schweiß und ist sehr zeitintensiv.

Über die Autoren:

Thomas Haskamp studiert aktuell im Master of Arts in Business Innovation an der Universität St. Gallen (HSG). Er absolviert diesen als Double Degree in Kombination mit einem Master of Organisational Change & Consulting an der Rotterdam School of Management (RSM) . Vor diesem machte er seinen Bachelor in BWL/E-Business an der Leuphana Universität Lüneburg. Er sammelte Praxiserfahrungen im Mittelstand, Konzernen und der Beratung. In seiner Freizeit engagiert er sich für Fragen der Bildungsgerechtigkeit und reist sehr gerne.

Muriel Boukaz studiert momentan an der Universität St.Gallen (HSG) im Masterstudiengang Business Innovation. Zusätzlich arbeitet Sie in einem Schweizer KMU im Bereich Raumgestaltung und befasst sich dabei mit den Lern- und Arbeitswelten der Zukunft.

Voraus geht ein Bachelorstudium in Betriebswirtschaft, welches ebenfalls an der HSG absolviert wurde. Auslandaufenthalte in Brasilien, Frankreich und auf Weltreise bereichern Ihre multikulturelle Erfahrung. Beruflich hat Muriel Erfahrung bei einer Schweizer Grossbank und in der Unternehmensberatung gesammelt. In Ihrer Freizeit engagiert Sie sich in einem studentischen Verein, moderiert Veranstaltungen (u.a. Hannover Messe) und macht viel Sport.

Die Autoren sind Teilnehmer des einjährigen Design Thinking Kurses an der Universität St. Gallen (HSG) und der Beitrag spiegelt nur die Meinung der Autoren wieder. In Zusammenarbeit mit der University of Stanford – die als Geburtsstätte von Design Thinking gilt – wird der Kurs durchgeführt. Als Teil des globalen Sugar Networks (u.a. Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Porto Design Factory, TU München, Linköping, Hasso-Plattner-Institut (HPI), Kyoto Institute of Technology) bearbeiten die Studierenden über einen Zeitraum von einem Jahr in internationaler Zusammenarbeit eine Fragestellung eines Partnerunternehmens (BMW, Merck, Swisscom, Daimler, Osram, Roche, SAP, Deutsche Telekom, …).

Quelle: ZukunftderArbeit

24 Mai 2019

Denken wie Leonardo da Vinci: So werden wir innovativer

Posted in Coaching

Universalgenie Leonardo da Vinci: Was war sein Geheimnis?

Denken wie Leonardo da Vinci: So werden wir innovativer

Er war Visionär, Ingenieur, Anatom und Künstler: Vor 500 Jahren, am 2. Mai 1519, starb der Erfindergeist Leonardo da Vinci. Noch heute fasziniert er uns. Was können wir von ihm lernen?

Er arbeitete unermüdlich an seinem Traum vom Fliegen, entwarf Maschinen, Bauwerke und futuristische Städte. Er fertigte anatomische Skizzen des menschlichen Körpers an und schuf Gemälde, die heute fast unbezahlbar sind. Leonardo da Vinci war ein Visionär, Ingenieur, Wissenschaftler und Künstler. Noch heute fasziniert er uns – auch 500 Jahre nach seinem Tod am 2. Mai 1519. Woher kam seine Innovationskraft?

Innovation schaut nicht mal schnell beim Design-Thinking-Workshop vorbei

Leonardo da Vinci vollbrachte seine brillantesten Leistungen auf Gebieten, die ihn selbst am meisten begeisterten. Hierzu gehören seine Arbeit an Flugapparaten und Maschinen sowie seine Studien zur Anatomie. Während Leonardo seine Ideen oft über lange Zeiträume mit Beharrlichkeit entwickelte, versuchen die meisten Unternehmen heute, neue Ideen im Schnellverfahren zu generieren. Sporadisch durchgeführte Brainstorming-Sessions und Design-Thinking-Workshops sollen die Mitarbeiter aus ihrem Alltagstrott holen und Innovationen schaffen. Doch Kreativität kommt nicht „auf Knopfdruck“ oder wenn mal wieder ein Design-Thinking-Coach im Haus ist. Sie muss sich entwickeln – und zwar konstant. Dabei können wir uns einiges von Leonardo abschauen.

Studien zu kreativen Köpfen wie da Vinci haben gezeigt, dass diese Ausnahmetalente kaum künstliche Techniken verwenden, um ihre Kreativität anzukurbeln. Das Geheimnis ihrer Innovationsstärke liegt vielmehr in ganz bestimmten Gewohnheiten und Mustern, die diese Menschen jeden Tag leben und weiterentwickeln. Ziel muss es sein, genau solche Gewohnheiten dauerhaft in unserem Alltag zu etablieren.

Was wir von Leonardo lernen können

Das Wichtigste, was wir von Leonardo lernen können, ist, das Unverbundene zu verbinden. Da Vinci interessierte sich für unterschiedlichste Dinge – genau darin lag der Ursprung seiner genialsten Ideen. Durch seine wilden Gedankenflüsse und Notizen verband er Bereiche miteinander, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben schienen. Auch wir sollten offen durch die Welt gehen und uns viele neue Wissensgebiete erschließen. Das gilt für das Private ebenso wie für das Berufliche. Auch innerhalb von Unternehmen denken wir heute immer noch viel zu stark in Silos. Statt unsere Wahrnehmung nur auf „unsere“ Abteilung zu beschränken, sollten wir uns öffnen und gezielt an den Schnittstellen der Unternehmensbereiche zusammenarbeiten. Denn genau dort entstehen die wirklich innovativen Ideen.

Leonardos unkonventionelle Art machte ihn zum Außenseiter mit außergewöhnlichen Ideen und Vorstellungen. Mit seiner auffälligen Garderobe stach er heraus, er liebte höchstwahrscheinlich Männer, aß kein Fleisch und hielt Abstand zur Kirche – damals, in der Renaissance, hielten ihn viele für verrückt. Zugleich war er alles andere als ein Eremit. Leonardo umgab sich mit Menschen, die mehr wussten als er und die ihn inspirierten. Wie stark uns unser Netzwerk beeinflusst, zeigen verschiedene Studien. Das bedeutet: Je innovativer unsere eigenen Netzwerkkontakte sind, desto innovativer sind wir selbst. Leonardo machte sich das schon vor über 500 Jahren zunutze und umgab sich sein Leben lang mit den führenden Köpfen seiner Zeit. Mit ihnen diskutierte er seine Ideen und tauschte sich aus.

Leonardo konservierte alles, was ihm in den Sinn kam, in seinen Notizbüchern. Er dokumentierte und skizzierte. Bis zum Ende seines Lebens verfasste er 25.000 Seiten – so viel wie kein Künstler vor ihm. Er trug sein Notizbuch immer an seinem Gürtel, wo er es stets griffbereit hatte. Zwar waren seine Notizen ungeordnet, doch genau das half ihm dabei, ungewöhnliche Dinge und Disziplinen miteinander zu verknüpfen.

Blättern Sie durch Zeitschriften und stellen Sie sich Mutproben

Radikal offen sein, uns keine Grenzen vorgeben lassen, Dinge miteinander verbinden, Ideen, Gedanken, Wünsche und Gespräche notieren und sie mit inspirierenden Menschen teilen – das alles können wir von Leonardo lernen. Im Alltag kann das bedeuten, mal mit Kollegen aus einer anderen Abteilung lunchen zu gehen. Oder sich Zeitschriften zu kaufen, die Sie sich normalerweise nie kaufen würden, und sich davon inspirieren zu lassen. Oder Sie brechen aus Ihrer Komfortzone aus, indem Sie sich kleinen Mutproben stellen. Bereisen Sie eine Stadt ohne Plan und Handy. Oder kämpfen Sie an Ihrem Arbeitsplatz für die Umsetzung einer Idee, von deren Erfolg Sie überzeugt sind, auch wenn Ihre Kollegen es nicht sind.

Wichtig ist, dass Sie alte Gewohnheiten durchbrechen und offen durch die Welt gehen. Je mehr neue Eindrücke, Meinungen und Inspirationen Sie sammeln, desto mehr Material steht Ihrem Gehirn zur Verfügung, wenn es nach neuen, außergewöhnlichen Kombinationen sucht.

Dafür wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Bleiben Sie inspiriert!

Über den Autor

Jens Möller - Innovationsexperte, Redner und Autor
Der Wirtschaftswissenschaftler (Jg. 1978) arbeitet seit seinem Studium als unabhängiger Berater und Innovationsexperte für große Konzerne, Mittelständler und Start-ups. In seine Arbeit lässt Jens Möller auch Prinzipien Leonardo da Vincis einfließen, dessen Leben und Wirken ihn schon früh faszinierten. Kürzlich schrieb er das Buch „Die Da-Vinci-Formel“. Darin beschreibt er, wie wir unsere Innovationsfähigkeit steigern können.

Quelle: Xing-Klartext