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20 Oktober 2023

Kommunikation und werteorientierte Unternehmensführung

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Kommunikation und werteorientierte Unternehmensführung

Die interne Kommunikation einer werteorientierten Unternehmensführung muss auf Wertschätzung basieren, sagt Professor Patrick Peters. Er empfiehlt ein zweistufiges Kommunikationssystem.

Die Bedeutung materieller Güter im Wirtschaftssystem des 21. Jahrhunderts geht zunehmend zurück. Daher rückt die werteorientierte Unternehmensführung in den Fokus, die die tatsächlichen individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden adressiert, in den Vordergrund. 

Dass sich die Wirtschaft in einem fundamentalen Wandel befindet, sehen wir an zahlreichen Faktoren. Am offensichtlichsten wird der große Paradigmenwechsel in der Transformation der klassischen Shareholder Value-basierten Unternehmensführung hin zur Stakeholder-Economy, also der Konflikt zwischen einem rein gewinnorientierten Managementansatz, der nur den Anteilseignern dient, und einem sinnstiftenden Managementansatz, der sich auf alle Bezugsgruppen eines Unternehmens bezieht.

In diesem Kontext hat sich die Purpose Economy ihren Weg gebahnt. Das soll die Art und Weise beschreiben, in der sich die Arbeit verändert, um den Wunsch der Arbeitnehmenden widerzuspiegeln, einen höheren gesellschaftlichen Zweck in ihrer Arbeit zu verwirklichen. Es handelt sich um eine Wirtschaft, in der der Wert darin liegt, dass Mitarbeitende und Kundinnen / Kunden einen Sinn darin sehen, Bedürfnisse zu befriedigen, die über ihre eigenen hinausgehen, persönliches Wachstum zu ermöglichen und eine Gemeinschaft aufzubauen. Purpose Economy steht für die Formulierung eines höheren Zwecks jenseits von Zahlen und definiert ein neues Selbstverständnis von Unternehmen, das auf dem Streben der Menschen nach mehr Sinn in ihrem Leben aufbaut.

Werteorientierte Unternehmensführung basiert auf erweiterter Bedürfnispyramide

Eng verbunden mit dieser Idee ist das Prinzip der werteorientierten Unternehmensführung, das auf den Managementautor Richard Barrett, der über Themen wie Führung, Führungskräfteentwicklung und Werte schreibt, zurück. Er hat in seinem Werk (2016, alle Zitate danach) „Werteorientierte Unternehmensführung. Cultural Transformation Tools für Performance und Profit“ (Original: „The Values-Driven Organization: Unleashing Human Potential for Performance and Profit“), in der Nachfolge von Abraham Maslow und dessen bekannter Bedürfnispyramide, sein Modell aus Grundbedürfnissen und Wachstumsbedürfnissen entwickelt, die er auch als Defizitbedürfnisse und unstillbare Bedürfnisse bezeichnet. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-48998-7

Neuer menschlicher Zustand ist nicht materiell geprägt

Ein Grundbedürfnis nach Barrett ist etwas, das Menschen unbedingt bekommen oder behalten oder von dem sie mehr haben wollen, um sich im bestehenden materiellen und sozialen Umfeld sicher und glücklich zu fühlen. Grundbedürfnisse sind Selbstachtung, Beziehungen und Überleben, also die existenziellen Themen des menschlichen Lebens. Diese Bedürfnisse müssen zwangsläufig erfüllt sein, damit es nicht zu defizitären beziehungsweise problematischen Lebensbedingungen unter großen materiellen, sozialen oder auch persönlichen Erschwernissen kommen kann. Erst dann können sich die Menschen ihren Wachstumsbedürfnissen zuwenden.

Das sind „Transformation“, „Innerer Zusammenhalt“, „Einen Unterschied machen“ und „Dienen“: Dabei steht im Fokus, einen erweiterten menschlichen Zustand zu erreichen, der nicht mehr materiell oder von anderen Basisbedürfnissen geprägt ist. Es geht um Werte und Eigenschaften wie Authentizität, den Sinn des Daseins zu verwirklichen und ein Leben mit Bedeutung zu führen und etwas zu hinterlassen (vgl. Barrett 2016, S. 20f.). Im Rahmen der Wachstumsbedürfnisse spielen Geld und Statussymbole, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Sobald die wirtschaftliche Basis gesichert ist, suchen Menschen über die vier großen Entwicklungsstufen die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und einen echten Nutzen für die Allgemeinheit zu stiften.

Sinnstiftende Unternehmensführung führt zu höherer Leistungsfähigkeit

Aus einer werteorientierten Unternehmensführung entsteht Barrett zufolge ein höheres Engagement der Mitarbeitenden im Sinne der emotionalen und intellektuellen Beteiligung. „Engagierte Mitarbeiter verwenden ein hohes Maß ihrer frei verfügbaren Energie auf alles, was sie tun. Sie sind bereit, wenn notwendig zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um eine Arbeit pünktlich zu erledigen, und machen regelmäßig Vorschläge, wie sich die Leistungsfähigkeit verbessern lässt. Sie wollen, dass die Firma erfolgreich ist, und sind stolz darauf, Anteil an diesem Erfolg zu haben.“ (Barrett 2016, S. 35f.)

Das sind weitreichende Vorteile für werteorientierte Unternehmen, die durch den neuen strategischen Ansatz eine neue Leistungsfähigkeit erhalten und sich gegebenenfalls Wettbewerbsvorteile erarbeiten können. Denn im Gegenteil gilt: Nicht engagierte Mitarbeitende interessieren sich im Grunde nicht für das Unternehmen und tun nicht mehr, als für die Erfüllung der Aufgaben wirklich nötig ist. Und wenn Mitarbeitende gar keine Bindung ans Unternehmen haben, könnten sie sogar Arbeitsergebnisse untergraben und damit zu einer Schlechterleistung des Unternehmens beitragen (vgl. Barrett 2016, S. 36).

Quantität und Qualität: zweistufiges Kommunikationssystem denkbar

Damit verändert sich in einer wertebasierten Organisation auch die interne Kommunikation. Es reicht nicht mehr aus, dass diese rein ergebnis- beziehungsweise effizienzorientiert ist, sondern muss auf Wertschätzung basieren, bei der Respekt, Empathie und Anerkennung im Vordergrund stehen. Sie zielt darauf ab, Beziehungen zu stärken, Konflikte zu reduzieren und eine positive Atmosphäre zu schaffen. Wertschätzende Kommunikation trägt also dazu bei, ein harmonisches soziales Umfeld zu schaffen, in dem Menschen sich gehört und verstanden fühlen.

So sollte die werteorientierte Kommunikation sich nicht allein auf Fakten und Zahlen beziehen, denn dies sind Elemente aus dem Bereich der Defizitbedürfnisse. Kommunikation, die nur auf dieser Ebene funktioniert, konzentriert sich, in Anlehnung an Barrett, darauf, den materiellen beziehungsweise sozialen Status quo zu festigen weiterzuentwickeln. Das ist tendenziell ein quantifizierbarer Faktor, während die Wachstumsbedürfnisse einen qualitativen Charakter haben. Ein Gefühl der inneren Ausgeglichenheit oder des inneren Friedens, was für Barrett Ausdruck eines Wachstumsbedürfnisses ist, lässt sich nicht multiplizieren, sondern nur qualitativ stärken.

In der werteorientierten Kommunikation stehen also aktives Zuhören und Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse der Gesprächspartner, das Vermeiden von Schuldzuweisungen, Bewertungen oder Verurteilungen, das Würdigen von Meinungen, Ideen und Beiträgen anderer und die konstruktive Lösungsorientierung, um den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht zu werden, im Mittelpunkt.

Somit wäre ein zweistufiges Kommunikationssystem denkbar. Auf der ersten Stufe ist die leistungs- und finanzwirtschaftliche Kommunikation angesiedelt. Diese sorgt für den basalen organisationalen Informationsfluss, damit es nicht zu Missverständnissen und Kommunikationsasymmetrien kommen kann. Auf der zweiten Stufe kommt es dann auf die werteorientierte Kommunikation an, in der immaterielle, qualitative Faktoren eine wesentliche größere Rolle spielen, eben damit sich die Menschen gehört und verstanden fühlen.

Über den Autor

Dr. Patrick Peters, MBA, ist Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien an der Allensbach Hochschule in Konstanz, an der auch Wirtschaftsethik und Diversity Management lehrt. Er ist auch als freier Publizist und Berater tätig und befasst sich mit Ethik und Kommunikation.

Quelle: hrjournal.de

 

06 Oktober 2023

Doppelspitze: Erfolgreich gemeinsam führen

Posted in Führung, Leadership

Doppelspitze: Erfolgreich gemeinsam führen

„Am Ende des Tages muss eine Person die Entscheidung treffen.“ Ist das wirklich noch so? Als Co und Co leiten Anne Decker und Simon Müller den Company-Builder wattx aus Berlin gemeinsam. Doppelspitze: Ein Führungsmodell mit Zukunft oder ein Kompetenzgerangel auf höchster Ebene?

Mit einer Person in der Führungsrolle herrscht bei jeder Entscheidung absolute Einigkeit. Alles andere wäre etwas schizophren. „Das hat doch bis jetzt immer ganz gut geklappt“, ist ein Argument aus der One-Man-Show-Führungsriege. Die Entscheidungswege sind extrem kurz. Eine Vorstellung vom Team oder eine kleine Präsentation und es geht ganz schnell: vom Ohr zum Gehirn und zurück zum Mund. Drei Sekunden später und die Entscheidung steht. Überzeichnet, aber ein Pro-Argument für Agilität und Flexibilität eines Entscheiders oder einer Entscheiderin.

Die Geschwindigkeit einer Antwort darf den eigenen Wert aber niemals überholen. Warum also nicht den Moment der Entscheidungsfindung etwas verändern und eine zusätzliche Komponente hinzu holen – eine gleichberechtigte Person. Der Blickwinkel verändert sich, die Situation wird aus mehreren Perspektiven betrachtet und die Kompetenz von zwei Persönlichkeiten fließen mit ein. Die Lösung wird sich definitiv verändern, aber auch zum Guten?

Doppelspitze: Blinde Flecken sieht die Person gegenüber

Das ist wie in jeder Beziehung. Stimmt die Chemie, entsteht etwas ganz Besonderes. Eine Explosion ausschließen, das kann natürlich keiner. Als innovationsgetriebener Company-Builder ergibt es nur Sinn, den Weg zusammen als Team zu gehen. Weil genau dort die Reibung entsteht, die es für neue Technologien und Ideen braucht. Immer auf Augenhöhe und in der offenen Diskussion. Gerade weil zwei Kernkompetenzen gleichberechtigt in der Führungsrolle kollidieren, entwickeln sich Ideen in ganz neue Richtungen. Die Denkräume haben das gleiche Volumen, aber die Wände verschieben sich.

Mit dem Blick aus der Business-Design-Brille gepaart mit der technologischen Tiefe können wir schon am Anfang der Ideenfindung Wege ausschließen. Um im Bild zu bleiben: Manche Ideen fahren direkt vor die Wand, weil durch das Know-how des Co-Parts bekannt ist, dass dort in jedem Fall eine Wand steht. Ideen sterben schneller, was gut ist, da mehr Zeit für funktionsfähige Ideen geschaffen wird. Diese nehmen aber auch eine Kurve oder eine ganz andere Abbiegung. In der Konsequenz wird der Entscheidungsprozess effektiver. Zwei Kompetenz- und Erfahrungsbereiche treffen aufeinander und verschmelzen zu etwas Neuem. Das eröffnet Perspektiven und ermöglicht neue Innovationsimpulse, die alleine nie entstehen können. Diesen Entwicklungsprozess machen sie so extrem effektiv und erfolgsträchtig.

Firmenpolitik hat hier keinen Platz

Ein Spannungsfeld, das ganz viel Grundlage braucht. Wer bewusst Reibung im Team erzeugt, der braucht auch ein starkes Fundament. Das sind für uns absolutes Vertrauen und gemeinsame Werte. Ohne diese beiden Komponenten wäre eine Doppelspitze und die Zusammenarbeit unmöglich. Unsere Werte von Ownership, Mut und Bodenständigkeit in der Teamführung sowie die Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Innovation sind die Grundlagen jeder Entscheidung. Dieser Wertekonsens ist die Magie in der Zusammenarbeit.

Das lässt uns als handelnden Personen auch Raum für Entscheidungen, die wir unabhängig voneinander treffen. Das ist eine ganz wichtige Vereinbarung, die wir als Co und Co im Vorfeld unserer Zusammenarbeit aufgestellt haben. Im Fundament müssen wir uns blind vertrauen. In der Entwicklung entstehen dadurch gegenseitiger Impuls, Reibungskraft und die Verminderung von Risiken.

Die Folge: Schnelle Lösungen, eine unglaubliche kommunikative Klarheit innerhalb des gesamten Teams und ein Freiraum in der Diskussion. Mit dieser Power des Ur-Vertrauens entsteht ein Ökosystem, von dem alle Parteien profitieren. Hier entstehen gewinnbringende Reibungen, aber keine Konflikte. Diese offene Kollaboration überträgt sich auf das Team sowie Partnerinnen / Partner und das Arbeiten auf Augenhöhe wird zur Tatsache.

Veränderungen liegen in unserer Natur – davon weiß die Kultur nur nichts

Entwickelt sich die Doppelspitze zum Mehrheits-Modell in den Führungsetagen Deutschlands? Und sollten wir nicht eigentlich auch auf vielen anderen Ebenen darüber nachdenken? Die Empfehlung aus eigener Erfahrung wäre ein ganz klares Ja!

Der Showstopper liegt aber oft ganz tief verwurzelt – in der Arbeitsweise unserer Kultur. Transparente Zusammenarbeit, Wissenssilos aufbrechen und nachhaltig etwas in einem gemeinsamen Ökosystem verändern, fällt unserer Gesellschaft noch extrem schwer. Auch die Firmenstrukturen von heute spiegeln sich in den Familienkonstellationen des letzten Jahrhunderts wider. Der Familienrat kommt zusammen und eine Person entscheidet am Ende der Kette. Diese gewachsene Struktur aufzubrechen, ist für alle Beteiligten eine enorme Aufgabe.

Viele familiengeführte Unternehmen haben es natürlich schwer, in der eigenen Familie nach zwei passenden Nachfolgerinnen / Nachfolgern zu suchen. Eine Person aus dem eigenen Haus finden, das ist schon schwierig genug. Dann sollen die beiden auch noch miteinander harmonieren? Hieran verzweifeln die meisten.

Das Gute, der Blick geht über die Familiengrenzen hinaus. Die Kombination aus externen Führungskräften und Nachfolgerinnen / Nachfolgern aus der Familie wird immer mehr zum Thema. Die positive Weiterentwicklung des Marktes zur Doppelspitze können wir heute schon beobachten. Die Angst vor Veränderung ist noch unglaublich hoch, aber die Potenziale einer Co-Co-CEO-Lösung sind umso höher. Es gibt schon viele Beispiele, weitere werden kommen!

Zur Person

Anne Decker ist als Geschäftsführerin der wattx für den Venture Development, People, Culture & Finance Teil der Organisation zuständig. Vor dem Einstieg bei wattx war sie vier Jahre für Deloitte Consulting tätig und verantwortet zuletzt als Operational Lead die Deloitte Garage und arbeitete als Senior Managerin mit Kunden unterschiedlichster Industrien an Themen rund um Innovation, Digital Transformation und Venture Building.

Simon Müller ist CTO der wattx. Der Company Builder wattx entwickelt und skaliert für und mit mittelständischen Unternehmen digitale Produkte und Startups. Zuletzt baute er als CTO das Digital Lab der NEUMAN & ESSER GROUP mit einem Fokus auf industrieller IoT und digitalen Geschäftsmodellen auf. Die Kombination aus technischer Expertise und der Kenntnis des Mittelstands bringt er als CTO von wattx vor allem in die technische Ausgestaltung und Produktentwicklung ein.

Quelle: hrjournal.de

07 Juli 2023

New Work: Wie neue Arbeitskonzepte den Weg aus der Krise ebnen

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New Work: Wie neue Arbeitskonzepte den Weg aus der Krise ebnen
Die Wirtschaftslage ist angespannt, Unsicherheit prägt Märkte, Unternehmen und Mitarbeitende. Gerade jetzt zahlen sich Investments in New Work und neue Arbeitskonzepte aus

Auf Krisen reagieren die meisten Unternehmen mit einem drastischen Sparkurs, stellen Projekte zur Verbesserung der Unternehmenskultur ein, vermeiden neue Anschaffungen und entlassen im schlimmsten Fall sogar Mitarbeitende. Das schönt kurzfristig die Bilanzen, wirkt sich langfristig aber negativ aus: Die multiplen Krisen erfordern neue Ideen und Innovationen. Wenn Leute gehen, leidet die Innovationskraft, selbst wenn die High-Performer bleiben.

Weitsichtiger wäre es, wenn die Zusammenarbeit im Unternehmen optimiert würde, sodass mehr Mitarbeitende mehr Zeit haben, an kreativen Lösungen arbeiten zu können. Ja, das erfordert Investments in Beratung und neue Tools, aber gleichzeitig liegt da enormes Einsparpotenzial: Unterbrechungen von Konzentrationsphasen und unnötige Meetings kosten deutschen Unternehmen – in denen mehrheitlich Wissensarbeiter:innen tätig sind – pro Jahr etwa 114 Mrd. Euro, wie eine Studie von Next Work Innovation ergab.

„Krise“ gehört zur DNA von New Work

114 Mrd. Euro. Das zeigt, dass neue Konzepte, die Arbeit effektiver und effizienter machen, mehr sind als ein „Luxus“, den man sich leisten können muss. Im Gegenteil, sie bergen enormes Potenzial. New Work ist kein Sammelbegriff für Probleme, wie vielerorts im Leadership angenommen wird, sondern löst sie. Umdenken ist angesagt.

Zumal die Idee von New Work in Krisenzeiten geboren wurde: Der Philosoph und Tausendsassa Frithjof Bergmann hat in den 1980er-Jahren mit seiner Idee einer Neuen Arbeit drohenden Massenentlassungen in einer US-Automobilfabrik entgegengewirkt und seither Millionen Menschen inspiriert. Krise ist Teil der DNA von New Work! Das haben die Wenigsten auf dem Schirm.

Was auch gern missverstanden wird: New Work ist kein Hexenwerk, keine Raketenwissenschaft. Am Anfang steht die zentrale Erkenntnis, dass Kollaboration vor allem Kommunikation ist. Wenn alle Mitarbeitenden wissen, wer wann wie zu welchem Thema mit wem kommunizieren kann, darf und soll, dann ist das schon ein riesiger Schritt.

Kollaboration ist Kommunikation

In den meisten Unternehmen und Teams fehlt es aber an einem gemeinsamen Verständnis über die ideale Art und Weise der Kommunikation sowie den jeweils idealen Weg. Es gilt: Je emotionaler ein Thema, desto synchroner sollte der Kanal sein. Einfacher Informationsaustausch kann asynchron über Mails, Messenger oder Memo-Boards passieren. Sobald aber Emotionen dazukommen – etwa weil in Sachen Krisenbewältigung der Korpsgeist oder für eine neue Strategie die gemeinsame Sache in besonderem Maße beschworen werden soll –, sind synchrone Meetings der bessere Weg.

Apropos Meetings. Im Laufe der Pandemiejahre hat die meisten Menschen eine wahre Meetingflut ereilt. Weil sich aber kaum jemand darum kümmert, sie vernünftig vorzubereiten, durchzuführen und nachzubereiten, sind sie eher Performance-Blocker als -Booster. Daher der Tipp: Bevor ein Meeting in den Kalender kommt, müssen Agenda und gewünschtes Ziel bekannt sein. Dazu gehört auch die gewissenhafte, asynchrone Vorbereitung. Wenn erst im Meeting selbst grundlegende Informationen geteilt werden, fehlt Zeit für echte Diskussion und/oder Entscheidungen. Effektivität und Effizienz leiden, kostbare Ressourcen werden sinnlos aufgebraucht. Die oben genannten 114 Mrd. Euro sprechen als Sinnbild für sich. Und dafür, endlich etwas zu tun.

Es lohnt sich also durchaus, antizyklisch in Initiativen zu investieren, die die Grundlage für die Zusammenarbeit legen. Letztlich kann allein ein geregeltes Miteinander zu höherer Arbeitszufriedenheit und Produktivität sowie zu einem insgesamt positiveren Arbeitsumfeld führen – was auch Vorteile im Kampf um Fachkräfte einbringt.

Ein Investment, das sich auszahlt

New Work ist ein hervorragendes Konzept zur Bewältigung moderner Krisen, weil es Innovation und Kreativität fördert. In Krisenzeiten neigen die Menschen dazu, risikoscheu zu werden und am Status quo festzuhalten. New Work hingegen ermutigt schon durch offene, geregelte Kommunikation, Risiken einzugehen, zu experimentieren und neue Lösungen zu schaffen. Dergestalt, dass sie Menschen die Freiheit und die Mittel gibt, ihre Leidenschaften und Interessen zu erforschen, kann New Work im nächsten Schritt außerdem zu Durchbrüchen in Hinsicht auf technologische, ökonomische und soziale Innovation führen. Und so können nicht nur Unternehmen, sondern die gesamte Gesellschaft Zeiten von Unsicherheit und Wandel positiv „nach vorn“ gestalten.

Vor allem Widerstandsfähigkeit und Resilienz sind Schlagworte, die in Krisenzeiten beschwört werden. Als Individuum in diesem Sinne mit Unwägbarkeiten und Herausforderungen umzugehen, ist Teil von New Work. Dazu müssen echte Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung gefördert werden. Wer heute in New Work investiert, gewinnt morgen.

Über den Autor

Christoph Magnussen ist Gründer und CEO der New-Work-Beratung Blackboat, die Unternehmen holistisch bei der Einführung von technologischen, kulturellen und räumlichen Lösungen berät, um die Zusammenarbeit in Unternehmen nachhaltig zu stärken. Magnussen ist darüber hinaus Co-Host des Podcasts „On The Way To New Work“ sowie Co-Autor des gleichnamigen Buchs.

Quelle: capital.de

19 Mai 2023

So wichtig ist New Leadership für eine erfolgreiche Transformation

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Arbeit & Leben

So wichtig ist New Leadership für eine erfolgreiche Transformation

Seit Januar 2022 ist Marion Bönsch* als Head of EMEA HR und Geschäftsführerin der Olympus EUROPA SE & CO. KG verantwortlich für 7.800 Mitarbeitende in mehr als 20 Ländern. Im Vorfeld ihres Auftritts bei der NWX23 sprach die studierte Psychologin mit dem NWX Magazin über ihr persönliches Verständnis von New Leadership, moderne Rollenbilder für Führungskräfte und japanische Konsenskultur in einer globalen Organisation.

NWX Magazin: Sie sprechen auf der NWX23 über New Leadership. Was verbinden Sie persönlich mit diesem Begriff? 

Marion Bönsch: Vor allem ein hohes Maß an Selbstreflexion. Führen heißt für mich nicht länger, dass ich entscheide, weil ich in der Hierarchie oben stehe oder dass meine Entscheidungen quasi „von Amts wegen“ akzeptiert werden. Vielmehr muss ich meine Führungsrolle stets im jeweiligen Kontext sehen: im Kontext des Unternehmens, der Abteilung, des aktuellen Meetings oder – in der heutigen hybriden Arbeitswelt – auch noch im Kontext ganz unterschiedlicher Arbeitsumgebungen. Ich muss mich als Führungskraft also möglichst gut auf die jeweilige Situation einstellen und abwägen, welche Rolle dem aktuellen Kontext am besten entspricht.

New Leadership bedeutet für Sie also auch Rollenvielfalt?

Marion Bönsch:  Ja, Rollenvielfalt ist für mich ein zentraler Aspekt von New Leadership. Natürlich müssen Führungskräfte nach wie vor Entscheidungen treffen. Neben die klassische Entscheiderrolle tritt aber heute auch die moderne Rolle als Coach, der Mitarbeitende unterstützt, selbst zu den richtigen Entscheidungen zu kommen. Daneben sehe ich noch eine dritte und vierte Rolle, die für die Zukunft entscheidend sind und immer mehr Gewicht bekommen: die Rolle des Mediators oder Moderators, der genau zuhört und so kommuniziert, dass er die Menschen im jeweiligen Kontext abholt und mitnimmt. Aus diesem Skillset ergibt sich die vierte Rolle als Enabler, welcher als Führungskraft dafür sorgt, dass alle Mitarbeitenden ihre eigene Rolle optimal ausfüllen können. 

Das klingt sehr anspruchsvoll. Wie gut passt New Leadership zu den japanischen Wurzeln und der 100-jährigen Geschichte von Olympus?

Marion Bönsch: Olympus ist heute ein global aufgestelltes Medizintechnikunternehmen mit mehr als 30.000 Mitarbeitenden auf fünf Kontinenten, das erfolgreich durch eine intensive Phase der Transformation gegangen ist und zuletzt sowohl organisch als auch durch Zukäufe weiter gewachsen ist. Allein zu meiner Region gehören mehr als 40 Nationen. Es gibt bei uns also nicht die eine Kultur, sondern eine große kulturelle Bandbreite. Dennoch spiegeln sich japanische Werte in unseren Unternehmenswerten und somit auch in unserer Führungs- und generellen Unternehmenskultur wider – insbesondere beim Thema Konsens, aber auch bei dem Ziel einer Healthy Organization, also einer gesunden Unternehmensentwicklung, welche auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit setzt. 

Ist Japan nicht eher ein autoritäres Land, wo man dem Chef niemals widerspricht und arbeitet bis zum Umfallen?

Marion Bönsch: Dieses Bild haben viele im Kopf, doch tatsächlich hat die Gemeinschaft in Japan   einen sehr hohen Stellenwert. Teamwork, Austausch, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung, Rücksichtnahme oder die sprichwörtliche Höflichkeit sind typisch japanisch und passen aus meiner Sicht sehr gut zu New Leadership und sind auch in unseren fünf Kernwerten reflektiert: Zusammenhalt, Integrität und Empathie werden als Kernwerte bei Olympus im täglichen Miteinander wirklich gelebt. Das Thema Agilität ist sicherlich noch weiter ausbaufähig, aber unseren Long Term View, also die langfristige Perspektive, die unsere Entscheidungen und Führungskultur bestimmt, sehe ich als echten Wettbewerbsvorteil. Gerade in unsicheren Zeiten geben diese Werte den Menschen im Unternehmen Halt und stärken das Zugehörigkeitsgefühl.

Haben Sie dafür mal ein Beispiel? Wie sieht der Long Term View bei der Personalführung aus?

Marion Bönsch: Wir haben die langfristige Sichtweise auf Menschen und Arbeitsergebnisse fest im Leadership Framework und in unseren Bewertungsschemata verankert: Bei uns zählt nicht nur, was man erreicht hat, sondern vor allem wie. Alle Mitarbeitenden, auch die Führungskräfte, müssen sich ganz konkret an unseren Unternehmenswerten messen lassen, sonst wären es ja nur Worthülsen. Long Term View heißt auch, dass wir unseren Mitarbeitenden Entwicklungsmöglichkeiten lokal, regional und global geben. Olympus steht nicht für Hire & Fire, auch nicht in Krisenzeiten, wie Corona gezeigt hat, sondern dafür, langfristig in die Mitarbeitenden zu investieren, sie fachlich und persönlich zu entwickeln.

Also alles perfekt – oder gibt es auch Herausforderungen?

Marion Bönsch: Natürlich gibt es die. Olympus hat in den letzten drei Jahren eine gewaltige Transformation durchlaufen. Im Zuge dessen wurden die traditionsreichen Geschäftssparten für Kameras und Mikroskope ausgegliedert. Parallel wurde stark in Globalisierung und Digitalisierung investiert. Für Olympus war es zweifelsfrei der richtige Schritt, sich als globales Medizintechnikunternehmen am Markt zu positionieren. Das stärkt auch unsere Arbeitgebermarke und schafft neue spannende Arbeitsfelder. Aber natürlich waren der Change und das Tempo der Veränderung – auch über die Pandemie hinweg - rasant und mit vielen Herausforderungen verbunden.

Sie sind seit 2022 Personalvorständin – was haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen? 

Marion Bönsch: Bei den Themen Diversity, Equity & Inclusion (DEI) können wir trotz zuletzt guter Fortschritte sicherlich noch besser werden. Hier haben wir uns einiges vorgenommen. Auch am Frauenanteil, insbesondere bei Frauen in Führungspositionen, müssen wir genau wie viele andere Technologieunternehmen noch arbeiten. Ganz besonders liegt mir das übergreifende Thema Psychological Safety am Herzen. Als MedTech-Unternehmen müssen wir stets die Balance halten zwischen einem Umfeld, das einerseits offen für Innovationen ist und gleichzeitig sehr hohe Sicherheitsstandards wahrt. Damit Mitarbeitende sich trauen, Ideen zu präsentieren oder Verbesserungspotenziale offen anzusprechen, müssen sie sich sicher und ermutigt fühlen, Fehler, Misserfolge und Kritik frei zu äußern. So ein Umfeld ist für mich der Schlüssel zu New Leadership und einer erfolgreichen Unternehmenskultur, unser HR Team kann hier einen wertvollen Beitrag leisten.

Das Interview führte Kirstin von Elm

*Zur Person: Marion Bönsch ist studierte Diplom-Psychologin mit den Schwerpunkten Personalentwicklung, systemische Beratung und Organisationspsychologie. Nach ihrem Studium an den Universitäten von Berlin, Amsterdam und Hamburg und einer abgeschlossenen Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Deutschen Bank begann sie ihre Karriere bei der RWE-DEA AG. Während ihrer darauffolgenden, 20-jährigen Tätigkeit bei Shell hatte sie lokale, regionale und globale HR-Funktionen inne, seit 2018 war sie unter anderem Mitglied der Geschäftsführung von Shell in Deutschland. Seit Januar 2022 ist Marion Bönsch Head of EMEA HR und Geschäftsführerin der Olympus EUROPA SE & CO. KG. Das globale Technologie- und inzwischen hunderprozentige Medizintechnikunternehmen Olympus wurde 1919 in Japan gegründet und beschäftigt weltweit mehr als 30.000 Menschen, davon rund 7.800 in der Region EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika). 

Quelle: nwx.new-work.se

17 März 2023

Führung: 10 Dinge, die großartige Chef:innen jeden Tag tun

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Führung: 10 Dinge, die großartige Chef:innen jeden Tag tun

Nicht schöne Worte, sondern vor allem Taten zählen und beweisen, was großartige Führung ausmacht. Hier kommen 10 Dinge, die starke Chefs jeden Tag tun.

#1: Sie formulieren ihre täglichen und langfristigen Erwartungen klar und deutlich

Unausgesprochene Erwartungen und wirre Zielvorgaben führen täglich zu Missverständnissen. Im Team sowie zwischen Angestellten und Vorgesetzten kommt es zu Diskussionen, die von vornherein vermieden werden können – wenn jeder weiß, was von ihm oder ihr erwartet wird und wer für welchen Verantwortungsbereich zuständig ist.

Großartige Führungskräfte sorgen deshalb jeden Tag für eine transparente Kommunikation. Sie sind in der Lage, ihre Erwartungen mitzuteilen. Wenn es sein muss, dann auch jeden Tag aufs Neue. Denn kein guter Boss verlangt von Mitarbeitern hellseherische Fähigkeiten. Um Missverständnisse zu vermeiden und dem Team die Arbeit zu erleichtern, ist es deshalb Chefsache, die eigenen Hoffnungen, Visionen und Erwartungen so deutlich zu formulieren, dass alle Beteiligten wissen, was Sache ist.

#2: Sie leben eine Hands-on-Mentalität vor

Wer sein Team großartig führt, ist in der Lage, sich tagtäglich in die Rolle der Mitarbeiter hineinzuversetzen, wenn Not am Mann ist. Dies gelingt nur, wenn Chefs selbst bereit sind, Probleme anzupacken. Sie sind sich nicht zu schade dafür, Aufgaben zu erledigen, die üblicherweise vom Team erledigt werden. Denn so ist es nicht nur einfacher, eine Beziehung auf Augenhöhe aufzubauen. Sondern den Mitarbeitern zu vermitteln, dass alle am selben Strang ziehen und auf gemeinsame Ziele hinarbeiten.

Eine Hands-on-Mentalität beinhaltet unter anderem folgende Punkte:

  • Teamgefühl stärken
  • Eigeninitiative zeigen & proaktiv handeln
  • lösungs- und handlungsorientiert arbeiten
  • aktiv kommunizieren
  • helfen, wo Hilfe benötigt wird

#3: Sie reflektieren jeden Tag die Entscheidung, die sie treffen

Entscheidungen, die das Unternehmen und die Zukunft des Teams betreffen, werden von vorbildlichen, starken Chefs transparent kommuniziert. Mit ihren Beschlüssen gehen sie reflektiert um – denn sie sind sich darüber bewusst, dass eine Entscheidung, die für sie selbst keinen großen Unterschied macht, eine große Bedeutung für Beschäftigte haben kann. Diese Einstellung zeigen sie jeden Tag und beweisen so täglich, dass die Mitarbeiter des Unternehmens wertvoll sind.

Soll das Team zum Beispiel verkleinert werden und sind Entlassungen geplant, geben großartige Chefs ihren Mitarbeitern die Chance, ihre Zukunft abzusichern und den weiteren Karriereweg zu planen. Sie setzen ihr Team nicht vor vollendeten Tatsachen.

#4: Sie bedanken sich und zeigen ihre Wertschätzung

Menschen in Führungsposition befinden sich in einem asymmetrischen Verhältnis zu ihren Mitarbeitern. Das bedeutet, dass sie Einfluss und Entscheidungsmacht haben. Ein Boss, der in einer solchen Position dennoch in der Lage ist, Wertschätzung für die Arbeit seines Teams zu zeigen, gehört zu den wirklich Großen.

Deshalb üben sich die besten Chefs täglich in Dankbarkeit. Sie wissen jeden Tag, was sie haben und sie sind bereit, es zu zeigen. Ob früher Feierabend, ein freundliches Lächeln, ein persönlicher Gruß: Sie machen sich Gedanken darüber, wie sie dem Team Wertschätzung in Form von kleinen oder auch mal großen Gesten entgegenbringen – und setzen ihre Ideen um.

#5: Sie sind täglich gute Zuhörer und keine impulsiven Herrscher

Etwas, das starke Chefs ebenfalls täglich tun, ist, hinzuhören. Impulsive und unüberlegte Reaktionen können Mitarbeiter vergraulen oder in die Enge treiben. Deshalb wissen Beschäftigte die Art von Führungskräften zu schätzen, die ihre Impulse kontrollieren können – oder aber bereit sind, an sich zu arbeiten und das auch zeigen. Vorgesetzte, die aktiv zuhören und nicht sofort explodieren, gehören deshalb zu den besten Chefs dieser Welt. Sie wissen, was es bedeutet, auch in schwierigen Situationen respektvoll zu bleiben und mit Bedacht zu handeln.

Lese-Tipp: 4-Ohren-Modell: Wie gute Kommunikation im Job wirklich funktioniert

#6: Sie nehmen sich regelmäßig die Zeit und den Raum für Feedback

Kritik sollte im Idealfall unter vier Augen erfolgen und Mitarbeiter nicht bloßstellen. Deshalb nehmen großartige Leader sich nicht nur jeden Tag Zeit für ihr Team. Sie sorgen gleichzeitig für die nötige Privatsphäre, um sensible oder vertrauliche Themen anzusprechen. Dazu gehört auch das Feedbackgespräch, welches für Beschäftigte manchmal kein Zuckerschlecken ist. Schließlich geht es um die persönliche Arbeitsleistung und möglicherweise um die eine oder andere Schwäche, die einem beim Arbeiten im Weg steht.

Übrigens: Nicht nur Zeit und Raum entscheiden über die Qualität des Gesprächs. Wer als Chef glänzen will, weiß vor allem, wie konstruktive Feedbackgespräche funktionieren. Sie bedürfen einer wertschätzenden Grundhaltung, einer sachlichen Argumentation und der Fähigkeit, Änderungswünsche zu formulieren, ohne Vorwürfe zu machen.

#7: Sie sind täglich für ihr Team und ihre Mitarbeiter da

Es ist eine Sache, Mitarbeitern ein offenes Ohr anzubieten. Die andere ist, solche Angebote ernst zu meinen und einzuhalten – denn das macht wirklich großartige Führungskräfte aus. Sie versprechen nicht, alle Probleme lösen zu können. Aber sie begleiten ihr Team und einzelne Beschäftigte täglich dabei, auch schwierige Wege zu meistern. Ein Boss, der echtes Interesse am Wohlergehen seiner Belegschaft zeigt und alles daran setzt, dass Herausforderungen gemeinsam angegangen werden, zeigt sich deshalb jeden Tag von seiner besten Seite.

#8: Sie pflegen jeden Tag eine gesunde Fehlerkultur

Die Art, wie Führungskräfte im daily business mit Fehlern umgehen, kann entscheidend für den Erfolg des Unternehmens sein. Deshalb setzen großartige Führungskräfte täglich auf eine gesunde Fehlerkultur. Das bedeutet: Sie sehen Rückschläge und Fehler nicht als Hindernis. Vielmehr begrüßen sie diese, um aus ihnen lernen zu können – und das jeden Tag. Diese Einstellung geben sie an ihre Mitarbeiter weiter, damit diese Fehlschläge nicht mit Angst und Versagen, sondern mit Lernbereitschaft und Produktivität verbinden.

Wer es schafft, ohne irrationale Schuldzuweisungen zu arbeiten, nach vorne zu schauen und an Lösungen zu arbeiten, beweist sich als großartiger Chef. Eine positive Fehlerkultur schließt Negativität und das Wegschieben von Verantwortung aus. Jeder, der einen Fehler macht, schaut hin, setzt sich damit auseinander, nimmt die Situation an und lernt daraus.

#9: Sie setzen an jedem Tag der Woche klare Prioritäten

Mal hier eine neue Dienstanweisung – und mal dort eine Planänderung. Das ist alles in Ordnung. Gute und großartige Führungskräfte wissen aber, was es heißt, klare Prioritäten zu setzen. Zwar erwarten sie von ihren Mitarbeitern ein gewisses Maß an Flexibilität. Indem sie aber täglich deutlich machen, was wirklich Priorität hat und was warten kann, sorgen sie für Klarheit. Auf diese Weise zeigen sie selbst, dass sie genau wissen, was sie wollen und wie sie es gemeinsam mit ihrem Team erreichen. Zugleich können Mitarbeiter zielgerichtet und produktiv arbeiten, ohne mit großen Überraschungen rechnen zu müssen.

#10: Sie geben täglich ihr Bestes, um Mitarbeiter zu fördern

Große Charaktere bieten anderen einen Platz neben sich an, während kleine Charaktere den Ruhm für sich allein beanspruchen möchten. Deshalb sorgen die besten Chefs täglich dafür, dass Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten und sich frei weiterentwickeln dürfen. Sie sorgen also regelmäßig dafür, dass Beschäftigte sich von ihrer besten Seite zeigen – und sie lernen selbst dazu. Konkret heißt das:

  • Mitarbeiter dürfen Verantwortung übernehmen, denn ihr Boss vertraut ihnen.
  • Beschäftigte bekommen die Chance, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen – jeden Tag.
  • Teams dürfen kreativ sein, Ideen einbringen und an Entscheidungen mitwirken.

Quelle: arbeitsABC.de 

10 Februar 2023

Wie Chefs ihrem Team die richtige Wertschätzung entgegenbringen

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Richtig Danke sagen

Wie Chefs ihrem Team die richtige Wertschätzung entgegenbringen

Als Führungskraft eines Unternehmens oder einer Abteilung bist du als Chef auf deine Mitarbeiter und dein Team angewiesen. Jeden Tag machen deine Kollegen einen tollen Job und sorgen dafür, dass alle Prozesse reibungslos funktionieren. Deshalb wird es Zeit, dass du deine Dankbarkeit ausdrückst, falls du das noch nicht getan hast. Ein paar Vorschläge, wie du deinen Mitarbeitern am besten Danke sagen kannst, erfährst du in folgendem Beitrag.

1. Ein Dankeschön, wo es nicht erwartet wird

Betraust du einen oder mehrere Mitarbeiter deines Teams mit einer Aufgabe, bedankst du dich natürlich im Anschluss für das Erledigen von dieser. Damit rechnen auch deine Mitarbeiter. In diesem Fall ist das „Dankeschön“ nicht mehr als eine einfache Floskel und besitzt kaum Wert. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein einfaches Danke völlig nutzlos ist.

Deswegen lautet der erste Tipp, bedanke dich bei deinen Mitarbeitern, wenn sie es nicht erwarten. Das kann schriftlich als Mail erfolgen oder direkt von Angesicht zu Angesicht. Sag deinen Mitarbeitern einfach ohne besonderen Anlass, dass du froh bist, dass sie eine so tolle Arbeit leisten. Und plötzlich wird aus dem einfachen Danke viel mehr als nur eine bloße Floskel nach getaner Arbeit.

2. Das Vieraugengespräch

Wenn du einem deiner Mitarbeiter deinen besonderen Dank für die erbrachte Leistung ausdrücken möchtest, dann kannst du das sehr gut unter vier Augen von Angesicht zu Angesicht machen. In einem direkten Gespräch begegnest du deinem Mitarbeiter auf Augenhöhe und drückst deine Wertschätzung offen und ehrlich mit deinen eigenen Worten aus.

3. Regelmäßiges gemeinsames Essen

Nicht nur um deinen Dank auszudrücken, auch als Team-Bildungsmaßnahme eignet sich die nächste Maßnahme hervorragend. Veranstalte einmal oder gerne auch mehrmals pro Woche ein gemeinsames Mittagessen für alle Mitarbeiter deines Teams. Entweder geht ihr gemeinsam in der Mittagspause zum Italiener um die Ecke oder lasst euch etwas Leckeres in die Firma liefern und esst gemeinsam im Pausenraum. Lass daraus ein festes Ritual werden und du wirst sehen, ein gemeinsames Mittagessen in entspannter Runde wirkt Wunder. Natürlich kannst du auch gelegentlich mal eine Runde ausgeben, um deinem Dank besonderen Nachdruck zu verleihen, wenn du das möchtest.

4. Eine persönliche Nachricht verfassen

Möchtest du einem deiner Mitarbeiter besonderen Dank ausdrücken, versuche doch einmal statt einer Mail oder einem Vieraugengespräch, diesem Mitarbeiter eine handgeschriebene Nachricht zukommen zu lassen. Eine persönliche handgeschriebene Nachricht auf Papier entfaltet noch mal eine komplett andere Wirkung. Sie zeigt, dass du dir als Chef Gedanken machst und dein Team sowie die geleistete Arbeit wertschätzt.

5. Verbessere die Work-Life-Balance

Worte sind gut, Taten sind aber besser. Du bist mit der Arbeit deines Teams zufrieden? Dann versuche deinen Dank doch einmal nicht nur in Worten, sondern auch in Taten auszudrücken. Hier spielt vor allem die Work-Life-Balance eine wichtige Rolle, auch für die Produktivität deiner Mitarbeiter. So kannst du deinem Team auch Gleitzeit oder flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Auch die Arbeit vom Homeoffice wird in der heutigen Zeit sehr gerne angenommen. All das sind Möglichkeiten, wie du deine Mitarbeiter entlasten, die Produktivität steigern und gleichzeitig Danke sagen kannst.

6. Bedürfnisse einzelner Mitarbeiter erkennen

Jeder deiner Mitarbeiter ist ein eigenes Individuum mit eigenen Gefühlen, Wünschen und Vorstellungen. Nur weil der eine Kollege beispielsweise gerne mit dem gesamten Team zu Mittag isst, muss das noch lange nicht auf alle zutreffen. Vor allem, wenn du deinen Dank ausdrücken möchtest, ist es wichtig, die einzelnen Wünsche deiner Mitarbeiter zu berücksichtigen. Sonst könnte deine Danksagung unter Umständen ihre Wirkung verfehlen. Deshalb solltest du, wenn es dir zeitlich möglich ist, mit deinem kompletten Team Einzelgespräche führen. Hier kannst du dich nach den konkreten Zielen, Wünschen und Vorstellungen deiner Teammitglieder erkundigen und diese in den Ausdruck deiner Dankbarkeit miteinfließen lassen.

7. Das alte Leid – vermeide bitte Floskeln

Es wurde bereits angesprochen, doch jetzt noch mal für dich als eigener Punkt, damit du dir auch wirklich darüber im Klaren bist: Vermeide bitte wirklich Floskeln! Ein Danke hier, ein Danke da, einmal dem Kollegen auf die Schulter geklopft, alles schön und gut. Auf Dauer verliert so etwas jedoch leider an Wert. Dein Mitarbeiter wird diese anerkennenden Worte irgendwann nicht mehr ernst nehmen. Deshalb ist es wichtig, auf Worte Taten folgen zu lassen. Kleine Aufmerksamkeiten, wie beispielsweise Bonuszahlungen, Sonderurlaub, ein Mittagessen oder etwas Materielles. Hier wieder der Hinweis auf den vorherigen Punkt, jeder Mitarbeiter hat andere Wünsche. Informiere dich im Vorfeld, welche Art von Geschenk bei dem entsprechenden Mitarbeiter angebracht ist.

8. Regelmäßiges Feedback ist wichtig

Du als Vorgesetzter bist auch nur ein Mensch und wie jeder Mensch machst auch du Fehler und handelst nicht immer perfekt. Wenn dich jedoch niemand auf deine Fehler hinweist, kannst du diese auch nicht ändern. Bedauerlicherweise ist dies ein großes Problem, da Vorgesetzte meistens Autoritätspersonen sind und sich die meisten Mitarbeiter deswegen nicht trauen, ehrliches Feedback zu geben. Wenn du deine Mitarbeiter darum bittest, dir ehrliches Feedback zu geben und dieses im Anschluss auch umsetzt, fühlen diese sich jedoch besonders wertgeschätzt. Auch das kann eine besondere Form des Ausdrucks von Dankbarkeit sein.

9. Dankbarkeit zur Routine werden lassen

Dankbarkeit, Feedback und die Umsetzung von diesem, sollten fest in deine berufliche Routine übergehen. Suche regelmäßig den Kontakt zu deinen Mitarbeitern, führe persönliche Gespräche, berücksichtige ihre Wünsche und Bedürfnisse und nimm dir (gerechtfertigte) Kritik zu Herzen. Eine gute Möglichkeit, um diesen Ausdruck der Dankbarkeit und gegenseitigen Wertschätzung zum Ritual werden zu lassen, sind beispielsweise wöchentliche Teamsitzungen. Hier kannst du einmal jedem Mitarbeiter die Chance geben, seine Dankbarkeit auszudrücken und dies ebenfalls tun.

10. Dem Mitarbeiter das Gefühl geben, besonders zu sein

Ein Problem, das vor allem Auszubildende kennen dürfen, das Gefühl, nur eine Nummer in einem System zu sein. Vor allem in sehr großen Abteilungen oder Unternehmen leiden viele Arbeitnehmer unter diesem Gefühl. Natürlich ist es ab einer gewissen Anzahl von Mitarbeitern schwierig, mit jedem individuellen Kontakt aufrechtzuerhalten, jedoch solltest du als Chef so gut es geht versuchen, diesen Kontakt aufrechtzuerhalten. Denn für viele Mitarbeiter und vor allem für Azubis ist es ein großer Ausdruck der Wertschätzung, wenn sie das Gefühl haben, etwas Besonderes zu sein und nicht nur eine Person von vielen.

11. Dankbarkeit auf einfache und sinnvolle Weise ausdrücken

Es bringt nichts, deine Wertschätzung und Dankbarkeit auf komplizierte Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. Halte es einfach simpel und sinnvoll. Wie bereits erwähnt, können auch persönliche handschriftliche Nachrichten eine große Wirkung entfallen, aber der elektronische Weg ist ebenfalls nicht verkehrt. Neben E-Mails kannst du auch weitere Tools benutzen, um bei deinen Mitarbeitern deine Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Hierfür gibt es unterschiedlichste Tools, welche sich hervorragend für Feedback eignen.

12. Nicht übertreiben

Zu guter Letzt noch ein Rat. Du solltest es mit dem Ausdruck deiner Dankbarkeit nicht übertreiben. Wenn du deinen Mitarbeitern 20 Mal am Tag sagst, wie gut sie ihre Arbeit machen, verliert der Ausdruck an Dankbarkeit seinen Wert und ist nichts Besonderes mehr. Vor allem aber büßt du dabei an Authentizität und Glaubhaftigkeit ein. Jemand, der sich sooft bedankt, wirkt nicht mehr so, als wenn das alles ehrlich gemeint ist, was die Person sagt. Deshalb gilt es, das richtige Mittelmaß zu finden. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Ausdruck von Dankbarkeit.

Lese-Tipp: Danke sagen: Wie Dankbarkeit dein (Berufs-) Leben optimiert

Quelle: arbeits-abc.de

11 November 2022

So sieht gelebte Vielfalt im Unternehmen aus

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Diversity in der IT-Branche

So sieht gelebte Vielfalt im Unternehmen aus

Vor gut acht Jahren hat der IT-Dienstleister Adacor mit dem Gendern interner Dokumente begonnen. Mittlerweile ist Vielfalt dort kein Schlagwort, sondern gelebter Arbeitsalltag: Nicht nur der Frauenanteil ist höher, sondern auch die Offenheit gegenüber anderen Perspektiven und neuen Themen, wie Mitarbeitende berichten.

Seit bald 20 Jahren unterstützt die Adacor Group Unternehmen wie die GLS Bank, VW oder den Klett Verlag bei der Digitalisierung. An den drei Standorten Offenbach, Essen und Gütersloh arbeiten insgesamt etwa 100 Mitarbeitende: Sie entwickeln technische Konzepte für die Digitalisierung von Geschäftsmodellen, bauen Cloud-Infrastrukturen auf und betreiben mehrere Rechenzentren in Frankfurt. 2019 unterschrieb die inhabergeführte Firma die Charta der Vielfalt, bereits vier Jahre zuvor hatte sie sich zu den Leitlinien des Fortschrittsindex Vereinbarkeit des Bundesfamilienministeriums bekannt. Auf Kununu erzielt Adacor beste Bewertungen, insbesondere in den Bereichen Gleichberechtigung und Umgang mit älteren Teammitgliedern, und gilt als „Great Place to Work“. Warum Diversität und Familienfreundlichkeit wichtige Werte bei Adacor sind, wie sie gelebt werden und in welchen Bereichen noch Entwicklungspotenzial besteht, beschreiben die Leiterin für People & Culture, Kiki Radicke, sowie die Systemadministratorin Lara Nickolai und der Verwaltungsangestellte Benjamin Trigui.

DAS SAGT DIE LEITERIN PEOPLE & CULTURE

„Wir wollen niemanden ausschließen“

Kiki Radicke ist 51 Jahre alt, arbeitet seit zehn Jahren bei Adacor und leitet den Bereich People & Culture.

Faktor A: Vor drei Jahren trat Adacor der Arbeitgeberinitiative Charta der Vielfalt bei. Was waren die Gründe dafür?

Kiki Radicke: Diversity ist für uns schon relativ lange ein wichtiges Thema. Auslöser war eine Kollegin, die nach einem Workshop mit vielen Kolleginnen und Kollegen auf mich zukam und sagte, inhaltlich sei alles super gewesen, aber sie hätte sich nicht angesprochen gefühlt. Es hätte immer nur Mitarbeiter, Teamleiter und Bereichsleiter geheißen, doch sie als Frau habe sich nicht gemeint gefühlt. Das hat mich sehr getroffen, weil das natürlich überhaupt nicht meine Absicht gewesen war. Doch in diesem Moment ist mir schlagartig klar geworden, wie ich selbst Sprache benutze bzw. wie wir im Unternehmen mit Sprache umgehen. Danach haben wir unternehmensweit mit der Umstellung begonnen. Das ist jetzt etwa acht Jahre her. Angefangen haben wir mit allen internen Dokumenten. Gendern ist gar nicht so einfach, wenn man es noch nie gemacht hat. Inzwischen ist es erfreulicherweise völlig normal, von „Mitarbeitenden“ zu sprechen oder „Beschäftigte“ zu sagen.

Wie kam die neue Sprachregelung bei Ihnen in der Firma an?

Zu Beginn haben sich die Kolleginnen und Kollegen etwas schwergetan. Aber wir haben das durchgesetzt, eben weil wir alle mitnehmen wollen. Es gab auch durchaus Diskussionen mit dem Marketing, wo man der Meinung war, dass Doppelpunkte und Sternchen den Lesefluss behindern. Wir haben dann einen Mittelweg gefunden. Seitdem stellen wir Sätze um, benutzen männliche und weibliche Form zusammen oder verwenden den Plural. Mittlerweile haben wir ein richtiges Diversity-Management aufgebaut: mit Zielen, die wir uns jedes Jahr setzen, den Maßnahmen, die wir dafür nutzen wollen, und der Dokumentation der Ergebnisse im Intranet.

Welches Projekt stand dann auf Ihrer Agenda?

Die Stellenanzeigen. Wir haben uns genau angeschaut, wie wir die Menschen ansprechen und mit welchen Attributen wir die Stellen beschreiben. Studien zeigen, dass Begriffe wie „zielstrebig“ und „erfolgsorientiert“ eher Männer ansprechen, „teamfähig“, „emphatisch“ und „begeisterungsfähig“ dagegen eher Frauen. Wir haben deshalb zwei Stellenanzeigen für die gleiche Position formuliert, um gezielt Frauen anzusprechen.

Ist Ihnen das gelungen?

Ganz klar: Ja. Im Schnitt beträgt der Frauenanteil in der IT 16 Prozent, bei uns sind es fast 25 Prozent. Aber natürlich hat das auch mit den vielen Angeboten zu tun, die wir zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf machen.

Wie divers ist Adacor denn mittlerweile? Ihr dreiköpfiges Geschäftsführungsteam ist zumindest nach wie vor sehr homogen: weiß, männlich, mittelalt …

… und vermutlich sind wir auch nicht bahnbrechend divers, was die sexuelle Orientierung betrifft. Allerdings fände ich Daten in diesem Bereich sowieso irrelevant. Wie und warum sollte ich sie auch messen wollen? Am allerwichtigsten ist doch, dass klar ist, dass alle Mitarbeitenden im Unternehmen völlig offen damit umgehen können, wen sie lieben. Andreas Bachmann, einer unserer Geschäftsführer, war übrigens in Sachen Diversity von Anfang an mit dabei. Er gehörte auch zu denen, die sofort und konsequent ihre Sprache verändert haben. Es war ihm wichtig, niemanden auszuschließen.

Und sonst? Wie wird Vielfalt im Alltag gelebt?

Wir haben keine Kantine, aber relativ viele Events. Klar, dass wir bei den Essensvorlieben Rücksicht nehmen: auf die türkischen Kolleginnen und Kollegen, die bestimmtes Fleisch nicht essen, auf vegetarisch und vegan Essende. Das heißt, es gibt immer eine Auswahl, die für alle funktioniert. Und selbstverständlich legen wir keine Feste in den Ramadan. Alle zwei bis vier Wochen bieten wir außerdem sogenannte Lunch-and-Learn-Sessions in der Mittagspause an, stellen das Essen, und dann erzählen Kolleginnen und Kollegen 20 bis 30 Minuten lang, was für andere interessant sein könnte, sei es über das Zuckerfest, Triathlon oder – wie kürzlich – über Neurodiversität. Was sich noch verändert hat, sind unsere Räume. 2018 sind wir innerhalb Offenbachs umgezogen. Die Architektur am neuen Standort ist viel offener. Die große Küche nutzen wir für das gemeinsame Essen, hier ergibt sich immer auch teamübergreifender Austausch. Das finde ich ganz wichtig. Denn der Ort ermöglicht Begegnungen und Gespräche auch mit denen, die vielleicht anders aussehen oder anders orientiert sind.

Wenn Sie als Unternehmen ohnehin schon viel Wert auf Vielfalt gelegt haben, warum war es Ihnen dennoch wichtig, die Charta der Vielfalt zu unterschreiben?

Es hat für uns tatsächlich noch mal einen großen Unterschied gemacht, ob wir unsere Werte nur aus dem Bauch heraus leben oder ob wir uns ganz offiziell dazu verpflichten. Damit setzen wir uns Ziele, die Teil unserer Quartalsplanung sind – und die wir überprüfen. Seitdem gibt es auch nach jedem Projekt eine Art Retrospektive, bei der wir unter anderem schauen, ob wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht wurden. Den Tag der Vielfalt feiern wir auch. Im vergangenen Jahr haben wir uns dafür am Standort Essen mit zwei anderen Firmen zusammengetan und die Initiative „Vielfalt verbindet Unternehmen“gegründet. Unsere Idee war, jedem Unternehmen kostenlos einen Werkzeugkasten zur Verfügung zu stellen, um das Thema Diversity unkompliziert im eigenen Haus anzuschieben und darüber ein Netzwerk in Nordrhein-Westfalen aufzubauen.

Adacor hat sich auch für den „Fortschrittsindex Vereinbarkeit“* zertifizieren lassen. Weshalb?

Einfach weil wir es wichtig finden. Wissen veraltet vor allem in der IT-Branche wahnsinnig schnell. Unsere Leute müssen deshalb konsequent an den Inhalten dranbleiben, was extrem anstrengend ist. Also müssen wir sie als Unternehmen darin unterstützen, das auch mit zu pflegenden Eltern oder Kinderbetreuung zu schaffen. Denn nur dann können wir als Unternehmen erfolgreich sein. Aktuell sind wir dabei, einen Prozess aufzusetzen, durch den unsere Mitarbeitenden nach ihrer Elternzeit wieder gut einsteigen können. Dazu gehört ein Entwicklungsgespräch vor der Pause ebenso wie die Planung einer Einarbeitungszeit, aber auch die Einladung zu Firmenevents und Angebote zur Weiterbildung. Gute Fachleute zu finden, ist nicht einfach. Und wenn sie schon da sind, möchten wir sie natürlich auch halten.

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* Fortschrittsindex Vereinbarkeit

Gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Bundesverband der Personalmanager (BPM) hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Fortschrittsindex Vereinbarkeit entwickelt. Dabei bekennen sich Firmen zu einer familienfreundlichen Unternehmenskultur, verpflichten sich zu sogenannten Leitlinien wie Vielfalt, die sich in der Wertschätzung aller Lebensentwürfe zeigen. Anhand von zwölf Kennzahlen – darunter der Anteil von Männern und Führungskräften in freiwilliger Teilzeit sowie der betrieblichen Unterstützung von Beschäftigten bei der Pflege – lässt sich jährlich unkompliziert messen, wie sich die eigene familienbewusste Unternehmenskultur auch im Vergleich zu anderen entwickelt. Ein Teilnahmesiegel bestätigt diese familienbewusste Unternehmenskultur. Seit Ende 2021 gibt es auch eine Miniversion, den sogenannten Fortschrittsindex Quick. Es ist ein besonders niedrigschwelliges Angebot, bei dem sich Unternehmen auch nur bei einzelnen, für sie wichtigen Kennzahlen wie flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice mit anderen vergleichen können.
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DAS SAGEN DIE MITARBEITENDEN

„Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann noch mehr Kolleginnen“

Lara Nickolai ist 30 Jahre alt und arbeitet seit fünf Monaten als Systemadministratorin bei Adacor.

„Schon bald nach Beginn meiner Ausbildung wusste ich, dass ich in dem Unternehmen nicht länger bleiben würde als nötig. Es lief dort nicht gerade optimal, vor allem, was die Gleichberechtigung betraf. Zum einen, weil auf Auszubildende gerne ein bisschen herabgeschaut wurde, zum anderen, weil ich als Frau einen männlich geprägten Beruf lernte – mit der Folge, dass von meinen Kollegen immer wieder sexistische Sprüche kamen. Auch von meinem Ausbilder. Als ich ihm zum Beispiel mein Halbjahreszeugnis von der Berufsschule mit einem Notendurchschnitt von 1,0 zeigte, durfte ich mir anhören, dass ich bei den Lehrern bestimmt voll den guten Hundeblick draufhätte. Solche Bemerkungen gab es regelmäßig.

Von einem Bekannten hatte ich gehört, dass das Klima bei Adacor gut sein solle. Also habe ich mir bei Kununu die Bewertungen angeschaut und natürlich auch die Webseite des Unternehmens. Dort fand ich unter anderem einen Blogartikel, den eine Angestellte und eine Auszubildende gemeinsam zum Thema Gleichberechtigung geschrieben hatten. Die beiden betonten darin, wie sehr die Geschäftsführung darauf achtet, dass Gleichberechtigung wirklich umgesetzt wird. Auf der Seite stieß ich auch zum ersten Mal auf die Charta der Vielfalt. Da in meinem Familien- und Freundeskreis einige Menschen sind, die transgender sind oder aus anderen Gründen nicht der Norm entsprechen, sind mir die Themen Vielfalt, Antirassismus und Diversität sehr wichtig.

Im Support arbeite ich mit fünf Kollegen sehr eng zusammen, insgesamt sind wir zu zehnt und zumindest altersmäßig gemischt. Kolleginnen habe ich auch, aber die arbeiten in der Entwicklungsabteilung. In meiner Berufsschulklasse waren wir übrigens 30 – 29 davon Männer. Selbst für Unternehmen wie Adacor, die explizit Frauen für den IT-Bereich suchen, ist es extrem schwierig, welche einzustellen – einfach weil es kaum welche gibt. Und das hat vermutlich auch damit zu tun, dass man in vielen Betrieben spürt, als Frau mindestens doppelt so viel leisten zu müssen, um ähnlich anerkannt zu werden wie ein Mann. Ich kann verstehen, dass da nicht jede Lust drauf hat.

Auch bei Adacor gibt es gelegentlich noch diesen alten, weißen Männerhumor, bei dem man sich fragt: ‚In welchem Jahrhundert bist du denn bitte gerade gelandet?‘ Aber im Gegensatz zu meinem Ausbildungsbetrieb kann man das dann ansprechen, ohne das Gefühl zu haben, allein mit dieser Ansicht zu sein. Denn sämtliche Vorgesetzte sehen das wie ich und leben das auch. Das vermittelt enorm viel Sicherheit.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann natürlich noch mehr Kolleginnen. Und dass an den freiwilligen Vorträgen und Schulungen zum Thema Diversität nicht immer nur dieselben Leute teilnehmen, sondern auch die, denen es durchaus guttäte.“

 

„Vielfalt war hier immer schon normal“

Benjamin Trigui, 38, arbeitet seit 2013 als Verwaltungsangestellter bei Adacor.

„Ich war bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellt, als mich ein Freund, der bei Adacor arbeitete, fragte, ob ich nicht wechseln wolle: In der Verwaltung würde jemand gesucht. Eigentlich hatte ich kein Interesse: Meine Kollegen waren nett, ich kannte meinen Job und bekam jedes Jahr eine 0,5-prozentige Gehaltserhöhung. Doch alles, was er mir erzählte, gefiel mir: die flexiblen Arbeitszeiten, die gemeinsamen Mittagspausen, das regelmäßige Feedback. Ich mochte das Familiäre, das er beschrieb, das Duzen, die flachen Hierarchien. Überhaupt fand ich das ganze Paket aus Teamevents, Fitnessstudio und Übernahme von Kitabeiträgen echt attraktiv. Ziemlich cool war auch, dass man als normaler Verwaltungsangestellter sein Diensthandy wie alle anderen frei wählen konnte – und nicht wie sonst üblich nur bis zu einem bestimmten Betrag.

In meiner Abteilung sind wir zu sechst: vier Frauen, zwei Männer, von 25 bis 60 Jahre, also ziemlich gemischt. In unserem Team bin ich allerdings der Einzige mit einem arabischen Nachnamen. In meinem alten Unternehmen gab es immer wieder mal so Sprüche wie: „Wann schließt du dich eigentlich dem IS an?“ und: „Bist du auch ein Schläfer?“. Ich fand das nicht lustig. Bei Adacor habe ich so etwas nie erlebt, hier werde ich auch nicht schief angeschaut, wenn ich in T-Shirt und kurzer Hose zur Arbeit komme. Denn egal ob privater Musikgeschmack oder religiöse Speisevorschriften – all das ist okay, niemand macht darüber flapsige Bemerkungen. Vielfalt war hier immer schon normal, ich kenne das gar nicht anders. Trotzdem finde ich es super, dass die Charta unterschrieben wurde. Das hat einfach größeres Gewicht. Man denkt dann über die Werte immer wieder nach, vor allem dann, wenn Menschen andere Erfahrungen gemacht haben oder anders denken und empfinden als man selbst.

Von dem Vereinbarkeitssiegel hatte ich anfangs kaum etwas mitbekommen – dafür jetzt allerdings ziemlich viel. Meine Frau hatte vor knapp vier Wochen einen Bandscheibenvorfall und konnte unseren 15 Monate alten Sohn weder hochnehmen noch tragen. Also musste ich von jetzt auf gleich Familie und Beruf unter einen Hut kriegen. Ich dachte, das schaffe ich nicht. Doch mein Team hat sofort alle meine Termine übernommen und gesagt: ‚Bleib im Homeoffice und schau, was du schaffst.‘ So konnte ich auch mal am Nachmittag mit meinem Sohn auf den Spielplatz gehen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Die Stunden, die ich jetzt weniger arbeite, werden einfach mit meinem Urlaub verrechnet – für mich eine super Lösung. In meinem Freundeskreis bin ich übrigens der Einzige, bei dem so etwas möglich ist. Sogar mein Antrag auf den Partnerschaftsbonus, bei dem beide Eltern für vier Monate Teilzeit arbeiten, ist schon durch. Bei Adacor werde ich bestimmt noch länger bleiben.“

Quelle: Faktor A - Das Arbeitgebermagazin

07 Oktober 2022

Erfolgreiche Führungskräfte klammern sich nicht an Pläne. Sie kultivieren intelligentes Glück

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Viele Führungskräfte ziehen in Krisenzeiten die Zügel an. «Das ist genau das Falsche», sagt Christian Busch.

Erfolgreiche Führungskräfte klammern sich nicht an Pläne. Sie kultivieren intelligentes Glück

Es läuft nichts wie geplant. Für viele Chefs ist dies ein Albtraum. Christian Busch, Experte im Bereich Serendipität, erklärt, wie es gelingt, loszulassen und stattdessen das Beste aus dem Unerwarteten zu machen.

Christian Buschs Steckenpferd ist die Serendipität. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Schon vor Jahren hat der passionierte Netzwerker zwei Dinge festgestellt: dass erfolgreiche und inspirierende Menschen in ihrem Leben Serendipität kultivieren und dass zufällig neue Ideen entstehen, wenn man die richtigen Leute zusammenbringt. Beides faszinierte ihn, und er begann sich zunächst privat und dann auch wissenschaftlich mit dem Thema zu beschäftigen.

Meistens wird Serendipität als Zusammenspiel von Zufall und menschlichem Handeln definiert, das zu einem positiven Ergebnis führt. Im Gespräch bezeichnet Busch das Phänomen als «intelligentes Glück», das einem nicht bloss widerfährt wie etwa das Glück, in eine liebevolle Familie hineingeboren zu werden. Vielmehr liege es an einem selbst, wie man mit unerwarteten Momenten umgehe und ob man diese in «intelligentes Glück» verwandle.

Menschen, denen dies gelinge, hätten oft unbewusst eine Fähigkeit entwickelt, dem Unerwarteten und Unbekannten wachsam, offen und neugierig zu begegnen, sagt Busch, der an der New York University und an der London School of Economics über Führung, Innovation und Unternehmertum lehrt. Sie nutzten überraschende Momente, in denen scheinbar unverbundene Ideen und Ereignisse zusammenkämen und ein neues Muster bildeten. «Sie sehen Brücken, wo andere nur Lücken sehen», sagt der Mitbegründer der Organisation «Leaders on Purpose», die Firmen beim Finden ihres Sinns berät. Dadurch würden Kreativität und Einfallsreichtum freigesetzt, um neue Lösungen für Probleme zu finden.

Eine Firma ohne Masterplan

Jemand, der Serendipität im Leben kultiviere, sehe das Unerwartete nicht nur als Gefahr oder als etwas, was seine Pläne über den Haufen werfe, sondern als eine Quelle verschiedener neuer Pfade, die wiederum neuen Sinn ergäben. Auch viele erfolgreiche CEO würden dies oft unbewusst praktizieren, sagt Busch, der im Rahmen seiner Forschungsarbeiten «Was Unternehmen erfolgreich macht» zahlreiche Gespräche mit CEO geführt hat. Vielen werde erst im Gespräch klar, dass sie Serendipität für sich und das Unternehmen nutzten.

Einer von ihnen ist David Taylor, Verwaltungsratspräsident von Procter & Gamble. Er erzählte Busch und seinem Team, dass Führungskräfte nicht versuchen sollten, alles zu wissen. Vielmehr gehe es darum, von anderen zu lernen, ihnen zu helfen und dann Verbindungen herzustellen, die zu neuartigen Lösungen führten.

Laut Tom Linebarger, Chef des auf Diesel- und Gasmotoren spezialisierten US-Konzerns Cummins, hat es im Unternehmen nie einen Masterplan gegeben. Mit seinem Team habe er eine Vision ausgearbeitet, eine Kultur geschaffen und Prozesse etabliert, um den Mitarbeitenden ein Gefühl für die grobe Richtung zu geben. Gleichzeitig hätten sie genügend Raum gelassen, damit neue Dinge entstehen könnten. Diese passierten häufig an unerwarteten Orten und auf unerwartete Weise. Für Linebarger ist die Fähigkeit, im Unternehmen Serendipität zu kultivieren, auch der Schlüssel, um einen Konzern durch Krisen zu führen.

Konzerne aus der Krise führen

Gerade in Krisenzeiten wird offensichtlich, dass Firmenchefs den Mitarbeitenden keine Gewissheiten oder vermeintliche Sicherheit bieten können. Gefragt ist stattdessen eine klare und transparente Kommunikation. Laut Busch sollten Führungskräfte den Angestellten eine Idee vermitteln, wohin die Reise gehe, und gleichzeitig aufzeigen, dass auf dem Weg das Unerwartete eine grosse Rolle spielen werde und man die Pläne bei neuen Erkenntnissen anpassen werde.

Viele Führungskräfte reagieren auf Krisen stattdessen mit dem Reflex, die Zügel anzuziehen und mehr Kontrolle auszuüben, um ihre Autorität als Unternehmenslenker unter Beweis zu stellen und selbst wieder ein Gefühl der Sicherheit zu erlangen. «Das ist genau das Falsche», sagt Busch. Firmenchefs sollten lernen, loszulassen und das Beste aus dem Unerwarteten machen. Dies gehe nicht mit einem Kontrollverlust einher, sondern sei im Gegenteil die einzige Möglichkeiten, sich von der Illusion der Kontrolle zu befreien.

«Erfolgreiche Führungskräfte klammern sich nicht an Pläne. Sie kultivieren intelligentes Glück», sagt der Autor des Buchs «Connect the Dots: The Art and Science of Creating Good Luck». Sie stellten auch gegenüber dem Aufsichtsgremium klar, dass es sich lohne, die Pläne bei neuen Erkenntnissen anzupassen und ein gutes Umfeld für Serendipität zu schaffen – nicht zuletzt, um innovativer zu werden.

Viagra und andere Zufälle

Bei Innovationen aller Art spielt der glückliche Zufall eine bedeutende Rolle; man denke etwa an Erfindungen wie Penicillin und die Röntgenstrahlung. Auch Klettverschluss, Post-it-Zettel, Gummi, Mikrowelle, Teflon und Nylonstrümpfe wurden zufällig erfunden. Viagra gibt es heute nur, weil bei den Tests eines Medikaments gegen koronare Herzerkrankung festgestellt wurde, dass das Mittel eine potenzsteigernde Wirkung hat. Anstatt dies als Rückschlag zu betrachten, wurde die neue Spur weiterverfolgt und ein Medikament gegen Potenzstörungen entwickelt.

Es gibt allerdings wenige Firmen, die ein solches Umfeld fördern. In vielen Betrieben herrscht nach wie vor eine wenig inspirierende Unternehmenskultur, was die Kreativität und eigenständiges Handeln hemmt. Gleichzeitig haben Pläne und Ziele einen derart hohen Stellenwert, dass ein geringer Anreiz besteht, bei neuen Erkenntnissen davon abzurücken.

Von der Firmenchefin bis zum Teamleiter werden die Angestellten daran gemessen, ob sie ihre Ziele erreichen. Auch Vergütungen und Beförderungen hängen davon ab. Das Unerwartete stellt in einem solchen Umfeld eine Bedrohung dar – etwas, was man am liebsten ausblenden oder unter den Teppich kehren möchte, um sich nicht erklären zu müssen und nicht als gescheitert dazustehen.

Chefs fördern glückliche Umstände

Wie gelingt es also, diese Fehlanreize zu beheben und stattdessen Serendipität im Unternehmen zur Entfaltung zu bringen? Firmen wie Facebook, Pixar oder 3M (Herstellerin von Post-it) haben diesen Weg beschritten und nach Möglichkeiten gesucht, dass Mitarbeitende das Unerwartete vermehrt als Chance sehen, neue Wege zu gehen und Innovationen zu schaffen.

Apple-Gründer Steve Jobs etwa hatte in seiner Zeit als Firmenchef von Pixar vieles unternommen, um Serendipität zu kultivieren. Er baute ein offenes Atrium mit allen zentralen Bereichen, um die Zahl der ungeplanten Begegnungen zu erhöhen. Das Herzstück des auf computeranimierte Filme spezialisierten Studios sollte die Interaktion zwischen den Menschen sein. Um ein gutes Umfeld für kreatives Arbeiten zu schaffen, galt auch die Devise, dass Ideen und erste Entwürfe nicht perfekt sein müssen.

Laut Busch gibt es verschiedene Ansätze und Massnahmen, wie Chefs glückliche Umstände im Unternehmen fördern:

  • Serendipität für sich kultivieren: Führungskräfte sind ein Vorbild und bereiten den Boden für andere vor, wenn sie selber Serendipität kultivieren sowie in der Firma über glückliche Zufälle und die daraus entstandenen Resultate sprechen.
  • Gespräche anders führen: Chefs fragen an Teamsitzungen: «Was hat dich überrascht?» oder «Welches Projekt begeistert dich?» Fragen dieser Art laden Mitarbeitende ein, den Blick zu öffnen und auf Unerwartetes zu achten. Es geht auch darum, in Gesprächen mehr Anknüpfungspunkte zu schaffen. Auf die Frage «Was machen Sie?» antwortet man nicht nur mit der Berufsbezeichnung, sondern nennt verschiedene Dinge, die man gerne tut. 
  • Sichere Arbeitsatmosphäre schaffen: Chefs, die wollen, dass Angestellte auch verrückte, noch nicht ganz ausgegorene Ideen vorbringen, müssen psychologische Sicherheit schaffen. In einem solchen Umfeld fühlen sich Mitarbeitende wohl und wagen Neues, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
  • Ideengeber belohnen: Wer neue Ideen einbringt, wird belohnt. Wichtig ist zudem, dass Mitarbeitende ein Feedback auf ihre Vorschläge erhalten und vielversprechende Ideen weiterverfolgt werden. Sehen Angestellte, dass sie etwas bewegen können, sind sie motiviert, weitere Vorschläge zu machen. 
  • Systematisch aus Fehlern lernen: Man spricht im Unternehmen über Ideen, aus denen nichts geworden ist. Dabei geht es nicht darum, das Scheitern zu bejubeln, sondern darum, das Lernen aus unerwarteten Situationen zu fördern. In einem solchen Umfeld experimentieren Mitarbeitende öfter und übertragen Ideen in einen anderen Kontext. 
  • Perspektive erweitern: Wenn die Firmenchefin die Kaderangestellten bittet, «die Kosten zu senken», schränkt sie damit das Feld möglicher Lösungen ein. Vielversprechender ist es, die Mitarbeitenden zu bitten, nach Möglichkeiten zu suchen, um «profitabler zu werden». Sie suchen dann auch nach neuen Einnahmequellen.
  • Das Team intelligent zusammenstellen: Wenn Angestellte mit der Philosophie, Serendipität im Unternehmen zu fördern, nichts anfangen können, bietet es sich an, sie auf ein Projekt mit einem Kollegen zu schicken, der dies bereits erfolgreich praktiziert. Beginnt der Angestellte, die Vorteile zu erkennen, wird er zu einem glaubwürdigen Vertreter.
  • Zufällige Begegnungen fördern: Unternehmen installieren Open-Space-Büros und Lounges, um Begegnungen am Arbeitsplatz zu fördern. Sie sollten sich dabei allerdings gut überlegen, wann und für wen sie Gelegenheiten für zufällige Begegnungen schaffen wollen. Sonst besteht die Gefahr, dass Mitarbeitende keine Rückzugsmöglichkeit mehr haben, wenn sie konzentriert an einer Aufgabe arbeiten wollen. 

Ob die Massnahmen auf fruchtbaren Boden fallen, hängt stark von der Firmenkultur ab. In Unternehmen, in denen die Mitarbeitenden vor allem Klatsch und Tratsch austauschen, ist Serendipität weniger wahrscheinlich als in Firmen, in denen die Angestellten auch in der Kaffeepause über neue Ideen sprechen.

Schwierig wird es auch, wenn die Unternehmenskultur von Angst, Misstrauen und Missgunst geprägt ist. «Gestresste Menschen entwickeln einen Tunnelblick und nehmen günstige Gelegenheiten weniger gut wahr», sagt Busch. Als Experte für das Thema sieht er aber auch hier die Chancen: «Man muss dann einfach mit kleinen Schritten beginnen.»

Auf der anderen Seite können Firmen aber auch in eine Falle tappen, wenn sie angestrengt versuchen, Serendipität herbeizuführen oder gar zu erzwingen. «Serendipität lässt sich nicht kontrollieren, geschweige denn vorhersehen», sagt Busch. «Man kann nur ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem die Wahrscheinlichkeit für Serendipität steigt.»

Wir unterschätzen das Unerwartete

Wie Studien zeigen, ist die Wahrscheinlichkeit für Serendipität grösser als gemeinhin angenommen. Das Unerwartete passiert weitaus häufiger, als wir es erwarten. Gleichzeitig überschätzen wir unsere Fähigkeit, das Leben zu planen und zu kontrollieren. Im Rückblick zeigt sich oft, dass gerade positive Schlüsselereignisse – wie die Liebe seines Lebens zu finden oder einen Traumjob zu ergattern – ungeplant waren.

«Alle Menschen können Fähigkeiten entwickeln, das Beste aus dem Unerwarteten zu machen», ist Busch überzeugt. Alles beginne mit dem Blick auf die Situation. Anstatt sich zu fragen: «Was kann ich verlieren, wenn ich dies tue?», könne man sich überlegen: «Was werde ich bedauern, wenn ich es nicht tue?» Busch selbst musste sich diese Sichtweise aneignen. Er hatte in der Schule gelernt, dass man einen Plan haben sollte. Im echten Leben wurde ihm dann aber klar, dass der Zufall oft eine grössere Rolle spielt als erwartet. Heute kombiniert er Planung mit der Erwartung, dass das Unerwartete jederzeit passieren kann – was ihn oftmals den Wert des Unerwarteten sehen lässt.

Glückliche Umstände sind nicht auf menschliche Kontakte beschränkt. Man denke etwa an ein Buch, das man zufällig im Schaufenster gesehen hat und das einem wichtige Einsichten gebracht hat. «Jede und jeder entdeckt Serendipität auf seine eigene Art und Weise», sagt Busch, der zu den einflussreichsten Management-Denkern («Thinkers50») zählt. Ein Patentrezept dafür, wie mit Unerwartetem umgegangen werden soll, gebe es nicht. Seine Erkenntnisse und Erfahrungen gibt Busch daher als Denkanstösse weiter und lädt zum Beobachten und Ausprobieren ein: «Irgendwann macht man es dann intuitiv und ganz natürlich.»

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

29 Juli 2022

Humble Leadership – Mit demütigem Führen zu Leistung und Ethik

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Spitzenmanager charakterlich im Fokus - Gastbeitrag von Univ.-Professor Dr. Dietrich von der Oelsnitz

Humble Leadership – Mit demütigem Führen zu Leistung und Ethik

„All leaders face the challenge of how to be both: ethical and effective in their work“.[1]

Den Manager- und Gründerstars unserer Tage ergeht es medial deutlich besser als sonst in der Dreiecks-Beziehung Öffentlichkeit – Medien – Geschäftsführung üblich: Die gesellschaftliche Wahrnehmung innovativer Gründer und Lenker ist in den letzten Jahren wieder milder, ja bisweilen geradezu freundlich geworden. Steve Jobs, Jeff Bezos oder Elon Musk werden mehrheitlich als geniale Tüftler betrachtet, als kreative Schöpfer neuer Branchen und Geschäftsmodelle. Diese Manager-Ikonen werden weltweit über die Grenzen ihrer Arbeitswelt hinaus idolisiert wie sonst nur Popstars oder Sporthelden. Gelegentlich schaffen sie es sogar bis in die Klatschspalten bunter Lifestyle-Magazine.

Andernorts beginnen dann allerdings auch wieder die Zweifel: Sind unsere Manager zu gierig, in ihrer persönlichen Inszenierung nicht zurückhaltend genug? Flugs ist es mit der Herrlichkeit dieser Berufsgruppe auch schon wieder vorbei; es fallen Begriffe wie Abzocker, Amigo, Gauner. Denkmäler werden wieder gestürzt. Nur: Dem Denkmalsturz geht eben der Personenkult voraus. Wer aber hat diesen inszeniert? Die Manager? Die Medien? Die unwissende Öffentlichkeit? Gar die Mitarbeiter dieser Bürostars selbst? Eines bleiben all diese Leader für die Öffentlichkeit jedoch immer: interessant! 

Quelle- den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter leadership-insiders.de
 
 
 

06 Mai 2022

Die neue Herausforderung: Hybrid im Quadrat

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Die neue Herausforderung: Hybrid im Quadrat

Wo und wie künftig gearbeitet wird, müssen Führungskräfte und Teams jetzt herausfinden. Doch wer der Herausforderung mit alten Gewissheiten begegnet, wird bald allein dastehen.

Homeoffice-Pflicht entfallen ist, werden gute Antworten auf diese Fragen dringend gesucht. Wir befinden uns an einem entscheidenden Moment, in dem Arbeit neu definiert wird. Wir stehen in der Verantwortung, jetzt die Weichen zu stellen für den Weg hin zum hybriden Arbeiten, das Produktivität und Zusammenarbeit fördert und Sinn bietet. Wer diese Chance verschläft, wird schon bald Probleme haben, neue Talente zu finden und Leistungstragende zu halten.

„Wir sollten uns nicht der Tyrannei des ‚oder‘ beugen, sondern das Genie des ‚und‘ umarmen.“
Jim Collins, US-Managementexperte

Zu viele deutsche Führungskräfte haben den Schuss noch nicht gehört. Besser gesagt: Sie haben noch nicht gelernt, ihren Mitarbeitenden zuzuhören. Deutlich mehr als ein Drittel aller deutschen Führungskräfte befürchten negative Folgen für ihr Unternehmen, wenn sie ihren Mitarbeitenden flexibles Arbeiten von zu Hause ermöglichen.
Eine Yougov-Umfrage im Auftrag von Linkedin unter 2.000 Führungskräften in elf Ländern zeigt, dass deutsche Chefinnen und Manager bei New Work am konservativsten sind, wenn man von den noch skeptischeren Führungskräften in Irland absieht. Sie glauben tatsächlich, dass zuhause zu viel gefaulenzt wird. Kann sich Europas größte Volkswirtschaft diese Art (Miss-)Management leisten? Ich glaube nicht.

Warum? Weil die Mitarbeitenden das nicht mehr wollen. Und die potenziellen neuen Bewerber und Kandidatinnen übrigens auch nicht, besonders die jüngeren nicht. Wenn sie (wieder) jeden Tag ins Büro müssten, würden laut Studien sagenhafte 40 Prozent der Wissensarbeitenden lieber gleich ihren Job wechseln. Das zeigt der Digital Work Index, den Slack im Oktober 2021 unter 2.000 Befragten in Deutschland erstellen ließ. Über die gesamten Belegschaften verteilt liegt der Wert immer noch bei 15 Prozent, wie der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom anhand einer groß angelegten Untersuchung in 25 Ländern zeigt. Aktuelle Verkehrsdaten des ADAC zeigen zudem, was wirklich Sache ist: Der Wegfall der Homeoffice-Pflicht hat den morgendlichen Pendelverkehr in keiner Weise erhöht. Die Auslastung deutscher Büros lag laut einer Erhebung des Schweizer Statistikanbieters Locatee Anfang März fast genauso niedrig wie Ende 2020. In den USA zeigt eine Umfrage des Pew Research Centers den gleichen Trend: Wer die Möglichkeit hat, zuhause zu arbeiten, bevorzugt das in fast zwei Dritteln aller Fälle. Viele Menschen haben inzwischen herausgefunden, dass bestimmte Tätigkeiten zuhause besser oder mindestens genauso gut funktionieren – zumal man eine Menge tote Pendelzeit und teuren Sprit einspart.

Mich wundert das nicht, denn der Great Reshuffle ist in vollem Gange. Viele Menschen haben sich in der langen Corona-Zeit neu entdeckt und neu erfunden. Die Prioritäten verschieben sich und auf die Personalerverantwortlichen kommt eine große Moderationsaufgabe zu, um den Widerspruch zwischen den Wünschen der Führungskräfte und Mitarbeitenden elegant aufzulösen. Viele Unternehmen – wie auch die Atruvia – haben sich deshalb bereits für hybride Modelle als „das neue Normal“ nach Corona entschieden, zum Beispiel mit zwei Tagen remote und drei Tagen office. Das entspricht ziemlich genau den durchschnittlichen Wünschen der weltweiten Belegschaften, wie die groß angelegte Stanford-Studie zeigt. Auch hier tut sich allerdings noch die bekannte Erwartungslücke auf: global gesehen wollen Manager bislang eigentlich nur einen Tag Work from home zulassen.

Die alten Rituale haben ausgedient

Weltweit hinterfragen Beschäftigte den Sinn alteingespielter Arbeitsplatzrituale. Natürlich vermissen viele den persönlichen Austausch im Büro, gerade den informellen. Sie ahnen vielleicht auch, dass ohne diese „echten“ Kontakte langfristig die Gefahr besteht, bei einigen Dingen außen vor gelassen zu werden. Präsenz zu zeigen, ist also nicht nur Pflicht, sondern mindestens auch Kür – oder gar ein Anrecht darauf, „dabei“ zu sein. Zumal sich Beschäftigte auch für Tätigkeiten wie Kollaboration oder gemeinsame Kreativitäts- und Entwicklungsarbeit am liebsten physisch treffen.
Reine Informationsvermittlung hingegen wird immer weniger akzeptiert. Dafür muss niemand ins Büro fahren. Laut Digital Work Index gilt das allerdings auch immer mehr für Zoom und Teams.
Jedes zweite Meeting wird als unnötig wahrgenommen. Statt „Büro vor dem Computer“ zu spielen, wünschen sich knapp 60 Prozent der Befragten mehr Tools für das nicht gleichzeitige Zusammenarbeiten über Text-, Sprach- oder Video-Nachrichten. Flexibilität und Eigenverantwortung sind auch hier die Schlüssel.

Es fehlt an Übung und geeigneter Infrastruktur

Wir sind in einer neuen Experimentier- und Lernphase. Die richtige neue Mischung hat wohl noch keiner genau gefunden. Bis Ende 2019 waren wir alle gut im Arbeiten in Präsenz; die letzten 2 Jahre haben wir gemeinsam remote Arbeiten professionalisiert. Und jetzt? Die Mischung macht’s: Wir brauchen ein enormes Umdenken, was Führungsverhalten, Vertrauen und Ziel-/Ergebnisorientierung anbelangt. Es ist die Chance für Unternehmen, die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeitenden und Teams zur Organisation ihrer Arbeit nachhaltig zu stärken. Das führt zu ganz praktischen Herausforderungen, denen wir uns jetzt gemeinsam stellen müssen. So ist zum Beispiel ein fester Arbeitsplatz für Menschen im office, die auch remote arbeiten, grundsätzlich nicht mehr sinnvoll. Dafür brauchen wir neue, flexible und kreative Spaces in unseren Gebäuden, um das aufzufangen.

Activity based working kann hier die Lösung sein. Räume, die speziell für hybride Meetings und Kollaborationen angelegt sind, bekommen eine wesentlich höhere Bedeutung, ebenso informelle Arbeitsplätze. Hier brauchen wir neue technologische Lösungen für hybrides Zusammenarbeiten bis hin zu ersten Metaverse-Lösungen. Kreativ und digital gestaltete Räume, die radikal anders sein können als die Infrastruktur vor 2020, spielen aber eine weitere, wichtige Rolle: Für die Bindung ans Unternehmen, für das Erleben als Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen und Unternehmenswerten und zur Auslebung der Kreativität. Sie bieten auch die beste Basis, um neu gewonnene Kräfte auf die eigene Unternehmenskultur einzustimmen und sie schnell zu integrieren. Rein remote – das haben wir die letzten zwei Jahre gelernt – wird dies nicht gelingen. Das neu gestaltete Büro als Flaggschiff von hybrider Arbeit? So sieht es jedenfalls der Leitfaden Mobiles und hybrides Arbeiten des Bitkom und so sehen wir das auch bei Atruvia. Zurzeit gestalten wir unsere Büroflächen zu smarten, flexiblen Arbeitsflächen um, die sich nach den Aufgaben der Mitarbeitenden orientieren.

Meetings nicht mehr im Büro spielen, sondern vom Sinn her denken

Managerinnen und Chefs dürfen sich nicht wegducken, wenn es um das Redesign der Arbeit geht. Die Entscheidungen, welche Meetings in Präsenz, welche remote, welche hybrid und welche überhaupt durchgeführt werden, müssen sie gemeinsam mit ihren Teams treffen. Nur so wird sich im Unternehmen ein gleiches Verständnis dafür entwickeln, was wann wo sinnvoll ist. Dazu brauchen Führungskräfte heute andere Skillsets als vor der Pandemie. Die Psychologin Katrin Winkler, die an der Hochschule Kempten das Institut für digitale Transformation in Arbeit, Bildung und Gesellschaft leitet, hat das klar herausgearbeitet. Mit Hilfe einer LinkedIn-Umfrage fand sie heraus, dass 71 Prozent der Befragten glauben, dass Vorgesetzte hybrider Teams vor allem gut kommunizieren müssen. Ähnlich wichtig ist es, dass sie klare Ziele setzen und Empathie beweisen. So müssen sie ein intuitives Gefühl dafür entwickeln, was Sinn und Zweck von Treffen und Tätigkeiten sind. Soft Skills im Management und digitale Fähigkeiten sind also ein Schlüssel für die hybride Zukunft der Arbeit.

Mitarbeitende spüren, wenn Führungskräfte ihnen Vertrauen schenken und Hybrid authentisch selbst vorleben. Wenn die Belegschaft dadurch engagierter und kreativer wird, gewinnen alle. Wir müssen nur die Angst verlieren, dadurch weniger effizient zu werden. Blooms große Studie zeigt, dass WFH unsere Produktivität und Effizienz sogar leicht steigert, und zwar im Bereich um +5 Prozent. Zeit also, uns für eine neue Mischung zu entscheiden und „Hybrid im Quadrat“ wirklich zu wagen.

Über den Autor

Jörg Staff ist Mitglied des Vorstands und Chief People Officer bei Atruvia (früher Fiducia & GAD) sowie Aufsichtsrat, Beirat und Investor von (Tech-)Start-ups. Er arbeitete vor dieser Position über 20 Jahre als Mitglied von Global Executive Leadership Teams direkt für CEOs und Vorstände führender globaler Unternehmen in der IT- Industrie (SAP, Debis Systemhaus), Logistik (Deutsche Post/DHL) und der Automobilindustrie (Daimler). In seinen globalen Positionen verantwortete er unternehmensweite Strategie-/Transformationsprogramme, Restrukturierungs- und Effizienzprogramme und unterstützte diverse Wachstumsinitiativen. Darüber hinaus sind Schwerpunkte seiner Arbeit People-Themen, wie die Ausrichtung der Unternehmensorganisation auf Human Experience, die Einführung agiler Zusammenarbeitsmodelle und die Stärkung der Innovationkraft. Staff absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaft und einen Master of Business Administration (MBA). Über 30.000 Leserinnen und Leser haben bisher seine Kolumne Logbuch einer Transformation gelesen, die 2019/2020 monatlich auf humanresourcesmanager.de erschienen ist. 2021 ist er zum CHRO of the Year gewählt worden.

Quelle: Human Ressources Manager

15 Oktober 2021

Muss eine Führungskraft viel Fachwissen haben? Nein, meint Hans Wüthrich. Der Management-Forscher sagt: «Wer fachfremd ist, muss zuhören»

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Muss eine Führungskraft viel Fachwissen haben? Nein, meint Hans Wüthrich. Der Management-Forscher sagt: «Wer fachfremd ist, muss zuhören»

Hans Wüthrich coacht und berät Führungskräfte. Der emeritierte Professor gilt in der Management-Forschung als Querdenker. Er betont das Kontraintuitive, etwa den Mehrwert von fachlicher Inkompetenz.

Herr Wüthrich, Sie machen sich stark für Rollentausch auf oberster Führungsebene. Was bringt es, wenn etwa die Produktionsleiterin temporär das Marketing leitet oder der Finanzchef den Einkauf?

Der Mehrwert ist grundsätzlicher Natur. Ergebnisoffene Experimente schaffen neue Erfahrungswelten für Führungskräfte und Geführte. Wer als Fachfremder einen neuen Bereich führen muss, erkennt plötzlich, wie stark er – oder sie – zuvor über reine Fachkompetenz geführt hat.

Fachkompetenz ist ja nichts Schlimmes, oder?

Nein. Aber eine zu ausgeprägte Fachkompetenz hat auch ihre Nebenwirkungen: Man tendiert – oft unbewusst – zu Mikromanagement, übersteuert die Unterstellten oder tut sich schwer mit Delegieren. Wer hingegen einen Bereich leitet, zu dem er keinen fachlichen Bezug hat, erfährt, wie wertvoll es sein kann, über Fragen statt Antworten zu führen. Man stellt auch dumme Fragen, und aus diesen können alternative Lösungen entstehen. Das ist nur mit fachlicher Distanz möglich.

Sie sprechen – leicht provokativ – von einem «Mehrwert fachlicher Inkompetenz».

Ja, denn wer fachfremd ist, muss zuhören. Und er muss der zweiten Führungsebene und deren Fachlichkeit vertrauen. Damit findet ein Empowerment, eine Ermächtigung dieser Mitarbeitenden statt, sie werden in ihrem Selbstverständnis aufgewertet. Eine fachfremde Führungskraft hat zudem mehr Zeit zum Nachdenken. An Sitzungen ist sie inhaltlich nicht im Lead, sondern kann sich auf die Prozesse, das Dialogische konzentrieren. Zwischenmenschliches und Spontanes rücken ins Zentrum.

Dann bedeutet mehr Wissen also nicht mehr Kompetenz?

Das hängt davon ab, wie man Kompetenz definiert. Oft wird darunter nur fachliche Kompetenz verstanden. Und dann heisst es: ohne Fachkompetenz keine Führungskompetenz. Ausgeblendet bleibt dabei das Dysfunktionale einer ausgeprägten Fachkompetenz. Es geht mir nicht darum, diese Kompetenz schlechtzureden. Doch es lohnt sich, kontraintuitive Experimente zu machen, weil diese zu Innovationen und zu einer intelligenten Organisationsentwicklung beitragen.

Werden Führungskräfte ohne Fachwissen von den Unterstellten überhaupt ernst genommen?

Heute wird Akzeptanz stark fachlich definiert. Das ändert sich aber, wenn man erfährt, wie der Dialog mit einer Führungskraft, die ihre Unterstellten mit Fragen herausfordert, zu besseren Lösungen führt. Auf diese Weise wird auch verhindert, dass Untergebene ihre Probleme stets an die Führungskraft zurückdelegieren – in der Erwartung, dass diese schon eine Lösung haben wird. Plötzlich erkennen Teams, dass sie viel mehr Potenzial haben. Das gibt der Führungskraft eine neue Qualität von Kompetenz.

Wie lässt sich verhindern, dass man nach dem Rollentausch wieder in alte Fahrwasser gerät?

Die durch das Experiment gesammelten Erfahrungen lassen sich nur schwer ausblenden. Führungskräfte erkennen, wie befreiend es ist, wenn man nicht immer Antworten geben muss und mehr Zeit zur Reflexion hat. Und die Unterstellten wollen die neu gewonnene Verantwortung nicht wieder abgeben. Das führt oft dazu, dass die zweite Ebene die zurückkehrende Führungskraft diszipliniert und ihr sagt: «Stopp, darum musst du dich jetzt nicht mehr kümmern, das haben wir gemacht, und es funktioniert. Nutze deine Zeit für etwas Besseres.»

Über den Interviewer

Thomas Fuster Wirtschaftsredaktor bei Neue Zürcher Zeitung AG

Über den Interviewten

Prof. Dr. Hans A. Wütherich ist Managementforscher | Musterbrecher | Coach für Führungskräfte und Führungsgremien

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

08 Oktober 2021

Besser führen dank weniger Wissen: Wenn Führungskräfte untereinander die Jobs tauschen, tritt oft Wunderliches zutage

Posted in Führung, Leadership

Besser führen dank weniger Wissen: Wenn Führungskräfte untereinander die Jobs tauschen, tritt oft Wunderliches zutage

Wissen ist Macht, heisst es. Oft wird zudem postuliert, dass fundiertes Fachwissen unabdingbar sei für gute Führung. Wenn Führungskräfte untereinander die Jobs austauschen, zeigt sich aber das Gegenteil: Die Führung wird besser, weil man wenig Wissen über den neuen Job hat.

Einmal in eine andere Haut schlüpfen, etwas ganz anderes tun. Der Wunsch ist weit verbreitet. Und der Arbeitsmarkt hat längst reagiert auf das Bedürfnis. So ist es gang und gäbe, dass Mitarbeiter kurzzeitig die Abteilung wechseln, um neue Eindrücke zu gewinnen oder einer drohenden Monotonie vorzubeugen. Das nennt sich Job-Rotation und dient Unternehmen nicht zuletzt dazu, für mehr Verständnis zwischen den Firmenbereichen zu sorgen.

In voller Verantwortung

Selten erfolgt eine solche Job-Rotation aber auf oberster Führungsebene, also in der Geschäftsleitung. Die obersten Chefs von ihren Posten abzuziehen, erscheint als zu riskant. Eine Ausnahme ist die Eidgenössische Zollverwaltung. Dort häufte sich vor einigen Jahren die Kritik der Aussenstellen: Die Berner Zentrale stemme sich gegen Veränderungen und sei in Silodenken gefangen, hiess es etwa. Auch über Doppelspurigkeiten und allzu komplexe Prozesse wurde geklagt.

Martin Weissleder war damals Ausbildungschef der Zollverwaltung. Und er wollte auf den Unmut der Front reagieren. Weissleder – heute als Personalchef bei Publica, der Pensionskasse des Bundes, tätig – überraschte die Oberzolldirektion mit der Idee eines Führungsrollentauschs. Der Plan: Jedes Mitglied der Geschäftsleitung tauscht seinen Posten für eine begrenzte Zeit mit einem Kollegen. «Bien vu» nannte sich das Projekt; man wollte genau hinschauen.

Die Geschäftsleitung war zunächst wenig begeistert. Einwände gab es zahlreiche. Befürchtet wurde etwa ein organisatorisches Durcheinander oder fehlendes Verständnis externer Partner. Doch der Direktor sah dies anders. Er stand hinter der Idee. Mit Zwang wollte er den geplanten Perspektivenwechsel jedoch nicht durchsetzen, sondern setzte auf Freiwilligkeit. Sanften Druck gab es dennoch. Schliesslich waren acht von elf Geschäftsleitungsmitgliedern bereit, beim Versuch mitzumachen.

Anders als bei gewöhnlichen Job-Rotationen, bei denen die Hospitanten oft nur mitlaufen und zuschauen, übernahmen die Führungskräfte in der neuen Funktion von Anfang an die volle Führungsverantwortung. Ein Beispiel: Der Zolldirektor von Basel, der seinen Posten mit dem Chef des Rechtsdienstes tauschte, war plötzlich verantwortlich für die Korrektheit juristischer Weisungen. Und der bisherige Rechtsschef merkte an seinem Arbeitsplatz in Basel, dass es etwas völlig anderes ist, eine Weisung zu erlassen, als diese konkret an der Front umsetzen.

Chefs werden durchsichtig

«Ein solcher Rollentausch setzt ein grosses Vertrauensverhältnis voraus», sagt Weissleder. Man übergibt sein Pult mit allen Schlüsseln, Schubladen und Dossiers an den Kollegen oder die Kollegin. «Dadurch wird man durchsichtig.» Der Kollege erfährt, mit welchen Dingen man den ganzen Tag beschäftigt ist. Und er merkt auch, ob diese Aufgaben tatsächlich so zeitintensiv und anstrengend sind, wie dies jeweils in den Geschäftsleitungssitzungen dargelegt wird.

«Bien vu» dauerte rund sechs Wochen. Kam es in dieser Zeit zum befürchteten Chaos? Nein, sagt Weissleder. «Wenn der Chef einige Wochen in den Ferien ist, geht die Welt ja auch nicht unter.» Eine wichtige Veränderung gab es dennoch: Die Stellvertreter wurden aufgewertet. Sie mussten das Fachwissen sicherstellen und übernahmen eine zentrale Rolle. Der ursprüngliche Plan, dass sich die obersten Chefs mit ihren Tauschpartnern etwa zwei Mal pro Woche austauschen, wurde hingegen nur selten in Anspruch genommen.

In der Zollverwaltung dürften die wenigsten der über 4000 Mitarbeiter den Rollentausch in ihrer täglichen Arbeit unmittelbar gespürt haben. Etwas anders war die Sache in den führungsnahen Positionen, etwa in den Stäben. «Die Sitzungen liefen anders ab», erinnert sich Weissleder. «Die Chefs, die wenig Fachwissen zum neuen Zuständigkeitsgebiet mitbrachten, waren auf das Feedback der Kaderangestellten angewiesen. Es ent­stand eine ganz neue Form von Kommunikation, die als sehr positiv wahrgenommen wurde.»

Wirksam gegen Mikromanagement

Die Einschätzung deckt sich mit der Erfahrung von Hans Wüthrich. Der emeritierte Professor für Internationales Management (Universität der Bundeswehr München) hat diverse Führungsrollentausche untersucht. Er erkennt gerade im fehlenden Fachwissen der temporären Stelleninhaber einen zentralen Mehrwert solcher Experimente. Denn die fehlende Fachlichkeit führe dazu, dass nicht länger eine Führung durch Wissensvorsprung möglich sei. «Die rotierenden Manager sind gezwungen, über Fragen statt Antworten zu führen.»

Eine solche Führung verhindert laut Wüthrich ein gefährliches Abdriften ins Mikromanagement, zumal den betroffenen Stelleninhabern das dafür nötige Detailwissen fehlt. «Die Führungskräfte können sich auf andere Aufgaben konzentrieren. Statt der Arbeit im System rückt die Arbeit am System in den Fokus.» Gemeint ist die Gestaltung eines inspirierenden Umfeldes, in dem Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten und kollektive Intelligenz nutzbar gemacht wird. «Das geht auch ohne Fachlichkeit.»

Eine Frage stellt sich indes: Wird die Inkompetenz der Chefs nicht ausgenutzt von den Mitarbeitern? Wüthrich verneint. «Mit ihrem Nichtwissen machen sich die rotierenden Führungskräfte maximal verletzlich. Und Verletzlichkeit provoziert Vertrauen.» Denn die Führungskräfte müssten ihren Direktunterstellten vollkommen vertrauen, da sie deren Tun fachlich kaum beurteilen könnten. «Die Unterstellten werden also ermächtigt, sie übernehmen zusätzliche Aufgaben und zeigen ein höheres Engagement.»

Ständiges Nachfragen

Monika Huber von der Caritas München pflichtet bei. Die langjährige Kommunikationschefin übernahm unlängst im Rahmen eines sechswöchigen Führungsrollentauschs die Verantwortung für die Abteilung «Entgelte und Zuschüsse». In ihrer neuen Funktion, die mit komplexen Regularien, Kontrollen und Terminen verbunden war, sei sie nie in Versuchung geraten, auf fachliche Details zu achten. «Ich musste voll darauf vertrauen, dass die neuen Kolleginnen und Kollegen ihre Aufgaben ordentlich erledigen.»

Auch bei der Caritas stiess das Experiment anfänglich nicht nur auf Sympathien. Von 25 möglichen Teilnehmern waren nur 6 bereit, am Rollentausch mitzumachen, was unter dem Zielwert lag. Ein Workshop bereitete auf die neue Aufgabe vor, es wurden Regeln definiert, und im Unterschied zur Eidgenössischen Zollverwaltung, wo der administrative Projektaufwand minim gehalten wurde, unterzeichneten die Teilnehmer spezielle Verträge, welche die neuen Verantwortlichkeiten festhielten.

Ziel des Austausches bei Caritas war in erster Linie, mehr Verständnis für die Aufgaben und Herausforderungen anderer Bereiche zu entwickeln. «Nach dem Projekt verstand ich weit besser, wie unsere Organisation finanziert wird und wie viel Bürokratie und Aufwand damit verbunden sind», sagt Huber. Das Lernen erfolgte durch ständiges Nachfragen: Was sind die wichtigsten Knackpunkte, wo liegen die grössten Probleme? «Ein kleinteiliges Agieren war in dieser kurzen Zeit gar nicht möglich.»

Hat der Rollentausch nach Projektende zu Veränderungen geführt? Organisatorisch habe sich bei der Caritas nichts verändert, sagt Huber – «obschon ich durchaus Ideen hatte, was man in der anderen Abteilung hätte anpassen können». Nach Projektende fortgesetzt wurde aber die enge Kooperation zwischen den ehemaligen Tandempartnern. «Und als ich in meinen alten Job zurückkehrte, nahm ich mich fachlich stärker zurück als zuvor. Immerhin hatte das Team in den sechs Wochen ohne mich ja alles bestens gemeistert.»

Drohender Gummibandeffekt

Anders lagen die Dinge bei der Zollverwaltung. Dort führte das Experiment zu einer tiefgreifenden Reorganisation. Die Arbeitsprozesse wurden neu definiert, Verantwortlichkeiten in andere Bereiche verschoben. Und eine Betriebsabteilung, die zuvor viel Macht konzentrierte und bei Projekten als Nadelöhr wahrgenommen wurde, wurde völlig neu organisiert. «Der Umbau zielte auf flachere Hierarchien. Der Rollentausch agierte dabei als Türöffner», sagt Weissleder.

Grundlage der Reorganisation waren die Journale, welche die Teilnehmer während des Rollentauschs zu führen hatten. Darin konzentrierten sie sich auf die Prozesse, Schnittstellen und Strukturen. Zwar war anfänglich offen, ob das Experiment zu einer Reorganisation führen würde, sagt Weissleder. Doch der Perspektivenwechsel zeigte die Notwendigkeit einer Reform. «Und weil das jeder hautnah erlebte, wurde der Umbau von der Geschäftsleitung auch nicht als aufgedrückt wahrgenommen.»

Die Nachbereitung eines solchen Projekts sei mindestens so wichtig wie das eigentliche Experiment, sagt Weissleder. «Sonst kommt es zum Gummibandeffekt.» Gemeint ist: Das Band wird während des Experiments stark in die Länge gezogen, zieht sich aber sogleich auf das alte Mass zurück, sobald die Übung beendet worden ist. Das gelte es zu verhindern. Ziel sei ja nicht, für kurze Zeit ein lustiges Führungsspiel zu veranstalten, sondern die Organisation nachhaltig weiterzuentwickeln.

Die Organisation als Resonanzkörper

Doch eignen sich Führungsrollentausche für alle Organisationen? Wüthrich, der Managementforscher, relativiert. Notwendig sei das Vorhandensein einer zweiten Führungsebene, die das Fachwissen bereitstelle. Was es zudem brauche, sei Vertrauen in ergebnisoffene Experimente. Doch leider, so seine Erfahrung, seien Experimente im betrieblichen Alltag oft negativ belegt. Der Einwand: Wer experimentiere, kenne die Antworten nicht, gehe Risiken ein, handle unprofessionell.

Wüthrich widerspricht: «Das Experiment stellt Fragen an die Organisation und nutzt diese als Resonanzkörper.» Auch beim Führungsrollentausch, der oft kontraintuitive Zufallsentdeckungen provoziere. Zu diesen Entdeckungen kann gehören, dass Fachwissen auf dem Weg zu wirksamer Führung eher ein Malus statt Bonus ist. Wüthrich spricht vom «Mehrwert fachlicher Inkompetenz». Dass diese Idee in Chefetagen bisweilen irritiert, überrascht kaum. Wer lobt sich schon gern in seiner Eigenschaft, besonders inkompetent zu sein?

Über den Autor

Thomas Fusster ist Wirtschaftsredaktor bei Neue Zürcher Zeitung AG

Quelle: NZZ - Neue Zürcher Zeitung

30 Juli 2021

Die „sieben Wertewelten“ – oder warum Purpose und New Work für den Führungsnachwuchs zählen

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Artikel von Univ.-Prof. Dr. Jürgen Weibler

Die „sieben Wertewelten“ – oder warum Purpose und New Work für den Führungsnachwuchs zählen

Werte beeinflussen Verhalten (mit). Über Generationen mit neuen Wertemustern wird deshalb auch im Management diskutiert (Stichwort: Generation Z). Wir warnen hier vor unbedachten Verkürzungen und zeigen anschaulich, mit welchen (sieben) „Wertewelten“ Führungskräfte konfrontiert werden und worin die erstaunliche Gemeinsamkeit dieser divergenten Welten liegt.

Die Arbeitswelten des 21. Jahrhundert sind im Umbruch. Technologische Neuerungen revolutionieren die Art und Weise, wie Organisationen wirtschaften und wie wir in ihnen arbeiten. Der Transformationsdruck durch die Digitalisierung ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Daneben sehen wir allerdings auch wertebezogene Veränderungsdynamiken, die arbeitsbezogene Werte und Einstellungen einbeziehen. Leadership Insiders erläutert studiengestützt, dass es sich bei dem, was wir beispielsweise unter der Generation Y oder Z verstehen, zwar um Vereinfachungen handelt, die den tatsächlichen Wertpluralismus in der Arbeitswelt verdecken, aber dennoch von großer Relevanz für das Management und die handelnden Führungskräfte sind.

Umbruch durch Wertedynamiken

Arbeitsbezogene Werte und Einstellungen sind einerseits Ausfluss gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, andererseits Treiber von Führung und Zusammenarbeit in zukünftigen Arbeitswelten. Nicht alles verändert sich im Laufe der Zeit, einiges aber durchaus und davon wiederum einiges mit disruptiver Kraft.

 

Quelle - den vollständigen Artikel können Sie weiterlesen unter Leadership-Insider.de

09 Juli 2021

Was ist eine agile Organisation?

Posted in Führung, Leadership

Unternehmenskultur

Was ist eine agile Organisation?

Agile Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine offene Unternehmenskultur pflegen und viel Wert auf Selbstverantwortung, Kommunikation und Austausch legen. Was sind die besonderen Merkmale und Methoden dieser neuen Form der Zusammenarbeit?

Ein Unternehmen ist agil, wenn es agile Ansätze verfolgt und gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umsetzt.

Selbstorganisation statt Anweisung

Aus klassischer Führungssicht ist Selbstorganisation zunächst einmal ein Maximum an Delegation. Die Delegation wird über bestimmte Tools, wie zum Beispiel „Delegation Poker“, laufend neu ausgehandelt. Die Führung wird temporär von unterschiedlichen Teammitgliedern übernommen. Das Konzept, das dem zugrunde liegt, lautet gewissermaßen „Führung on demand“.

In der Unternehmenspraxis heißt das für die Führungskräfte: Aus Kontrolle wird Dienen. Aufgabe der Führungskräfte ist also die Unterstützung der operativ Arbeitenden, die ja am Ende die Leistung erbringen. Gerade das mittlere Management tut sich damit schwer.

Bei einer ausgeprägten Selbstorganisation hat die Hierarchie als bestimmende Organisationsform, die sich im Organigramm als Pyramide zeigt, ausgedient. Gefragt ist eine von unten gestützte breite Plattform, auf der die Mitarbeitenden für das Unternehmen und auch im Sinne der Unternehmensziele erfolgreich sein können. Vorgesetzte sind nicht mehr für die Einteilung der Arbeit zuständig. In einer agilen Organisation regelt das jeder selbst in Abstimmung mit dem Team, und zwar nach inhaltlichen und motivationalen Gesichtspunkten. Viele Dinge werden transparenter und Herrschaftswissen nimmt ab.

Agile Werte

Agile Werte sind zum Beispiel Commitment, Fokus, Offenheit und Mut. Diese Werte müssen in der Praxis von jedem Team gelebt werden. Gemeinsame agile Werte sind oft der Startpunkt agiler Transitionsprozesse. Ihre Bedeutung für den Erfolg eines solchen Prozesses wird in der Praxis oft unterschätzt.

Für die Unternehmenspraxis bedeutet etwa Commitment: Jeder, der eine Aufgabe übernimmt, soll alles daran setzen, sie in der vorgegebenen Zeit auch zu bewältigen. Er sollte die Offenheit und den Mut haben, jederzeit darauf hinzuweisen, dass Hilfe nötig ist oder dass es eine neue Herangehensweise braucht, um das Ziel zu erreichen. Aber nicht jeder kann mit solch einem Druck umgehen. Insbesondere introvertierte oder wenig leistungsmotivierte Mitarbeiter sind schnell überfordert, wenn es darum geht, hartnäckig an der gemeinsamen Zielerreichung zu arbeiten.

Agile Unternehmen leben eine zum Teil schonungslose Offenheit. Wer sich nicht für seine Ziele einsetzt, wird es schwer haben, mit dem Team zu wachsen. Da braucht es dann wieder Mut und viel Feedback – ebenfalls agile Werte –, um solche Dysfunktionalitäten im Team offen anzusprechen und gemeinsam für Abhilfe zu sorgen.

Agile und flexible Arbeitsmethoden

Agile Arbeitsmethoden, agile Frameworks oder Methodenwelten sorgen für Beschleunigung. Sie dienen dazu, Prozesse und Zusammenhänge schneller abzubilden, schneller in die Rückkopplung mit den internen oder externen Kunden zu gehen, schneller Prototypen zu erstellen, um in kurzer Zeit das beste und nützlichste Produkt zu bekommen. Scrum, Kanban, Design Thinking und Lean-Startup sind dabei nur Stichworte, hinter denen sich eine ganze Reihe von weiteren methodischen Ansätzen und Denkhaltungen verbirgt.

Für die Unternehmenspraxis bedeutet das, es gibt keine langjährigen Planungszyklen nach der Wasserfallmethode, bei der immer erst eine Phase abgeschlossen werden muss, um den nächsten Schritt zu machen. Merkmal für agile Methoden sind schnelle Entwürfe mit vielen Feedbackschleifen, die sich nicht abstrakt auf einer Konzeptebene abspielen, sondern auch gleich zum Ausprobieren animieren. Dies gilt auch schon für das Frühstadium einer Idee.

Bei agilen Arbeitsmethoden geht Effektivität vor Perfektionismus. Entwürfe werden früher zur Diskussion gestellt. Alle dürfen sich daran beteiligen. Dinge werden so seltener vergessen und krasse Denkfehler vermieden. Zudem gewinnen Visualisierungstechniken an Bedeutung. Sie sind nicht mehr nur „nice to have“, sondern essenziell für gute Ergebnisse im Team.

Agile Meeting-Formate

Das Daily-Stand-up-Meeting ist ein wesentliches Format agiler Organisationen. Das Meeting wird im Stehen abgehalten und sollte höchstens 15 Minuten dauern. Im Kontext von Scrum wird es auch „Daily Scrum“ genannt. Das Daily-Stand-up-Meeting ist keine Attitüde agiler Projekte, sondern eine wichtige Keimzelle zur Selbststeuerung des Teams. Jeder spricht vom Stand der eigenen Arbeit und über das, was hinderlich ist.

Für die Unternehmenspraxis heißt das: In einer agilen Organisation werden täglich Stand-up-Meetings durchgeführt. Niemand kann sich mehr hinter seinem Schreibtisch verkriechen. Arbeitspakete werden fertiggestellt, neu gefasst und verschiedene Absprachen und Unterstützungsangebote „fliegen“ in nur 15 Minuten durch den Raum. Darüber hinaus werden die Teammitglieder über agile Meeting-Formate, wie etwa Instant Open Space oder Lean Coffee auch bei Fragen eingebunden, die das Selbstverständnis und die künftige Ausrichtung betreffen.

In der Praxis gibt es viele Freiräume für die Gestaltung von Meetings. Zwar sind bestimmte Rituale wie das Daily-Stand-up oder regelmäßig nach einzelnen Sprints terminierte Retrospektiven obligatorisch. Darüber hinaus gibt es aber einen hohen Freiheitsgrad für Experimente. Zum Beispiel die Bereitschaft, sich radikal auf die Kundenperspektive einzulassen und diese mithilfe von Prototypen real zu testen (Design Thinking). Auch das Überprüfen von Hypothesen mit realen Kunden (Lean Start-up) ist jederzeit möglich.

Unternehmenskultur für agiles Denken und Handeln

Eine agile Organisation setzt eine passende Unternehmenskultur voraus, sonst gerät die Nutzung agiler Ansätze zur Farce. Für die Unternehmenspraxis bedeutet das: Die Kontroll- und Politikinstrumente treten in den Hintergrund. Transparenz und eine offene Diskussionskultur prägen die Organisation. Formate wie Retrospektiven werden regelmäßig eingesetzt, um die Prämissen der Zusammenarbeit im Team immer wieder neu zu hinterfragen und bei Bedarf zu überarbeiten.

Vornehme Zurückhaltung ist kontraproduktiv, da essenzielle Punkte so nicht auf den Tisch kommen. Auch der für agile Unternehmen wichtige Austausch von informellem Wissen wird sehr stark durch die Unternehmenskultur vorgegeben. Die Teamkultur, die Zusammenarbeit im Team und der Prozess der Teamentwicklung selbst stehen ganz vorne im Rampenlicht und werden immer wieder gezielt verbessert.

Eine Unternehmenskultur, die agiles Denken und Handeln erlaubt, stellt den Raum zur Selbstorganisation bereit. Die Teams werden in ihrem Wachstum unterstützt. Führung orientiert sich beispielsweise an den Begriffen „Enable“ und „Empowerment“. Eine agile Unternehmenskultur versteht unterschiedliche Auffassungen als Bereicherung.

Teams mit einer wenig ausgeprägten Diskussionskultur oder mit offenen Konfliktlinien erhalten zusätzliche Unterstützung, etwa durch eine Moderation. In einer agilen Organisation werden unterschiedliche Sichtweisen offen diskutiert, vorgestanzte Meinungsschablonen und taktisch veranlasste Winkelzüge sind seltener.

Geringe interpersonale Distanz mit intensiver Kommunikation

Mitglieder in agilen Teams kommunizieren idealerweise direkt miteinander in entsprechend flexibel nutzbaren Räumen. Ein fixes, tägliches Daily-Stand-up-Meeting ist unumgänglich, um die Kommunikation untereinander zu verbessern. Jeder muss jederzeit wissen, was auf der Agenda steht, um dies dann wiederum bei den eigenen Arbeitspaketen berücksichtigen zu können.

Für die Unternehmenspraxis bedeutet das: Unternehmen, die stark auf Homeoffice oder virtuelle Teams setzen, tun sich bei agilen Methoden erst einmal schwer. Trotzdem kann auch in agilen Teams eine virtuelle Kommunikation recht gut funktionieren, wie etwa das Zuschalten von Teammitgliedern beim Daily-Stand-up-Meeting. In agilen Organisationen wird auch die Kultur, sich zu duzen, nicht verordnet, sondern im Sinne einer direkten Kommunikation auf Augenhöhe gelebt.

Agile Organisationen verfügen über Rollen- und Aufgabenklarheit, klare Prioritäten sowie passende Meeting-Formate und Kommunikationsstrukturen. Meetings sind klar fokussierte Veranstaltungen, in denen die Teilnehmenden sich passgenau einbringen können. Die Teammitglieder kommen mit einer klaren Vorstellung aus den Meetings. Sie wissen danach, was ihre Aufgabe ist und wie sich ihre Arbeit in das nächste große Ziel und die nächste Etappe einfügt. Sie sind motiviert, da sie verstehen, worin ihr Beitrag für die Zielerreichung liegt.

Über den Autor

Valentin Nowotny ist Geschäftsführer von NowConcept Perfect Training Results Worldwide, einem international ausgerichteten Trainings- und Beratungsunternehmen. Er ist spezialisiert auf das Coaching von agilen Teams, Trainings und Workshops zu den Themen Leadership, Verhandlung und Kommunikation im Team sowie auf die Einführung neuer agiler Methoden in Unternehmen. Nowotny arbeitet für namhafte deutsche DAX- und M-Dax-Unternehmen.

Quelle: business-wissen.de

18 Juni 2021

"Neue Führung bedeutet, Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten"

Posted in Führung, Leadership

Bodo Janssen im Interview

Von heute auf morgen mussten die Hotels der Upstalsboom-Kette in den Lockdown gehen. Dennoch zieht Hotelier Bodo Janssen in seinem neuen Buch eine positive Bilanz: Jetzt bewähre sich, worauf in seinem Unternehmen seit zehn Jahren hingearbeitet wurde. Im Interview spricht er über neue Aspekte der Führung.

Haufe Online Redaktion: Herr Janssen, in Ihrem Buch schreiben Sie: "Krisen sind genauso unbequem wie wertvoll. Denn wir sind beweglicher und selbstbewusster geworden und gestärkt daraus hervorgegangen." Welche Einsichten haben Sie während der Coronapandemie gewonnen?

Bodo Janssen: Die zentrale Erkenntnis war, dass mein persönlicher Entwicklungsstand in Wirklichkeit sehr weit entfernt davon ist wie ich glaubte. Ich habe mich vorher intensiv mit der menschlichen Entwicklung beschäftigt. In der Pandemie habe ich erfahren, dass Themen, von denen ich glaubte, ich hätte sie für mich schon geklärt, wieder hochkommen. Das zeigt, dass es in der persönlichen Entwicklung nicht nur darum geht, etwas zu erreichen, sondern auch darum, den Entwicklungsstand zu halten. Eine andere Erkenntnis war, dass das, worauf wir zehn Jahre lang im Unternehmen hingearbeitet haben, sich in dieser schwierigen Zeit positiv ausgewirkt hat. Wir alle standen vor einer völlig neuen Situation. Als ich dann erleben durfte, dass die Mitarbeitenden voller Vertrauen waren und bereit, Verantwortung zu übernehmen, war ich extrem dankbar dafür. Es gab durchaus einige Menschen, die uns als "Schönwetterpiloten" bezeichnet haben oder unsere Art der Unternehmensführung "Sozialromantik" genannt haben. Aber wir haben gesehen, dass wir Persönlichkeiten haben, die resilient sind und verstehen, mit schwierigen Situationen umzugehen.

Haufe Online Redaktion: Was können Sie daraus für Führungskräfte und Personalmanager ableiten?

Janssen: Ich glaube, der Führungsanspruch entwickelt sich weiter. Im Kontext von New Work sprechen viele Menschen über Methoden. Diese waren sicherlich richtig, um in normalen Zeiten miteinander zu arbeiten. Aber in einer solchen Herausforderung, wie wir sie in den vergangenen Monaten erlebt haben, interessiert es die Mitarbeitenden herzlich wenig, ob wir einen Tischkicker haben oder ob wir agil arbeiten, sondern sie brauchen Unterstützung, wie sie mit dieser Situation umgehen können. Das ist für mich ein neuer Teil der Führung: Menschen darauf vorzubereiten, schwierige Situationen meistern zu können. Denn ich glaube, dass die Anzahl der schwierigen Situationen in Zukunft eher zu- als abnimmt.

New Leadership: Führung in die Eigenverantwortung

Haufe Online Redaktion: Im Buch beschreiben Sie eine neue Führung, bei der es nicht nur um das Gestalten neuer Methoden oder eines attraktiven Arbeitsumfelds geht, sondern auch darum, Menschen aus der Abhängigkeit eines Unternehmens heraus in die Eigenverantwortung zu führen. Sehen Sie es als Aufgabe der Führungskraft an, den Mitarbeitenden zu helfen, eine Arbeit zu finden, in der sie ihre eigenen Wünsche, Hoffnungen und Begabungen ausleben können?

Janssen: Es ist die Frage, welchen Anspruch ich an die Wirksamkeit meines Unternehmens habe. Ich kann natürlich sagen: "Das ist nicht meine Aufgabe." Aber wenn ich dann in eine Situation komme, wie wir sie in den vergangenen Monaten hatten, und die Mitarbeitenden weglaufen oder umfallen, ist mir als Unternehmer nicht geholfen. Wenn ich jedoch diese Verantwortung übernehme und etwas dafür tue, dass die Menschen gut vorbereitet sind, brauche ich mich jetzt nicht in die Reihe derjenigen einzureihen, die jammern, weil es ihnen schlecht geht. Für mich ist es immer eine Frage: Was braucht es im Moment? Ich will ein anderes Beispiel dafür geben: Wenn ich gesunde Beschäftigte brauche, kann ich natürlich als Unternehmer sagen: "Es ist nicht meine Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Mitarbeitende nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und sozial gesund sind." Aber wenn ich dann darunter leide, dass sie ausfallen, tangiert es mich sehr wohl. Wir haben uns entschieden, uns sehr stark dafür einzusetzen und deshalb liegt unsere Krankheitsquote bei unter zwei Prozent.

Haufe Online Redaktion: Wie kann Führung in die Eigenverantwortung in der Praxis umgesetzt werden? Können sie Beispiele aus Ihrem Unternehmen nennen?

Janssen: Wenn ich über Eigenverantwortung spreche, spreche ich über zwei Dinge: Vertrauen und Verantwortung. Das ist nichts, was man einfach anschalten kann. Wenn ein Team in eine Krise kommt und die Führungskraft sagt: "Jetzt müsst ihr alle vertrauen", würden die Teammitglieder lachen. Nur weil die Führungskraft das will, vertrauen sie nicht oder sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Führungskraft muss Gründe dafür liefern, dass die Mitarbeitenden vertrauen können, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Das haben wir bei uns im Unternehmen im Alltag insofern kultiviert, dass Menschen Aufgaben übernehmen können und dass sie Fehler machen dürfen. Begehen sie einen Fehler, machen sie die Erfahrung, dass das nicht schlimm ist, sondern dass sie sich dadurch weiterentwickeln können.

Bedingungsloses Interesse als Voraussetzung für Vertrauen

Haufe Online Redaktion: Welche weiteren Faktoren führen zu Vertrauen und Engagement?

Janssen: Ein weiterer Faktor ist, dass wir bedingungsloses Interesse entgegenbringen – nicht nur für Leistung, sondern insbesondere auch für den Menschen selbst und dafür, was er in seiner Freizeit macht. Ich denke an unseren Spüler Frank, dem ich seinerzeit in der Küche beim Kartoffelschälen begegnet bin. Ich interessierte mich dafür, was er macht, wenn er nicht gerade spült oder Kartoffeln schält, und erfuhr, dass er gern fotografiert. An diesem Thema bin ich drangeblieben und er hat sich zu einem Fotografen für unser Unternehmen entwickelt. Er hat eine eigene Fotoausstellung bei uns und unterstützt uns auch mit Bildern für unser Unternehmen. Wenn ich klassisch vorgegangen wäre, hätte ich gefragt: "Wie viel Geld pro Teller brauchst du mehr, damit du schneller und sauberer spülst?" Das wäre die klassische Vorgehensweise per Karotte. Stattdessen habe ich ihn ganz anders angesprochen. Er spült immer noch für uns. Aber zusätzlich übernimmt er Aufgaben, die ihm persönlich wichtig sind. Das bringt ihn stark mit uns und unserem Unternehmen in Verbindung.

"Wichtig ist, zu erkennen, dass wir keinen Einfluss darauf haben, ob Menschen sich weiterentwickeln wollen oder nicht."

Haufe Online Redaktion: Ist es möglich, alle Beschäftigte dafür zu begeistern, dass sie sich persönlich weiterentwickeln wollen? Manche sind ganz glücklich damit, acht Stunden lang Kartoffeln zu schälen und den Kopf freizuhaben für die Dinge, die ihnen nach Feierabend wichtig sind.

Janssen: Wichtig ist, zu erkennen, dass wir keinen Einfluss darauf haben, ob Menschen sich weiterentwickeln wollen oder nicht. Das steht nicht in meiner Macht. Aber ich kann Menschen dazu einladen, ermutigen oder inspirieren, in ihre Entwicklung zu investieren. Wenn sie das nicht wollen, ist das nicht schlimm. Wir brauchen auch die Menschen, die gute Arbeit für gutes Geld leisten wollen und mehr nicht. Diese ist bei uns genauso anerkannt wie diejenigen, die unser Unternehmen dafür nutzen, sich in ihrer Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Ebenfalls wichtig ist – und das erfordert ein bisschen Demut – sich einzugestehen, dass man nicht alle mitnehmen kann. Der Versuch, alle Menschen mitzunehmen gleicht dem Versuch, das stürmische Meer zu beruhigen. Das ist nicht möglich. Ich bekomme von Unternehmern häufig die Frage gestellt: "Wie kann ich alle erreichen?" Das geht nicht. Es ist wichtig, das für sich anzunehmen.

Haufe Online Redaktion: Der Titel Ihres Buchs ist "Eine Frage der Haltung". Derzeit wird viel darüber diskutiert, dass es nicht genügt, eine Haltung zu haben, sondern dass es auch darauf ankommt, zu handeln. Kommen in Ihrem Buch das Handeln und die Handlungskompetenz nicht zu kurz?

Janssen: Im Buch erzähle ich die Geschichte, wie wir täglich mit der Pandemie umgegangen sind und welche Verhaltensweisen bei allen Beteiligten dazu geführt haben, dass sie stärker aus dieser Zeit herausgekommen sind als sie hineingeraten waren. Der Titel ist "Eine Frage der Haltung". Aber mit der Haltung allein ist noch nichts gewonnen. Die Haltung ist Grundvoraussetzung für das Verhalten, das sich daraus ergibt und erschließt. Ich würde sagen, letztendlich sind in meinem Buch 90 Prozent Verhalten aufgezeigt.

Die besondere Macht der Pause

Haufe Online Redaktion: Das Buch ist sehr persönlich. Sie schildern nicht nur Ihre eigenen Erfahrungen in der Krise, sondern auch Rituale aus dem Klosterleben, auf die Sie in dieser Zeit zurückgegriffen haben, zum Beispiel "Pausen bestimmen den Tag". Inwiefern haben Ihnen diese Rituale durch die Lockdown-Zeiten geholfen?

Janssen: Das Ritual, das ich besonders schätze, ist das der Stille – der Pause und Reflexion – weil die Entwicklung eines Menschen in der Pause entsteht. Bei Sportlern wächst der Muskel nicht in dem Moment, in dem sie trainieren, sondern in den Zeiten, in denen sie pausieren. In der Pandemie hat sich die Möglichkeit intensiviert, noch strukturierter und mit mehr Pausen durch den Tag zu gehen. Für mich persönlich sind zum Beispiel die Dienstreisen weggefallen und ich konnte eine Tagesstruktur gestalten, wie ich sie sonst im Kloster gelebt habe: "Ora et labora". Wir wissen aus der Psychologie, dass dieses Abwechseln von Tätigkeit und Ruhe uns hilft, mental im Gleichgewicht zu bleiben. Dieser Zeitgewinn innerhalb der Pandemie war – bei all dem damit verbundenen Leid – ein Geschenk, das zu einer starken Entwicklung geführt hat.

Haufe Online Redaktion: Entschleunigung und Meditieren hilft enorm, sich auf die persönlichen Belange zu fokussieren und bringt einen großen Nutzen für die Weiterentwicklung der eigenen Person. Aber besteht dabei nicht die Gefahr, zu stark egozentrisch zu denken oder zu agieren?

Janssen: Zu viel von einem ist immer schlecht. Die Benediktiner sprechen vom sogenannten "discretio" – dem Einhalten des rechten Maßes. Machen wir zu viel Sport, werden wir krank. Machen wir zu wenig Sport, werden wir krank. Es geht letztendlich um ein Gleichgewicht und nicht nur darum, Selbstoptimierung zu betreiben, damit es einem selbst gut geht. In der Meditation entsteht ein Bewusstsein für das, was mich umgibt. Ein Beispiel: Gestern habe ich während der Meditation über Mitgefühl nachgedacht. Dabei erkannte ich für mich, dass Mitgefühl bedeutet, dankbar zu sein für die Chance, anderen Menschen helfen zu können. Würde ich andere unterstützen, um mich selbst gut darzustellen, wäre das kein Mitgefühl. Es ist immer eine Frage der Haltung: Mit welchem Motiv mache ich etwas? Meditiere ich nur, um mich selbst zu optimieren und nur auf mich zu schauen, oder meditiere ich, um die Fähigkeit zu entwickeln, für andere da zu sein?

"Wenn eine Person rein aus Gründen der Karriere Führungskraft werden will, wird sie keine gute Führungskraft."

Haufe Online Redaktion: Gilt das auch für das Thema Führung?

Janssen: Ja, das zeigt sich auch in der Mitarbeiterführung: Liegt mein Motiv, Menschen zu führen, darin begründet, meinen eigenen Interessen näher zu kommen? Oder ist mein Motiv ein ehrliches Interesse an der Entwicklung anderer Menschen? Wenn eine Person rein aus Gründen der Karriere Führungskraft werden will, wird sie keine gute Führungskraft. Das Motiv ist Karriere und nicht Menschen zu führen. Deshalb haben wir bei uns im Unternehmen Karriere und Führung entkoppelt. Karriere hat bei uns nichts mit Führung zu tun.

 

Zum Interviewpartner:

Bodo Janssen, heute CEO der Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH, studierte einst BWL und Sinologie und stieg im Anschluss ins elterliche Hotelunternehmen ein. Viele Krisen prägten seinen Weg, unter anderem seine achttägige Entführung im Jahr 1998 und der Flugzeugabsturz seines Vaters. Als eine Mitarbeiterbefragung vernichtende Ergebnisse brachte, beschloss er, für eineinhalb Jahre ins Kloster zu gehen. Nach dieser inneren Einkehr leitete er einen Paradigmenwechsel ein. Zusammen mit Pater Anselm Grün schrieb er das Buch "Stark in stürmischen Zeiten". Soeben erschien sein neuestes Buch "Eine Frage der Haltung".

Quelle: haufe.de

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