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14 Dezember 2018

Die Unternehmenskultur? Kennt das Unternehmen doch nicht!

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Trend: Müssen Mitarbeiter wirklich zum Unternehmen passen?

Die Unternehmenskultur? Kennt das Unternehmen doch nicht!
  • Kulturelle Passung ist wichtig für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
  • Doch viele Unternehmen kennen ihre gelebte Kultur selbst nicht
  • Nur wenn sie gnadenlos ehrlich kommunizieren, werden sie Kandidaten gewinnen

Nicht ohne Grund ist für fast alle Arbeitnehmer die Unternehmenskultur von größter Bedeutung. Wenn etwas mit der Arbeitsatmosphäre, den Kollegen, dem Chef oder der Art der Zusammenarbeit nicht klappt, werden wir unglücklich oder sogar krank. Auch der Arbeitgeber hat ein starkes Interesse daran, dass die Mitarbeiter sich in der Unternehmenskultur ausreichend wohlfühlen: Nur so können sie nachhaltig gute Leistungen bringen und bleiben dem Unternehmen erhalten.

Die gelebte Unternehmenskultur, das unbekannte Wesen

Umso erstaunlicher ist es, wie hemdsärmelig und wie spät im Bewerbungsprozess viele Unternehmen das Thema Kultur angehen. Häufig wird die Unternehmenskultur nur anekdotisch und beiläufig im Interview angesprochen. Und auf der Webseite der Unternehmen findet man viel zu oft nichtssagende Marketingsprechblasen ohne jede Glaubwürdigkeit. Viele Personalabteilungen tun sich außerdem schwer damit, eine authentische Beschreibung ihrer Unternehmenskultur zu formulieren.

Das Bewusstsein für die Bedeutung der Unternehmenskultur hat in letzter Zeit jedoch spürbar zugenommen. Es scheint auf Unternehmensseite das Bedürfnis zu geben, das Thema aktiver anzugehen. Deswegen wird auch zunehmend über Cultural Fit, die kulturelle Passung von Bewerbern zum Unternehmen, gesprochen. Der erste Impuls vieler Recruiter auf dieses verstärkte Interesse ist häufig, Bewerber gründlicher zu durchleuchten, um ihre Persönlichkeit zu verstehen. Doch die Vermessung von Bewerbern nach Cultural Fit bringt nichts, wenn niemand die wirkliche, gelebte Unternehmenskultur kennt, für die ein Fit gesucht wird. Wenn die kulturellen Präferenzen des Bewerbers der Schlüssel sind, dann ist es die erste Aufgabe des Unternehmens, das Schloss, das heißt die eigene Kultur, verstanden zu haben.

Unternehmen bewerben sich bei Talenten, nicht umgekehrt

Und überhaupt: Wir sollten den Blick vom Kandidaten wegbewegen und auf die Unternehmen richten. Talente sind rar und können sich aussuchen, bei wem sie arbeiten wollen. Und aufgrund des demografischen Wandels verstärkt sich der Wettbewerb unter Arbeitgebern um Berufsanfänger der Generation Z. Der Arbeitsmarkt wird immer mehr zum Arbeitnehmermarkt, de facto bewerben sich heute also Unternehmen bei Talenten (der Generation Z), nicht umgekehrt.

Da die Toparbeitgebermarken in den meisten Leistungsdimensionen (zum Beispiel Standort, Vergütung, Reputation et cetera) in der Regel besser abschneiden, sollte die große Mehrheit der restlichen Unternehmen ihre Unternehmenskultur als Chance zur Differenzierung verstehen. Es ist übrigens langfristig auch ihre einzige. Schon Howard Schultz, der Gründer von Starbucks, stellte fest, dass einzig die Unternehmenskultur das Potenzial zum nachhaltig differenzierenden Wettbewerbsvorteil hat.

Mitarbeiter sagen lassen, wie es wirklich ist

Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmen ihre Kultur glaubwürdig und überzeugend darstellen. Das schließt auch den Mut ein, die eigenen Ecken und Kanten zu zeigen. Neue Mitarbeiter werden diese sowieso schnell herausbekommen – und wenn es dann nicht passt, hat man als Unternehmen für unnötige Enttäuschungen, Kosten und schlechte Reputation gesorgt. Die Gefahr, dass ein solches falsches Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt, nimmt zu, denn durch das Internet leben wir immer mehr in einer Empfehlungs- und Bewertungsgesellschaft – und der Trend zur Transparenz wird sich auf absehbare Zeit fortsetzen.

Unternehmen können diese Entwicklung entweder als Bedrohung empfinden oder aber als Chance, um die öffentliche Wahrnehmung ihres Unternehmens aktiv aus einer Haltung der Stärke heraus zu gestalten. Die eigenen Mitarbeiter wissen am besten, welche Kultur in ihrem Unternehmen gelebt wird. Daher sollte man sie auch zu Wort kommen und für ihr Unternehmen sprechen lassen. Es bietet sich also an, mittels Mitarbeiterbefragungen eine regelmäßige Kulturanalyse zu erstellen und deren Ergebnisse als Grundlage zu verwenden, um die eigene Unternehmenskultur so ehrlich und glaubwürdig wie möglich darzustellen. Die Ergebnisse – gut präsentiert und aufbereitet – eignen sich auch zur Veröffentlichung. So ist es dann möglich, über authentisches Employerbranding mehr Kandidaten mit der eigenen Kultur zu begeistern und im persönlichen Gespräch auf Augenhöhe gemeinsam herauszufinden, ob eine kulturelle Passung gegeben ist.

Denkt man diese Idee konsequent zu Ende, könnte man klassische jährliche Mitarbeiterbefragungen, die bislang vor allem intern orientiert sind, auch kontinuierlich für die externe Kommunikation einsetzen. So ließe sich eine Transparenz herstellen über die eigene Unternehmenskultur, die zu jeder Zeit stimmig nach innen und außen wirkt. Nur so können Unternehmen künftig sicherstellen, dass sie neue Talente nicht nur für sich einnehmen, sondern auch dauerhaft halten können. Das ist Cultural Fit, wie sie sein sollte.

 

Über den Autor

Timm Richter ist Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter, Neo Culture. Bis zum Sommer 2018 leitete er als Produktvorstand die Geschicke der XING SE. Der Diplom-Mathematiker, der einen MBA von der MIT Sloan School of Management hat, begann seine Karriere bei McKinsey und wechselte nach mehreren Jahren in verschiedenen Positionen bei Tchibo als Geschäftsführer in die Reisebranche. Bei XING war er mehr als fünf Jahre tätig.

Quelle: Xing - Klartext

07 Dezember 2018

Warum Cultural Fit die digitale Transformation verhindert?

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Trend: Müssen Mitarbeiter wirklich zum Unternehmen passen?

Warum Cultural Fit die digitale Transformation verhindert?
  • Zahlreiche Unternehmenskulturen sind in Wahrheit Monokulturen
  • Kulturell gleichgeschaltete Mitarbeiter bremsen kreative Querköpfe aus
  • Die besten Teams sind nicht homogen, sondern divers und konfliktbereit

Die meisten Unternehmen möchten sich verändern. Sie wollen agiler, innovativer, schneller werden, der Digitalisierung standhalten und Zukunft gestalten. Das geht nicht, wenn man weiter mehr vom Gleichen einstellt und sich auf Erfolgsrezepte von gestern beruft. Der Cultural-Fit-Gedanke beruht aber genau darauf. Er schafft Stabilität, wo Bewegung gefragt ist.

Wenn Teams sich untereinander streiten, ist das oft produktiver

Die besten Teams sind heterogen, divers und konfliktbereit. Wenn Menschen zusammen produktiv sind, die privat nicht mal ein Bier zusammen trinken würden, kann viel mehr entstehen als bei harmonischem Geplänkel. Es vergrößern sich Blickwinkel, und unterschiedliche Perspektiven erzeugen Reibung. Klar, dass diese sich nicht automatisch in Wärme verwandelt, sondern es dazu viel Team- und Persönlichkeitsentwicklung braucht. Notwendig ist auch ein anderes Bewusstsein für das, was Organisationen weiterbringt, anstatt ihren Bestand zu verwalten. Neues bringt nicht die Anpassung an ein System, sondern die Fähigkeit, Impulse für dessen Transformation zu setzen.

Unternehmen bieten keinen guten Rahmen für psychologische Diversität

Aber leicht ist das nicht. In der Praxis zermalmen kulturell gleichgeschaltete Mitarbeiter jene mit anderem „Drive“, wenn diese sich nicht schon schnell selbst verabschieden. Das liegt daran, dass Unternehmen keinen guten Rahmen für Diversität schaffen oder diese einseitig im Sinne der Gender- und Ethnofrage oder in Bezug auf die sexuelle Orientierung interpretieren. Doch es geht vor allem um psychologische Diversität.

Nehmen wir ein Beispiel das Bankenumfeld. Das zog in der Vergangenheit häufiger sicherheitsorientierte Konvergentdenker an und eher weniger die mutigen Divergentcharaktere. Doch beide zusammen könnten viel mehr bewegen. Es gibt dabei nur eine klitzekleine Hürde: Sie müssen sich auch gegenseitig wertschätzen. Das verlangt Respekt, den reflektierte Persönlichkeiten viel eher mitbringen als unreflektierte – was die Richtung anzeigt, in die Maßnahmen in der Führungskräfteentwicklung gehen müssen.

Mitarbeiter müssen aus der Komfortzone raus, um Impulse zu setzen

Ich sehe, dass „Cultural Unfit“ umso schwerer fällt, je stärker eine Unternehmenskultur in Monokultur gewachsen ist. In Konzernen können Andersdenker deshalb schlechter andocken als in kleineren Unternehmen. Das hat aber eben oft auch mit der Mentalität von Mitarbeitern zu tun, die bereits lange Jahre in gleicher Position beschäftigt sind. Und mit ihren Werten, die oft auch unbewusste Handlungsimpulse setzen. Mehr noch, als von Neugier und Innovationsfreude getrieben zu sein, suchen sie die Komfortzone. Doch genau da müssen sie raus.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein kultureller Gegenpol eine ganze Firma anstiften und umkrempeln kann – wenn dieser von oben geschützt und unterstützt wird. Das ist ein wenig, als würde man einen großen Fisch ins Goldfischbecken setzen. Man muss ihm sein Überleben sichern.

 

Über die Autorin

Svenja Hofert ist Managementberaterin sowie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH
Svenja Hofert (Jg. 1965) berät zu Management- und Karrierethemen, außerdem ist sie Geschäftsführerin der Teamworks GTQ GmbH. Sie ist Autorin von mehr als 30 Büchern, unter anderem „Der agile Kulturwandel. 33 Lösungen für Veränderungen in Organisationen“ (2018, mit Claudia Thonet) und „Das agile Mindset. Mitarbeiter entwickeln, Zukunft der Arbeit gestalten“ (2018).

Quelle: Xing - Klartext