26 Februar 2021

Scheitern als Chance für Entwicklung und Wachstum

Posted in Coaching

Scheitern als Chance für Entwicklung und Wachstum

Über erlebte Niederlagen im Coaching zu sprechen, fällt vielen Führungskräften schwer. Warum ist das so? In unserer Gesellschaft hat Scheitern, das potentiell vermeidbare Fehlschläge bis zu tiefgreifenden, mitunter Existenz bedrohende Niederlagen umfasst, ein schlechtes Image. Über Scheitern wird nicht gesprochen – obwohl es genauso zum Leben gehört, wie der Erfolg. Scheitern ist peinlich, schambesetzt und die Angst vor Häme ist groß.

Folglich ist jedes Tun verbissen auf Erfolg ausgerichtet, und die Wenigsten können den Weg und die damit verbundenen Hürden zum Ziel spielerisch nehmen und Rückschläge als einen Erkenntnisgewinn und wertvollen Entwicklungsschritt sehen. Es entspricht unserer deutschen Mentalität, dass Scheitern unter allen Umständen vermieden wird; somit ist es auch keine Option. Hoffnung geben allerdings die vielen neu gegründeten Start-ups: Diese Generation hat begriffen, dass Fehler machen, scheitern dürfen und wieder aufstehen, wichtige Lernerfahrungen sein können.

"Scheitern gehört zum Leben dazu, und der Umgang damit will gelernt sein."

Mut zum Scheitern haben

Der Controller Michael Reiners (Name von der Redaktion geändert) ist vor einem Jahr zum Finanzleiter befördert worden. Im Zuge der Transformation soll er mit seinem neu formierten Team die Controlling-Prozesse digitalisieren. Anspruchsvolle Aufgaben warten auf ihn: Er muss neue MitarbeiterInnen einarbeiten und entscheiden, wer welche Projekte übernehmen kann. Konnte er früher schnell Entscheidungen treffen, schiebt er die anstehenden Themen nun vor sich her. Die Angst als Führungskraft zu scheitern und so den Erwartungen der Geschäftsleitung nicht gerecht zu werden, lähmt und macht ihn entscheidungsunfähig.

Wie dem Finanzleiter geht es vielen Führungskräften: Um ein Scheitern und eine Stigmatisierung durch das Umfeld zu umgehen, werden Risiken ausgewichen und anstehende Entscheidungen in der Abteilung bis zum Exzess geprüft und bewertet. Der stetige Versuch, Niederlagen zu vermeiden, ist aber Sisyphusarbeit und leugnet die Tatsache, dass wirklicher Erfolg erst durch Scheitern möglich wird.

Scheitern: Niederlagen als Lernchance

Beim persönlichen Umgang mit Niederlagen zeigen sich Führungsqualitäten – nämlich die Akzeptanz von Fehlern und einem möglichen Scheitern. Eine große Rolle spielt hierbei die Unternehmenskultur, die anerkennt, dass Fortschritt nur möglich ist, wenn man auch dem Scheitern Raum gibt und Misserfolge erlaubt. Oft machen Führungskräfte die Erfahrung, dass sie gebrandmarkt werden, wenn sie einen Misserfolg zum Beispiel in einem Meeting vor versammelter Mannschaft zugeben.

Mit der scheiterfähigen Kultur, die Niederlagen als Lernchance ansieht, steht und fällt, ob eine Führungskraft risiko- bzw. entscheidungsfreudig sein kann, ob anstehende Veränderungen durchgesetzt oder selbstwertschonend schleppend oder gar nicht umgesetzt werden. Diese Entscheidungsohnmacht hat eine negative Wirkung auf die MitarbeiterInnen, die sich aus ihren Ängsten heraus wegducken und keine Verantwortung übernehmen wollen oder dürfen.

Damit MitarbeiterInnen frei und kreativ agieren können, braucht es zunächst eine gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Geschehenen: Was ist warum schief gelaufen? Was haben wir nicht bedacht? Diese Fragen tragen zum Erkenntnisgewinn bei und richten den Blick auf den notwendigen Kurswechsel. Wichtig dabei: Das Scheitern bewusst zu akzeptieren, die MitarbeiterInnen in die Aufarbeitung einzubeziehen und ihre Ideen wertzuschätzen.

Gescheiterte verdienen Anerkennung

Machen Führungskräfte eine Scheiter-Erfahrung sind sie meist emotional sehr betroffen; oft stellen sie sich als Person infrage und es können Versagensängste entstehen, weil sie befürchten, den Erwartungen und Ansprüchen anderer nicht zu genügen, sie zu enttäuschen und Beziehungen zu wichtigen Menschen zu verlieren. Für die Betroffenen ist es daher wichtig, zunächst ein Selbstmitgefühl zu entwickeln und sich ihren Selbstwert bewusst zu machen.

Dass Scheitern im Leben vorkommt und Fehler menschlich sind, wissen auf der intellektuellen Ebene die meisten Menschen. Die Herausforderung ist jedoch, mit sich selbst in Berührung zu kommen und sich auch emotional von seinen Ängsten und Schuldgefühlen zu lösen. Dennoch kann man nicht immer gleich Gutes im Scheitern sehen, wenn man drinsteckt. Es muss gut verarbeitet werden – und das braucht Zeit und auch die Neugier und den Mut, sich auf sich selbst einzulassen. Die Kunst ist, sich eine aufrechte Haltung zu bewahren und sich trotz der Niederlage nicht als Versager zu fühlen.

"Wer scheitert, verdient Anerkennung, weil er gehandelt hat!"

Für gutes Scheitern: Selbstwertgefühl und Resilienz

Ein Coach als Sparringspartner kann bestärkende Impulse setzen und dabei unterstützen, den Selbstwert zu stärken. Mittels reflexiver Fragen wird im Coaching ergründet, was den Betroffenen jenseits von „idealisierten“ Leistungen und Erfolgen ausmacht. So kann er sich seinen Wert bewusst machen, und die Fixierung auf möglicherweise überzogene Ideale können nach und nach los gelassen werden. Wer ein gutes Selbstwertgefühl hat, kann sich auch eher erlauben, einen Kurs zu korrigieren, Umwege in Kauf zu nehmen oder sich von einem zu hoch gesteckten Ziel zu verabschieden. Dadurch gelingt es eher, sich von Äußerlichkeiten und Erwartungen oder vom Verhalten anderer unabhängiger zu machen.

Um mit Fehlern und Scheitern produktiv umzugehen und damit Krisen besser abfangen zu können, braucht es resiliente Führungskräfte. Außerdem einen wertschätzenden Umgang im Führungskreis mit Gescheiterten – nicht nur mit anderen, auch vor allem mit sich selbst und dass kann zu einem bedeutenden Meilenstein führen, wenn es rational und emotional verarbeitet wird.

Gescheitert zum Erfolg

 Wie Scheitererfahrungen Menschen reifer und reicher machen:

  • Bei jeder Entscheidung - sowohl beruflich als auch privat - von Anfang an anzuerkennen, dass Scheitern auch immer eine Option sein kann
  • Selbstverantwortung übernehmen! Nicht die Schuld woanders suchen und so Umfeld und Umstände für sein Scheitern verantwortlich machen. Das verhindert, dass man aus dem Misserfolg lernt
  • Nicht im blinden Aktionismus alles dafür tun, um das Scheitern ganz schnell zu überwinden. Innhalten ist angesagt! Innehalten trägt dazu bei, sich bewusst wahrzunehmen, seine Handlungsweise geduldig zu hinterfragen, um so einen nachhaltigen Kurswechsel einzuleiten
  • Sich den persönlichen Ängsten und Befürchtungen in einem Scheiter-Prozess zu stellen und um Unterstützung zu bitten, ist eine Kompetenz
  • Die Kunst liegt nicht einzig und allein in einer erfolgreichen Überwindung des Scheiterns, sondern vor allem in der Fähigkeit, dass Unfassbare und Ungewisse aushalten zu können
  • Ein wertschätzender Umgang mit sich selbst! Wer nicht achtsam mit sich nach einem Scheitern umgeht und immer nur "macht", scheitert erst recht an sich selbst

 

Über die Autorin

Als Coach, Konfliktberaterin und Persönlichkeitsentwicklerin ist Gerda Bornschier in München und überregional tätig. Ihre Schwerpunkte sind Coachings für Privatpersonen in Umbruchsituationen und in Phasen der Neuorientierung sowie Coachings für Fach- und Führungskräfte und Executives auf dem Weg in die neue Arbeitswelt.

Quelle: unternehmer.de

 

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