19 Juli 2019

Arbeiten im Home-Office bleibt die Ausnahme

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Flexibles Arbeiten

Arbeiten im Home-Office bleibt die Ausnahme

Der Anteil der Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, steigt nur langsam. Viele arbeiten nur stundenweise im Homeoffice – und oft nach Feierabend, zeigt eine Studie.

Von Tina Groll

Mehr Menschen arbeiten von zu Hause oder unterwegs, ihr Anteil steigt aber nur sehr langsam. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Demnach ist bei jedem vierten Arbeitgeber in Deutschland die Arbeit aus dem Homeoffice oder von unterwegs zumindest zeitweise möglich, aber nur jeder zehnte oder jede zehnte Beschäftigte macht davon auch Gebrauch. Schaut man sich nur die Anspruchnahme von Homeoffice-Arbeit an, ist es jede oder jeder Fünfte.

Für die Analyse wurden Daten aus dem IAB-Betriebspanels 2018 ausgewertet. Für diese Untersuchung werden bundesweit 16.000 Unternehmen aller Größen und Branchen jährlich befragt. Die Studie gilt als repräsentativ, gibt aber wenig detaillierten Aufschluss über den spezifischen Einsatz von Homeoffice-Arbeit. Daher haben die Autorinnen und Autoren diese Daten mit jenen aus weiteren Studien wie das Linked Personnel Panel (LPP) ergänzt. Für diese Analyse werden nur Unternehmen aus der Privatwirtschaft mit mehr als 50 Beschäftigten befragt.

Die Daten zeigen, dass 26 Prozent der Unternehmen mobiles Arbeiten anbieten. Das heißt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht zwingend an einen Arbeitsort gebunden. Bei 15 Prozent dieser Arbeitgeber können die Beschäftigten sowohl mal von unterwegs – etwa auf Dienstreisen – als auch tageweise von zu Hause aus arbeiten. Acht Prozent der Firmen erlauben nur das Arbeiten aus dem Homeoffice, vier Prozent hingegen nur das Arbeiten von unterwegs, aber nicht von zu Hause. Das bedeutet, dass letztlich etwas mehr als jeder zehnte Arbeitgeber zeitweilig auf Homeoffice oder mobiles Arbeiten setzt.

Die Autorinnen und Autoren machen insgesamt einen Unterschied zwischen großen und kleinen Firmen aus: Während 57 Prozent der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten Homeoffice anbieten, ist es nur jeder fünfte Betrieb mit weniger als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Heimarbeit nur stundenweise

Aber was heißt das konkret? Für die allermeisten Arbeitgeber ist Homeoffice-Arbeit nur etwas, das unregelmäßig und in Ausnahmefällen stattfindet – 19 Prozent der Betriebe bieten es ausschließlich unregelmäßig an. Zwei Prozent erlauben den Beschäftigten wenige Male im Monat diese Option, betonen aber, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger als einmal pro Woche von zu Hause aus arbeiten sollten. Und nur ein Sechstel der Firmen, die Homeoffice anbietet, erlaubt den Beschäftigten mindestens einen Tag in der Woche. Tatsächlich ist das Arbeiten von daheim sogar ein Phänomen, das eher stunden- als tageweise verbreitet ist. Die allermeisten Beschäftigten arbeiten nur wenige Stunden im Homeoffice, zeigen die Daten: 22 Prozent arbeiten ausschließlich ganze Arbeitstage im heimischen Büro, 16 Prozent haben mal einen ganzen Tag, öfter aber nur einige Stunden – 52 Prozent aber machen ohnehin nur stundenweise davon Gebrauch. Viele davon am Wochenende, am Abend oder im Urlaub, also dann, wenn sie eigentlich frei hätten. Unklar ist, ob mit dem Homeoffice auch Überstunden geleistet werden.

Erst kürzlich hatte eine Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergeben, dass Heimarbeit generell häufiger zu Überstunden insbesondere bei Eltern führt. Auch zeigt das IAB-Betriebspanel aus dem Jahr 2017, dass 44 Prozent derjenigen, die Homeoffice nutzen, außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten.

 

Anstieg von 19 auf 22 Prozent

Insgesamt steigt der Anteil der Menschen, die flexibler arbeiten können, nur auf kleinem Niveau. Machten 2013 19 Prozent der Beschäftigten davon Gebrauch, waren es 2017 22 Prozent. Neuere Daten liegen nicht vor. Dabei zeigt sich: Führungskräfte können häufiger flexibel arbeiten als normale Fachkräfte ohne Leitungsaufgaben. Aber es hängt vom Bereich ab: Während fast jede vierte Führungskraft in der Produktion zeitweilig von zu Hause arbeiten kann, sind es nur fünf Prozent der normalen Beschäftigten in diesem Bereich. Im Service und in der Verwaltung sind es 43 bzw. 23 Prozent und in Vertrieb und Marketing nutzen 59 Prozent der Führungskräfte sowie 36 Prozent der normalen Beschäftigten Homeoffice. Die Autorinnen und Autoren der Studie machen dabei aber einen interessanten Trend aus: Zugenommen hat das flexible Arbeiten von daheim vor allem auf den Positionen ohne Leitungsfunktion, bei den Führungskräften ist die Zahl der Menschen, die flexibler arbeiten, hingegen nahezu gleich geblieben.

Dennoch betonen sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte, dass das flexible Arbeiten von zu Hause aus viele Vorteile habe. Beide schätzen die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier unterscheiden sich Arbeitgeber und Mitarbeitende kaum: Während 55 Prozent der Arbeitgeber die bessere Vereinbarkeit als Vorteil nennen, sind es 52 Prozent der Beschäftigten. Aber es gibt auch Unterschiede: Während 55 Prozent der Beschäftigten sagen, durch die Heimarbeit würden sie viel Zeit sparen, weil lange Arbeitswege wegfallen, sieht nur jeder dritte Arbeitgeber dies als Vorteil. 62 Prozent von ihnen wiederum betonen, der größte Vorteil sei der flexible Einsatz der Mitarbeiter, 45 Prozent geben auch an, die Beschäftigten seien produktiver, wenn sie von zu Hause aus arbeiteten. Für jede dritte Firma spielt auch die Arbeitgeberattraktivität im Kampf um Fachkräfte eine Rolle. Und immerhin jeder zehnte Arbeitgeber gibt zu, dass man auf diese Weise Bürofläche und somit Betriebsausgaben sparen könne.

Oft liegt es am Job

Das größte Hemmnis, warum sich flexibles Arbeiten nicht stärker durchsetzt, ist aber sowohl für Arbeitgeber als auch Beschäftigte die Art der Tätigkeit, die es gar nicht zulässt. Jedes zehnte Unternehmen gibt aber auch an, dass Homeoffice deshalb nicht erlaubt werde, weil eine Kontrolle sonst nicht möglich sei. 66 Prozent der Beschäftigten, die keine Telearbeit machen können, geben als Grund dafür an, dass die Vorgesetzten auf Anwesenheit bestünden.

Für jede fünfte Firma spielt außerdem eine Rolle, dass die Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten unter der Distanz im Homeoffice leide. Das Argument nennen auch die Beschäftigten, für die es wesentlich zentraler ist. 59 Prozent sagen, die schlechtere Möglichkeit für Absprache halte sie selbst davon ab, Heimarbeit nachzufragen. Und immerhin 56 Prozent der Beschäftigten sagen, sie wollten gar kein Homeoffice machen, weil sie Beruf und Privates lieber trennen möchten.

Die Autorinnen und Autoren der Untersuchung schlussfolgern daher, dass die Anwesenheitskultur in vielen Unternehmen noch fest verankert sei. Sie stellen aber auch heraus, dass sich da, wo diese einmal aufgebrochen werde, die Vorbehalte gegenüber Homeoffice änderten. Angesichts der Digitalisierung und des Breitbandausbaus, steigender Mieten in den Städten und langen Pendelwegen für Beschäftigte, fehlender Kinderbetreuungsplätzen und einer zunehmenden Flexibilisierung von Arbeitszeiten kann Telearbeit ein Faktor sein, der Beschäftigte entlastet und sich auch für Unternehmen rechnet. Die Studie liefert aber auch Antworten auf die Frage, warum Vorstöße wie ein von der SPD vorgeschlagenes Recht auf Homeoffice nicht weiter verfolgt werden.

Quelle: Xing-News

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