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18 September 2020

Mindfulness im Unternehmen: Was HR tun kann

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Mindfulness im Unternehmen: Was HR tun kann

Ein „Mindful Raum“ bewirkt bereits viel im Unternehmen. Wo könnte HR noch aktiv werden? Markus Dahm und Martina Richly berichten aus der Praxis bei IBM.

Mindfulness ist in Krisenzeiten besonders wichtig für die psychische Gesundheit. Sie schafft mentale Klarheit und erlaubt es uns, neue Aufgaben konzentriert anzugehen. Das ist in einer Ausnahmesituation wie der jetzigen besonders wichtig. Aber was ist Mindfulness denn eigentlich – und wie kann sie im Unternehmen etabliert werden?

Mindfulness bedeutet Achtsamkeit, ein Wort, das vergleichsweise wenig im deutschen Sprachgebrauch genutzt wird. Dabei ist seine Bedeutung älter als der Syntax unserer Sprache und geht bereits auf Buddha zurück Es ist im Grunde eine der ältesten Praktiken in der Geschichte der Menschheit. Es gilt, den aktuellen Moment in größter Aufmerksamkeit zu erleben und zielgerichtete, wertfreie Aufmerksamkeit auf Gedanken, Gefühle, Körper und Umgebung zu lenken. Das erfolgreichste Instrument, um dies zu erreichen, liegt in der Meditation.

Was bewirkt Mindfulness im Unternehmen?

Mindfulness gestaltet das Arbeitsumfeld produktiver und fördert gleichzeitig die Gesundheit der Mitarbeitenden von innen heraus. Das Fokussieren der eigenen Gedanken und Gefühle führt dazu, dass wir besser Prioritäten setzen können und uns auf Aufgaben, aber auch Gespräche besser konzentrieren. Diese verbesserte Konzentration hat gesteigerte Empathie und Selbstreflexion zur Folge und unterstützt somit die Kommunikation mit Freunden, Verwandten, aber auch Kollegen oder Kunden.

Das Besondere an Mindfulness ist, dass es in absolut jedem Kontext umsetzbar ist. Jeder kann sich mit Achtsamkeit befassen, um den rasenden Alltag mit all seinen Stresssituationen zu bewältigen und sein Leben besser selbstbestimmt und eigenmächtig zu lenken. Viele Jahre schon sind bereits Google, SAP, Lufthansa und andere multinationale Unternehmen mit dem Thema intensiv zugange. Eine große Anzahl von Unternehmen hat sich den Ansatz auf die To Do Liste für die kommenden Jahre geschrieben und beginnt aktiv, Methoden zur achtsamen Lebensweise in den Arbeitsalltag einzubinden. Ein gutes Beispiel ist der IT & Consulting Konzern IBM.

Von kleinen Anfängen zu einer Community: Mindfulness bei IBM

Typische Veränderungsprozesse in einer Organisation folgen gewöhnlich einem Top-Down Ansatz, bei dem zunächst Führungskräfte ins Boot geholt werden, um die Einführung neuer Methoden nach „unten“ weiter zu tragen und den Sinn der Veränderung zu vermitteln. Anders bei Mindfulness, da der Ansatz nicht auf rein in der Gewinn- und Verlustrechnung messbare, also geschäftliche Verbesserungen, ausgelegt ist, sondern mehr auf die innere Gesundheit aller Mitarbeitenden.

Bei IBM hat sich das Thema durch eine Graswurzelbewegung entwickelt, also Buttom-Up. So haben sich bereits 2006 neugierige mit erfahrenen Kollegen zum Thema Achtsamkeit ausgetauscht und im kleinen Kreis Workshops in einzelnen Lokationen für Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt angeboten. Daraus entwickelte sich zunächst 2008 eine Online Community über die Kollaborationsplattform IBM Connections, mit etwa 600 Mitgliedern, die heute über 11.700 Mitglieder zählt.

Die Kolleginnen und Kollegen, die bereits überzeugt waren, dass der Ansatz von einer achtsamen Lebensweise auf vielen Ebenen Vorteile für die Mitarbeiter des Technologie Konzerns bringt, haben sich darum bemüht, 1 -2 tägige Mindfulness Workshops anzubieten. Mit groß angelegten virtuellen Austauschevents und regelmäßigen Online Meetings über Video Tools konnten sie eine breite, globale Akzeptanz erreichen.

Den Mitarbeitern die Gesprächsführung im Unternehmen überlassen

Wie können diese Ansätze fest in den Arbeitsalltag Integriert werden? Das Wichtigste ist zunächst, eine klare Linie zu ziehen zwischen der eigentlichen Bedeutung einer achtsamen Lebensweise, die mit Hilfe von Mediation, Yoga und Atemübungen entwickelt werden kann und der religiösen Auslegung, dass ausschließlich Mönche meditieren, um in eine andere Sphäre aufzusteigen. Da es sich um eine „innere“ Bewegung handelt, ist es von Vorteil, den Mitarbeitern die Gesprächsführung zu überlassen. Anders als bei anderen Veränderungsprozessen kann jeder als Innovator bei der Entwicklung und Umsetzung von Mindfulness agieren, sodass der Top-Down Ansatz weniger Relevanz hat.

Gleichzeitig ist es aber auch von Vorteil, wenn sich ein Führungsstil zum Beispiel im Sinne von „Positive Leadership“ bereits im Unternehmen etabliert hat, sodass Mindfulness zu einem unterstützenden Faktor werden kann.

Positive Leadership

Positive Leadership beschreibt Methoden und Denkansätze, mit denen die Unternehmenskultur transformiert wird. Der Ansatz bedient sich unterschiedlicher Instrumente aus der positiven Psychologie und verfolgt Ziele wie: eine Erweiterung der generellen Denkweise, Stärkung von persönlicher Widerstandsfähigkeit, effektiveres Arbeiten, Agilität und verbesserte Kommunikation durch Transparenz und gegenseitiges Vertrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen (beruflich wie privat).

Positive Leadership verbessert nicht nur intern das Arbeits- und Führungsklima, sondern hat außerdem Umsatzsteigerung, niedrigere Fluktuation und generell verbesserte Arbeitsergebnisse zur Folge. Mit der Umsetzung von Mindfulness im Betreib, ob nun als Stütze des Positive Leadership Ansatzes oder allein, lassen sich auch langfristig Unternehmenskennzahlen verbessern. Das stützt sich darauf, dass durch ein gesundes Betriebsklima nicht nur der Krankheitsausfall verringert, sondern ebenfalls die Kommunikation mit Kunden verbessert wird und auch die Mitarbeiter-Loyalität erhöht wird.

Welche Rolle kann HR spielen?

Human Resources Manager müssen gleich an mehreren Stellen eingebunden werden. Sie sind dafür zuständig, ein befürwortendes Sprachrohr zu sein und der Belegschaft den positiven Effekt kontinuierlich zu vermitteln. Außerdem verfügt HR in der Regel über finanzielle Ressourcen, die es ganzheitlich und vorsorglich einzusetzen gilt. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Personalabteilung eine enge Verzahnung zum Management der Geschäftsbereiche pflegt. Es reicht zunächst ein „Mindful Raum“, der den Mitarbeitern die Möglichkeit bietet, sich zurückzuziehen, um durchzuatmen.

Weiterhin sind regelmäßige Workshops von Vorteil, die das Thema und die vielfältigen Methoden konkret visualisieren und somit greifbarer machen. Auch hier müssen keine Riesen-Summen fließen. Die Hauptaufgabe von HR sollte sein, die „Innovatoren“ zu finden, das heißt, die Mitarbeiter, die ein besonders ernstes Interesse an der Verbreitung der Methoden haben oder vielleicht sogar privat Erfahrung mitbringen. Diese Innovatoren können für besagte Workshops eingesetzt werden, ohne großen externen Aufwand zu verursachen.

Fazit:

Zusammenfassend ist zu sagen, dass es nicht schwer ist, Mindfulness in den Betriebsalltag zu integrieren und somit nicht nur das Betriebsklima, sondern auch langfristig betriebswirtschaftliche Kennzahlen zu verbessern. Kleine Veränderungen wie ein „Mindful Raum“ können bereits die Einstellung vieler Mitarbeiter beeinflussen.

Über die Autoren

Prof. Dr. Markus H. Dahm begleitet seit über 20 Jahren Organisationen in Strategie-, Transformations und Change-Prozessen. Der Fokus liegt auf Digitalisierung, KI Anwendung, Organisationsentwicklung und Change Management. Als Digital Change Consultant bei IBM Deutschlandfokussiert er auf die Menschen in Change-Prozessen. Er publiziert regelmäßig zu Management- und Leadership-Fragestellungen in wissenschaftlichen Fachmagazinen, Sammelbänden, Blogs und Online Magazinen sowie in der Wirtschaftspresse. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher. An der FOM Hochschule Essen/Hamburg lehrt er in der Rolle eines Honorarprofessors.

Martina Richly ist seit 2018 Mitarbeiterin im Bereich Digital Change & Transformation bei IBM Deutschland. Als Beraterin begleitet sie Unternehmen durch unterschiedliche Veränderungsprozesse, die sich durch neue Technologien oder Umstrukturierungen im Personalbereich ergeben. Sie beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Achtsamkeit am Arbeitsplatz.

Quelle: Xing-News HR Journal

14 August 2020

Ethischer Kompass für den Einsatz von KI in der Personalarbeit

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Digitale Transformation - Interview von Inga Höltmann

Ethischer Kompass für den Einsatz von KI in der Personalarbeit

"Was wir brauchen, ist ein reflektierter Umgang mit Technologie und dem technologisch Machbaren“,

fordert Michael Kramarsch. Er ist Mit-Initiator des Ethikbeirat HR Tech, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von digitaler Technologie – wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz – in der Personalarbeit zu erarbeiten. Denn es fehlen heute handlungsleitende Richtlinien, meint er. Zwar gäbe es schon es eine ganze Reihe Anwendungen, die in der Personalarbeit zum Einsatz kämen: Interaktionen mit Chatbots, Sprach- oder Videoanalysen oder auch statistische Vorhersagen, wie wahrscheinlich es zum Beispiel ist, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Unternehmen verlässt. Doch auch hier gilt – wie in so vielen Bereichen: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch wünschenswert.

Michael Kramarsch ist Gründer der HKP Group, einer Unternehmensberatung für Themen an der Schnittstelle von HR, Strategie und Finanzen. Den Ethikbeirat HR Tech hat er 2019 gemeinsam mit dem Bundesverband für Personalmanager (BPM) ins Leben rufen lassen. Das Gremium ist mit Menschen aus Wissenschaft, Start-ups und etablierten Unternehmen besetzt. „Im Privaten ist jeder seines Glückes Schmied was den Umgang und die Anwendung mit Technologie betrifft, doch im Kontext von Organisationen ist das ein schützenswerter Bereich, wo man viel sorgfältiger hinschauen muss“, meint er. Denn gerade im Personalbereich gäbe es viele normative Vorgaben, wie Geschlechter- oder Gehaltsgerechtigkeit, die wir im Blick behalten sollten. Es gehe immer darum, was Menschen wollten – aber auch darum, was Entscheidungen, die getroffen würden, mit Menschen machten.

Die Richtlinien seien „maximal unverbindlich und gleichzeitig höchst relevant“, sagt Kramarsch. Es ist jedoch überzeugt, dass es zukünftig ein Vorteil im „War for Talents“ sein wird, wie Unternehmen mit den Daten der Menschen umgehen und wie transparent sie damit sind. Im Interview spricht er mit Inga Höltmann darüber, wie die Richtlinien in den Unternehmen umgesetzt werden könnten und warum es eine europäische Debatte ist, die wir führen sollten.

Das Gespräch führte ​Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und neues Lernen, um Unternehmen bundesweit in ihrer Transformation zu unterstützen. Sie twittert aktiv zu diesen Themen unter https://7905d1c4e12c54933a44d19fcd5f9356-gdprlock/ihoelt und freut sich über Anfragen auf LinkedIn oder per Mail auf Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

Quelle: ZukunftderArbeit

10 Juli 2020

6 Dinge, die HR von Customer Experience lernen kann

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6 Dinge, die HR von Customer Experience lernen kann

HR entwickelt sich zum Gestalter der Employee Experience. Der Erfahrungsschatz in Marketing und Vertrieb kann dabei helfen, sagt Christian Seeringer.

Die Employee Experience ist nicht nur Sache der Personalabteilung, sondern wird auch stark vom Marketing geprägt. Denn Mitarbeiter lassen auch ihre Erfahrungen als Konsumenten in ihren Arbeitsalltag einfließen und speisen darüber ihre Erwartungen an die Interaktion mit ihrem (potenziellen) Arbeitgeber.

Auf der anderen Seite wird der persönliche Servicekontakt in einem immer stärker digitalisierten und automatisierten Kundenerlebnis erfolgskritisch. Das Service-Verhalten der Mitarbeiter wird zum differenzierenden Faktor – und Mitarbeiterzufriedenheit ist im Kundenkontakt spürbar. Investitionen in die Employee Experience zahlen sich also auch in Form besserer Customer Experiences (CX) aus. Und dabei können Personaler sich durchaus von ihren Kollegen aus Marketing und Vertrieb inspirieren lassen.

Employee-Experience-Trends

Laut Forbes gibt es sechs CX-Trends, um die kein erfolgreiches Unternehmen herum kommt. Überträgt man diese Trends auf die Employee Experience, ergeben sich ganz konkrete Handlungsempfehlungen für das Personalmanagement:

1. Mitarbeiter wirklich verstehen

Eine Personalakte ist kein Netflix-Account. Sie gibt keine Auskunft über die Bedürfnisse, Motive oder Wünsche der Mitarbeiter. Aber einfach nur die Historie sowie (vermeintlichen) Kompetenzen der Mitarbeiter zu kennen, reicht heute nicht mehr aus. Mitarbeiter und Bewerber wirklich zu verstehen, bedeutet zuallererst, ihnen konsequent zuzuhören. Nur so kann ein Arbeitgeber seine Ziele und Bedürfnisse erkennen und dabei helfen, diese zu erreichen.

Hier sind vor allem die Führungskräfte gefragt, mit aufrichtigem Interesse den Menschen hinter der Personalnummer kennenzulernen und gemeinsam mit HR individuell zu fördern.

2. Aktiv Mehrwert für Mitarbeiter und Bewerber stiften

Marken mit einer starken Customer Experience schaffen es, Kundenerwartungen zu übertreffen. Ein Beispiel: Airbnb erstattet seinen Nutzern im Falle einer kurzfristigen Stornierung durch den Anbieter nicht nur die Kosten für die Unterkunft, sondern unterstützt auch bei der Organisation einer Alternative.

Für eine starke Employee Experience heißt das: Attraktive Arbeitgeber machen aktiv Angebote, die über den ergonomischen Bürostuhl hinausgehen. Das naheliegendste Suchfeld ist dabei die eigene Produktpalette: Autohersteller bieten ihren Mitarbeitern vergünstigte Inhouse-Carsharing-Lösungen, Krankenkassen attraktive Gesundheitsprogramme. Noch größere Potenziale tun sich auf, wenn Unternehmen (regional) ihre Stärken bündeln und gegenseitig ihren Mitarbeitern daraus entstehende Vorteile anbieten – inspiriert durch Markenkooperationen im Konsumgütermarketing.

3. Mitarbeiter- und Bewerberbedürfnisse antizipieren

Unternehmen, die die Konsummuster ihrer Kunden über einen längeren Zeitraum analysieren, können zukünftiges Kaufverhalten relativ gut antizipieren und entsprechend gezielte Service- und Vertriebsmaßnahmen durchführen.

Gleiches gilt für die Personalabteilung: Erfahrungswissen hilft, die zukünftigen Bedürfnisse von Mitarbeitern vorausschauend zu adressieren – gleich ob erste Führungsrolle, Mutterschutz oder Altersteilzeit. Der Arbeitgeber kennt aus vergleichbaren Fällen die zu erwartenden Bedürfnisse der Kollegen häufig besser als sie selbst und kann proaktiv darauf eingehen. Hier liegt echtes Begeisterungspotenzial für die Employee Experience.

4. Situativ und kontextabhängig auf Mitarbeiter und Bewerber eingehen

Spotify macht es vor: Die Playlists, die den Nutzern vorgeschlagen werden, orientieren sich nicht nur am generellen Hörverhalten, sondern auch am Kontext. Wer seinen Kindern am Abend etwa Kinderlieder vorspielt, möchte in der Jogging-Playlist am Morgen vermutlich gerne davon verschont bleiben.

Für HR heißt das: Mitarbeiter passen nicht in Schubladen. Wenn es etwa darum geht, Beruf und Familie zu verbinden, können sich die Bedürfnisse von Eltern deutlich zwischen Schul- und Ferienzeiten unterscheiden. Hier bieten flexible Arbeitszeitmodelle oder Remote Work-Regelungen eine Möglichkeit, kontextbezogen passende Angebote zu machen.

5. Die Experience physisch greifbar machen

Teslas Showrooms, Beyoncés Liveauftritte oder das gute alte Disneyland: Physische Präsenz macht Marken für die KundInnen greifbar, schafft Identifikationsfläche und emotionale Bindung.

Arbeitsorte sind für Mitarbeiter in der Regel physisch erlebbar. Aber was ist mit Aspekten wie Haltung und Kultur? Eine kreative (Um-)Gestaltung von Arbeitsräumen schafft alleine noch keine Innovationskultur, kann aber ein sichtbares Zeichen dafür sein, dass neue Organisationsformen aktiv gefördert werden sollen.

6. Verbindung von digitaler und analoger Welt

Wichtige Trends im Customer Experience-Bereich sind Virtual Reality, Augmented Reality und Mixed Media-Ansätze. In Sachen Candidate Experience ist die Euphorie virtueller 3D-Touren zum zukünftigen Arbeitsplatz vorerst der ernüchternden Erkenntnis gewichen, dass kaum ein Bewerber eine VR-Brille zuhause hat. Umso relevanter ist eine nahtlose Integration von analoger und virtueller Arbeitswelt für die bestehenden Mitarbeiter. Gerade in der aktuellen Zeit sind die Arbeitgeber klar im Vorteil, die ihrer Belegschaft eine möglichst breite Palette digitaler Arbeits- und Kollaborationstools bieten können.

HR entwickelt sich vom Ressourcenverwalter zum Experience-Gestalter

Die Marketing-Abteilungen haben es in den letzten Jahren vorgemacht: Ihr Motto hat sich gewandelt von „make people want things“ zu „make things people want“. Personalabteilungen stehen vor einem vergleichbaren Paradigmenwechsel in Bezug auf ihre Rolle und ihr Selbstverständnis. Sie sollten sich weniger als Verwalter von Arbeitskraft, sondern viel mehr Gestalter der Candidate- und Employee-Experience sehen. Dabei kann HR auf einen großen Erfahrungsschatz in Marketing und Vertrieb zurückgreifen und sich für die eigene Experience-Strategie inspirieren lassen.

Über den Autor

Christian Seeringer ist Executive Director bei Diffferent. Er berät seine Kunden schwerpunktmäßig in den Bereichen Enablement, Transformation und Employer Branding.

Quelle: Human Ressource Manager

24 Januar 2020

Weshalb Unternehmen 2020 um New Work nicht herumkommen

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Weshalb Unternehmen 2020 um New Work nicht herumkommen

Gerade im IT-Bereich ist der Fachkräftemangel groß. HRler müssen deshalb beim Recruiting von IT-Spezialisten neue Wege gehen – zum Beispiel mit New Work.

Bereits zwischen 1976 und 1979 wurde durch den österreichisch-amerikanischen Philosophen und Sozialwissenschaftler Frithjof H. Bergmann der Begriff „New Work“ als klarer Gegenentwurf zum Kapitalismus definiert. In seiner modernen Ausprägung beschreibt das Konzept „Neue Arbeit“ vornehmlich eine neue Freiheit bei der Wahl und der Ausübung bezahlter Arbeit. Diese wird insbesondere von IT-Experten eingefordert, die aufgrund ihrer ausschließlich digital erbrachten Tätigkeiten bereits jetzt vollkommen orts- und zeitunabhängig arbeiten – und sich angesichts der hohen Nachfrage auch den Umfang ihres jeweiligen „Workload“ aussuchen können.

Die Zeit drängt

Berücksichtigen HR-Verantwortliche und Recruiter bei ihrer Recherche diese Erwartungen nur vordergründig oder überhaupt nicht, werden sie – und das gesamte Unternehmen – über kurz oder lang ins Hintertreffen geraten. Für deutsche Unternehmen sieht es bereits ziemlich kritisch aus: Laut dem Statistischen Bundesamt gaben 2018 rund 64 Prozent aller Firmen an, Schwierigkeiten zu haben, offene Positionen mit IT-Fachkräften zu besetzen. Die Folge daraus ist, dass die betroffenen Arbeitgeber einen enormen Nachteil in der Wettbewerbsfähigkeit erfahren. Insgesamt waren das 82.000 offene Stellen, ein enormer Anstieg zum Vorjahr, als bereits 55.00 Arbeitsplätze unbesetzt waren. Dementsprechend sollten sich nicht nur Personaler, sondern auch IT-Führungskräfte auf allen Ebenen mit dem Begriff „New Work“ und den abzuleitenden Maßnahmen beschäftigen.

„New Work“ umfasst mehr als einen Kickertisch, freie Getränke und eine Obstschale

Tatsächlich ging Professor Bergmann in seiner ursprünglichen Betrachtung davon aus, dass das „Job-System“ am Ende sei und definierte Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft als zentrale Werte des „New Work“-Paradigmas. Markus Väth fügte in seiner „New Work Charta“ noch Sinn und Entwicklung hinzu. Dieser höchst anspruchsvollen Erwartungshaltung lässt sich nicht mehr mit kosmetischen Korrekturen und einfachen Goodies begegnen, hier ist echtes Umdenken gefragt. Mittlerweile arbeiten überdurchschnittlich viele IT-Spezialisten als Freelancer, suchen sich als „digitale Nomaden“ ihren jeweiligen Arbeitsort, passende Projekte und die präferierte Arbeitszeit selbst aus. Damit sich diese Zielgruppe wieder längerfristig in einen Unternehmenskontext – angestellt oder freiberuflich – einfügt, müssen ungemein attraktive Vorteile winken. Wir müssen bei der Suche dieser Aspekte nun aber nicht das Rad neu erfinden – gehen wir einfach die einzelnen Punkte der „New Work Charta“ durch und finden IT-spezifische Anknüpfungspunkte für HR-Verantwortliche:

Freiheit

Diese bezieht sich sowohl auf Experimentier- als auch auf Angstfreiheit. Spielerisches Ausprobieren ohne Druck fördert gerade im IT-Kontext überraschend simple Lösungen für komplexe Probleme zutage. Schaffen Sie entsprechende Freiräume – sowohl zeitlich als auch buchstäblich räumlich. Zudem sollten Sie die Vernetzung mit anderen Experten und Abteilungen aktiv fördern.

Selbstverantwortung

Insbesondere IT-Spezialisten beschäftigen sich täglich mit Strukturen und Prozessen – ermöglichen Sie ihnen also, sich selbst zu organisieren, Budget-Verantwortung zu übernehmen und auch am Erfolg beteiligt zu werden. Zusätzlich sollte eine konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen etabliert werden, die auch wirklich ihren Namen verdient.

Sinn

Zugegeben: Die Programmierung einer Schnittstelle oder das Anbinden von Warenwirtschaftssystemen an E-Commerce-Applikationen taugen noch nicht als erschöpfende Sinn-Stifter für Digital Natives. Um neben der operativen Tagesarbeit aber auch einen gesellschaftlichen Sinn vor Augen zu haben, beziehen Sie Ihre IT-Experten – und natürlich auch den „Rest“ der Belegschaft – in die Kreation der Unternehmensidentität mit ein. Im IT-Kontext bietet sich direkt das vorteilhafte Verlagern von ressourcenintensiven analogen Prozessen in die virtuelle Welt an. Aufgaben- und Abteilungsübergreifend geben sich New-Work-Organisationen auch soziale, ökologische Ziele und Visionen, die durch einen Teil des erwirtschafteten Umsatzes gefördert oder überhaupt ermöglicht werden.

Entwicklung

Reichte es bisher, Experten und Führungsnachwuchs mehr Geld und/oder mehr Verantwortung in Aussicht zu stellen, fordern digitale Wertschöpfer explizit Weiterentwicklungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten auf hohem Niveau ein. Hier müssen Sie sich von der Furcht lösen, dass gerade IT-Mitarbeiter Weiterbildungen, Seminare und Zertifizierungen nur absolvieren, um ihren Marktwert zu erhöhen und dann schnellstmöglich das Weite zu suchen. Vielmehr wirken regelmäßige Know-how-Updates einerseits als Wertschätzung der jeweiligen Person, andererseits als lohnende Investition in Richtung des unternehmensinternen Wissens-Pools. Gleichfalls bezieht sich der Punkt Entwicklung auf das kollektive Hinterfragen und Optimieren der Organisationsstruktur und der Kommunikations- und Entscheidungswege.

Soziale Verantwortung

Bereits unter „Sinn“ grundsätzlich angerissen, geht der Punkt „Soziale Verantwortung“ noch weiter. Hier dreht sich alles um eine Unternehmens- und Wertschöpfungsform, die sich an nachhaltigen, sozialen und ökologischen Standards orientiert, sich regional verankert und freiwillig gesellschaftliche Aufgaben übernimmt. Dazu gehört übrigens auch, die Steuern dort zu zahlen, wo Mehrwert geschaffen wird. Insbesondere die regionale Einbindung und Verwurzelung liefert überzeugten ortsunabhängigen digitalen Nomaden schlagkräftige Argumente, sich vielleicht doch für eine längere Zeit am Unternehmensstandort niederzulassen. Markus Väth geht in seiner Charta auch explizit auf das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns ein. Dieses gewinnt ebenfalls im IT-Kontext besondere Bedeutung, da nicht nur unter ehemaligen Hackern ein ausgeprägter Gerechtigkeits-Ethos herrscht, der entsprechend gewürdigt werden will.

Fazit

Das „New Work“-Paradigma bezieht sich – auch unter Berücksichtigung der ursprünglichen Version – natürlich nicht ausschließlich auf die mittlerweile dringend benötigten IT-Experten. Nichtsdestotrotz legen diese besonders viel Wert auf die aufgeführten Aspekte. Zudem bietet die fast vollständig digital ablaufende Wertschöpfung im IT-Bereich vielseitige Möglichkeiten, Pilotprojekte anzustoßen und auszuwerten – und die Resultate dann im größeren Unternehmens- oder Konzernrahmen zu verwerten.

Über den Autor

Alexander Schlomberg ist Managing Director Co-Founder bei Expertlead. Schlomberg hat einen Doppel-Abschluss in BWL und VWL von der Stockholm School of Economics. Nach der Uni hat er zunächst für drei Jahre als Unternehmensberater bei McKinsey gearbeitet, inbesondere an Projekten zu digitalen Transformationen.

Quelle: Human Ressources Manager

08 November 2019

New Work und gesundes Leben

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Wenn Arbeit und Gesundheit ein Team sind

New Work und gesundes Leben

Unsere Arbeitswelt ändert sich schleichend, aber fundamental. Unternehmen, wie auch die hier arbeitenden Kollegen, haben es mit disruptiven Prozessen zu tun, die die altvertrauten Bedingungen und Muster gründlich durcheinanderbringen und teils brachial nach neuen Strukturen, Regelungen und Methoden verlangen. Wir stehen gleichzeitig demographischen Entwicklungen gegenüber, die landesweit neue, passendere strukturelle Lösungen erfordern.

Denn: Die Generation der jüngeren – gebildeteren und selbstbewussteren – Arbeitnehmer, tritt mit gänzlich anderen Erwartungen und Ansprüchen an die Unternehmen heran, als bislang die Generation ihrer Eltern. Für sie sind ein sich positiv entwickelndes Einkommen und akzeptable äußere Arbeitsbedingungen (Lärm, Schmutz) weniger wichtig als beispielsweise Selbstverwirklichung, Eigenverantwortlichkeit und die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Arbeit dient für sie nicht mehr (nur)
der Sicherung der materiellen Existenz, sondern sie soll einen zusätzlichen ideellen Nutzen haben: ein durch Sinn erfülltes Berufsleben und darüber Glück und Zufriedenheit.

Work-Life-Balance auf Lebenszeit

Die heute 30-jährigen Kollegen wünschen sich die Work-Life-Balance auf Lebenszeit mindestens genauso sehr wie Anerkennung und Wertschätzung am Arbeitsplatz und sie hinterfragen außerdem das Ob und das Wie des gesellschaftlich verantwortungsvollen Handelns eines (ihres) Unternehmens.

Dieser Struktur- und Wertewandel führt in vielen Unternehmen zwangsläufig zu einer Anpassung des sozialen Gefüges und zu der Schaffung und Förderung von neuen Arbeitsformen und -bedingungen: weg von starrer Ordnung, Befehl und Gehorsam, hin zu kleinen, dezentralen Organisationsstrukturen, maximaler Flexibilität, Mitspracherechten und Selbstbestimmung.

Vor allem über die Schaffung flexibler Arbeitsmodelle versuchen Unternehmen zunehmend, dem Wunsch der Beschäftigten nach individuellen Gestaltungsspielräumen und Autonomie nachzukommen und sie sind bestens beraten, diesem Wunsch nachzukommen und künftig auf Augenhöhe mit ihren Beschäftigten zu agieren.

Arbeit, wann und wo man möchte

Im Bereich der Arbeitsorganisation sind bei den Beschäftigten vor allem die Freiräume gefragt: zeitliche und örtliche Flexibilität, die mobile, multilokale Arbeit, flexible, der jeweiligen Lebenssituation angepasste Arbeitszeitmodelle – also Arbeit, wann und wo man möchte, bei Bedarf auch in Urlaubszeiten. Teamübergreifendes, vernetztes Arbeiten und Interdisziplinarität begleiten uns dabei ohnehin. Dem Einsatz und Vorhandensein digitaler Kommunikationstools verdanken wir es, dass wir bei weitgehender Hierarchiefreiheit, präzise beschriebenen Prozessen und gelebtem Rundumfeedback kurze Entscheidungswege haben, Anpassungen schnell vornehmen und kurzfristig alle am Kreations-, Entwicklungs- oder Produktionsprozess Beteiligten mit den jeweils aktuellsten Informationen versorgen können und eine physische Anwesenheit im Büro dabei nicht mehr erforderlich ist.

Unabhängig von Ort und Zeit passen wir die Prozesse und -logiken dem sich stetig wandelnden Produkt an. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jeder jederzeit den vollständigen Produktionsprozess nachvollziehen kann bzw. können sollte und sich aktiv an dessen Gestaltung beteiligt. Erreichbarkeit, Kommunikationsbereitschaft und die Nutzung moderner Kommunikations- und Collaborationstools versetzen uns jederzeit in die Lage, reagieren und agieren zu können. Partizipation ist gewünscht und gefordert und jeder verantwortet seine Teilaufgaben selbst. Die nächste Arbeitnehmergeneration fordert Freiräume und bietet Verantwortung und Liefertreue.

Entgrenzte Formen des Arbeitens bleiben nicht wirkungslos

(Betriebs-)Ärzte sehen immer häufiger Fälle von Überlastung, Überreizung und Erschöpfung und sie müssen Beschäftigte dabei auch zunehmend öfter „vor sich selbst schützen“. Die Statistiken verschiedener Krankenkassen weisen psychische arbeitsbedingte Erkrankungen als die am schnellsten steigende (berufsbedingte) Krankheitsart aus.

Die neuen Möglichkeiten des flexiblen, mobilen Arbeitens sind chancenreich und verlockend: Außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit, also in der Freizeit – Wochentage spielen dabei häufig keine Rolle – können E-Mails und Texte geschrieben, Angebote berechnet, Kontaktaufnahmen beantwortet und Kollegen angechattet werden.

SocialMedia-Aktivitäten lassen sich abends auf der Couch mit mehr Ruhe erledigen und bei der Verabredung zum Frühstückspausenkaffee in der Cafeteria wird nicht pausiert, sondern – dank WLAN und Notebook – natürlich auch über die Arbeit gesprochen. Keine echte Erholungspause also. Wer den Skypestatus nicht auf „rot“ oder
besser auf „offline“ setzt, scheint ansprechbar zu sein – oder es sein zu wollen.

Wie wirkt die neue Arbeit auf uns Menschen?

Flexibilität, Selbstorganisation und Wandlungsfähigkeit werden zu wichtigen Kriterien in der aktuellen Personalentwicklungspraxis und in Bewerbungsprozessen, in denen immer häufiger der Bewerber den Arbeitgeber auswählt. Unternehmen müssen mit Anforderungen wie BYOD (Bring Your Own Device; Nutzung privater Geräte im beruflichen Kontext) umgehen, müssen Regelungen finden, wer überhaupt entgrenzt arbeiten darf bzw. soll und wenn ja, wie die konkrete Arbeitszeit der Beschäftigten bei mobilem Arbeiten nachgehalten werden kann. Sie müssen dem Bedürfnis nach mehr Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben nachkommen und möglichst flexible Regelungen für „alles Mögliche“ anbieten, ohne dabei zu kompliziert zu werden. – Das schreckt ab.

Leichtfüßig und vertrauensbasiert soll der Umgang miteinander sein und auf jeden Fall ohne zu viel störende Kontrolle und Einflussnahme. Mehr Freiraum, mehr Gestaltungsmöglichkeiten, mehr Partizipation bei weniger Steuerung, Führung und Kontrolle. Was für die einen völlig selbstverständlich ist, sorgt bei den anderen jedoch für Unbehagen.

Die Anforderung, jederzeit mit dem Tempo der Gesamtorganisation mithalten zu müssen, mehr Themenbereiche als nur den eigenen nachvollziehen und bedienen zu können und sich in ständigen Kommunikationsschleifen wiederzufinden, kann Fluch und Segen zugleich sein. Es gibt zunehmend mehr Menschen, die diesen schnelleren, anderen Gang nicht mitgehen können oder wollen und denen die Arbeit buchstäblich – vor allem auf die psychische Gesundheit schlägt. Insgesamt nimmt der Anteil der psychischen Belastungen im Arbeitskontext zu: Es sind das schnellere Arbeitstempo, die wachsende Komplexität der Aufgaben, die Frequenz der unterschiedlichen Kommunikationsanlässe und -arten, der eigene Anspruch an Qualität und Leistung, das Wissen um die eigene Verantwortlichkeit im Gesamtsystem und leider in manchen Fällen auch die fehlende Identifikation mit den mehr oder weniger klaren Unternehmenszielen, die die Menschen dazu bringt, ihre Grenzen nicht mehr definieren zu können.

  • Wie weit kann ich gehen?
  • Was bin ich bereit einzubringen?
  • Wofür stehe ich ein?
  • Nehme ich mir ausreichend Zeit zur Regeneration?
  • Kenne ich meine Alarmzeichen?
  • Ab wann wird Arbeit zur Belastung?

Es heißt, dass uns Menschen – gerade im Zeitalter der digitalen Transformation – die Möglichkeit verloren ginge, die Verschränkung von Job und Freizeit für uns selbst zu klären, und dass wir aus den oben genannten Gründen zugunsten der Arbeit auf ausreichend Erholungspausen, den teaminternen, helfenden kollegialen Austausch und die gegenseitige Unterstützung verzichten. Termin- und Leistungsdruck, geschlossene Zielvereinbarungen, Konkurrenzdruck und gerade auch die sich bietende Möglichkeit, jederzeit reagieren zu können oder zu müssen, lassen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und nicht selten gewinnt die Arbeit den Kampf um das knappe Gut Zeit. Das Bewusstsein um diese Knappheit der uns zur Verfügung stehenden Zeit und die sich uns bietenden Möglichkeiten zu arbeiten sind Stressoren, die uns unterschiedlich beeinflussen und lenken.

Ist es denn für viele von uns nicht gerade auch die Arbeit, die uns die Kraft und die Inspiration gibt…

…weiter-, weiter- und immer weiterzumachen und dabei nicht zu bemerken, dass man dabei längst schon die Schallgrenze der eigenen Belastbarkeit durchbrochen hat und eigentlich längst schon zurück zu sich selbst und einem ausgewogenen Zeitmanagement hätte kommen sollen?

Ausgehend davon, dass dieses ungesunde und ungünstige Verhältnis von Belastung und Entspannung gesundheitsgefährdend wirkt, wäre es an dieser Stelle unzureichend, wenn nicht auch auf die positiven Seiten von „Stress“ verwiesen würde. Denn: Für viele Menschen ist Stress nichts per se Schlechtes. Die Verhaltensforschung kennt zweierlei Arten von Stress: Eustress und Distress. Ersterer beflügelt, motiviert und pusht, Letzterer wirkt negativ auf den Menschen und ist nachweislich krankmachend. Für den überwiegenden Teil der – vor allem jüngeren – Menschen bergen die Möglichkeiten des zeit- und ortsunabhängigen Arbeitens mehr Vorals Nachteile, denn sie zahlen auf das Konto der besseren Vereinbarkeit von Job und Privatleben ein.

Und die neuen, vorher oft hart und umständlich erkämpften – oder unerreichbaren – Freiräume sind nunmehr ohne besondere Mühen in das eigene Leben integrierbar und die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben gelingt leichter. Das verschafft vielen die nötige Leichtigkeit, die es braucht, um nicht darüber nachzudenken, wann, wie lange oder wo wir eigentlich arbeiten. Die Bereitschaft, entgrenzt zu arbeiten, wird für viele Beschäftigte zur Normalität. Diese Arbeitsweise entlastet uns und wirkt dazu auch noch produktivitätsfördernd. Die besten Ideen entstehen in der Regel nicht, wenn Arbeitszeitrichtlinien oder örtliche Gegebenheiten bremsen, sondern vor allem dann, wenn wir uns in einer Arbeitsatmosphäre befinden, die für den jeweiligen Kontext passend ist und kreativitätsförderlich wirkt.

Pest oder Cholera?

Für diejenigen jedoch, die von den Stressoren des entgrenzten Arbeitens negativ beeinflusst werden und die sich nicht in der Lage sehen, mit diesen Umständen klarzukommen, bleibt es häufig bei der Wahl „zwischen Pest und Cholera“. Weiter, weiter, immer weiter. Entgrenzte Arbeit bietet Schlupflöcher: Wer merkt schon, dass ich eigentlich „ausgelaugt“, erschöpft oder schon krank bin, wo ich doch gar nicht wahrgenommen oder gehört werde, weil ich tagelang z.B. im Homeoffice abtauchen kann. Manche erkennen keinen Sinn in der neuen Art des Arbeitens und auch nicht die Mehrwerte, die sich ihnen zur Verbesserung der von ihnen als ungünstig empfundenen Situation bieten.

Sie arbeiten trotz Erschöpfung und Krankheit weiter und verzichten zugunsten der Arbeit auf die dringend notwenige Regeneration. Ihre Arbeitsergebnisse leiden darunter, ebenso ihre physische und psychische Gesundheit. Dem zunehmenden Online-Präsentismus kann
auf unterschiedliche Weisen begegnet werden: Zum einen sind Führungskräfte gefordert, ihre digitalen Kompetenzen auf- und ausbauen, um auch dann noch ein Gefühl für den körperlichen und seelischen Zustand ihrer Teammitglieder zu haben, wenn man sich nicht persönlich sieht, sich nicht die Hand reicht und sich nicht in die Augen schauen kann.

Sie müssen Warnsignale deuten lernen, zum Beispiel fehlende Interaktion mit dem Rest des Teams, schlechte Arbeitsergebnisse, hohe Zeitaufwände für die Erledigung der Aufgaben, vermehrter Konsum von stimulierenden oder entspannenden Substanzen, regelmäßiges Umgehen von Sicherheits- und Schutzstandards oder auch die auffällig häufige Bereitschaft, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen oder Projektstände zu beschönigen, um vom eigenen Befinden abzulenken. Hier sind Führungskräfte zunehmend in der Verantwortung, dem Phänomen des Online-Präsentismus entgegenzusteuern. Nicht zuletzt ist ihr Vorbildverhalten ein wesentlicher Faktor mit Signalwirkung für all jene, die sich selbst nicht immer sicher sind, ob sie gerade ihre Belastungsgrenzen überschreiten oder doch noch Reserven haben.

Mindestens genauso wichtig ist es aber, sich an die eigene Nase zu fassen

und an seiner persönlichen Einstellung zu arbeiten, zum Beispiel um zu erkennen, wann es Zeit ist, im eigenen Interesse rechtzeitig „die Reißleine zu ziehen“ und die virtuelle Nabelschnur zu kappen. Denn die Verantwortung für die eigene Gesundheit kann letztlich nur jeder selbst tragen. Und gerade in Zeiten entgrenzten Arbeitens ist es unmöglich, diese Verantwortung vollständig auf nicht anwesende Dritte abwälzen.

Arbeit 4.0 beruht im Wesentlichen auf der Maxime der Selbstverantwortung und es sind vor allem die Beschäftigten, die lernen müssen, sich selbst und ihre Grenzen zu kennen und zu wissen, wann der Kraftspeicher leer ist und wie er wieder befüllt werden kann.

Es ist ein vollkommen logischer und wichtiger Schritt, dass Unternehmen die Verantwortung für einen gesunden Umgang mit sich selbst und der eigenen Arbeitskraft und -fähigkeit zunehmend mehr in die Hände derer legen, die autonom und selbstverantwortlich arbeiten wollen. Wenn Unternehmen das nicht tun, laufen sie Gefahr, „den schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen“ und schuldig zu sein für jeden einzelnen Fall von Burnout und anderen erschöpfungsbedingten Erkrankungen. Was Unternehmen jedoch noch zu oft vergessen ist, dass vor allem die älteren Kollegen diesen gesunden Umgang mit der neu gewonnenen Freiheit genauso erst erlernen müssen wie sie selbst.

Ein paar Zahlen …

Die Häufigkeit der psychischen Erkrankungen und die damit verbundenen Zeiten von Arbeitsunfähigkeit wachsen stetig und zunehmend schneller. Trotz insgesamt rückläufiger Krankenstände in den letzten Jahren wuchs der relative Anteil psychischer Erkrankungen am Arbeitsunfähigkeitsgeschehen bislang stetig. Er stieg auf 15,1 Prozent und die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen liegt bei 264 Tagen je 100 Personen.

Während psychische Erkrankungen vor 15 Jahren noch nahezu bedeutungslos waren,sind sie heute die dritthäufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibung bzw. Arbeitsunfähigkeit (Knieps und Pfaff 2016: 59). Betroffen sind Berufsanfänger ebenso wie aufstrebende Mitarbeiter und Beschäftigte in Spitzenpositionen.

Besondere Bedeutung und Brisanz erhalten psychische Erkrankungen vor allem dadurch, dass die Krankheitsdauer stärker ins Gewicht fällt: Die durchschnittliche Dauer psychisch bedingter Krankheitsfälle ist mit 36 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen (z.B. des Bewegungsapparates oder des Immunsystems) mit zwölf Tagen.

Das dabei häufig auftretende Burnoutsyndrom beschreibt jenen Zustand, bei dem Menschen so erschöpft oder „ausgebrannt“ sind, dass sie zu einem normalen Leben kaum mehr fähig sind. Noch handelt es sich bei dem vergleichsweise jungen Phänomen um keine anerkannte Krankheit. Da Mediziner feststellten, dass die Symptome denen der Depression sehr ähnlich sind, tun sie sich schwer, Burnout als eigenständige Erkrankung zu definieren.

Psychische Erkrankungen sind außerdem die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Frühberentungen. Zwischen 1993 und 2015 stieg der Anteil von Personen, die aufgrund seelischer Leiden frühzeitig in Rente gingen, von 15,4 auf 42,9 Prozent (Deutsche Rentenversicherung Bund 2016: 111). Gegenüber dem Jahr 2000 entspricht dies einer Steigerung der Fallzahlen um mehr als 40 Prozent. Im Vergleich zu anderen Diagnosegruppen treten Berentungsfälle wegen „psychischer Störungen und Verhaltensstörungen“ zudem auch noch deutlich früher ein; das Durchschnittsalter liegt bei 48,1 Jahren (Deutsche Rentenversicherung 2014: 24).

Die volkswirtschaftlichen Folgen all dieser genannten Aspekte sind natürlich immens, Tendenz steigend.

Der klassische Arbeitsschutz stellte bislang zwar die den Körper gefährdenden Aspekte von Arbeit in den Vordergrund, aber im Jahr 2013 wurde § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) endlich dahingehend präzisiert, dass auch die auf die Psyche wirkenden Belastungen der Arbeit zu ermitteln und zu beheben sind. Die Verantwortung der Einhaltung und Umsetzung liegt dabei hier klar aufseiten der Arbeitgeber.

Natürlich gibt es aber auch diejenigen Fälle, wo es gerade die Möglichkeit des flexiblen, vernetzten Arbeitens ist, die die Ausübung des Jobs attraktiv oder auch überhaupt erst möglich macht. Wenn Vereinbarkeitsthemen mitschwingen, helfen diese Angebote und die Beschäftigten, denen dies ermöglicht wird, nutzen sie gern. Der aktuelle D21 Digital Index 2018/2019 (Initiative D21 2019) kommt zu dem Ergebnis, dass 37 Prozent (und sogar 71 Prozent der in Bürojobs tätigen Menschen) meinen, dass digitales Arbeiten die Chance bietet, Arbeitsund Privatleben besser miteinander in Einklang bringen zu können. Nach getaner Familienarbeit wird zu Ende gebracht, was auf dem Schreibtisch liegen blieb, oder nachgeholt, wozu man im hektischen Büro nicht kam. Ruhepausen oder Zeiten ohne direkte Zusammenarbeit verwaschen so zu weniger arbeitsintensiver Zeit und der Feierabend wird – nach einem Ortswechsel – nur verschoben.

Dennoch geben 49 Prozent der Befragten (und nicht nur diejenigen, die sagen, dass sie bereits mobil arbeiten) an, dass zeitlich und räumlich flexibles Arbeiten auch zur Steigerung ihrer Arbeitsqualität beiträgt.

Entgrenzte Arbeit = grenzenlose Arbeit?

Wer sollte die Verantwortung für die Gesundheit der Menschen tragen? Wem können wir – ganz´in vertrauter Manier – „die Schuld in die Schuhe schieben“? Den Führungskräften, die nicht bemerken, dass Arbeit heute komplexer, schneller und voraussetzungsvoller ist? Den (endlich) flexibel, selbstbestimmt und gefühlt ständig arbeitenden Beschäftigten, die wissen, dass sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit nicht mehr an den bis 17 Uhr zur Verfügung stehenden Rechner gebunden sind? Den schweigsamen und geduldigen Betriebsärzten? Oder womöglich den besonders Arbeitswütigen, die das Gesamtbild verzerren? Muss überhaupt irgendjemand die Verantwortung übernehmen?

Ich vertrete die Auffassung, dass wir ein gesundes Verhältnis von neuer Arbeit und Gesundheit genauso erlernen und verinnerlichen müssen, wie auch die Unternehmen lernen müssen, dass das Angebot, orts- und zeitunabhängig zu arbeiten, eine Möglichkeit darstellt, aber keine Verpflichtung. Wir selbst müssen in der Lage und willens sein, den Ausknopf zu drücken und die Arbeit zu beenden und uns die Pausen zu nehmen, die wir zuvor auch zur Regeneration benötigt haben. Diese werden in Zeiten ständiger Erreichbarkeit sowie steigender Geschwindigkeit und Komplexität nämlich nicht kürzer.

Faktisch fallen die tatsächlich arbeitsfreien Zeiten bei den meisten digital Arbeitenden kürzer aus. Sie schauen außerhalb ihrer eigentlichen Arbeitszeit in die E-Mails, sie verfassen auch abends noch Tweets und Posts, sie bearbeiten gerade noch die eine Sache zu Ende, die sie im Büro nicht geschafft haben. Dazu hat man doch das Notebook schließlich dabei …

Wir lassen uns treiben und werden zu Getriebenen.

Einen bewussten, gesunden Umgang mit unserer neuen Freiheit zu pflegen, ist Aufgabe eines jeden Einzelnen und alle Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements und der Gesetzgebung sind wertlos, wenn wir uns nicht selbst regulieren wollen, bewusst das Arbeitsende festlegen und uns auch daran halten.

Führungskräfte und Chefs bemerken das Ausmaß der digitalen Erschöpfung oft erst dann, wenn Mitarbeiter sich mit längeren Ausfallzeiten krankmelden und bei ihrer Mitarbeitervertretung oder dem Betriebsarzt nach BGMMaßnahmen wie Resilienz und Stressbewältigung fragen. Oder wenn der Bedarf an Maßnahmen der betrieblichen Wiedereingliederung steigt und es dabei nicht mit der Neuanschaffung eines ergonomischen Schreibtischstuhls oder eines höhenverstellbaren Schreibtisches getan ist. Maßnahmen der modernen betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung sollten auf den Abbau übermäßiger psychosozialer Belastungen fokussiert sein und beispielsweise dabei unterstützen, chronischen Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen und Überforderung abzubauen.

In einer Arbeitswelt, in der die Berufswahl vor allem durch Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Leidenschaft bestimmt ist, liegt ein enormes positives Potenzial für unsere Gesundheit: Wer in eigener Verantwortung selbstbestimmt und achtsam Energie und Ressourcen einteilt, der reduziert das Risiko des eigenen Ausbrennens erheblich. Wenn es gelingt, die persönlichen Grenzen richtig zu setzen, wird nicht nur die Möglichkeit des „Ausbrennens“ reduziert, sondern dann können erst recht alle Vorteile und Potenziale mobiler, flexibler, selbstbestimmter Arbeit voll ausgeschöpft werden, ohne dass Nachteile entstehen.

Denn es bleibt dabei: Arbeit bestimmt unser Leben und unseren psychischen Zustand wesentlich. Und nach wie vor sind – trotz aller Kritik an den Belastungen der Arbeitswelt – arbeitende Menschen in der Regel zufriedener und gesünder als Menschen ohne Arbeit. Arbeit wird immer Teil des Lebens bleiben, nicht das Gegenteil davon, denn sie stiftet Selbstbestätigung und Anerkennung.

Fazit

Es kommt also nicht von ungefähr, dass sowohl die psychische als auch die physische Gesundheit der Beschäftigten in der modernen Arbeitswelt zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt und dass eine gesundheitsorientierte Betriebsführung Einzug in die Denkweisen der Unternehmen hält: Gesundheit wird zu einer der wichtigsten Unternehmensressourcen und die Erhaltung von Arbeitsfähigkeit zu einer der Hauptaufgaben von Human Resources, Führung und Beschäftigten.

Die alternde Belegschaft und der sich abzeichnende Fach- und Führungskräftemangel wird dazu führen, dass Unternehmen die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit von Beschäftigten gezielt fördern und den respektvollen und achtsamen Umgang mit ihrer Gesundheit erlernen und sicherstellen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass damit jegliche Verantwortung abgegeben ist, im Gegenteil. Das Gesundheitsinteresse ist (vor allem) aufseiten der (jüngeren) Beschäftigten mindestens genauso angesiedelt wie auch erwünscht und die Gesundheitsfürsorge ist nicht mehr nur primär eine unternehmerische Aufgabe, sondern ein individuelles Anliegen, für das jeder eigenverantwortlich Sorge zu tragen hat.

Wir stehen auf der Schwelle zur Industriegesellschaft 4.0. und alle Beteiligten sind aufgefordert, mit vereinten Kräften diesen Wandel zu gestalten. Es braucht Gesundheit, Wissen, Qualifikation Kompetenz und Motivation und vieles hängt davon ab, kreative Potenziale freizusetzen, Innovationen zu ermöglichen und so mehr Effizienz und Exzellenz zu erreichen. Wenn uns das gelingt, kann Arbeit wieder die Aufgabe übernehmen, die ihr aus gesellschaftlicher Perspektive zukommt: Sinn stiften, Anerkennung geben, Zugehörigkeit vermitteln,
Existenz sichern.

Quellen und Links:
➥ Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) (2016).
Rentenversicherung in Zeitreihen. Ausgabe 2016. Berlin.
➥ Deutsche Rentenversicherung (2014). „Positionspapier der Deutschen Rentenversicherung zur Bedeutung
psychischer Erkrankungen bei der Rehabilitation und bei Erwerbsminderung“. (Download 1.3.2019).
➥ Initiative D21 (Hrsg.) (2019). D21 Digital Index 2018/2019. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft.
➥ Knieps, Franz, und Holger Pfaff (Hrsg.) (2016). Gesundheit und Arbeit. Zahlen, Daten, Fakten. BKKGesundheitsreport 2016. Berlin.

Über die Autorin

Anke Hoffmann ist für die Bertelsmann Stiftung im Programm Unternehmen in der Gesellschaft als Project Managerin im Team „Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung“ tätig. Im Anschluss an das Projekt „INQA-Audit Zukunftsfähige Unternehmenskultur“ liegt ihr Schwerpunkt nun auf der #ZukunftderArbeit und der digitalen Transformation, sowie deren Auswirkungen auf betriebliche Arbeitskontexte. Sie vertritt ebenfalls den Bereich der Vereinbarkeit eines gesunden Lebens mit den neuen Formen der Arbeit 4.0. Sie studierte in Rostock und Bielefeld Soziologie und Sozialpsychologie sowie jüngst Angewandte Gesundheitswissenschaften.

Quelle: ZukunftderArbeit

01 November 2019

Morning Star – Manage yourself

Posted in Führung, Leadership, Mind

Weder Management noch Hierarchie - funktioniert das?

Morning Star – Manage yourself

Wer hätte sich jemals vorstellen können, dass Kutschen ohne Pferde fahren können? Oder dass Smartphones den Wecker, den Kalender, die Wettervorhersage, den Plattenspieler und den Taschenrechner überflüssig machen würden? Oder dass Algorithmen Gedichte, Romane und Drehbücher schreiben sowie E-Mails beantworten und die Bewerbungen in Unternehmen filtern?

Morning Star Company – Weder Management noch Hierarchie

Es gibt Unternehmen, die machen Dinge, von denen niemals jemand geglaubt hätte, dass sie funktionieren könnten – bis sie tatsächlich realisiert wurden. Ein Tomatenverarbeiter in Kalifornien beispielsweise, der Tomatenpaste für Pizza & Co. herstellt, schaffte kurzerhand das Management ab. In dem Unternehmen gibt es keine Hierarchie und keine Chefs.

Im Umkehrschluss: Niemand nimmt einem Mitarbeiter die Verantwortung ab oder trifft für ihn die Entscheidungen.

Die Mitarbeiter handeln mit ihren Kollegen selbst Verträge aus. Was sie für ihre Arbeit an Maschinen oder Material benötigen, bestellen sie selbst – und nicht eine Einkaufsabteilung. Das Unternehmen besteht auf diese Weise aus lauter Mini-Unternehmen, jeder Mitarbeiter ist völlig autonom in seinen Handlungen: Er bestimmt, was er genau tun will, wie er mit seinen Kollegen kommunizieren und sich koordinieren will, was er mit den Lieferanten oder Kunden aushandeln will. Die Mitarbeiter haben kurzerhand auch alle Managementaufgaben übernommen.

Es gibt keine Stellenbeschreibungen, keine Anweisungshandbücher und Organisationsrichtlinien keine von oben verordneten Zielvorgaben. Alle Zuständigkeiten und die komplette Arbeitsteilung werden zwischen den Mitarbeitern direkt ausgehandelt.

Soziale Kontrolle ersetzt hierarchische Kontrolle

Das heißt aber nicht, dass einfach jeder macht, was ihm in den Kram passt. Die Kollegen haben ja selbst auch Bedürfnisse, Ziele, Wünsche und Gepflogenheiten. Wenn da einer wie die Axt im Walde auf die eigene Rechnung holzen würde, würde er sich ruckzuck in der freien Wildnis wiederfinden. Die soziale Kontrolle ersetzt die hierarchische Kontrolle von Vorgesetzten. Und das ziemlich effektiv.

Diese Art der Organisation ohne jegliche Hierarchie widerspricht völlig dem, was wir aus der Erfahrung der letzten hundert Jahre als „normal“ empfinden. Aber wer weiß, vielleicht ist das die Organisationsform der Zukunft. Sie hat nämlich einige spürbare Vorteile:

  • Keine politischen Spielchen nach dem Stromberg-Muster.
  • Mehr Selbstbestimmung und damit weniger Stress.
  • Mehr Initiative und intrinsische Motivation.
  • Hohe Loyalität und Mitarbeiterbindung.
  • Mehr Interesse an Weiterbildung und damit mehr Kompetenz.
  • Kurze Wege und schnelle Entscheidungen.
  • Große Flexibilität und Veränderungsbereitschaft.

Na, klar es gibt auch Nachteile. Nicht jedem liegt es beispielsweise, so viel Verantwortung zu tragen. Und neue Mitarbeiter brauchen lange, bis sie sich eingewöhnt haben.

Kleine Klitsche? Weit gefehlt …

Aber es gibt ein verblüffendes Faktum, das uns alle zum Nachdenken bringen sollte, ob es nicht an der Zeit ist, die „alte“ Art ein Unternehmen zu führen zumindest zu überdenken und zu modifizieren: Bei dem Unternehmen handelt es sich nicht etwa um eine kleine experimentelle Klitsche, sondern um die Morning Star Company – und das ist der größte Tomatenverarbeiter der Welt, der mit 400 Mitarbeitern über 1000 Tonnen Tomaten pro Stunde (!) verarbeitet, einen Umsatz von über 700 Millionen US-Dollar pro Jahr macht und jedes Jahr zweistellig wächst.

Über die Autorin

Anja Förster ist Autorin, Unternehmerin, Vortragsrednerin und Gründerin der Initiative Rebels at Work. Sie stiftet Menschen dazu an, sich dem Konformismus, Festklammern und Stehenbleiben zu widersetzen. Denn unsere Gesellschaft und Wirtschaft brauchen mehr mutige Gestalter, die sich etwas trauen. Menschen, die voranschreiten, Neues ausprobieren, anstatt auf Erlaubnis warten.

Ihre Bücher sind in viele Sprachen übersetzt worden und auf den Bestsellerlisten von Spiegel, Manager Magazin und Handelsblatt zu finden. Ihr Newsletter erreicht alle zwei Wochen 32.000 Leser.

Quelle: Xing-Insider

11 Oktober 2019

Digital Fitness – mit dem Menschen im Mittelpunkt

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Beitrag von Yvonne Benkert in "Zukunft der Arbeit"

Digital Fitness – mit dem Menschen im Mittelpunkt

Digital Upskilling heißt das Zauberwort: Bei PricewaterhouseCoopers (PwC) trägt die digitale Qualifizierung der Belegschaft unmittelbar zum Geschäftserfolg bei. Das berichtet Yvonne Benkert,Director Human Capital, Change Transformation, Assurance der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Für uns beschreibt sie Strategie, Methoden und vier essenzielle Learnings.

Zentrale Zukunftskompetenz ist die Lernagilität

Bei uns hat die digitale Qualifizierung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oberste Priorität. Mit unserer Digital Fitness App setzen wir auf Gamification und individuelles Lernen. Überall in unserer Gesellschaft ringen wir darum, den Wert von Daten zu erschließen, Geschäftsprozesse zu verbessern und für Bürger, Kunden und Mitarbeiter sowohl auf Menschen zentrierte als auch digitale Erfahrungen und Erlebnisse zu kreieren. Für diesen digitalen Wandel braucht es eine neue Art zu denken. Denn Arbeit wird zunehmend agil und flexibel. Lernagilität ist die vielzitierte Zukunftskompetenz. Sie zeichnet Menschen aus, die sich Neuem gegenüber öffnen, Veränderungen mittragen und mitgestalten, neue Fähigkeiten eigenverantwortlich lernen und sich im Kopf flexibel zeigen.

Digitales Denken in der Belegschaft etablieren

Damit neue Geschäftsmodelle und Innovationen entstehen, braucht es etabliertes digitales Denken in der Belegschaft. In jedem Unternehmen muss dabei individuell überlegt werden, welche Bereiche in welchem Maße weitergebildet werden sollen.

Entscheidend für die digitale Ausbildungsstrategie sind zwei Faktoren: die angestrebten Entwicklungsziele und der Grad der digitalen Transformation, den das Unternehmen bereits erreicht hat. Sind die Organisationen digitale Anfänger, die gerade erst beginnen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Sind sie bereits Follower oder Innovatoren, die das eigene Geschäftsmodell bereits hinterfragen? Oder sogar digitale Champions, die disruptiv den Markt verändern?

Persönlicher Austausch bleibt ein wichtiger Baustein

Zur Verfügung stehen unterschiedliche Lerninhalte auf vielen verschiedenen Kanälen – gedruckte Unterlagen, E-Learning, Tutorials. TED-Talks, etc. Das Spektrum ist groß. Auch hier gilt es, Inhalte und Kanäle abgestimmt auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuwählen. Auch zwischenmenschliche Beziehungen sind ein sehr wichtiger Baustein in Lernprozessen.

Teams erarbeiten Einsatzgebiete gemeinsam

Eine gute Herangehensweise für digitale Fortbildung ist ein erstes persönliches Treffen von Interessierten und Experten zu einem spezifischen digitalen Thema wie zum Beispiel künstliche Intelligenz oder Drohnen. In Teams können mögliche Einsatzgebiete gemeinsam erarbeitet und erste Prototypen erstellt werden. Sie entwickeln etwa Ideen, wie der Einsatz von Chatbots die Kundenbetreuung im Unternehmen verbessern kann. Lerninhalte und erste Anwendungen können den Teams oder anderen Interessierten in der Organisation anschließend per Telefon- oder Videokonferenz, Chat oder in einer Internet-Community zur Verfügung gestellt werden.

Experimentieren erlaubt

Wichtig ist jedoch, dass weiterhin in regelmäßigen Abständen persönliche Sessions stattfinden. Wenn Mitarbeiter eine neue Technologie oder Methode wie Scrum oder Design Thinking erlernt haben, müssen sie sich anschließend austauschen und experimentieren dürfen.

Bereit sein zu lernen – ein Leben lang

Zur Wahrung der Employability ist es die Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich bewusst für ihre digitale Weiterbildung zu entscheiden und natürlich Zeit und Mühe in neues Wissen und neue Fähigkeiten zu investieren. Lebenslanges Lernen ist hier das Stichwort.

Als Unternehmen und Führungskräfte ist es unsere Aufgabe, Investitionen hierfür anzustoßen und idealerweise alle Menschen in der Organisation auf die digitale Reise mitzunehmen.

Das Ziel: digitale Fitness durch breit angelegtes Wissen

Bei PwC haben wir eine umfassende Strategie zur Weiterbildung all unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelt. Damit stärken wir ihre „digitale Fitness“. Wir zielen auf breites Wissen auf zahlreichen Gebieten ab, wie etwa Datenanalyse, künstliche Intelligenz, Automatisierung, Blockchain oder Design Thinking. Digitale Fitness bauen wir durch technologiegestütztes Lernen auf. Wir nutzen Podcasts, Gamification, virtuelle Realität, Multimediainhalte und Quiz, die über mobile Plattformen laufen und nicht durch einen Seminaraum begrenzt werden.

App bietet individuellen Lernpfad und Spaß

Zudem haben wir eine Digital Fitness App entwickelt, die den digitalen Sachstand jedes Mitarbeiters über einen Score erhebt. Basierend auf dem individuellen Score erhält der User Lernempfehlungen und Lernressourcen, um sein Wissen zu erweitern und sich selbst zu verbessern. Die App bietet einen individuell zugeschnittenen Lernpfad, der auf den eigenen Lernpräferenzen beruht: bin ich eher ein visueller Lerntyp, erhalte ich Videovorschläge, Mindmaps und Grafiken? Lernen ist damit jederzeit und überall möglich und macht Spaß!

Beschleuniger für das Team: der Digital Accelerator

Aktuell arbeiten wir daran, fortgeschrittene Digitalkenntnisse über alle Teams hinweg bei PwC zu verankern. Eine wichtige Rolle spielen dabei unsere sogenannten Digital Accelerators. Diese digitalen Beschleuniger sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihre Fähigkeiten in Fachgebieten wie Datenanalyse, digitales Storytelling oder Automatisierung schnell vertiefen und ihr Wissen an die Teams weitergeben. Ziel ist es dabei, Prozesse und Abläufe zu vereinfachen, aber auch neue Ideen für unsere Kunden zu testen. Zeit zum Lernen, zur Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen und zur Anwendung des Erlernten freizuhalten, ist dabei besonders wichtig und muss in der Entwicklung dieses Programms berücksichtigt werden.

Summer Cup: Die besten Ideen aus dem Unternehmen prämieren und umsetzen

Apropos neue Ideen: im Rahmen des jährlichen Summer Cups rufen wir unsere Belegschaft auf, über den Sommer kreativ zu werden und digitale Ideen zu „Simplify the business“ zu erarbeiten: vom simplen Einzeiler bis hin zum ausgearbeiten Konzept sind alle Ideen bei uns herzlich willkommen. Nachdem die Vorschläge auf unserer Online Plattform eingegangen sind, können alle Mitarbeiter ihre Favoriten wählen und die Top 10 Ideen werden prämiert und natürlich auch umgesetzt.

Learnings auf der digitalen Reise

Auch wir sind noch lange nicht am Ende der digitalen Reise angekommen, aber einige Learnings wollen wir zum Digital Upskilling bereits teilen:

  • Stellen Sie den Menschen in den Mittelpunkt, wenn es um die Entwicklung von Programmen und Angeboten zur digitalen Weiterbildung geht. Denn jeder ist verschieden und hat unterschiedliche Bedürfnisse.
  • Nutzen Sie Lernressourcen, die attraktiv sind und Lernen flexibel macht.
  • Belohnen Sie neue Fähigkeiten: let’s party.
  • Schaffen Sie Freiräume, damit Lernen überhaupt möglich ist.


Digital Upskilling wirkt sofort positiv

Bei PwC trägt das Digital Upskilling unmittelbar zum Geschäftserfolg bei. Und sie liefern bereits erste Ergebnisse: effizienteres Arbeiten, aber auch veränderte Erfahrungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Über die Autorin

Yvonne Benkert, MBA und Diplom-Psychologin, ist verantwortlich für Human Capital, Change & Transformation im Prüfungsbereich (Assurance) der PricewaterhouseCoopers GmbH.

Quelle: ZukunftderArbeit

04 Oktober 2019

Warum uns die Digitalisierung menschlicher macht

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Artikel von Rosa Riera in "ZukunftderArbeit"

Warum uns die Digitalisierung menschlicher macht

„Wandel war noch nie so schnell und er wird nie wieder so langsam sein.“ So der Journalist Graeme Wood. Und er liegt richtig. Denn bedingt durch die Digitalisierung, finden weltweit in Politik, Gesellschaft und in der Wirtschaft weitreichende und komplexe Veränderungen statt. Ein Ende der Beschleunigung ist nicht zu erwarten.

Was haben die einen, was den anderen fehlt?

Ich beschäftige mich oft mit der Frage, ob und wie wir mit dieser Beschleunigung Schritt halten können. Manche Menschen haben scheinbar kein Problem mit dieser Beschleunigung, während andere deutlich darunter leiden oder resignieren.

Auf der Suche nach möglichen Antworten bin ich auf eine vor kurzem veröffentlichte Liste des WEF gestoßen, die die zehn wichtigsten Fähigkeiten benennt, die benötigt werden, um auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft erfolgreich zu sein. Laut WEF sind die top drei der wichtigsten Kompetenzen das „lösen komplexer Probleme“, „ kritisches Denken“ und „Kreativität“.

Mit dem „lösen komplexer Probleme“ können sich sicherlich viele, vor allem in der Ingenieursnation Deutschland, identifizieren. Kritisches Denken und Kreativität erfordern jedoch oft, bewährtes in Frage zu stellen und sich somit auf unsicheres Terrain zu begeben. Das fällt nach wie vor vielen eher schwer, bietet jedoch auch eine enorme Chance.

Welche Formen der Beschäftigung werden wir zukünftig als Arbeit bezeichnen und wie werden wir diese entlohnen?

Denn die Digitalisierung verkürzt die Halbwertszeit unseres Wissens, unserer Kompetenzen, unserer Prozesse und unserer Organisationsmodelle radikal. Das bedeutet, dass kontinuierliches Lernen und Umgestalten nicht mehr nur eine Option, sondern ein Muss sind. Was sich zunächst anstrengend anhört bedeutet jedoch, dass wir deutlich mehr Chancen auf Weiterentwicklung oder sogar auf einen kompletten Neuanfang haben. Und so zwingt uns die digitale Transformation dazu, über Fragen nachzudenken, die heute zutiefst relevant sind.

Welche Funktion hat Arbeit in der Gesellschaft? Warum wird eine gute Unternehmenskultur immer stärker zum Erfolgsfaktor? Wie können wir Kompetenzen, die für die Zukunft relevant sind, vermitteln? Wie können wir Bildung skalieren und sie dennoch personalisieren? Welche Rahmenbedingungen machen uns zukunftsfähig und welche bewahren Konzepte, Prozesse und Systeme, deren Zeit bereits abgelaufen ist? Und welche Formen der Beschäftigung werden wir zukünftig als Arbeit bezeichnen und wie werden wir diese entlohnen?

Es geht im digitalen Zeitalter nicht primär um die Technologie, sondern vor allem darum wie wir eine digitale Welt für uns gestalten wollen.

Diese Fragen drehen sich sehr stark um menschliche Bedürfnisse nach einer guten Gemeinschaft, nach persönlicher Weiterentwicklung, nach Sinnhaftigkeit und nach Respekt.

Für diese Fragen gibt es keine fertigen Antworten. Und sie werden auch nicht nur von einer kleinen Gruppe von Menschen hinter verschlossenen Türen beantwortet werden können, denn durch die Digitalisierung entsteht ein immer größeres Bedürfnis nach nachvollziehbaren Prozessen und Partizipation. Wir alle müssen also gemeinsam zu Antworten auf diese Fragen kommen und zwar in einem Prozess der Co-Creation. Wir werden beim Versuchen und Ausprobieren den ein oder anderen Fehler machen und dabei viel lernen und auf Ideen kommen, die heute undenkbar sind. Wichtig ist, dass wir für diesen Prozess offen sind, den Dialog am Leben erhalten und uns trotz der Anstrengungen, die dieser Prozess von allen erfordert, die Lust auf Zukunft nicht nehmen lassen.

Die heutigen Berufsanfänger haben dies begriffen und integrieren dies bereits in ihre Lebensplanung: Die wichtigsten Faktoren, nach denen Kandidaten ideale Arbeitgeber auswählen, sind u.a., ob das Unternehmen an relevanten Themen arbeitet und kulturell zu einem passt, ob es ansprechende Möglichkeiten bietet, um sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, und ob es einem ermöglicht, sein Privatleben mit dem Berufsleben in Einklang zu bringen.

Auch wenn diese Forderungen und Ideen für Unternehmen zunächst einmal als herausfordernd gesehen werden und sich einige schwer tun diese umzusetzen, bin ich davon überzeugt, dass es höchst relevante Fragestellungen sind und dass diese Generation nicht nur sich selbst, sondern uns allen einen großen Gefallen getan hat, in dem sie diese Themen adressiert hat.

Es geht also im digitalen Zeitalter nicht primär um Technologie, sondern darum, wie wir diese digitale Welt für uns gestalten wollen. Wir sind ohnehin nicht mehr in der Lage, mit Maschinen zu konkurrieren. Es wird daher Zeit, dass wir uns auf unsere „Kernkompetenz“ als Mensch besinnen und uns in Zukunft darauf spezialisieren.

Über die Autorin

Rosa Riera ist bei Siemens AG zuständig für Employer Branding und Social Innovation

Quelle: ZukunftderArbeit

16 August 2019

Selbst aktiv werden für den Digitalen Wandel

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Artikel von Thomas Haskamp, Muriel Boukaz in "Zukunft der Arbeit"

Selbst aktiv werden für den Digitalen Wandel

Diesmal stehen nicht die Führungskräfte im Fokus, sondern Kolleginnen und Kollegen. Zum Thema Digitaler Wandel vertreten unsere Autoren nämlich die These: „Oft scheitert die angestrebte Transformation in den großen KMU oder Konzernen nicht an den Chefs, sondern an Mitarbeitern.“ Notwendig sei ein Wechsel vom Reaktions- in den Aktionsmodus.

Liegt es wirklich immer an den Anderen?

Kennen Sie das? Der Kollege*, der sich dauernd beklagt? Irgendetwas ist immer unpassend beziehungsweise es gibt immer einen Grund, sich aufzuregen. Die Kaffeemaschine läuft mal wieder nicht, das Kantinenessen ist ungenießbar und aufgrund des Missmanagements Anderer sind die daraus resultierenden Überstunden auch eine Frechheit. Gleichzeitig kriegt die Geschäftsleitung die Transformation – natürlich – nicht hin und steuert das Unternehmen ohne Plan. Und die eigenen Projekte? – Entwickeln sich aufgrund der mangelnden Offenheit des Projektpartners einer anderen Abteilung auch negativ.

Wir alle kennen diese Kollegen, und falls wir sie nicht kennen: Sind wir es vielleicht selbst? Immer sind es die Anderen und einem selbst sind die Hände gebunden. Ist dem wirklich so?

Die Argumente

Wir denken: nein! Oftmals scheitert die angestrebte Transformation in den großen KMU oder Konzernen nicht an den Chefs, sondern an Mitarbeitern. Das kommt jetzt vielleicht etwas überraschend, aber wir führen unsere Argumentation gern aus:

Den Angestellten geht es zu gut!

#1: Wohlfühloase: Den Angestellten geht es zu gut! Gut dotierte Tarifverträge führen in der Regel dazu, wenig Risiko einzugehen für den Fall, dass Projekte doch nicht so erfolgreich verlaufen. Viele Mitarbeiter und Unternehmen kommen aus sehr erfolgreichen Zeiten, die sich auch in dem Wohlstand der Mitarbeiter ausdrücken. Unternehmerisches Denken ist dabei bei vielen leider unter die Räder gekommen.

Komplexe Strukturen erleichtern ein Versteckspiel

#2: Träge Unternehmenskultur: Die Unternehmenskultur wurde in den letzten 30 Jahren träge. Die Strukturen sind teilweise so komplex, dass es für gewisse Mitarbeiter einfach geworden ist, sich dahinter zu verstecken. Viele fragen sich, was die ganzen Leute eigentlich machen und was ihr Beitrag zur Wertschöpfung ist. Darüber hinaus haben viele von “wegdelegierten” Mitarbeitern gehört, die eigentlich keine Aufgabe mehr haben und auf die Rente warten.

Veränderung war tendenziell von Nachteil

#3: Bildungssystem: Die Menschen, die aktuell/derzeit in den Organisationen arbeiten, haben vielfach nicht die Förderung bekommen, die man heute über die Bildungsorganisationen erfährt. Kritisches Denken wurde bestraft, Veränderung war tendenziell nachteilig. Am Ende des Bildungs- beziehungsweise Ausbildungssystems war man froh, einen Job bekommen zu haben.

Wie umgehen mit den neuen Möglichkeiten?

#4: Neue Freiheit: Viele Menschen sitzen in ihrem Job, weil sie in diesen hineingewachsen sind. Nach der Schule hat man die Ausbildung im Betrieb nebenan gemacht und von da aus ist man mit dem Unternehmen gewachsen. Reflektierte Berufswahl war da ein Luxus. Dies ist in der heutigen Gesellschaft, in der einem scheinbar alle Optionen offen stehen, anders.

Wenige stehen für eine Sache ein

#5: Aufwand: Die Unternehmenskultur wurde in den letzten 30 Jahren träge. Risiko wird gescheut. Nur wenige stehen für eine Sache ein, weil alle wissen: Wer sich exponiert, hat grundsätzlich mehr zu tun, und das möchte keiner. Wenn es schief geht, ist man auch noch der Dumme!

Gegen den „Wahnsinn“: Weshalb ein Paradigmenwechsel nötig ist

Der beschriebene „Wahnsinn“ liefert vielleicht den einen oder anderen Erklärungsansatz für die Probleme von großen Mittelständlern oder Konzernen. Aus unserer Sicht legitimieren die Erklärungen das Verhalten vieler Angestellter jedoch nicht. Deshalb fordern wir einen Paradigmenwechsel vom Reaktionsmodus in den Aktionsmodus. Warum sich das lohnt?

Von Teilhabe bis Selbstverwirklichung

#1:Arbeit kann glücklich machen: Arbeit und Glück? Was für einige vielleicht zynisch klingt, kann sehr sinnstiftend sein, denn Arbeitszeit ist auch Lebenszeit. So lassen sich mit Arbeit neben dem bloßen Broterwerb längst auch ganz andere Ziele erreichen/verwirklichen! Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Anerkennung für das eigene Tun, sozialer Austausch und eben für viele auch Selbstverwirklichung! Und darin sehen wir eine große Chance!

Die Komfortzone verlassen

#2: Persönliche Weiterentwicklung: Ungewissheit, wie beispielsweise der Beginn eines neuen Projekts, bedeutet vielleicht erst einmal Aufwand und macht Angst. Wie reagieren die Kollegen auf meine Idee? Was meint der Chef? Alles Fragen, die zum Nachdenken anregen. Gleichzeitig sind solche Fragen mit der Chance verbunden, etwas Neues zu lernen. So beginnt persönliche Entwicklung außerhalb der eigenen Komfortzone. Dabei muss es nicht immer gleich die Weltreise sein. Man kann auch im Unternehmensalltag ohne teure Weiterbildungsseminare den eigenen Horizont erweitern.

Ein neuer Typ Mensch ist gefragt

#3: Andere Wirtschaft – andere Menschen: Die Wirtschaft wandelt sich. Alles wird digitaler, schneller – anders! Das braucht auch einen neuen Typ „Mensch“. Dieser Mensch muss lernen, mit den Veränderungen umzugehen. Das heißt nicht nur, sich mit diesen Veränderungen auseinanderzusetzen, sondern diese aktiv in die Hand zu nehmen und zu gestalten.

Unternehmen mit hoher Autonomie sind erfolgreicher

#4: Money, Money, Money: Unternehmen mit engagierten Mitarbeitern outperformen andere Unternehmen. Unternehmen mit einer hohen Autonomie sind nicht nur finanziell erfolgreicher; die Mitarbeiterzufriedenheit ist auch deutlich höher und die Unternehmen gelten als attraktive Arbeitgeber. Es lohnt sich also auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive, engagiert zu sein.

Am größten Stellhebel ansetzen – den Mitarbeitern

Viel wurde schon über “die da oben” geschrieben, über die unfähigen Führungskräfte, die endlich etwas bewegen oder verändern sollen. Das Thema bestreiten wir auch nicht, fragen uns aber: Was ist eigentlich mit der großen Masse? Schließlich sind die Mitarbeiter doch in vielen Unternehmen die wichtigste Ressource! Wenn dem so ist, bilden sie gleichzeitig den größten Stellhebel. Und so ist auch das Anliegen dieses Beitrags, einen Perspektivenwechsel zu schaffen.

Wie Führungskräfte reagieren

Die Annahme, dass dieses von vielen Führungskräften nicht erwünscht ist, möchten wir an dieser Stelle bewusst herausfordern. Aus unserer Sicht beruht diese Annahme häufig eher auf einer verstörenden Einzelerfahrung und muss überwunden werden. Vielfach ist die Reaktion auf eine neue Idee/Arbeitsweise/Projekt sogar positiver als gedacht und es finden sich direkt Unterstützer.

Selbst aktiv werden

Es ist also an der Zeit für einen Wandel. Statt immer nur zu warten, bis andere aktiv werden: Nehmt das Heft des Handelns in die eigene Hand!

Über die Autoren:

Thomas Haskamp studiert aktuell im Master of Arts in Business Innovation an der Universität St. Gallen (HSG). Er absolviert diesen als Double Degree in Kombination mit einem Master of Organisational Change & Consulting an der Rotterdam School of Management (RSM) . Vor diesem machte er seinen Bachelor in BWL/E-Business an der Leuphana Universität Lüneburg. Er sammelte Praxiserfahrungen im Mittelstand, Konzernen und der Beratung. In seiner Freizeit engagiert er sich für Fragen der Bildungsgerechtigkeit und reist sehr gerne.

Muriel Boukaz studiert momentan an der Universität St.Gallen (HSG) im Masterstudiengang Business Innovation. Zusätzlich arbeitet Sie in einem Schweizer KMU im Bereich Raumgestaltung und befasst sich dabei mit den Lern- und Arbeitswelten der Zukunft.

Voraus geht ein Bachelorstudium in Betriebswirtschaft, welches ebenfalls an der HSG absolviert wurde. Auslandaufenthalte in Brasilien, Frankreich und auf Weltreise bereichern Ihre multikulturelle Erfahrung. Beruflich hat Muriel Erfahrung bei einer Schweizer Grossbank und in der Unternehmensberatung gesammelt. In Ihrer Freizeit engagiert Sie sich in einem studentischen Verein, moderiert Veranstaltungen (u.a. Hannover Messe) und macht viel Sport.

Quelle: ZukunftderArbeit

05 Juli 2019

Mindfulness erobert die Unternehmen

Posted in Trends, Mind

Interview mit Jan Eßwein, dem Experten für Achtsamkeit im Business

Mindfulness erobert die Unternehmen

Bei großen und bekannten Unternehmen wie Google und McKinsey ist es schon passiert: Mindfulness hat sie erobert. Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff, wie können Unternehmen davon profitieren und womit kann man starten?

Um diese Fragen zu beantworten, durfte ich Jan Eßwein interviewen. Jan ist Speaker, Führungskräfte-Coach und Deutschlands meistgelesener Autor zum Thema Achtsamkeit. Seine frühen Veröffentlichungen und Trainings machen ihn außerdem zu einem Wegbereiter der Achtsamkeitsbewegung in Deutschland.

Viel Spaß beim Lesen!

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Mindfulness?

Mindfulness ist der englische Begriff für das Wort Achtsamkeit. Ich nutze am liebsten das deutsche Wort, denn das ist den meisten Menschen geläufiger.

Achtsam zu sein bedeutet mit der Aufmerksamkeit voll und ganz bei dem zu sein was Du tust oder erlebst. Achtsamkeit ist wie ein Scheinwerfer. Du kannst ihn auf Dich selbst richten, auf Dein Gegenüber oder auf Deine Umgebung, die Situation in der Du Dich befindest. Wenn Du achtsam bist, ist es als würdest Du innerlich einen kleinen Schritt zurücktreten. Aus diesem Abstand ist es leichter die Dinge klar zu sehen und Gelassenheit zu entwickeln.

Wie erklärst du Mindfulness einem Personaler der noch nie davon gehört hat?

Einerseits ist Achtsamkeit, also die Fähigkeit präsent zu sein und sich differenziert wahrzunehmen, eine Basiskompetenz. Sie bildet die Voraussetzung für eine gesunde Selbstführung und ist eine tragende Säule der Resilienz.

Andererseits ist es eine Haltung der Akzeptanz, des Respektes und der Wertschätzung.

Wenn Führungskräfte diese Haltung in ihrer Kommunikation zum Ausdruck bringen, stärken sie eine positive Beziehung zu ihren Mitarbeitern. Das senkt das Stresslevel der Mitarbeiter und damit die Krankenstände, führt zu stärkerer Mitarbeiter-Bindung und höherer Mitarbeiter-Zufriedenheit.

Wie bist du persönlich zu dem Thema gekommen?

Als ich achtzehn Jahre alt war starb ein enger Freund bei einem Unfall. Das hat mich stark ins Nachdenken darüber gebracht was ein gut gelebtes Leben ausmacht. Die Antwort war: „So bewusst wie möglich leben“. Den Weg dazu fand ich in verschiedenen Meditationstechniken. 1995, im Alter von zwanzig Jahren ging ich in mein erstes zehntägiges Schweige-Retreat in Indien. Diese Erfahrung veränderte grundlegend meine Sicht auf mich selbst. Der Weg der Achtsamkeit lies mich seitdem nicht mehr los.

Welche Rolle spielt Mindfulness in der heutigen Arbeitswelt?

Da sehe ich zwei thematische Achsen: Die erste spannt sich zwischen den Herausforderungen und den Potentialen der eigenen Tätigkeit.

Zu den Herausforderungen: Achtsamkeit hat, das ist wissenschaftlich nachgewiesen, eine stark stressreduzierende Wirkung. Das ist in der heutigen Arbeitswelt mit ihrer hohen Umdrehungszahl sowie der Informationsdichte ein wichtiger Aspekt und eine Fähigkeit die den meisten Führungskräften und Mitarbeitern von großem Nutzen ist.

Im Hinblick auf die Potentiale: Je genauer ich mich wahrnehme desto klarer spüre ich wo es mich hinzieht, wo ich aufblühe, was mein Herz zum schlagen bringt.

Ich kann dann Fragen besser beantworten wie: „Wo ist mein Sweet Spot? Wo bin ich am Besten? Wo erfahre ich den größten Sinn und kann gleichzeitig den bestmöglichen Beitrag innerhalb meiner Organisation liefern?“ Wer seinen Sweet Spot findet, der ist intrinsisch motiviert bis in die Haarspitzen, den muss man nicht mehr pushen, höchstens manchmal bremsen.

Die zweite Achse spannt sich zwischen den Polen von Kommunikation und Konzentration. Wann brauche ich einen anregenden Austausch mit einem Kollegen? Wann brauche ich fokussiertes, unterbrechungsfreies, tiefes Arbeiten an einem Thema? Wie stelle ich einen jeweils geeigneten Kontext her? Wer achtsam ist erkennt deutlicher, welche Bedingungen dafür dienlich sind.

Welche Chancen siehst du darin?

Ich sehe tatsächlich die Chance darin die Arbeit zu tun „die wir wirklich, wirklich wollen“ um mit Frithjof Bergmann, dem Begründer der New Work Bewegung zu sprechen. Zufriedener zu werden. Und zugleich produktiver.

Teile ein Beispiel aus deinem Arbeitsalltag, das andere zum Thema Mindfulness ermutigt.

Meetings mit meinen Mitarbeitern starte ich immer mit zwei Minuten Stille. Als Nächstes notiert sich jeder a, drei Dinge auf die er gerade stolz ist und b, die drei wichtigsten Dinge für die heutige Agenda. Unser Check-In startet damit, diese Punkte kurz mitzuteilen. Es hat sich bewährt, erstmal den Blick aufs Gesunde, Funktionierende, auf die Ressourcen zu lenken. Mit diesem positiven Gefühl im Rücken können wir die Aufgaben die vor uns liegen, viel leichter angehen.

Dein Tipp: Welche drei ersten Schritte sollte ein Personaler tun, um Mindfulness im Unternehmen zu etablieren?

Bevor Du einen Schritt tust ist es gut sich zu fragen: passt das Thema Achtsamkeit wirklich zu unseren gelebten Werten und unserer Kultur? Passt sie zur Suppe in der wir schwimmen? Wenn das nicht der Fall ist, kannst Du bestenfalls Einzelne unterstützen und die Implementierung wird zwangsläufig an der Oberfläche bleiben.

Falls Du die vorherige Frage mit ja beantworten kannst, ist es im ersten Schritt hilfreich Informationen mit dem Team zu teilen: Artikel, spannende Links, eigene Erfahrungsberichte um die Resonanz zu testen und Verbündete zu finden.

Mach Dir im zweiten Schritt bewusst, wen Du abholen musst. Gerade das Thema Achtsamkeit ist in manchen Köpfen noch mit einem Esoterik-Stempel versehen. In sehr kritischen oder stark kognitiv geprägten Zielgruppen ist es deshalb wichtig den Zahlen-Daten-Fakten Aspekt in der Kommunikation in den Vordergrund zu stellen und Vorbehalte von Anfang an passgenau zu adressieren.

Plane als Schritt Nummer drei Maßnahmen von Anfang an im Hinblick auf Transfer und Verankerung in der Organisation. Häufig sind dazu blended-learning Ansätze geeignet. Prüfe wo Ihr Achtsamkeit räumlich und in Ritualen wie zum Beispiel Meetings verankern könnt. Idealerweise sollten Bezugspunkte geschaffen werden durch die die Achtsamkeit immer wieder sichtbar und erlebbar wird. Fragt im Vorfeld Euer Management wie viel Achtsamkeit es in der Organisation denn sein darf. Ansonsten stoßen Eure Maßnahmen an eine Glasdecke.

Was kann jeder einzelne dafür tun?

Eine gute, weil wichtige Frage. In Asien wird für den Begriff Meditation das Wort Bhavana verwendet. Es bedeutet soviel wie „Üben, kultivieren, entwickeln“. Achtsamkeit ist eine Fähigkeit die geübt, entwickelt werden will, sonst bleibt es eine reine Formel.

Das geht auf zwei Wegen, die sich perfekt ergänzen: Zum einen die stillen Übungen der Atemmeditation oder des Bodyscans, die Du zu Hause anwenden kannst. Selbst fünf bis zehn Minuten am Tag sind wertvoll. Zum anderen die Praxis der Achtsamkeit im Alltag. Du kannst achtsam essen, Autofahren oder dem Gegenüber im Gespräch Deine volle Aufmerksamkeit schenken.

 

Über den Autor

Jurek MählerBereichsleiter Gesundheitsmanagement, B·A·D GmbH
INSIDER für New Work, Health, Performance

New Work als Chance zur Veränderung der Arbeitswelt! Welche Kompetenzen benötigen Mitarbeiter in Zukunft? Was können Unternehmen tun, um eine gesunde und leistungsfördernde Kultur zu schaffen? Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Sie werden auch von diesen Fragen angetrieben? Dann bleiben Sie hier!

Quelle: Xing Insider

 

03 Mai 2019

Neue Arbeit und die eigene Haltung: Wie wichtig Glaubenssätze sind

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Podcast von Ina Höltmann

Neue Arbeit und die eigene Haltung: Wie wichtig Glaubenssätze sind

Insa Klasing war Deutschlandchefin von Kentucky Fried Chicken, nun zieht sie ihr eigenes Start-up in Berlin hoch: TheNextWe heißt es. Und dabei geht es ihr um Haltung und Mindset in der neuen Arbeitswelt.

Dass Haltung alles ist, ist eine Grundüberzeugung von Insa Klasing. Sie ist eine der Gründer von „TheNextWe“, einem 12-wöchigen digitalen Coachingprogramm für Unternehmen. Es setzt bei Haltung und Mindset an und hilft, Glaubenssätze zu erkennen, die das eigene Verhalten steuern. Denn die beste Unternehmensstrategie nützt nichts, wenn es noch Vorbehalte unter den Mitarbeitern gibt, meint Klasing – ein Grund, warum so viele Unternehmen in ihrer Transformation straucheln.

Bevor sie gründete, war sie Deutschlandchefin von Kentucky Fried Chicken. In dieser Rolle hatte Klasing viel umbauen müssen und die Transformation vorangetrieben – und das gelang ihr ohne große Personalwechsel: Weil sie auf Kommunikation setzte und viele Gespräche mit ihren Mitarbeitern führte. Allzu häufig werde vernachlässigt, alle Mitarbeiter mitnehmen zu wollen, meint sie. Transformation wird oft top-down „verordnet“, es wird versucht, Motivation von außen überzustülpen. Doch stattdessen sollte der Fokus auf der intrinsischen Motivation der Mitarbeiter liegen, sagt Klasing, gemeinsam herauszufinden, wofür es sich lohnen würden loszugehen. „Denn dann macht es plötzlich sehr viel Sinn loszugehen“, sagt sie.

"Die Bereitschaft, Eigenverantwortung zu übernehmen und auch in der Lage zu sein, die Fähigkeiten zu entwickeln, damit umzugehen und es zu gestalten, auch wenn es gerade nicht läuft, das ist eine Schlüsselherausforderung der Arbeitswelt der Zukunft."

Der Kern dabei für Klasing: Ganz neu lernen zu lernen. Dazu gehört für sie auch die Demut zu sagen: „Ich weiß es nicht, wir fragen jetzt den Kunden.“ Denn das „Ich weiß gar nichts!“ war auch die für sie wichtigste Lektion, die sie lernen musste, als sie aus ihrer Festanstellung in die Gründung ging.

In der alten Arbeitswelt werden wir bezahlt nach Erfahrung, weil wir wissen, wie es geht – oder meinen, es zu wissen,

sagt sie. Gerade in großen Unternehmen sei das der Fall. Aber das ist in der neuen Arbeitswelt eine Illusion, weil wir nicht mehr wissen wie es geht oder was kommt, ist Klasing überzeugt. Nach ihren Jahren der Festanstellung arbeitet sie heute für ihr Start-up im engen Austausch mit ihren Kunden: „Es ist irre, welche Dynamik entsteht, wenn man in Partnerschaft arbeitet und nicht das klassische Lieferanten-Kunden-Verhältnis pflegt.“

Im Interview spricht sie über die richtige Haltung in einer sich digitalisierenden Arbeitswelt und wie Unternehmen und Mitarbeiter gemeinsam in die Zukunft gehen können. Sie meint: „Jeder, der darauf Lust hat, wird die spannendste Zeit überhaupt erleben, weil es so unfassbar viele neue Gestaltungsmöglichkeiten gibt!“

Über die Autorin

Inga Höltmann ist Expertin für die Themen Kulturwandel in Unternehmen, New Work und Digital Leadership. Sie ist Gründerin der “Accelerate Academy”, einer Plattform für neue Lernkonzepte rund um neue Arbeit und moderne Führung in Unternehmen, und ausgebildete Wirtschaftsjournalistin, zu ihren Auftraggebern gehören der Berliner Tagesspiegel und der Deutschlandfunk Kultur. Bekannt ist sie auch für ihren erfolgreichen Newsletter zu diesen Themen.

Quelle: Zukunft der Arbeit

26 April 2019

"Bei der digitalen Transformation geht es um Haltung und Werte und nicht um Technologie"

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Birgit Riess: Artikel zu 2. Dialogforum zur "Zukunft der Arbeit"

Das 2. Dialogforum zur „Zukunft der Arbeit“ stand ganz im Zeichen der Debatte um die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Spitzenvertreter deutscher Unternehmen sowie digitale Vordenker diskutierten intensiv darüber, wie es gelingen kann, den grundlegenden Wandel verantwortlich zu gestalten.

In ihrer Begrüßungsansprache wies Liz Mohn auf die großen Chancen der Digitalisierung hin, aber auch auf deren Risiken. Aber unbestreitbar sei, dass die digitale Revolution die Art und Weise, wie wir arbeiten und leben, dramatisch verändert.

Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group, umriss mit drei Thesen die Anforderungen an die Gestaltung der digitalen Transformation und gab damit den ersten Impuls für die Diskussion.

Unternehmen müssen Orientierung geben.

Mit ihm waren sich die Diskutanten einig, dass den Unternehmen aus der rasanten digitalen Transformation der Geschäftsmodelle ein hohes Maß an Verantwortung erwächst. Haltung und Werte sind die Schlüsselfaktoren für eine verantwortungsbewusste Gestaltung der Veränderungsprozesse, die auf den Traditionen der familien- und inhabergeführten Unternehmen aufbauen und diese fortschreiben. Um der ohnehin zu beobachtenden Vertrauenskrise in der Gesellschaft zu begegnen, die durch Zukunftsängste der Menschen noch verstärkt werde, sei jedoch ein gesellschaftlicher Schulterschluss aller relevanten Akteure nötig.

Unternehmen müssen Offenheit, Transparenz und Partizipation leben.

Die größte Herausforderung für die Unternehmen ist es, der Unsicherheit der Beschäftigten zu begegnen und Vertrauen aufzubauen, auch wenn die Geschwindigkeit, wie sich die Geschäfte transformieren enorm ist. Dabei müsse auch in unterschiedlichen Zukünften der Arbeit gedacht werden. Welche Zumutungen dadurch für Beschäftigte und Führungskräfte entstehen wurde in den sehr persönlichen Erfahrungsberichten der Teilnehmenden deutlich.

Zukunft entscheidet sich in den Unternehmen.

Einer der wesentlichen Ansatzpunkte, um die Beschäftigten auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt mitzunehmen ist die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit. Unternehmen müssen massiv in Weiterbildung investieren und dabei auf neue Formen des Lernens und der Wissensvermittlung setzen. Ob „Social Badges“ oder KI-unterstützte Lernplattformen im Einsatz sind – klar ist, dass Weiterbildung individueller und selbstbestimmter wird. Sich von Vertrautem zu verabschieden (“learn to unlearn“), neue Verhaltensweisen auszuprobieren und umzusetzen, benötigt aber auch eine grundlegende Veränderung von Kultur und Führungsverständnis im Unternehmen. Es gibt keine Blaupause für die digitale Transformation, soviel wurde in der Diskussion deutlich, aber Grundprinzipien für deren Gestaltung, die auf Wertschätzung, Beteiligung und Selbstorganisation beruhen.

Im zweiten Impuls stellte Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21 – Deutschlands größtem gemeinnützigen Netzwerk für die digitale Gesellschaft, aktuelle Daten des D21 Digital Index vor. Sie öffnete damit den Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der Digitalisierung und die Frage, wie sich z.B. Aus- und Weiterbildungssysteme weiterentwickeln müssen, um den digitalen Wandel chancenorientiert zu gestalten.

Über die Autorin

Inga Höltmann ist Expertin für die Themen Kulturwandel in Unternehmen, New Work und Digital Leadership. Sie ist Gründerin der “Accelerate Academy”, einer Plattform für neue Lernkonzepte rund um neue Arbeit und moderne Führung in Unternehmen, und ausgebildete Wirtschaftsjournalistin, zu ihren Auftraggebern gehören der Berliner Tagesspiegel und der Deutschlandfunk Kultur. Bekannt ist sie auch für ihren erfolgreichen Newsletter zu diesen Themen.

Quelle: Zukunft der Arbeit

05 April 2019

Boss, schalt mal dein Handy aus!

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Permanente Erreichbarkeit im Job

Boss, schalt mal dein Handy aus!

Permanente Erreichbarkeit ist für viele Firmen extrem wichtig. Heißt das aber auch, dass die Mitarbeiter kein Recht auf Abschalten haben? Smartphones abschalten können oder dürfen sollte zur neuen Tugend werden. In Frankreich tut man dafür so einiges.

Mal ehrlich. War diese allerletzte Mail am Freitag um 21.17 Uhr wirklich noch nötig? Hätten Sie sie nicht auch am Montagmorgen verschicken können? Und ihrem Team damit einen ruhigen Abend und ein verdientermaßen entspanntes Wochenende zu verschaffen? Geben Sie’s zu – Sie gehören zu jenen Mailjunkies, denen es auch weit nach Feierabend in den Fingerchen juckt, die partout nicht vom Firmenphone lassen können und eine Message nach der anderen rausjagen. Mit der Folge, dass Sie Ihre Mitarbeiter damit immer wieder gewaltig unter Druck setzen. Sich selbst übrigens auch. Dann seien Sie froh, dass Sie nicht in Frankreich leben und arbeiten. Denn dort gilt seit Anfang 2017 ein Gesetz, das der arbeitenden Bevölkerung ein „Recht auf Abschalten“ garantiert. Wie? Abschalten? Und, wäre das nicht auch etwas für Sie und Ihr Team?

Fluch und Segen

Wie man es dreht und wendet – die Digitalisierung mit dem mobilen Internet als unermüdlichem Zugpferd hat ihre Schattenseiten. Die sich vor allem auf die Welt der Arbeit senken und augenscheinlich vor allem jungen Menschen Sorgen bereitet. Die Generation Z „will eine klare Trennung zwischen Privatleben und Beruf, strebt nicht mehr nach Karriere und Verantwortung, blockiert im Extremfall nach Dienstschluss den Kontakt des Chefs auf dem Smartphone und strebt vor allem nach Sicherheit“, bringt es der Generationenforscher Professor Christian Scholz und Autor des vielbeachteten Buchs „Generation Z“ kurz und knackig auf den Punkt. „Das, was die Arbeitswelt 4.0 fordert, macht krank“, fährt er fort. Zu diesen Forderungen zählt Scholz die immer stärker voranschreitende Verschmelzung von Arbeit und Beruf, die Erwartung einer maximalen Flexibilität seitens der Arbeitgeber und Chefs, aber auch lärmende Großraumbüros und geteilte Schreibtische.

Aber nicht nur die jungen Generationen sind davon betroffen. Für alle Arbeitnehmer – Teammitglieder wie Führungskräfte gilt: Die Erholungsphasen, die jeder Mensch essenziell benötigt, werden bei ständiger Erreichbarkeit durch Arbeitsphasen unterbrochen und auch verkürzt. Die Betroffenen können sich in ihrer Freizeit kaum noch vom Job distanzieren und wirklich abschalten.

2 gute Gründe, warum Sie das Handy auch mal ausmachen sollten.

 

1. Permanente Erreichbarkeit macht krank

Zahlreiche Studien und Expertisen belegen, dass „man für die Mehrheit der deutschen Beschäftigten von einer erweiterten arbeitsbezogenen Erreichbarkeit sprechen kann“, wie es die Hans Böckler-Stiftung noch recht vorsichtig formuliert. Die daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen für jeden Arbeitnehmer benennt sie allerdings deutlich, denn sie können gravierend sein: „Je mehr Arbeitsangelegenheiten ins Privatleben Einzug halten, desto größer sind arbeitsbedingte Befindensbeeinträchtigungen (Burn-out, Stress, Nicht-Abschalten, Schuldgefühle).“ Anders formuliert: Die permanente Erreichbarkeit ist ein Krankmacher. Denn auf eine kurzfristige Produktivitätserhöhung folgt der tiefe Absturz der Leistungsfähigkeit und die Krankmeldung. Die „Initiative Gesundheit und Arbeit“ fand 2016 heraus, dass die erweiterte Erreichbarkeit selbst dann krankmacht, „wenn sie von den Beschäftigten freiwillig gewählt ist, positiv empfunden oder als notwendig angesehen wird“. Die Kölner Diplom-Psychologin Dr. Bettina Fromm sieht die „permanente mediale Erreichbarkeit und die veränderten Arbeitsprozesse und –strukturen als eigentlich Ursache für Druck und Angst beim Arbeitnehmer, der dann zur ‚selbstgewählten’ Überlastung führt“. So viel zu selbstgewähltem Stress …

2. Abschalten tut gut

Das Gesetz zum „Recht auf Abschalten“ in Frankreich ist aus genau dieser Erkenntnis geboren, dass permanente Erreichbarkeit ein Krankmacher ist. „Sinn dieser Maßnahmen ist es, sicherzustellen, dass Ruhezeiten sowie […] eine Balance zwischen Arbeit wie auch Familien- und Privatleben respektiert wird“, erklärte das französische Arbeitsministerium. Man sollte meinen, dass es dafür nicht unbedingt ein Gesetz braucht… Sondern vielmehr Chefs und Führungskräfte, die über eine gesunde Portion Menschenverstand verfügen und erkennen, dass nur ausgeruhte und erholte Mitarbeiter auch glückliche Mitarbeiter sein können. Die langfristig gesehen deutlich produktiver sind.

Und bei uns? In Deutschland gehen tatsächlich – ohne gesetzgeberischen Druck – einige Konzerne mit gutem Beispiel voran. Dort wurden Mechanismen eingeführt, die die Mitarbeiter vor permanenter Erreichbarkeit schützen sollen. So werden bei Daimler und AXA die Mailzugänge nach Dienstschluss einfach gesperrt oder Mails auch automatisch gelöscht.

Und Sie als Führungskraft?

Ok, mit dem Mailjunkie haben wir vielleicht ein wenig übertrieben. Sorry! Aber was können Sie als guter Chef dafür tun, dass die rote Linie bei Ihren Mitarbeitern nicht dauerhaft überschritten wird? Diplom-Psychologin Dr. Bettina Fromm weiß Rat: „Prinzipiell muss sich das Denken ändern. Aktuell wird ein „Burnout“ eher mit Leidenschaft und Verausgabung assoziiert und cooler wahrgenommen als eine Depression. Wenn der Chef selbst keine Pausen macht, wird es den Mitarbeitern schwerer fallen, diese für sich durchzusetzen. Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter etwa durch folgende Maßnahmen unterstützen:

mit gutem Beispiel vorangehen, d.h. Pausen einhalten, nicht krank zur Arbeit kommen

– Überstunden auf alle Schultern verteilen

– Pausen akzeptieren und auch zur Erholung nutzen

– in der Pause sind sollten Arbeitsmaterialien und –themen tabu

Power-Nappings ermöglichen

realistische Ziele definieren und dadurch Produktivität und Motivation steigern

– Möglichkeiten zur Partizipation an der Entwicklung des Unternehmens schaffen

transparente Kommunikation und regelmäßige Mitarbeitergespräche auf Augenhöhe entwickeln

betriebliches Gesundheitsmanagement fördern, z.B. Sportangebote und Gesundheitstage

Coachings zur Stressbewältigung

Um diese Tipps gewinnbringend für Unternehmen und Mitarbeiter umzusetzen, müssen Sie jetzt auch nicht unbedingt nach Frankreich auswandern. Obwohl …

Über den Autor

Jörg Peter Urbach ist Autor, Redakteur und Blogger aus Sprachleidenschaft. Seit mehr als 25 Jahren schreibt er. Für Print und Online. Konzepte. Geschichten. Fachartikel. Nach seinem Studium der Musikwissenschaft, Germanistik und Literaturwissenschaft arbeitete Jörg Peter als Editorial Manager im klassischen Musikbusiness. Als langjähriger Chefredakteur des Portals wissen.de weiß er, wie man Leser begeistert und Themen findet.

Wenn der gebürtige Kieler nicht schreibt, durchwandert und fotografiert er die Alpen. Oder lauscht der Oper. Mit Achtsamkeit

Quelle: experteer-Magazin

29 März 2019

Diversity: Vielfältige Teams treffen bessere Entscheidungen

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Diversity: Vielfältige Teams treffen bessere Entscheidungen

Vielfältige Teams sind erfolgreicher. Stefanie Peters von Enable2grow, eine Wachstumsberatung für digitale Wirtschaft & Transformation, erklärt, warum vor allem die subtilen, nicht sichtbaren Aspekte entscheidend sind.

Frau Peters, welche Bereiche umfasst der Begriff Diversity?

Stefanie Peters: Bei Diversity denken viele erst einmal an die sichtbaren Komponenten wie Geschlecht, Alter und Hautfarbe, eventuell sichtbare Behinderungen. Doch es ist wichtig, sich bewusst zu werden, dass Diversity aus sehr viel mehr Komponenten besteht. Die darunterliegenden Aspekte sind nämlich die eigentlich spannenden.

Zum Beispiel?

Die kognitive Präferenz: Bin ich eher introvertiert oder extrovertiert, gehe ich gerne ins Detail oder bin ich der big picture-Typ, verlasse ich mich mehr auf Zahlen, Daten, Fakten oder vertraue ich meiner Intuition? Das sind alles extrem wichtige Dimensionen in der Teamarbeit von Unternehmen. Es geht dabei nicht um gut oder schlecht, sondern einfach nur um andersartig. Man hat schon vor Jahren festgestellt, dass, wenn man ein Team nach kognitiven Präferenzen durchmischt, die besten Sachen herauskommen. Bei Insead wurde schon vor zwanzig Jahren der Myers-Briggs-Persönlichkeitstest intensiv genutzt, um möglichst diverse Teams zusammenzustellen.

Neben den äußerlichen Merkmalen und der kognitiven Präferenz spielen bei Diversity natürlich auch Faktoren wie soziale Herkunft, Einkommen, Hobbys, Angewohnheiten, Familienstand und sonstige Erfahrungen eine große Rolle. Genauso bringen natürlich auch Menschen aus verschiedenen Abteilungen neue Perspektiven auf ein Projekt.

Wie hängt die Heterogenität eines Teams mit dessen Erfolg zusammen?

Man kann ein Problem nur dann bestmöglich lösen, wenn man es von vielen Perspektiven aus betrachtet. Und die bekommt man nur, wenn man das Team vielfältig aufstellt. Zwar hat man dann am Anfang einen höheren Aufwand, weil man sich verschiedene Meinungen anhören muss. Auch die Kommunikation ist schwieriger, wenn zum Beispiel ein technisch orientierter Mitarbeiter die Dinge anders versteht als jemand, der aus dem Marketing kommt. Aber der Aufwand zahlt sich aus, weil man am Ende deutlich effektiver ist. Weil man schon im Vorfeld Dinge sieht, an die man in einem sehr homogenen Team nicht gedacht hätte und die einem sonst später auf die Füße gefallen wären. Mit vielfältigen Teams werden die langfristig besseren Entscheidungen gefällt, auch wenn sie ein bisschen länger dauern.

Aber man muss die Unterschiedlichkeit in der Entscheidungsfindung auch zulassen und die Diskussion nicht gleich wieder abbrechen. Es geht nicht nur darum, dass Team vielfältig aufzustellen, sondern auch darum, jedem einzelnen Teammitglied eine Stimme zu geben. Gerade auch den Leiseren, den Introvertierten, den Jüngeren, den Vorsichtigen. Die sollte man auch mal bewusst nach ihrer Meinung fragen.

Und wie kann man als HR die Geschäftsführung davon überzeugen, dass man das Team vielfältig aufstellen sollte?

Man muss den zahlengetriebenen weißen Männern, die größtenteils nun mal die Business-Welt beherrschen, einfach auch Zahlen entgegenhalten. Eine Studie von McKinsey hat untersucht, ob Unternehmen mit höherem Frauenanteil im Top-Management auch finanziell besser dastehen. Tatsächlich kam heraus, dass bereits bei einer 10-prozentigen Steigerung der Frauenquote im Führungsteam auch der EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) um 3,5 Prozentpunkte höher lag. Und das ist nur die Dimension Frauen! Jetzt kann man sich gar nicht ausmalen, wie viel erfolgreicher ein Unternehmen sein kann, wenn Diversität noch mehr gelebt wird.

Wenn die Zahlen nicht reichen, um zu überzeugen: Gibt es noch weitere wichtige Punkte?

Auch ein gutes Argument: Der Vergleich mit dem Begriff des Diversifizierten Portfolios aus dem Finanzwesen, nach dem Motto: Don’t put all eggs in one basket. Wenn man viel Geld anlegen möchte, ist es risikoärmer, es vielseitig anzulegen, also zum Beispiel eine Immobilie zu kaufen, ein bisschen in Gold anzulegen, ein paar Aktien zu kaufen und ein bisschen Cash zu behalten. Das gleiche auch mit dem Personal zu praktizieren, ist nur die absolut logische Ableitung davon. Ich habe in einem Unternehmen ein geringeres Risiko und damit eine höhere Chance auf Erfolg, wenn ich die in den meisten Unternehmen wichtigste Ressource, nämlich die Menschen, auch divers aufstelle. Diese Logik leuchtet vielen sehr rational denkenden Menschen ein.

Alle reden von Diversity, doch am Ende stellen viele dann doch den Bewerber oder die Bewerberin ein, der oder die ihnen selbst am ähnlichsten ist. Wie können Personaler und Führungskräfte dafür sorgen, dass ihr Team wirklich vielfältig wird?

Der erste Schritt wäre, sich unbewusste Vorurteile überhaupt erstmal bewusst zu machen und zum Beispiel ein Training zum Thema „unconscious bias“ anzubieten. Wir alle haben einen unbewussten Hang dazu, Menschen in bestimmte Schubladen zu stecken und das ist gepaart mit dem leider nachgewiesenen Fakt, dass wir alle dazu tendieren, Leute zu mögen und damit auch einzustellen, die uns ähnlich sind. Entsprechend behagt es uns erst einmal nicht, mit einer Person enger zusammen zu arbeiten, die anders ist. Das ist gerade in vielen traditionellen deutschen Unternehmen ein Problem.

Wie kann man das lösen?

Man kann das Muster nur aufbrechen, wenn man sich bewusst macht, dass homogene Teams uns nicht weiterbringen, genauso wenig wie Chefs, die nur „Jasager“ einstellen. Die Rolle der Führungskraft ist heute eine andere als früher: Sie sollen nicht ständig ihre Macht demonstrieren, sondern ruhig auch mal zeigen, wo ihre Schwächen liegen, wo sie sich nicht so auskennen und im Team fragen, wer dazu etwas sagen kann. Damit hat die Führungskraft auch viel mehr Glaubwürdigkeit und Authentizität als die Chefs, die alles besser zu wissen meinen.

Es hängt also an den Führungskräften?

Hart gesagt: Unsichere Chefs sind diejenigen, die Leute einstellen, die genauso sind wie sie, denn dann müssen sie nicht umdenken, weil sie immer einer Meinung sind. Aber damit kommt man nicht weiter, damit kann man keine Innovation schaffen. Lieber sollte man sich fragen: Welche anderen Perspektiven brauchen wir in unserem Business? Wenn wir zum Beispiel ein Unternehmen mit größtenteils Ingenieuren haben, sollte man Mitarbeiter mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund, Querdenker und Kreative einstellen. Oder wenn man eine Dependance in Frankreich hat, könnte man jemanden einstellen, der sehr gut französisch spricht. Man sollte also ruhig ganz pragmatisch vorgehen, ohne in die totale Fremde zu gehen, wo sich dann keiner mehr wohlfühlt. Stattdessen kann man Schritte gehen, die rational begründbar sind, aber trotzdem mehr Vielfalt in die homogene Suppe bringen.

Worauf muss man bei der Führung eines heterogenen Teams besonders achten? Was sind die Herausforderungen dabei? Kann es vielleicht auch gerade durch Diversität zu Spannungen kommen?

Man muss sich in einem divers aufgestellten Team erst einmal kennenlernen und austauschen. Man muss verstehen, warum der ein oder andere Teamplayer mit einer gewissen Haltung dazukommt und vielleicht ein bisschen dagegen schießt, wo die anderen völlig einer Meinung sind. Natürlich kommt es dabei zu gewissen Spannungen, Dinge dauern länger, man diskutiert mehr, Leute werden ungeduldig, es gibt Machtspiele. Das Team wird den typischen Prozess der vier Phasen „forming – storming – norming – performing“ durchlaufen, aber dann ist ein produktives Team am Start.

Und trotzdem bringt das einen besseren Outcome?

Ja, genau das ist wertvoll. Dann lerne ich, der Person einfach mal zuzuhören und wenn ich etwas nicht verstehe oder anderer Meinung bin, dann frage ich danach. Wenn man das mit einer gewissen Offenheit konstruktiv angeht, dann sind die Spannungen innerhalb von ein, zwei Wochen gegessen und man kann zu einem ganz großartig effektiv arbeitenden, produktiven Team werden, was deutlich mehr Spaß an der Arbeit hat als eins, in dem sich alle von Anfang an verstehen. Wir kommen nur dann weiter, wenn es auch Reibung gibt. Vor allem, wenn es um neue Produkte geht, wenn es darum geht, innovativ oder auch disruptiv zu denken, spannende neue Dinge zu entwickeln.

Welche Probleme drohen Unternehmen, die nicht auf Diversity achten?

Solche Unternehmen sind, langfristig gesehen, nicht zukunftsfähig. Wenn ich produktiv sein will, brauche ich divers aufgestellte Teams, aber auch, wenn ich ein attraktiver Arbeitgeber sein will. Natürlich ist das immer ein bisschen zu differenzieren und zu relativieren. Wenn ich nun ein Unternehmen aus der Schwäbischen Alb bin und bisher nur Mitarbeiter aus 50-Kilometer-Umkreis hatte, dann werde ich mit einer leichten Steigerung der Diversität auch schon etwas bewegen und gewinnen. Das heißt in dem Fall zum Beispiel, ich stelle ein paar mehr Frauen ein und erweitere auf Mitarbeiter aus einem 100-Kilometer-Umkreis. Hier erwartet ja zum Beispiel keiner, dass ich gleich richtig international werde.

Wie ist das bei Unternehmen in Ballungszentren?

Wenn ich einer Großstadt bin und da ein Unternehmen biete, was so geführt wird und von den Mitarbeitern so strukturiert ist wie vor 100 Jahren, darf ich mich nicht wundern, wenn da keiner mehr arbeiten will oder wenn ich an Innovation verliere. Wenn ich ein attraktiver Arbeitgeber sein und mit der Zeit gehen will, muss ich in Diversität investieren – lieber früher als später. Denn den Ruf als Arbeitgeber zu verändern oder positiv aufzubauen, ist gar nicht so einfach. Man muss rechtzeitig damit anfangen, sonst fährt der Zug ganz schnell ohne einen ab.

Über die Autorin

Senta Gekeler arbeitet in der Online-Redaktion des Human Resources Manager bei Quadriga Media Berlin. Davor war sie als Redakteurin bei verschiedenen Blogs und Magazinen zu den Themen Job & Karriere, Lifestyle, Reisen und Digitalisierung tätig. Sie hat Vergleichende Literaturwissenschaft in Augsburg und Sevilla studiert.

Quelle: Human Ressource Manager

15 Februar 2019

Die Herausforderungen beim Arbeiten im Home-Office

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Allein zuhause wird niemand glücklich

Die Herausforderungen beim Arbeiten im Home-Office

Auch wenn ein Unternehmen mobiles Arbeiten fördert, sollten Mitarbeiter regelmäßig zu persönlichen Treffen zusammenkommen. Eine neue Studie gibt Ratschläge, wie man den Home-Office-Frust vermeiden kann.

Im Zuge der Digitalisierung verändern sich klassische Arbeitsmodelle. Das Home Office wird immer beliebter, lassen sich viele Arbeiten doch auch bequem daheim erledigen. Doch das bringt auch Probleme mit sich, wie ein Forscherteam des Projekts Digitrain 4.0 nun klarstellt.

Die Zwischenergebnisse der Forschungen des Digitrain-Teams, die nun veröffentlicht wurden, zeigen, dass mit flexiblen Arbeitsmodellen neue Probleme in Betrieben drohen: zum Beispiel, dass Kollegen sich weniger gut integriert fühlen, der persönliche Austausch fehlt und fachliche Herausforderungen mit Kollegen im Home Office zum Teil schwerer zu lösen sind.

Fördert ein Betrieb aber regelmäßige persönliche Treffen und eine Vertrauens- und Fehlerkultur, kann das den Experten zufolge einer Entfremdung entgegenwirken, den Zusammenhalt und die Verbundenheit im Unternehmen stärken sowie ein Arbeitsumfeld mit Raum für Ideen und Innovation schaffen. Ein starker sozialer Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung im Betrieb helfen wiederum dabei, dass Mitarbeiter besser mit Stress umgehen können.

Quelle: XING New Work Experience

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